Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220903/6/Ga/La

Linz, 10.07.1996

VwSen-220903/6/Ga/La Linz, am 10. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 4. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter: Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des K... B..., vertreten durch Prof.Dr. A... H..., DDr. H... M..., Dr. P... W..., Dr. W... M..., Dr. W... G..., Rechtsanwälte in L..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 24. Februar 1994, Zl.

Ge-96/163/1993/Gru, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.1 und 4; § 37.

VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG. zur Vertretung der "B... B... & A...

OHG" mit dem Sitz in P..., nach außen berufenes Organ, am 20.8.1993 auf der Baustelle: Dr. W..., ... H..., den Arbeitnehmer Herrn S... S..., geb. ..., mit Dacharbeiten (Verlegen der Dachpappe) auf der ca. 18 o geneigten Dachfläche beschäftigt, ohne daß Sicherheitsmaßnahmen (z.B.

Schutzblenden, Schutzscheuchen und Schutzgerüste, Sicherheitsgürtel- und geschirre), die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, durchgeführt wurden. Die Absturzhöhe betrug ca. 11 m." Dadurch habe der Berufungswerber § 43 Abs.1 BArbSchV verletzt und sei er wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) mit einer Geldstrafe in der Höhe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: zehn Tage) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

1.2. Begründend verweist die belangte Behörde auf die diesem Strafverfahren zugrundeliegende Anzeige des zuständigen Arbeitsinspektorates vom 7. September 1993; nach Darstellung des Ermittlungsverfahrens hält sie die Verwaltungsübertretung für erwiesen und dem Berufungswerber mit Fahrlässigkeitsschuld zurechenbar.

2. Auf Grund der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung - der Beschuldigte bekämpft einerseits den Schuldvorwurf unter Darstellung der von ihm installierten Maßnahmen zur Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes sowie mit dem Hinweis auf die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 90 StPO und andererseits die Höhe der verhängten Strafe - hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Im Berufungsfall wurde gemäß § 44a Z2 VStG ausdrücklich nur die Vorschrift des § 43 Abs.1 BArbSchV als verletzt vorgeworfen. Die zit. Schutznorm ordnet an, daß Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaseroder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden dürfen.

Wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift ist demnach: Der Arbeitnehmer darf mit der Dacharbeit nur unter der Voraussetzung beginnen, daß geeignete Maßnahmen zur Verhinderung seines Absturzes schon vorgekehrt sind.

2.2. Vorliegend hat die belangte Behörde zwar die Verwirklichung des objektiven Tatbildes für "einwandfrei erwiesen" gehalten, dies aber in der Formulierung des Schuldspruchs nur undeutlich zum Ausdruck gebracht. Dem Berufungswerber wird nämlich nicht vorgeworfen, er habe dafür einzustehen, daß ohne vorher getroffene und geeignete Sicherheitsmaßnahmen mit der Dacharbeit begonnen wurde, sondern daß der involvierte Arbeitnehmer mit Dacharbeiten ohne durchgeführt gewesene Sicherheitsmaßnahmen beschäftigt wurde.

In vordergründiger Orientierung an die von der Judikatur des VwGH ausgebildeten, strengen Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes gemäß § 44a Z1 VStG könnte der Standpunkt vertreten werden, daß mit dem so formulierten Spruch die nach Meinung der belangten Behörde erwiesene Tat gerade nicht eindeutig zum Vorwurf gemacht wurde, weil das wesentliche Tatbestandsmerkmal des Abstellens auf den Beginn der Arbeit nicht wörtlich angeführt ist.

2.3. Selbst wenn andererseits aber ein "verständiger Leser" (vgl. VwGH 13.10.1993, 93/02/0181) die spruchgemäße Wortwahl "mit Dacharbeiten ... beschäftigt" so versteht, daß damit - gerade noch hinreichend - auch das tatbestandsmäßig gebotene Abstellen auf dem Beginn der Dacharbeit miterfaßt ist (arg.: weil sachverhaltsbezogen die 'Beschäftigung' des Arbeitnehmers immerhin auch einmal begonnen worden sein mußte), trüge dies zur Bestätigung des Straferkenntnisses nichts bei: Es ist nämlich, wie aus der Einsicht in den zugleich mit der Berufung vorgelegten, bezughabenden Strafverfahrensakt hervorgeht, der maßgebende Sachverhalt aktenwidrig angenommen worden.

2.4.1. Dem Strafakt liegt (OZ 2) eine Telekopie der Strafanzeige des GPK Hofkirchen i.M. vom 29. September 1993 an die Staatsanwaltschaft Linz ein. Darin ist der gegenständliche Vorfall unter "a) Darstellung der Tat" wie folgt geschildert:

"S... S... war zu diesem Zeitpunkt mit der Hinausgabe der Dachpappe vom Obergeschoß auf den Dachstuhl beschäftigt.

Nachdem S... S... diese Tätigkeit beendet hatte, stieg er auf den Dachstuhl und half bei der Verlegung der Dachpappe mit. S... S... war vorerst mit einem Sicherungsseil, welches auf dem Dachstuhl angebracht war, gesichert.

Da das Sicherungsseil beim Ausrollen der Dachpappe störte, hängte sich S... S... ab und führte die weiteren Arbeiten ungesichert durch. Ansonsten war keine Sicherung vorhanden." Auf Seite 3 der Strafanzeige ist festgehalten:

"Weitere Tätigkeiten und Feststellungen:

1. Am Dachstuhl waren Sicherungsseile zum Schutz der Arbeiter befestigt. Absturzgitter oder Fangnetze waren nicht vorhanden." Diese Hergangsschilderung in der Strafanzeige stellt der unabhängige Verwaltungssenat als maßgebenden Sachverhalt fest und würdigt ihn dahin, daß hinsichtlich des involvierten Arbeitnehmers eine Sicherheitsmaßnahme iSd § 43 Abs.1 BArbSchV, nämlich dessen persönliche Sicherung mittels Sicherungsseil zu Beginn der Dacharbeit durchgeführt und mangels anderer Feststellungen - diese Maßnahme zur Verhinderung des Absturzes auch geeignet gewesen ist.

Daß dann erst im weiteren Verlauf der Dacharbeit - die Strafanzeige gibt nicht an, wie lange der Arbeitnehmer gesichert gearbeitet hatte - diese seine Sicherung vom Arbeitnehmer selbst (durch Aushängen) unwirksam gemacht wurde, ist unter diesen Umständen für die Verwirklichung des Tatbildes eines Verstoßes (allein) gegen § 43 Abs.1 BArbSchV ohne Belang.

2.4.2. Der zitierte, das eigentliche Geschehen auf der Baustelle beleuchtende Inhalt der Strafanzeige vom 29.

September 1993 hat im Ermittlungsverfahren der belangten Behörde, soweit aus dem vorgelegten Strafakt ersichtlich, weder nachvollziehbare Beachtung gefunden noch sind Ermittlungsergebnisse, die dieser Schilderung widersprechen würden, auffindbar. Dem Arbeitsinspektorat ist diese Strafanzeige nachträglich bekannt geworden, worauf ein entsprechender Verteilervermerk schließen läßt; ein Widerspruch oder ein sonstiges Eingehen auf die 'Darstellung der Tat' erfolgte nach der Aktenlage jedoch nicht.

Im Ergebnis hegt die 4. Kammer keine Zweifel, daß sich der Vorfall gemäß der zit. Schilderung abgespielt hatte. Es war daher davon auszugehen, daß der involvierte Arbeitnehmer - entgegen der Annahme der belangten Behörde - zu Beginn seiner Dacharbeit entsprechend der Schutzvorschrift des § 43 Abs.1 BArbSchV gesichert gewesen ist. Schon im Vorverfahren gemäß § 66 Abs.1 AVG (§ 24 VStG) war dieser Umstand, auch wenn ihn der Berufungswerber selbst nicht releviert hatte, als entlastend iSd § 25 Abs.2 VStG vom unabhängigen Verwal tungssenat zu berücksichtigen.

2.5. Aus allen diesen Gründen war der angefochtene Schuldspruch als inhaltlich rechtswidrig deswegen, weil durch den hervorgekommenen Lebenssachverhalt die angelastete Übertretung der Verbotsnorm des § 43 Abs.1 BArbSchV nicht verwirklicht wurde, aufzuheben.

Dahingestellt bleiben kann, ob das Geschehen auf der Baustelle möglicherweise als ein Verstoß gegen § 7 Abs.2 BArbSchV (für sich allein oder wenigstens in Verbindung mit § 43 Abs.1 leg.cit.) anzulasten gewesen wäre. Zutreffendenfalls hätte dies allerdings in wesentlichen Elementen eines anderen Tatvorwurfs bedurft, den (erstmalig) zu formulieren dem unabhängigen Verwaltungssenat, weil damit die Sachbindung im Grunde des § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG verletzt würde, verwehrt ist.

Gleichzeitig war, weil daher der Berufungswerber die ihm spruchgemäß zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen.

3. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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