Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220907/7/Ga/La

Linz, 29.05.1996

VwSen-220907/7/Ga/La Linz, am 29. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Dipl.-Ing. R... F..., vertreten durch Dr.

H..., Dr. F... und Mag. S..., Rechtsanwälte in W..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 28. Februar 1994, Zl. Ge-96/151/1993/Gru, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Ing. J...

K... B... mit dem Sitz in H..., die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Ing. J... K... B... mit dem Sitz in H... ist, und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG.

zur Vertretung nach außen berufene Organ, am 12.8.1993 auf der Baustelle: ... H..., ... H..., den Arbeitnehmer Herrn R... S... im 1. Obergeschoß auf einem Bockgerüst mit dem Aufmauern eines Fertigteilkamines beschäftigt, wobei das Gerüst auf einer Seite des Kamines aus einer ca. 50 cm breiten Schaltafel bestand. Gerüstlagen müssen einen Belag aus mindestens 5 cm dicken Pfosten haben." Dadurch habe er § 19 Abs.3 der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV) verletzt und sei gemäß § 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) mit einer Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

1.2. Begründend verweist die belangte Behörde auf die Anzeige des Arbeitsinspektorats. Das hiezu geführte Ermittlungsverfahren habe die - vorschriftswidrige - Verwendung einer Schaltafel als Gerüstbelag erwiesen, weshalb das objektive Tatbild erfüllt sei. Schuldseitig sei die Übertretung dem Berufungswerber persönlich im Grunde eines Sorgfaltsmangels bei der ihm obliegenden Kontrolle der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zuzurechnen gewesen. Weil aber für die Strafbemessung die geringe Höhe des Arbeitsgerüstes (nur ca. 1 m über Niveau) zu berücksichtigen gewesen sei, hat die belangte Behörde mit der schließlich verhängten Geldstrafe das vom Arbeitsinspektorat beantragte Strafausmaß deutlich unterschritten.

2. Auf Grund der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, zugleich mit dem bezughabenden Strafakt ohne Gegenäußerung vorgelegten, in der Hauptsache die Aufhebung zur Gänze und die Verfahrenseinstellung beantragenden Berufung, zu der auch die Amtspartei angehört wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Verfehlt ist der Einwand des Berufungswerbers, mit dem er unter Hinweis auf die ÖNORM B 4007 und auf eigene Berechnungen zur Biegefestigkeit einer Betonschalungstafel die Vorschriftsmäßigkeit des fraglichen Gerüstes unter Beweis zu stellen sucht. Diesbezüglich hat das Arbeitsinspektorat schon vor der belangten Behörde und auch in seiner Stellungnahme vom 18. April 1994 zur Berufung im Ergebnis zu Recht darauf hingewiesen, daß gemäß der als verletzt vorgeworfenen Gebotsnorm (nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor der erst mit 1.1.1995 in Kraft getretenen Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.NR. 340/1994, dessen § 57 Abs.3 im Berufungsfall daher unbeachtlich ist) Gerüstlagen einen Belag aus mindestens 5 cm dicken PFOSTEN haben müssen (ius cogens) und diese Pfostendicke infolge Abnützung höchstens um 5 mm geringer sein darf, und weiters, daß daher für Gerüstbeläge anderer Art, die zwar dem § 19 Abs.3 BArbSchV nicht genügen, aber unter Erfüllung des Schutzzweckes verwendet werden sollen, eine ausnahmsweise Zulassung iSd § 90 Abs.2 BArbSchV (wofür dann die ÖNORM B 4007 allenfalls als Regel der Technik herangezogen werden könnte) vorliegen müsse; letzteres war hier jedoch nicht der Fall.

Was hingegen das - gleichfalls auf eine Verkennung der Rechtslage beruhende - Vorbringen zur Schuldseite anbelangt, ist dem Berufungswerber entgegenzuhalten, daß er auch im gegenständlichen Fall eine gleichzeitige Bevollmächtigung iSd § 31 Abs.2 ANSchG des Bauleiters und des Poliers für ein und dieselbe Baustelle einwendet. Eine derartige Bevollmächtigung aber ist von Anfang an für die Überbürdung verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlichkeit untauglich, dh. unwirksam. Deshalb ist das Verschulden des Berufungswerbers als Täter hier im Grunde eines Ungehorsamsdelikts gemäß § 5 Abs.1 VStG - ex lege, jedoch widerlegbar - zu vermuten gewesen. Die daher der Initiative des Berufungswerbers überlassene Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit konnte jedoch schon behauptungsmäßig nicht gelingen, weil seine Darstellung des auf die Einhaltung der Schutzvorschriften gerichteten Kontrollsystems wesentlich hinter den vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hiefür herausgearbeiteten Anforderungen zurückbleibt. Diesbezüglich wird auf die für die vorliegende Fallkonstellation in gleicher Weise anwendbaren Entscheidungsgründe in den denselben Berufungswerber betreffenden und einschlägigen h. Erkenntnissen vom 8. Mai 1996, VwSen-220776/15, vom 17. Mai 1996, VwSen-220811/17 und VwSen-220812/17, sowie die in diesen Erkenntnissen zur Kontrollsorgfalt zitierte VwGH-Judikatur verwiesen.

3.2. Das Rechtsmittel führt dennoch zum Erfolg, weil das angefochtene Straferkenntnis aus einem anderen, schon aus der Aktenlage ersichtlichen Grund (§ 51e Abs.1 VStG) aufzuheben war.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat ein Schuldspruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dh., daß die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zit. Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn a) dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH verst. Senat 3.10.1985, Slg.NF 11.894/A).

Das so verstandene Gebot des § 44a Z1 VStG verlangt für die Tatumschreibung daher eine solche Bestimmtheit, daß den angeführten Rechtsschutzüberlegungen im konkreten Fall Rechnung getragen ist.

Diesen Anforderungen muß allerdings, soll der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen werden, hinsichtlich aller die Tat betreffenden (wesentlichen) Sachverhaltselemente auch schon die (erste) Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl. zB VwGH 14.10.1994, 94/02/0287 ua). Vorliegendenfalls hat die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. August 1993 diese Bestimmtheit in der Tatanlastung verfehlt.

3.2.1. Gerechtfertigt scheint, die Aktenlage mit dem Ergebnis zu würdigen, daß ein vierseitiges Gerüst errichtet war, daß weiters die Schaltafel nur auf einer von diesen vier Gerüstseiten aufgelegt war und die übrigen Seiten jedoch ordnungsgemäß mit Pfostenbelägen versehen waren. Fest steht, daß auf diesem so ausgestatteten Gerüst ein Arbeitnehmer des Berufungswerbers beschäftigt war. Völlig ungeklärt aber blieb, auf WELCHER Seite des Kamingerüstes die Schaltafel aufgelegt war einerseits und auf welcher der - ordnungsgemäß belegt gewesenen - übrigen Seiten der Arbeitnehmer bei der Kontrolle gerade gearbeitet hatte andererseits.

In der Anzeige vom 18. August 1993 beschrieb das Arbeitsinspektorat den festgestellten Sachverhalt dahingehend, daß "an der angrenzenden zweiten Seite des Kamines" das Gerüst aus einer ca. 50 cm breiten Schaltafel bestanden habe. Diese Formulierung schließt zumindest aus, daß der vorschriftswidrige Gerüstbelag auf der gegenüberliegenden Seite des Kamins aufgelegt war. Ausgehend aber von einem vierseitigen Gerüst, läßt selbst die Anzeige noch eine weitere Möglichkeit der Zuwiderhandlung zu, weil es logischerweise zwei solche "angrenzenden" zweite Seiten des Kamines gegeben haben muß und nicht zugleich angegeben wurde, auf welcher der beiden der fehlerhafte Belag festgestellt worden war.

Ohne aber auf eine Präzisierung des daher nur ungenau angezeigten Sachverhaltes hinzuwirken hat die belangte Behörde im Gegenteil mit der zit. Aufforderung zur Rechtfertigung - als erste Verfolgungshandlung - den inkriminierten Sachverhalt in diesem wesentlichen Punkt mit noch größerer Ungenauigkeit ausgestattet und, insoweit von der Anzeige abweichend, vorgeworfen, daß "das Gerüst auf EINER Seite des Kamines aus einer ca. 50 cm breiten Schaltafel" (Hervorhebung durch den O.ö. Verwaltungssenat) bestanden habe. Damit aber ist auf der Hand liegend die rechtliche Möglichkeit für eine Mehrfachbestrafung eröffnet.

In seiner Rechtfertigung vom 24. September 1993 bestreitet der Berufungswerber zwar nicht, daß eine Schaltafel aufgelegt war; auf welcher Seite des Kamines jedoch die Zuwiderhandlung tatsächlich stattgefunden hat, geht auch daraus nicht hervor.

3.2.2. Diesbezüglich hat in der Folge auch der Schuldspruch des - allerdings bereits außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erlassenen - Straferkenntisses keinerlei Präzisierung vorgenommen; er lastet den maßgebenden Sachverhalt mit derselben Unbestimmtheit an wie die oben zitierte erste Verfolgungshandlung.

3.2.3. Zusammenfassend ist gegenüber dem Berufungswerber eine zu allen wesentlichen Tatelementen hinlänglich konkretisierte und unter dieser Voraussetzung zur Unterbrechung der Verjährung taugliche Verfolgungshandlung nicht ergangen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und gleichzeitig die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen war, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

4. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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