Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221016/6/Le/La

Linz, 06.09.1994

VwSen-221016/6/Le/La Linz, am 6. September 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier; Berichter: Dr. Leitgeb; Beisitzer: Mag. Kisch) über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, Ge-96-7-1994-Bi vom 6.4.1994, gestellt von Herrn G K, vertreten durch Herrn Dr. S H, Rechtsanwalt in G, zu Recht erkannt:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. April 1994, Ge96-7-1994-Bi, wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, §§ 24, 51 Abs.1, 51c Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. April 1994, Ge96-7-1994-Bi, wurde über Herrn G K als gewerberechtlichen Geschäftsführer der F-T Erzeugungs- u. Vertriebs GmbH wegen Übertretung der Gewerbeordnung eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 S (neun Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt; gleichzeitig wurde er verpflichtet, die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 2.000 S zu bezahlen. Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, bei der Betriebsanlage zur Kunststoffverarbeitung in H eine Reihe von Auflagen (insgesamt 55) nicht fristgerecht eingehalten zu haben.

Dieses Straferkenntnis wurde laut Rückschein am 8.4.1994 von einem Mitbewohner der Abgabestelle (Unterschrift ist unleserlich) übernommen.

Am 23.6.1994 wurde der Beschuldigte von einem Beamten des Gendarmeriepostens Grieskirchen im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft zur Begleichung des Strafbetrages aufgefordert.

1.2. Mit Schriftsatz vom 6.7.1994 beantragte der Beschuldigte die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für diesen Antrag und erhob zugleich Berufung gegen das Straferkenntnis vom 6.4.1994.

Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschuldigte wie folgt:

Auf Grund des Einforderungsversuches des Gendarmeriebeamten vom 23.6.1994 hätte er telefonisch mit seinem Rechtsanwalt Dr. S H in G Kontakt aufgenommen. Im Zuge des Gespräches hätte er festgestellt, daß er zwar einmal ein Straferkenntnis zugestellt erhalten hätte, dieses zur Verfassung eines Rechtsmittels per Telefax jedoch an Dr.

H hätte weiterleiten lassen. In der Kanzlei des Anwaltes hätte aber ein derartiger Telefaxeingang bzw. ein derartiger Akt nicht festgestellt werden können.

Der Beschuldigte gab an, sich sicher gewesen zu sein, seiner langjährigen, äußerst gewissenhaften Mitarbeiterin, Frau H B, unverzüglich nach Übernahme des Straferkenntnisses den Auftrag erteilt zu haben, dieses an Dr. H zur Erhebung eines Rechtsmittels zu faxen; er habe dies sogar handschriftlich am Straferkenntnis vermerkt.

Da zugleich mit diesem Straferkenntnis auch eine Strafverfügung, die gegen den Geschäftsführer Herrn H ergangen war, an Dr. H zu faxen war, habe Frau B zwar die Strafverfügung gefaxt, auf Grund eines Versehens es jedoch unterlassen, auch das Straferkenntnis zu faxen.

Der Beschuldigte gibt daher an, durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen zu sein, durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung einzubringen. Er legte dazu auch eine eidesstättige Erklärung von Frau B vor, die diesen Vorgang bestätigt.

Es läge daher kein Verschulden des Beschuldigten an der Versäumung der Frist vor bzw. könne jedenfalls nur von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden.

Überdies sei bei der Bezirkshauptmannschaft G amtsbekannt, daß in sämtlichen Gewerberechtssachen und insbesondere auch im Verwaltungsstrafverfahren die Firma, der geschäftsführende Gesellschafter Herr H oder auch der Beschuldigte als gewerberechtlicher Geschäftsführer immer von Dr. H in G vertreten wären.

Frau B sei eine äußerst verläßliche und gewissenhafte Mitarbeiterin, die ihre Aufgaben bisher immer zur besten Zufriedenheit gelöst hätte, und der ein derartiges Mißgeschick noch nicht passiert sei. Auch der sorgfältigste Mensch sei nicht davor gefeit, daß ihm einmal ein Fehler passiere. Nach der vermeintlichen Erledigung von Frau B (Anmerkung: abgeschlossener Faxvorgang) seien beide Aktenstücke ordnungsgemäß wieder auf dem Schreibtisch des Beschuldigten gelegen und hätte er somit keinerlei Grund gehabt daran zu zweifeln, daß der Auftrag nicht erfüllt worden wäre.

Auf das Versehen sei er erst durch Intervention des Gendarmeriebeamten aufmerksam geworden bzw. habe sich der Sachverhalt dann am 24.6.1994 wie oben klären lassen. In der Folge wurde sodann die Berufung gegen das Straferkenntnis ausgeführt.

Der Antrag wurde unmittelbar an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gerichtet.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Stellungnahme.

Darin wird zum Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt, daß es deshalb fragwürdig erscheine, ob der Beschuldigte erst am 23.6.1994 vom Vorliegen des Straferkenntnisses Kenntnis erlangt hat, zumal er am 24.5.1994 schriftlich zur Zahlung des Strafbetrages aufgefordert wurde; die Bezirkshauptmannschaft räumte allerdings ein, daß diese Aufforderung nicht nachweislich zugestellt wurde.

Weiters zog die Bezirkshauptmannschaft in Zweifel, daß die Strafverfügung am selben Tag wie das Straferkenntnis an Dr.

H gefaxt wurde: Diese Strafverfügung wurde nämlich am 8.4.1994 an Herrn A H an seine Wiener Adresse zu eigenen Handen zugestellt und von diesem am 8.4.1994 auch persönlich übernommen.

Dem Hinweis des Beschuldigten, daß er in Gewerberechtssachen und insbesondere auch im Verwaltungsstrafverfahren von der Kanzlei Dr. H vertreten würde, hält die Bezirkshauptmannschaft entgegen, daß er mit der h.

Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11.2.1994 von dem gegen ihn gerichteten Tatvorwurf in Kenntnis gesetzt worden sei, er aber dessen ungeachtet keine Anstrengungen unternommen habe, die Angelegenheit seinem Rechtsvertreter zu übergeben.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das Berufungsvorbringen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

4.1. Im Strafverfahren, dessen Überprüfung durch den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag sowie die anschließende Berufung begehrt wird, ist eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt worden, weshalb sich daraus gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit einer Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates ergibt.

4.2. Gemäß § 71 Abs.4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war ...

§ 63 Abs.5 AVG gibt der Partei die Wahlmöglichkeit, die Berufung entweder binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat.

Der Beschuldigte hat von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht und den Antrag unmittelbar bei der Berufungsbehörde eingebracht, sodaß der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig ist.

4.3. Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. Die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft ... (§ 71 Abs.1 AVG).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß gemäß Abs.2 leg.cit.

binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses ... gestellt werden.

Im Falle der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (Abs.3 leg.cit.).

Als "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" können nach Lehre und Judikatur sowohl äußere als auch innere Vorgänge (Irrtum, Überlastung usw.) angesehen werden. Im vorliegenden Fall wird ein Irrtum einer Mitarbeiterin des Beschuldigten, nämlich der Frau H B, behauptet, die den Auftrag, eine Strafverfügung und ein Straferkenntnis an den Rechtsanwalt zu faxen, damit dieser Berufung erhebe, nur teilweise erfüllt habe, indem sie es - aus welchen Gründen immer - unterlassen habe, das Straferkenntnis weiterzufaxen. Der Antragsteller bringt vor, daß dieses Ereignis, nämlich das "Vergessen" der Mitarbeiterin, für ihn ein unvorhergesehenes Ereignis gewesen sei, weil diese äußerst verläßlich und gewissenhaft sei. Er untermauerte diese Behauptung mit einer eidestättigen Erklärung der betreffenden Mitarbeiterin.

Dieser Behauptung der Verläßlichkeit und der Gewissenhaftigkeit ist aus der Aktenlage nichts entgegenzuhalten, sodaß von der Verläßlichkeit dieser Mitarbeiterin ausgegangen wird.

Allerdings ist der Antragsteller seiner ihm nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, sodaß ihn Verschulden, und zwar in qualifizierterer Form als in Form des minderen Grades des Versehens, trifft. Dafür sind folgende Überlegungen maßgeblich:

Im Straferkenntnis vom 6.4.1994 wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, insgesamt 55 Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vom 19.5.1993 nicht fristgerecht erfüllt zu haben. Dafür wurde eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 S verhängt sowie die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 2.000 S ausgesprochen.

Es handelte sich sohin um ein Straferkenntnis, dessen Sachverhalt nicht klar und eindeutig vom Rechtsanwalt in einer Berufung widerlegt werden könnte, wenn ihm das Straferkenntnis lediglich gefaxt wird. Aufgrund der Vielfalt des dem Straferkenntnis zugrundeliegenden Sachverhaltes hätte der Rechtsanwalt ohne entsprechender Sachverhaltsdarstellung durch den Beschuldigten und ohne Erläuterung einzelner betrieblicher Vorgänge dazu kaum die Möglichkeit gehabt, eine substantiierte Berufungsschrift zu verfassen. Es wäre daher unbedingt erforderlich gewesen, daß der Beschuldigte mit seinem Rechtsanwalt diesbezüglich Kontakt aufnimmt, damit dieser eine Rechtsmittelschrift verfassen kann, die auch einer Überprüfung durch die Berufungsbehörde standhält und die zum Erfolg führen kann.

Dies ist jedoch offensichtlich nicht geschehen, weil sich der Beschuldigte nicht mit seinem Rechtsvertreter in Verbindung gesetzt hat, da ansonsten dieser vom Vorliegen des Straferkenntnisses rechtzeitig Kenntnis erlangt hätte.

In Anbetracht des weiteren Umstandes, daß mit diesem Straferkenntnis eine Geldstrafe in nicht unbeträchtlicher Höhe, nämlich 20.000 S + 2.000 S Verfahrenskosten verhängt wurde, was angeblich einem Monatsbezug des Beschuldigten entspricht, ist die Verantwortung des Beschuldigten, daß ihn an dieser Fristversäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffen würde, aus einem weiteren Grund unglaubwürdig: Es ist für einen gewerberechtlichen Geschäftsführer einer Ges.m.b.H.

sicherlich kein alltägliches Ereignis, in dieser Eigenschaft mit einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 S belegt zu werden.

Bei Heranziehung des Sorgfaltsmaßstabes eines Durchschnittsmenschen, in diesem Fall also eines durchschnittlichen gewerberechtlichen Geschäftsführers einer Ges.m.b.H., muß daher sogar von einer auffallenden Sorglosigkeit gesprochen werden, wenn ein Straferkenntnis mit dieser Tragweite und dieser Strafhöhe lediglich einer Mitarbeiterin übergeben wird mit dem Auftrag, dieses an den Rechtsanwalt zu faxen, und dann weiters keine einzige Handlung unternommen wird, um zu überprüfen, ob diese Übertragung tatsächlich erfolgt ist und ob der Rechtsanwalt tatsächlich in der Lage ist, aus dem Straferkenntnis allein eine wohlbegründete, erfolgversprechende Berufungsschrift zu verfassen. Wie schon der Antragsteller selbst zutreffend ausgeführt hat, ist auch der sorgfältigste Mensch nicht davor gefeit, daß ihm einmal ein Fehler passiere: Wenn er schon seiner Mitarbeiterin einen solchen Fehler eingesteht, so zeigt das umso deutlicher, wie wichtig die Kontrolle ist.

Der Beschuldigte und nunmehrige Antragsteller hätte daher sowohl die Mitarbeiterin fragen müssen, ob die Übertragung durchgeführt worden sei und er hätte sich weiters beim Rechtsanwalt erkundigen müssen, ob dieser die Berufungsschrift verfassen könne und auch tatsächlich verfassen werde (siehe hiezu VwGH vom 28.11.1978 Slg.

97/06 A).

Der Hinweis des Antragstellers, daß er immer von Dr. H vertreten werde, kann eine Unzulässigkeit der Zustellung des Straferkenntnisses nicht aufzeigen: es ist der Behörde unbenommen, in einem (neuen) Verfahren dem Beschuldigten persönlich zuzustellen. Im vorliegenden Fall war die Zustellung ordnungsgemäß, sodaß sie die vorgesehenen Rechtsfolgen erzeugen konnte.

4.4. Aus all diesen Gründen konnte im Interesse der Rechtssicherheit dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge gegeben werden.

Da bereits die Entscheidung in der Sache selbst erging, war über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr gesondert abzusprechen.

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6.4.1994, Ge96-7-1994-Bi, ist somit rechtskräftig.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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