Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420366/33/WEI/Ni

Linz, 09.02.2004

 VwSen-420366/33/WEI/Ni Linz, am 9. Februar 2004

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des Dr. M T, K , P, vertreten durch Dr. P B, Rechtsanwalt in L, D, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 17. Mai 2003 durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung vom
26. November 2002 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, dass die am 17. Mai 2003 in der K in L ab 16.43 Uhr erfolgte Festnahme und die nachfolgende Anhaltung des Beschwerdeführers bis 21.20 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz rechtswidrig war und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt hat. Im Zuge der Durchführung dieser Festnahme und Anhaltung wurde der Beschwerdeführer zudem im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, dadurch verletzt, dass gegen ihn unnötige und unangemessene Zwangsgewalt angewendet und er dabei am Körper mehrfach verletzt wurde, indem er unter Anwendung eines Würgegriffs zu Boden gerissen, mit Knien am Genick und Rücken sowie Unterkörper von zwei Polizeibeamten in einer Seitenlage fixiert und minutenlang mit dem Kopf am Asphaltboden festgehalten worden ist und sich dabei die nicht arretierten Handfesseln durch den ausgeübten Druck enger stellen konnten, was für den Beschwerdeführer mit erheblichen Verletzungen und Schmerzen an den Handgelenken verbunden war.

II. Der Bund (Verfahrenspartei Bundespolizeidirektion Linz) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 1.523,60 Euro (darin enthalten Bundesstempel von 36,80 Euro) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 und § 67c AVG 1991; § 79a AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

Entscheidungsgründe:

1. Mit der am 26. Juni 2003 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Maßnahmenbeschwerde brachte der Beschwerdeführer (Bf) vor, am 17. Mai 2003 in Linz, x, anlässlich einer von Organen der Bundespolizeidirektion durchgeführten Amtshandlung in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Durch widerrechtliche Festnahme um 16.43 Uhr und Anhaltung bis 21.20 Uhr sei er im Recht auf persönliche Freiheit, durch die Anlegung von Handfesseln, Anwendung eines Würgegriffs mit nachfolgendem zu Boden Reissen und Fixieren am Boden mit den Knien, stärker zugezogene Fesselung und Beleidigungen im Gebäude der Bundespolizeidirektion Linz sei er im Recht nach Art 3 EMRK, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, und insgesamt auch in seinen einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten nach §§ 35, 36 VStG verletzt worden.

Im Wesentlichen wird in der Beschwerde und der ergänzenden Stellungnahme vom 9. September 2003 folgender Sachverhalt geschildert:

Der Bf habe am 17. Mai 2003 gegen 16.30 Uhr in der K seinen Mercedes Geländewagen, vor dem Geschäft "A" im Bereich der Umkehrschleife geparkt, um auf seine mj. Tochter J, die bei x eine Hose umtauschen sollte, zu warten, als ein Fahrzeug der belangten Behörde aus der Fußgängerzone kommend sich näherte und stehen blieb. Ein Polizeibeamter (AbtInsp L) habe sich dann zu dem im Fahrzeug sitzenden Bf begeben, der diesem sehr höflich die Umstände erklärt hätte und dass er längstens in zwei bis drei Minuten wieder wegfahren würde. Ohne darauf einzugehen, hätte ihn der Polizeibeamte zum unverzüglichen Wegfahren aufgefordert. Da er niemanden behinderte, hätte der Bf Verständnis für diese Ausnahmesituation erwartet. Nach abermaliger Aufforderung wegzufahren, hätte er gesagt, dass er dem eh gleich nachkommen werde. Über weitere Aufforderung hätte er dem Polizisten die Fahrzeugpapiere ausgehändigt. Nach einem Blick darauf hätte dieser mit Unterton gesagt: "Da muss ich Sie anzeigen, Herr Doktor!" Daraufhin zeigte ihm der Bf die kalte Schulter und ließ den Polizisten wissen, dass er auf jeden Fall auf seine Tochter warten würde. Der Bf hätte die zunehmende Erregung des Beamten bemerkt und noch gedacht: "Der hat einen Akademikerkomplex!"

Der Polizist wäre dann etwas weggegangen und hätte ihm völlig zusammenhanglos zugerufen, dass man sich vor Gericht wiedersehen würde. Der Bf hätte dies verneint, worauf der Polizist ohne jede Begründung meinte, er werde den Bf festnehmen. Die Tochter des Bf wäre etwa zu diesem Zeitpunkt wieder im Auto gesessen und irritiert gewesen, worauf er sie beruhigte. Der Polizist hätte daraufhin sichtlich erregt die Autoschlüssel verlangt. Der Bf bat den Polizisten, ihn wegfahren zu lassen, zumal dieser alle Daten aus den Fahrzeugpapieren notiert hatte. Daraufhin hätte der Polizist in das Auto gegriffen, die Schlüssel abgezogen und wutentbrannt die Türe zugeknallt. Er hätte dabei den linken Unterschenkel des Bf getroffen, der ihm sagte: "Sie tun mir weh!" Der Polizist hätte ihn dann aufgefordert auszusteigen. Der Bf hätte dann noch einmal die Situation zu erklären versucht und gebeten wegfahren zu dürfen. Ohne zuzuhören hätte der Polizist per Funkgerät Verstärkung angefordert. Nach wenigen Minuten des Schweigens schleuderte ein weiteres Polizeifahrzeug mit Blaulicht und Folgetonhorn von der L in die K und bremste abrupt. Zwei Polizeibeamte (RevInsp W und Insp R) wären aus dem Fahrzeug gesprungen und herbeigelaufen, wobei sie sich im Laufen noch Lederhandschuhe angezogen hätten. AbtInsp L hätte auf den Bf gedeutet und gesagt: "Das ist er, nehmts ihn mit!" Ohne dass über den Grund der Amtshandlung gesprochen worden wäre, wäre die Lenkertüre aufgerissen und der Bf aus dem Auto geholt worden. Der Bf leistete keinen Widerstand. Er wurde abgetastet und man legte ihm rücklings Handschellen an.

Die Amtshandlung erregte mittlerweile Aufsehen und es bildete sich eine Menschentraube. Die Tochter des Bf hätte das Auto verlassen und wäre tränenüberströmt und völlig verängstigt alleine dagestanden. Der Bf hätte seine Tochter beruhigen und sie auffordern wollen, per Handy die Mutter zu verständigen. Deshalb hätte der Bf in dieser Phase verzweifelt versucht, zu seiner Tochter zu gelangen. Er wäre jedoch sofort zu Boden gerissen und seitlich am Boden fixiert worden. Ein Polizist kniete auf seinem Kopf und im Schulterbereich und ein zweiter am Unterkörper, obwohl der Bf keinen aktiven Widerstand geleistet hätte. Als dann noch die Finger seiner Hände gewaltsam zurückgedehnt und er wegen seiner Hilfeschreie abermals gewürgt worden wäre, hätte der Bf Todesängste ausgestanden. Auch die Handschellen wären noch fester zugezogen worden. Danach wäre der Bf in seiner Verzweiflung so erstarrt gewesen, dass er kein Wort mehr sagen und keine Bewegung mehr machen hätte können. Obwohl er bewegungslos und stumm gewesen wäre, hätte man ihm die demütigende und überaus schmerzhafte Situation nicht erleichtert. Schließlich wäre er von zwei Polizisten zum Arrestantenwagen geschleppt und in die Bundespolizeidirektion zum Journaldienst gebracht worden. RevInsp W hätte ihn dabei mit "du Arschloch, wahrscheinlich stehst du unter Drogen oder Alkohol" beschimpft. Von Insp R wäre er in den Arrest gebracht worden. Der Bf hätte keinen Polizeibeamten beleidigt. Diese wären aber von den Umstehenden massiv beschimpft worden. Der Bf hätte nur hilfesuchend zu den Leuten gerufen, dass er bloß falsch parkte und man sich um seine Tochter kümmern möge. Die Handschellen wären ihm erst abgenommen worden, als seine später eingetroffene Gattin dies verlangte. Nach der niederschriftlichen Vernehmung wäre der Bf um 21.20 Uhr enthaftet worden.

Durch den unverhältnismäßigen Polizeieinsatz sei der Bf mehrfach erheblich verletzt worden. Er habe Würgemale am Hals, Abschürfungen und Schwellungen an beiden Handgelenken und am Kopf, eine Prellung und Abschürfung am linken Ellbogen und am linken Knie, ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule sowie eine druckbedingte Schädigung des Speichennervs beidseitig erlitten. Mehr als 14 Tage nach dem Vorfall sei bei einer Kernspintomographie noch ein Knochenmarksödem an der Elle rechts im Bereich der angelegt gewesenen Handfesseln und ein Weichteilödem festgestellt worden. Die Nervenschädigung werde nach Auskunft des Neurologen noch mehrere Monate anhalten (vgl Vorlage von Kopien folgender Urkunden: Ambulanzblatt des AKH Linz vom 17.05.2003; Radiologischer Befund Dris. S vom 03.06.2003 und Arztbrief des Facharztes Dr. B vom 11.06.2003).

Abschließend stellte der Bf daher den Antrag auf kostenpflichtige Erlassung der folgenden Entscheidung:

"Der Beschwerdeführer ist durch seine Festnahme um 16.43 Uhr des 17.5.2003 durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz in der K in Linz nahe dem 'A' und seine nachfolgende Anhaltung bis 21.20 Uhr des gleichen Tages in der BPD Linz im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und dadurch, dass er bei seiner Festnahme von Organen der BPD Linz gefesselt, in den Würgegriff genommen, zu Boden gerissen, am Boden liegend mit Knien fixiert, die Handfesseln noch stärker zugezogen wurden und am Weg zum Journalbeamten im Gebäude der BPD Linz von RI W zutiefst beleidigt wurde, im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art. 3 EMRK) sowie in seinem Recht, nicht entgegen den Bestimmungen der §§ 35, 36 VStG festgenommen und angehalten zu werden, verletzt worden."

2.1. Die belangte Behörde hat mit Schriftsatz vom 5. August 2003, Zl. P-2013, eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unberechtigt abzuweisen bzw als unzulässig zurückzuweisen.

Nach der Sachverhaltsdarstellung in der Gegenschrift fand AbtInsp L den Bf im sitzend beim Haus in der K im Halte- und Parkverbot mit Zusatztafel Abschleppzone vor. Da es sich um einen Umkehrplatz handelte und andere Fahrzeuge bereits umkehren wollten, jedoch durch das abgestellte Fahrzeug gehindert gewesen wären, hätte AbtInsp L den Lenker höflich ersucht, den Umkehrplatz freizumachen. Dieser hätte ihm jedoch mitgeteilt, dass er auf seine Tochter warte und erst wegfahren werde, wenn sie von einem Einkauf zurückkomme. Auch ein weiteres Ersuchen hätte der Bf abgelehnt, worauf ihm AbtInsp L sagte, er müsse ihn anzeigen und im Extremfall sogar festnehmen. Der Bf hätte ihm zu verstehen gegeben, dass er nicht wegfahre, solange seine Tochter nicht zurück sei. Als der Polizist dem Bf schließlich mitgeteilt hätte, dass er ihn anzeigen werde und zu diesem Zweck die Fahrzeugpapiere und den Führerschein verlangte, hätte dieser lautstark durch das geöffnete Seitenfenster entgegnet: "Dann zeig mich an, du Trottel, du hast ja kein Hirn!" Während der Bf die Papiere übergab, hätte er den Beamten weiter als "Trottel" und "Depperter" beschimpft. Schließlich wäre er aus dem Fahrzeug ausgestiegen, beschimpfte den Polizisten weiterhin aufs Gröblichste und hätte kurzfristig eine Drohgebärde eingenommen. Der Polizeibeamte forderte daraufhin über Funk Unterstützung an. Zwischenzeitlich wäre die Tochter des Bf gekommen und hätte ihren Vater gefragt, was los sei. Dieser hätte geantwortet: "Dieser Trottel möchte mich festnehmen." Mehrmalige Aufforderungen an den Bf, sein Verhalten einzustellen und sich zu beruhigen, wären erfolglos geblieben. Obwohl schließlich die Festnahme ausgesprochen worden wäre, hätte sich der Bf wieder in sein Fahrzeug gesetzt. Als maßhaltende Zwangsmaßnahme hätte AbtInsp L die Fahrzeugschlüssel abgezogen und an sich genommen. In der Zwischenzeit wäre die angeforderte Unterstützung (RevInsp W und Insp R) eingetroffen und angewiesen worden, die Festnahme durchzusetzen und Handfesseln anzulegen. Den Aufforderungen des RevIns W wäre der Bf nachgekommen. Er legte auch die Hände auf den Rücken und ließ sich Handfesseln anlegen. RevInsp W erfasste den Oberarm des Bf und ging mit ihm einige Schritte in Richtung Funkwagen, als der Bf plötzlich versucht hätte, mit den am Rücken gefesselten Händen die Hoden des Beamten zu quetschen. Er hätte aber nur den Hosenstoff erwischt, weil der Beamte einen Schritt zur Seite hätte machen können. Außerdem hätte der Bf laut umhergeschrieen und versucht, sich loszureißen und mit den Füßen gegen den Beamten zu treten. RevInsp W hätte durch einen Schritt zurück den Attacken ausweichen können. Der Bf hätte sich kurzzeitig losreißen können und wäre nach einigen Metern wieder vom Polizeibeamten gefasst worden, worauf er abermals versucht hätte, die Hoden des Beamten zu ergreifen und zu quetschen. Daraufhin hätte ihn RevInsp W aus Gründen der Eigensicherung von hinten mit einer Hand in den Würgegriff genommen und mit der zweiten Hand nach hinten gezogen. Am Boden liegend hätte der Bf lautstark um Hilfe geschrieen, die Beamten beschimpft und versucht wieder aufzustehen. Außerdem hätte er ständig mit den Füßen um sich getreten. RevInsp W hätte eine Fixierung nur erreichen können, dass er mit dem rechten Knie gegen seinen Rücken und mit dem linken gegen seinen Hals drückte, während Insp R mit Mühe die Beine fixierte. Am Boden liegend hätte der Bf die Beamten als "Wixer" und "Prügelpolizei" beschimpft. Der Bf wäre in weiterer Folge auch nach § 177 iVm § 175 Abs 1 Z 1 StPO für festgenommen erklärt worden. Danach wäre er ruhig liegen geblieben und auch nach Eintreffen des Arrestantenwagens nicht aufgestanden. Er hätte sich zum Arrestantenwagen tragen lassen und wäre dann ins Amtsgebäude N verbracht, amtsärztlich untersucht und niederschriftlich einvernommen worden.

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am 26. November 2003 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Bf, seines Rechtsvertreters Dr. B und des Vertreters der belangten Behörde OR Mag. Dr. K durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Einsicht in bezughabende Verwaltungsakten, Verlesung von diversen Urkunden und Fotos sowie des Strafakts 21 Hv 89/03a des Landesgerichts Linz betreffend die Strafsache gegen den Bf wegen §§ 115 Abs 1, 117 Abs 2 StGB und §§ 15, 269 Abs 1 StGB. Als Zeugen wurden die Sicherheitswachebeamten AbtIns L, RevInsp W, Insp R sowie Frau H D einvernommen.

3.2. Mit h. Beschluss vom 26. September 2003 wurde das Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Strafverfahren gegen den Bf vor dem Landesgericht Linz zu 21 Hv 89/03a gemäß § 38 AVG ausgesetzt. Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 6. Oktober 2003, Zl. 21 Hv 116/03x, wurde der Bf von der gegen ihn mit Strafantrag vom 28. Mai 2003 erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. In der gekürzten Urteilsausfertigung wurde als Grund des Freispruches "Kein Schuldbeweis" angekreuzt (vgl Gerichtsakt, Seite 213, ON 12).

Die Staatsanwaltschaft Linz erhob mit Eingabe vom 28. Mai 2003, Zl. 5 St 192/03d, gegen den Bf folgenden

S T R A F A N T R A G :

Dr. M A T habe am 17.5.2003 in LINZ von der gegen ihn mit Strafantrag vom 28. Mai 2003 erhobenen Anklage er habe in Linz

  1. öffentlich den Polizeibeamten AbtInsp. G L durch die Äußerungen "Dann zeig mich an du Trottel, du hast ja kein Hirn", "Dieser Trottel möchte mich festnehmen!" sowie mit den Worten "Trottel und Depperter" beschimpft;

  2. dadurch, dass er RevInsp. W zweimal im Bereich der Hoden ergriff und zuzudrücken versuchte, sowie RevInsp. G
    W und Insp. R mehrfach Tritte zu versetzen versuchte, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern versucht.

Dr. M A T habe hiedurch

zu 1.) das Vergehen der Beleidigung nach §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 2 StGB,

zu 2.) das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach

den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 1. Fall StGB begangen und er sei hiefür unter Anwendung des § 28 StGB nach dem 1. Strafsatz des § 269 Abs. 1 StGB zu bestrafen.

 

3.3. Auf Grund der aktenkundigen Beweislage und der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung geht das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates von folgendem erwiesenen S a c h v e r h a l t aus:

3.3.1. Am 17. Mai 2003 gegen 16.30 Uhr stellte der Bf seinen Mercedes Geländewagen, in einem Umkehrbereich in der K parallel zum Gehsteig vor dem Geschäft "A" im Halte- und Parkverbot mit Zusatztafel Abschleppzone unmittelbar vor Beginn der Fußgängerzone der querenden Landstraße ab, blieb in seinem Fahrzeug sitzen, um auf seine mj. Tochter J, die bei x in der Mozartstraße eine Hose umtauschen wollte, zu warten. Kurz darauf näherte sich AbtInsp G L mit seinem Dienstfahrzeug aus der Fußgängerzone kommend, betätigte noch die Lichthupe und blieb einige Meter vom Bf entfernt im Bereich der Fußgängerzone stehen. Er begab sich dann um etwa 16.35 Uhr zu dem im Fahrzeug sitzenden Bf, um ihn zu beanstanden. Der Polizist forderte den Bf durch das geöffnete Seitenfenster auf, unverzüglich wegzufahren, um den Umkehrplatz freizumachen. Der Bf erklärte dem Beamten, dass er nur auf seine Tochter warte und dann gleich wieder wegfahren würde. Davon unbeeindruckt verlangte AbtInsp L vom Bf weiterhin, dass er wegfahren möge. Der Bf reagierte abermals ablehnend und versuchte Verständnis für seine Warteposition zu erreichen. Der Polizeibeamte erklärte ihm, dass dies nicht möglich wäre und dass er ihn anzeigen müsste, wenn er sein Fahrzeug nicht sofort aus der Abschleppzone entfernt. Der Bf gab ihm zu verstehen, dass er auf seine Tochter warten werde. Daraufhin ließ sich der Polizist den Führerschein und die Fahrzeugpapiere aushändigen. In weiterer Folge verschärfte sich die verbale Auseinandersetzung, wobei der Bf zumindest auch Unmutsäußerungen von sich gab und der Polizist ihn unter Androhung der Festnahme abmahnte. Wegen der renitenten Haltung des Bf geriet AbtInsp L zunehmend in Erregung und sprach schließlich dessen Festnahme gemäß § 35 Z 3 VStG aus (lt. Anzeige von AbtInsp L um 16.43 Uhr). Er konnte auch ins Fahrzeug des Bf greifen und zur Verhinderung des Entkommens den Zündschlüssel abziehen. Er versuchte einige Male das Wachzimmer Sch ("Mitte 20") anzufunken, was aber nicht erfolgreich war. Deshalb hat der Polizist schließlich über die Leitfunkstelle "Donau" mit den Worten: "Hier Mitte 21, bitte Unterstützung K" Verstärkung angefordert.

3.3.2. In der Zwischenzeit war auch die Tochter des Bf an Ort und Stelle eingetroffen, nahm neben ihrem Vater Platz und fragte ihn, was los sei. Darauf sagte ihr der Bf, dass ihn der Polizist festnehmen wollte. Der Bf bat dann AbtInsp L um Rückgabe der Schlüssel, weil er nun nach Ankunft seiner Tochter wegfahren wollte. Dies verweigerte der Polizist, der nur mehr auf die angeforderte Unterstützung wartete. Die erste Verstärkung "Mitte 3" traf innerhalb von wenigen Minuten mit Folgetonhorn und Blaulicht von der Fußgängerzone kommend ein und erregte die Aufmerksamkeit zahlreicher Passanten. In weiterer Folge kamen dann noch weitere Polizeifahrzeuge, sodass im Laufe der Zeit insgesamt 18 Beamte im Einsatz waren. Aus dem in die Konrad-Vogel-Straße mit quietschenden Reifen, einsatzmäßig einfahrenden Funkwagen "Mitte 3" sprangen RevInsp W und Insp R und eilten sich im Laufen noch Lederhandschuhe anziehend, zum Fahrzeug des Bf. Viele unbeteiligte Zeugen gewannen dabei den Eindruck, dass etwas Schlimmes passiert sein müsse. Am Einsatzort erklärte AbtInsp L den eingetroffenen Polizisten kurz, dass der Bf "pampig" geworden wäre, herumschreien würde und sich geweigert hätte, aus der Abschleppzone zu fahren. Deshalb hätte er ihn festgenommen. Er wiederholte diese Festnahme ausdrücklich und forderte den Bf zum Aussteigen auf. Nach einer weiteren Aufforderung durch RevInsp W und dem Flehen seiner weinenden Tochter "Papa, hör jetzt bitte auf" stieg der Bf aus dem Fahrzeug. Er drehte sich um, versuchte noch seine Tochter mit den Worten "Es wird sich alles aufklären" zu beruhigen, legte die Hände aufs Auto und ließ sich in der Folge anstandslos abtasten. AbtInsp L ordnete als Vorgesetzter und dienstführender Beamter an, dem Bf die Handfesseln am Rücken anzulegen und in die Schubertstraße zu verbringen. RevInsp W legte dem keinen körperlichen Widerstand leistenden Bf daraufhin die Handfesseln an, nahm ihn am Oberarm und ging mit ihm in Richtung Funkwagen.

3.3.3. Der weitere Verlauf der Amtshandlung war dann von einer außergewöhnlichen Härte gekennzeichnet. Nach wenigen Schritten wollte sich der Bf noch seiner verängstigt schreienden und weinenden Tochter, die inzwischen ausgestiegen war und allein vor dem Geländewagen stand, zuwenden und drängte zu ihr hin bzw verlangte zu ihr gelassen zu werden, um sie zu beruhigen. Möglicherweise konnte sich der Bf dabei ganz kurz dem Festhaltegriff des RevInsp W entziehen. Dieser verständliche Versuch des Bf, zu seiner aufgelösten Tochter zu gelangen, wurde von RevInsp W völlig falsch aufgefasst. Er zog den Bf jäh zurück und nahm ihn sogleich von hinten in den Würgegriff, um ihn mit Gewalt zu Boden zu reißen. Diese scharfe Rückholaktion ging dem Bf dann doch zu weit und in seiner Verzweiflung versuchte er, mit seinen am Rücken gefesselten Händen den Polizisten am Unterleib zu erwischen. Er konnte aber nur die Hose fassen und so gelang es RevInsp W auch rasch den mit den Füßen strampelnden Bf aus dem Gleichgewicht und zu Boden in eine Seitenlage zu bringen. Der Bf wurde auf der linken Körperseite fixiert, indem sich RevInsp W auf sein Genick sowie Schulter- und Rückenbereich und der ihm mittlerweile zu Hilfe gekommene Insp R auf den Unterkörper kniete, damit der Bf auch nicht mehr mit den Beinen zappeln konnte. In dieser Lage wurde der Kopf des Bf so gegen den Asphalt gedrückt, dass er im Bereich der linken Stirn und über dem Auge Hämatome und Schürfverletzungen erlitt. Außerdem setzte RevInsp W noch einen Handgelenkhebel an, bei dem die Handgelenke nach hinten gebogen werden, angeblich um dem Bf keine Gelegenheit mehr für einen Untergriff zu bieten (Zeuge W, Tonbandprotokoll, Seite 18). In dieser peinlichen Situation konnte sich der Bf kaum mehr bewegen. Er schrie um Hilfe und rief den umherstehenden Leuten mehrmals zu, dass er nur Falschparker wäre.

Die mittlerweile versammelte Menschenmenge ergriff massiv für den Bf Partei und beschimpfte die Polizisten mit Ausdrücken wie "Prügelpolizei" und "Polizeistaat" (Zeuge G, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 14), "Unverschämtheit", "Es ist ein Wahnsinn", "Scheiß Kieberer" (Zeuge Dr. K, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 26), "Ihr gehört suspendiert" (Zeuge AbtInsp L, HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 13). Da die Menschenmenge mit dem Einschreiten der Polizei unzufrieden war und sich eine "beamtenfeindliche" Stimmung breit machte, waren die im Laufe der Zeit zahlreich erschienenen Polizeibeamten damit beschäftigt, die beschriebene Polizeiaktion von der aufgebrachten Menge abzuschirmen (Zeuge Insp R, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 32).

In dieser Situation musste der Bf - wie RevInsp W meinte (HV-Protokoll v 7.08.2003, Seiten 16 und 18) - aus Sicherheitsgründen, damit er sich und andere nicht verletzen könne, minutenlang am Boden in fixierter Position verharren. Danach wurde der sich passiv verhaltende Bf von den Polizisten zum Arrestantenwagen für den Abtransport in das Hauptgebäude der Bundespolizeidirektion Linz in der Nietzschestraße verbracht, um ihn dem Journalbeamten vorzuführen. Dies war notwendig, weil RevInsp W mittlerweile aus eigener Macht die Festnahme wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 177 iVm § 175 Abs 1 Z 1 der Strafprozessordnung (StPO) ausgesprochen hatte.

Durch die bei dieser Zwangsmaßnahme ausgeübte Gewalteinwirkung zogen sich die dem Bf angelegten Handschellen noch fester zu, weil sie zuvor von RevInsp W nicht in einer bestimmten Rasterposition arretiert worden waren (Insp R, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 33; RevInsp W, Tonbandprotokoll, Seite 16) und sich bei Druck ähnlich wie ein Kabelbinder bei Zug in eine engere Position nachstellen konnten. Der Bf erlitt dadurch Schwellungen und Druckstellen mit Blutunterlaufungen und Abschürfungen an beiden Handgelenken (vgl Lichtbilder Nr. 5,7, 8 und 10), die mit länger anhaltenden Sensibilitätsstörungen verbunden waren. Der Neurologe Dr. B B diagnostizierte noch Wochen später im Arztbrief vom 11. Juni 2003 eine "Partielle inkomplette sensible Druckläsion des Nervus radialis und Nervus ulnaris beidseits rechtsbetont" und empfahl die Einnahme eines Vitamin B Präparats durch einige Wochen. An weiteren Verletzungen erlitt der Bf laut Ambulanzblatt des AKH Linz vom 17. Mai 2003, Fallzahl 2003072921, Würgemale am Hals und rechts an der "regio sternocleidomastoideus" sowie eine Prellung und Abschürfung am linken Ellbogen und linken Knie und ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule.

3.4. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist vorausschickend auf das mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsene Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 6. Oktober 2003, Zl. 21 Hv 116/03x-12, zu verweisen, mit dem der Bf vom Vorwurf der öffentlichen Beleidigung des AbtInsp L sowie vom Vorwurf des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt durch zweimaligen Hodengriff und Versetzen von Tritten gemäß § 259 Z 3 StPO mangels Schuldbeweis freigesprochen worden ist. An diesen für die Beurteilung der Amtshandlung teilweise eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG bildenden Spruch des Strafrichters war das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats gebunden und hatte daher zu diesem Thema keine eigenen strafrechtlich relevanten Feststellungen zu treffen

Der festgestellte Sachverhalt wurde aus den Schilderungen des Bf, den angeführten Urkunden und Fotos und aus den zahlreichen Zeugenaussagen, die sich teilweise wesentlich widersprachen, abgeleitet. Dabei waren die Aussagen der Zeugen von unterschiedlicher Bedeutung und Glaubhaftigkeit. Die in der Hauptverhandlung des Landesgerichts Linz vom 6. Oktober 2003 einvernommenen Zeugen ließen ein einigermaßen einheitliches Bild vom Ablauf der Amtshandlung ab dem Einschreiten der von AbtInsp L angeforderten Verstärkung durch RevInsp W und Insp R erkennen. Die Angaben der beteiligten Polizeibeamten waren nach Überzeugung des erkennenden Mitglieds je nach persönlicher Betroffenheit unterschiedlich zu würdigen. Für die erste Phase des Geschehens am 17. Mai 2003 ab 16.35 Uhr gibt es im Wesentlichen nur die widersprechenden Aussagen des Bf und des nach den gegebenen Umständen befangenen Polizisten AbtInsp L. Gegen dessen Darstellung sprechen doch einige Indizien und Aussagen anderer Zeugen. Den Angaben dieses Zeugen konnte daher in wesentlichen Punkten nicht gefolgt werden.

3.5. Dass der Bf während seiner Debatte mit AbtInsp L öffentliches Aufsehen erregend herumgeschrieen habe und ausgestiegen sei, wobei er auch eine Drohgebärde eingenommen haben soll, kann der erkennende Verwaltungssenat auf Grund der gegebenen Beweislage nicht feststellen. Zum Umstand, dass der Bf ausgestiegen und sich nach Art einer Drohgebärde vor dem Polizisten aufgebäumt hätte (Zeuge L, HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 9 f; Tonbandprotokoll, Seite 4), sind keinerlei Wahrnehmungen anderer Zeugen vorhanden. Auch den Aussagen der in der Anfangsphase in der Nähe auf einem Grünstreifen spielenden Kinder der Frau D ist nichts Dergleichen zu entnehmen (vgl näher HV-Protokoll vom 7.8.2003, Seiten 25 ff). Das Mädchen N D, geb. 7.5.1992, gab bei ihrer kindgerechten Befragung sogar an, dass der Mann (gemeint der Bf) erst aus dem Auto stieg, nachdem noch andere Polizisten gekommen sind (vgl HV-Protokoll vom 7.8.2003, Seite 27). Die Zeugin H D parkte in unmittelbarer Nähe wenige Meter hinter dem Bf und kurz vor Eintreffen der Verstärkung durch RevInsp W und Insp R ein. Dabei nahm sie nur die Amtshandlung des AbtInsp L als solche und den Umstand wahr, dass ein Gespräch zwischen dem Bf und dem Polizisten stattfand. Irgendwelche Besonderheiten fielen ihr nicht auf (vgl Tonbandprotokoll, Seite 13).

Für die Richtigkeit der Behauptungen des AbtInsp L, der Bf hätte sich aggressiv verhalten und eine fortgesetzte Ordnungsstörung begangen, und er hätte am Verhalten des Bf bemerkt, dass dieser auch noch im Zeitpunkt des Eintreffens der Kollegen "innerlich kochte" (vgl HV-Protokoll vom 7.8.2003, Seiten 12 und 13; Tonbandprotokoll, Seiten 7 f) gibt es keine objektivierbaren Hinweise. Der Zeuge L konnte letztlich nur auf seine langjährige Diensterfahrung verweisen (vgl Tonbandprotokoll, Seite 8). RevInsp W bemerkte beim Eintreffen am Einsatzort keine besonderen Anzeichen für eine Aggressivität des Bf (vgl HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 17). Der Bf hatte auf ihn einen ganz normalen Eindruck gemacht, als er noch im Fahrzeug saß (Tonbandprotokoll, Seite 17). Auch Insp R hat den Bf als unauffällig wahrgenommen und ausgesagt, dass er einfach dagesessen und gestarrt hätte (vgl HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 31; Tonbandprotokoll, Seite 20). Außergewöhnliche körperliche Merkmale der Erregung sind ihm beim Bf nicht aufgefallen (vgl Tonbandprotokoll, Seite 21).

Der Zeuge L hat in mancher Hinsicht einen unglaubwürdigen Eindruck hinterlassen und offensichtlich versucht, sein eigenes Verhalten in ein besseres Licht zu stellen. Von dem ihm von Insp R nachgesagten umgangssprachlichen Ausdruck "pampig", mit dem er das Verhalten des Bf umschrieben hatte, wollte er in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat nichts mehr wissen. Er war sich sicher, diesen Ausdruck nicht verwendet zu haben (Tonbandprotokoll, Seite 6). In der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter des Landesgerichts Linz konnte er das noch nicht mit Sicherheit sagen, sondern sich nur nicht daran erinnern. Er hielt es damals noch für möglich, dass ihm dieser Ausdruck "herausgerutscht" wäre (vgl HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 35). Der Zeuge W erklärte dem erkennenden Mitglied, dass er sich daran nicht erinnern könne, die Verwendung dieses Ausdrucks aber auch nicht ausschließe (vgl Tonbandprotokoll, Seite 16). Demgegenüber hat der Zeuge R diesen Ausdruck in seiner Schilderung über die Einweisung durch AbtInsp L anlässlich der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2003 eingebracht und die Interpretation "aufgebracht bzw. Anordnungen nicht folgend" angeboten. Im normalen Sprachgebrauch hätte "pampig" mit Aggression nichts zu tun. Über direkte Aggressionen hätte der Zeuge L nichts gesagt, sondern nur "er ist pampig, schreit herum" (vgl Zeuge Insp R, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seiten 27 und insb 32). Auch in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat blieb der Zeuge R im Wesentlichen bei diesen Angaben und meinte, dass "pampig" nicht unbedingt aggressiv heißen müsse (Tonbandprotokoll, Seite 21). Der Oö. Verwaltungssenat folgt der lebensnahen Darstellung des Zeugen R und hält die widersprüchlichen Angaben des Zeugen L für nicht glaubhaft. Dieser hat nach Überzeugung des erkennenden Mitglieds den Ausdruck "pampig" wohl nur deswegen in Abrede gestellt, weil dieser nicht drastisch genug das Verhalten des Bf umschreibt, um eine Festnahme gemäß § 35 Z 3 VStG aus dem Grund einer Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (so Zeuge L, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 35; Tonbandprotokoll, Seiten 7 und 9) plausibel zu machen.

Schließlich hat der Zeuge AbtInsp L auch unrichtig behauptet, dass er sich um die verstörte Tochter des Bf gekümmert hätte, nachdem der Bf "geschlossen" war (gemeint: die Handschellen angelegt waren). Angeblich hätte er sie noch am Beifahrersitz sitzend gefragt, ob er jemanden verständigen solle, worauf sie geantwortet hätte, dass sie bereits ihre Mutter angerufen habe (vgl HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 10). Die Zeugin J T hat dem ausdrücklich widersprochen und betont, dass sich kein Polizeibeamter um sie gekümmert oder mit ihr gesprochen hätte (vgl HV-Protokoll v 6.10.2003, Seiten 4 f). Auch weitere Zeugen bestätigten diese Darstellung (vgl im HV-Protokoll v 6.10.2003: Zeuge V, Seite 7; Zeuge O, Seite 11; Zeuge R, Seite 18; Zeuge Dr. K, Seite 24). Nur eine kleinere dunkelhaarige Dame (Zeuge O) kümmerte sich um das Mädchen. Dabei handelte es sich um die Zeugin D, die ebenfalls nicht bestätigen konnte, dass AbtInsp L mit J T gesprochen hätte (Tonbandprotokoll, Seite 13).

Die Hauptschullehrerin H D schilderte bei ihrer Zeugenvernehmung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat (vgl Tonbandprotokoll, Seiten 10 f) eindrucksvoll die psychische Problematik, die sich für die mj. J T aus der Gewaltszene gegen ihren Vater, die sie aus nächster Nähe miterleben musste, ergab. Frau D bemerkte, dass sich das Kind nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug des Bf in einem Ausnahmezustand befand und immerfort krankhaft geschrieen hat "Wir haben nichts getan". Sie versuchte krampfhaft jemanden mit ihrem Handy zu erreichen. Innerhalb kürzester Zeit sei der Bf am Boden gelegen und von zwei Polizeibeamten, die auf ihm knieten, festgehalten worden. Die Zeugin hat diese Szene als menschlich schlimm empfunden und sah dringenden Bedarf, das Kind psychisch zu unterstützen. Deshalb redete sie auf J ein, die am ganzen Körper zitterte und teilweise nicht ansprechbar war. Sie konnte aber nicht erreichen, dass sie sich wieder hinsetzt. In der Folge ersuchte Frau D zwei Polizeibeamte vergeblich um Hilfe für das verstörte Mädchen. Erst danach erschien der Zeuge C G, ein guter Bekannter des Bf, vor Ort und nahm die schreiende J, die 2 oder 3 m neben ihrem am Boden liegenden Vater stand, mit, indem er sie kurzerhand in sein nahe gelegenes Geschäft auf der Landstraße trug (vgl Zeuge G, HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 16).

3.6. Auch den Angaben des befangenen Zeugen W konnte nur wenig Glauben geschenkt werden. In erster Linie hatte dieser Zeuge durch seinen übermäßigen Gewalteinsatz die nicht unerheblichen Verletzungen des Bf verursacht. Schon aus diesem Grund bestand bei ihm wohl die Neigung, das Verhalten des Bf als Fluchtversuch und Widerstandsleistung darzustellen, damit die ausgeübte Zwangsgewalt aus dem gegebenen Anlass und in ihrem Ausmaß gerechtfertigt erschiene. Für diese Tendenz sprechen die offenbar unrichtigen Behauptungen des Zeugen, der Bf hätte noch am Boden liegend Widerstand mit den Füßen geleistet und die Schimpfworte "Prügelpolizei, Wichser" geschrieen, wobei er auch auf Nachfrage ausdrücklich bekräftigte, dass diese Worte aus dem Munde des Bf stammten (vgl W, HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 16). Die anderen Zeugen haben über Fußtritte des Bf nichts berichtet. Ein Treten mit den Beinen durch den am Boden liegenden Bf hat auch der Zeuge R ausdrücklich verneint und nur von einem Zappeln gesprochen (vgl HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 33). Außerdem hat niemand von den Zeugen die von W genannten oder auch nur andere Schimpfworte aus dem Mund des Bf gehört. Alle sprachen nur von lauten Beschimpfungen aus der Menschenmenge (vgl näher HV-Protokoll v 6.10.2003, Seiten 6, 9, 12, 14, 15, 18, 21, 22, 24, 26). Auch der dem RevInsp W hilfeleistende Insp R nahm diese Beschimpfungen, die er nach den Umständen jedenfalls gehört haben müsste, nicht wahr (vgl HV-Protokoll v 6.10.2003, Seite 30). Selbst AbtInsp L hörte nur von den umstehenden Leuten Beschimpfungen, nicht aber vom Bf, von dem nur Hilferufe gekommen wären, als der Bf am Boden fixiert wurde (HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 13).

Alle in der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2003 einvernommenen Passanten (insgesamt 9 Zeugen) haben ebenso wie die vom Oö. Verwaltungssenat ergänzend einvernommene Zeugin H D die Gewaltszene in Gegenwart der J T als unangemessen und menschenunwürdig empfunden. RevInsp W hatte im Gegensatz zu den anderen Zeugen offenbar aus einem Mangel an Einfühlungsvermögen das Drängen des Bf zu seiner Tochter als einen - im Übrigen völlig sinnlosen - Fluchtversuch gedeutet und zum Anlass für seine übertriebene Härte genommen. Im gegebenen Zusammenhang bezeichnend erscheint auch die unumwunden zum Ausdruck gebrachte Einstellung des Zeugen W (vgl HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 17; Tonbandprotokoll, Seite 19), wonach ihn der Grund für die angeforderte Unterstützung nicht weiter interessierte. Wesentlich für ihn war nur, die vom Dienstvorgesetzten AbtInsp L erhaltene Weisung umzusetzen, wobei nichts zu hinterfragen war. Bei diesem Eifer des Zeugen W zur bedingungslosen Befehlsausführung vermag es nicht wirklich zu verwundern, dass er den Anforderungen einer in psychologischer Hinsicht anspruchsvolleren Situation nicht gerecht wurde und inadäquat reagierte.

Insp R war im Rahmen der gegenständlichen Amtshandlung persönlich weniger engagiert. Er konnte daher etwas unbelasteter über die Vorgänge berichten, auch wenn er verständlicherweise aus Loyalität seine Kollegen nicht desavouieren wollte. Seine Schilderung der Einweisung an Ort und Stelle durch AbtInsp L war glaubhaft und lebensnah. Die weiteren Angaben des Insp R standen, soweit er überhaupt über relevante Wahrnehmungen berichten konnte, mit der Darstellung des Bf und jener der einvernommenen Passanten, die großteils aus nächster Nähe berichteten, nicht in offensichtlichem Widerspruch. Er hat auch in der Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat einen besseren Eindruck als seine Kollegen hinterlassen.

3.7. Im Ergebnis war nach Berücksichtigung aller aktenkundigen Beweismittel und Abwägung aller wichtigen Begleitumstände den wesentlichen Schilderungen des Bf mehr Glauben zu schenken, als jenen der Zeugen L und W, die bekanntlich teilweise widerlegbar waren und auch der allgemeinen Lebenserfahrung weniger entsprachen. Die Angaben der tendenziell gegen den Bf aussagenden Zeugin U D, die allerdings ohnehin einräumte, auch auf ihre Kinder geschaut zu haben, widersprachen sogar eindeutig den Schilderungen der einvernommenen Polizisten (vgl HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 23 ff). Ihnen kam daher ebenso wenig ein brauchbarer Beweiswert zu, wie den sehr unsicheren und wenig aussagekräftigen Angaben ihrer auf einem nahen Grünstreifen gespielt habenden mj. Kinder x geb 7.5.1994, und x, geb. 7.5.1992, D (vgl HV-Protokoll v 7.8.2003, Seiten 25 ff) .

Für die dem RevInsp W am Weg zum Journalbeamten mit dem Bf zugeschriebenen Beleidigungen des Bf, und zwar "du Arschloch, wahrscheinlich stehst du unter Drogen oder Alkohol" und "die Daten wissen wir auch nicht, wie heißt du eigentlich, solche wie dich haben wir schon gefressen", gibt es keine verlässlichen Anhaltspunkte, die eine gesicherte Feststellung durch den Oö. Verwaltungssenat zuließen. RevInsp W bestritt diese Äußerungen mit dem Hinweis, dass er keinen Grund dafür gehabt und emotionslos gehandelt hätte (vgl Tonbandprotokoll, Seite 19). Was die Daten des Bf betrifft, hatte AbtInsp L bereits dessen Führerschein und Fahrzeugpapiere, weshalb insofern zumindest objektiv kein Grund für die Wortwahl des Zeugen W vorlag.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. A, 1996, Rz 610).

Im gegebenen Fall erfolgte zunächst die Festnahme durch AbtInsp L auf der Grundlage des § 35 Z 3 VStG, welche Maßnahme jedenfalls der Verwaltungsbehörde zuzurechnen ist. In weiterer Folge hat RevInsp W gemäß dem § 177 Abs 1 iVm § 175 Abs 1 Z 1 StPO durch selbständiges Einschreiten im Dienste der Strafjustiz einen weiteren Festnahmegrund gefunden und den Bf deswegen dem Journalbeamten vorgeführt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in solchen Fällen schon klargestellt hat, ist das auf eigener Willensbildung beruhende Organverhalten der Verwaltung zuzurechnen, obwohl das Einschreiten im Dienste der Strafjustiz erfolgte (vgl VwGH 16.2.2000, 96/01/0570; VwGH 6.10.1999, 99/01/0120).

4.2. Zum Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit)

Nach Art 5 Abs 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

Art 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art 1 Abs 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art 1 Abs 3 PersFrSchG nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Nach Art 2 Abs 1 Z 2 PersFrSchG darf einem Menschen die persönliche Freiheit auf die gesetzlich vorgesehene Weise u.a. entzogen werden, wenn der Betroffene einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist, und zwar zum Zweck der Beendigung des Angriffes oder zur Feststellung des Sachverhaltes, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass der Verdächtige einen bestimmten Gegenstand innehat (lit. a) oder um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen (lit. b).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann von einem Eingriff in die persönliche Freiheit nur gesprochen werden, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991).

4.3. Zur Festnahme im Dienste der Verwaltungsstrafrechtspflege nach § 35 Z 3 VStG

Gemäß § 35 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer in den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen

(Z 3) wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

4.3.1. Festnahme wegen Störung der öffentlichen Ordnung

Die Verwaltungsübertretung einer Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG begeht und ist mit Geldstrafe bis 218 Euro (vgl Art 21 des BGBl I Nr. 98/2001) oder bei Vorliegen erschwerender Umstände mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen (Abs 1 Satz 2) zu bestrafen,

wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

Nach § 81 Abs 2 SPG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von der Festnahme eines Menschen, der bei einer Störung der öffentlichen Ordnung auf frischer Tat betreten wurde und trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht (§ 35 Z 3 VStG), abzusehen, wenn die Fortsetzung oder Wiederholung der Störung durch Anwendung eines oder beider gelinderer Mittel (Abs 3) verhindert werden kann.

Als gelindere Mittel kommen nach § 81 Abs 3 SPG folgende Maßnahmen der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht:

  1. die Wegweisung des Störers vom öffentlichen Ort;

  2. das Sicherstellen von Sachen, die für die Wiederholung der Störung benötigt werden.

Gemäß § 82 Abs 2 SPG schließt eine Bestrafung nach § 82 Abs 1 SPG wegen aggressiven Verhaltens gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht eine solche nach § 81 SPG aus. Nach der Subsidiaritätsklausel des § 85 SPG liegt überdies keine Verwaltungsübertretung vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 SPG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. § 81 SPG ist demnach subsidiär zu § 82 SPG und im Verhältnis zu gerichtlich strafbaren Handlungen wie beispielsweise auch Beleidigungen nach § 115 StGB (dazu kritisch Hauer/Keplinger, Kommentar Sicherheitspolizeigesetz: Kommentar2, 2001, 594, Anm B.4.1.2.)

Im gegenständlichen Fall konnte weder ein aggressives Verhalten, noch eine Störung der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Bf nachgewiesen werden. Dass sich der Bf gegenüber dem AbtInsp L renitent oder auch "pampig" verhalten hat und sich trotz Abmahnung weigerte, mit seinem Geländewagen sofort aus dem "Halten Verboten" mit Zusatztafel Abschleppzone zu fahren, weil er noch auf seine kurzfristig zu erwartende mj. Tochter warten wollte, genügt nach Überzeugung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats nicht, um das Tatbildmerkmal des besonders rücksichtslosen Verhaltens zu erfüllen. Ein lautstarkes Herumschreien und Schimpfen durch den Bf, das in der Öffentlichkeit auffällig geworden wäre, konnte auf Grund der aktenkundigen Beweislage gar nicht festgestellt werden (zahlreiche Beispiele zur alten Ordnungsstörung nach Art IX Abs 1 Z 1 EGVG bei Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz: Kommentar2, 592 ff, Anm B.4.1.1. bis B.4.1.3.). Öffentliches Aufsehen erregte erst die nachfolgende Polizeiaktion zur Unterstützung des AbtInsp L, bei der insgesamt 18 Polizeibeamte vor Ort großteils damit beschäftigt waren, die gegen den Bf gerichtete Amtshandlung vor der aufgebrachten Menschenmenge abzuschirmen. Vom Vorwurf des Polizeibeamten AbtInsp L, der Bf habe ihn am 17. Mai 2003 in Linz in der x öffentlich durch die Äußerungen "Dann zeig mich an du Trottel, du hast ja kein Hirn" und "Dieser Trottel möchte mich festnehmen!" sowie mit den Worten "Trottel und Depperter" beschimpft, wurde der Bf außerdem mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 6. Oktober 2003 rechtskräftig freigesprochen (vgl Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung, Zl. 21 Hv 116/03x-12). Im Ergebnis bleibt somit überhaupt kein Raum für eine Störung der öffentlichen Ordnung.

4.3.2. Festnahme wegen andauernder Übertretung des Halte- und Parkverbots mit Zusatztafel Abschleppzone

Eine Übertretung des § 24 Abs 1 lit a) StVO wegen Verstoßes gegen das Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" (§ 52 Z 13b StVO) mit Zusatztafel "Abschleppzone" (§ 54 Abs 5 lit j StVO) hat der Bf unstrittig begangen. Diese Verwaltungsübertretung hat der einschreitende Beamte AbtInsp L selbst aber nicht als Grund für die Festnahme angeführt (vgl Anzeige v 17.5.2003; HV-Protokoll v 7.8.2003, Seite 13; Tonbandprotokoll, Seite 7). Da der Bf beim gegebenen Sachverhalt trotz Abmahnung in der Fortsetzung dieser strafbaren Handlung zumindest kurze Zeit verharrte, könnte man insofern an einen Festnahmegrund nach dem § 35 Z 3 VStG denken. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats ist hier aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art 1 Abs 3 PersFrSchG zu beachten und in verfassungskonformer Auslegung das Verharren im Halteverbot nicht als Anlass zu betrachten, der den Entzug der persönlichen Freiheit als angemessene Maßnahme erscheinen ließe. Dieser Grundrechtseingriff stünde zum Zweck der Maßnahme, Entfernung des Fahrzeugs aus dem Halteverbot, außer Verhältnis. Außerdem müsste man zuvor als gelinderes Mittel wohl an ein Entfernen aus der verordneten Abschleppzone ohne weiteres Verfahren nach § 89a Abs 2 lit b) StVO denken.

In der Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat konnte AbtInsp L nicht mehr genau sagen, ob er die Festnahme des Bf kurz vor dem Eintreffen der Tochter oder danach ausgesprochen hatte. Er vermutete schließlich, dass er sie etwa in dem Augenblick aussprach, als die Tochter am Beifahrersitz Platz genommen hatte (vgl Tonbandprotokoll, Seite 4 f). In diesem Fall bestand umso weniger Grund für eine Festnahme wegen Übertretung des § 24 Abs 1 lit a) StVO, weil der Bf nach Ankunft seiner Tochter ohnehin wegfahren wollte und um Rückgabe der Fahrzeugschlüssel ersuchte. Der Grund für eine solche allenfalls kurz zuvor ausgesprochene Festnahme wäre zumindest wieder weggefallen und der Bf hätte gemäß § 36 Abs 1 Satz 1 VStG freigelassen werden müssen.

4.4. Zur Festnahme im Dienste der Strafrechtspflege nach § 177 Abs 1 StPO

Gemäß § 177 Abs 1 StPO kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen ausnahmsweise auch ohne schriftliche Anordnung durch Organe der Sicherheitsbehörden zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter in den Fällen des § 175 Abs 1 Z 1 StPO (Betreten auf frischer Tat oder im engsten zeitlichen Zusammenhang) oder in den Fällen des § 175 Abs 1 Z 2 bis 4 (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Tatbegehungs- oder Ausführungsgefahr) erfolgen, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

RevInsp W hat nach Fixierung des Bf am Boden die Festnahme bzw weitere Anhaltung des Bf auf die Bestimmungen des § 177 Abs 1 iVm § 175 Abs 1 Z 1 StPO gestützt und sich auf das Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB berufen (vgl dessen Anzeige vom 17.5.2003; Tonbandprotokoll, Seite 18). Deshalb wurde der Bf auch im Anschluss dem Journalbeamten der belangten Behörde im Amtsgebäude in Linz, Nietzsche-
straße 33, vorgeführt.

Wie sich aus den getroffenen Tatsachenfeststellungen ergibt, lag dieser Festnahmegrund ebenfalls nicht vor. Der Bf wurde aus dem gegebenen Anlass mit dem unbekämpft gebliebenen Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 6. Oktober 2003, Zl. 21 Hv 116/03x-12, im Spruchpunkt 2) auch vom Vorwurf des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

4.5. Unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSd Art 3 EMRK

Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.

Die Anwendung von Körperkraft kann gegen Art 3 EMRK verstoßen. Der Verfassungsgerichtshof hat dies für Ohrfeigen (VfSlg 8.296/1978, 10.052/1984), Fußtritte (VfSlg 10.250/1984, 11.095/1986, 11.144/1986, 11.230/1987, 11.687/1988), Schläge (VfSlg 8.645/1979, 10.250/1984, 11.096/1986, 11.170/1986, 11.328/1987, 11.421/1987, 12.603/1991) mehrfach ausgesprochen. Eine den Rechtsgrundsätzen des Waffengebrauchsgesetz 1969 entsprechende verhältnismäßige und maßhaltende Zwangsausübung verstößt nicht gegen Art 3 EMRK (vgl VfSlg 9.298/1981, 10.250/1984, 10.321/1985, 10427/1985, 11.809/1988; 12.271/1990). Auch die Anwendung von Körperkraft ist daher nur dann gesetzmäßig, wenn die Zwangsausübung "notwendig und maßhaltend" ist (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz: Kommentar2, 927, Anm B.1.)

Eine physische Zwangsmaßnahme verstößt gegen Art 3 EMRK, wenn ihr eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Missachtung des Betroffenen als Person eigen ist (VfSlg 10.250/1984; VfGH 29.9.1992, B 590/98).

Gegen diesen Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Zwangsausübung hat die Amtshandlung zur Durchführung der Festnahme des Bf nach dem festgestellten Sachverhalt eindeutig verstoßen. Es bestand für RevInsp W objektiv - auch unter Bedachtnahme auf seine Eigensicherung - kein Grund für das gewählte Maß der Anwendung von Körperkraft gegen den ohnehin gefesselten Bf. Wie bereits unter Punkt 3.6. erwähnt, hatte der offenbar im Übereifer und ohne jedes Einfühlungsvermögen handelnde Zeuge W die Situation völlig verkannt und den an sich naheliegenden und menschlich verständlichen Versuch des Bf, sich noch einmal seiner verzweifelt schreienden Tochter, die nur wenige Meter entfernt vor dem Auto stand, zuzuwenden, um sie zu beruhigen, als einen Fluchtversuch, der freilich nach Lage der Dinge sinn- und aussichtslos gewesen wäre, missdeutet. Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Die folgende massive Gewaltanwendung durch Würgegriff, zu Boden reißen und minutenlange Fixierung am Asphalt mit den Knien im Genick- und Rückenbereich sowie am Unterkörper durch zwei Polizeibeamte wurde von den umstehenden Passanten mit Recht als unnötige und außergewöhnliche Härte gegen den Bf wahrgenommen. Eine solche Vorgangsweise erscheint auch nur bei einem Schwerverbrecher, nicht aber bei einem Parksünder, selbst wenn er auch noch eine Ordnungsstörung zu verantworten hätte, nachvollziehbar und verständlich. Dazu kommt noch die im Zuge diese Gewaltaktion begleitend aufgetretene Verletzung des Bf durch nicht in einer bestimmten Rasterposition arretierte Handschellen, die sich durch die Gewalteinwirkung nachstellen und erhebliche Verletzungen an den Handgelenken (Schwellungen, Abschürfungen und Blutergüsse sowie anhaltende Sensibilitätsstörungen) verursachen konnten. Der Bf hatte deshalb subjektiv den Eindruck, dass ihm die Handfesseln stärker zugezogen wurden, als er am Boden lag. Das Problem wäre zumindest durch Arretierung des Rasters beim Anlegen der Handfesseln leicht vermeidbar gewesen.

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds wurde durch die beschriebene menschenunwürdige Vorgangsweise die Person des Bf gröblich missachtet. Dass diese Gewaltausübung wie gegen einen Schwerverbrecher auch noch vor den Augen der mj. Tochter des Bf erfolgen musste, bedeutete für den Bf auch eine erniedrigende Behandlung. Bei diesem Befund wurde der Bf selbstredend auch in seinem Recht gemäß § 36 Abs 2 Satz 1 VStG verletzt, wonach bei der Festnahme und Anhaltung unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person vorzugehen ist (vgl auch Art 1 Abs 4 PersFrSchG).

5. Im Ergebnis war daher der Maßnahmenbeschwerde spruchgemäß Folge zu geben und der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, antragsgemäß zu verpflichten, dem Bf als der obsiegenden Partei gemäß § 79a Abs 2 AVG 1991 Aufwandsersatz zu leisten.

Als Aufwendungen gelten nach § 79a Abs 4 AVG neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand. Die derzeit geltende UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003, wurde am 18. Juli 2003 kundgemacht und trat gemäß § 2 Abs 1 mit Ablauf des letzten Tages des Monats ihrer Kundmachung in Kraft. Nach der Übergangsbestimmung des § 2 Abs 2 sind in den noch anhängigen Verfahren die Kosten nach den Pauschbeträgen dieser Verordnung zu berechnen. Diese ist daher im vorliegenden Fall anzuwenden.

Nach § 1 Z1 beträgt der Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei 660,80 Euro, und nach § 1 Z 2 der Verhandlungsaufwand des Bf als obsiegende Partei 826,00 Euro. Es sind Eingabengebühren für die Beschwerdeschrift vom 26.6.2003 (13 Euro), 3 Beilagen (3 x 3,60 = 10,80 Euro) und die Stellungnahme vom 9.9.2003 (13 Euro) in Höhe von insgesamt 36,80 Euro angefallen. Dem Bf war daher für seinen Verfahrensaufwand einschließlich der Stempelgebühren, für die er aufzukommen hat (vgl § 79a Abs 4 Z 1 AVG), ein Betrag in Höhe von 1.523,60 Euro zuzusprechen.

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren in Höhe von
36,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. W e i ß


 

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