Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221047/8/Le/Fb

Linz, 21.04.1995

VwSen-221047/8/Le/Fb Linz, am 21. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des C K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21.7.1994, GZ:

502-32/Kb/We/135/93k, wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der Bauarbeiterschutzverordnung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt. Die Rechtsgrundlage des angefochtenen Straferkenntnisses wird jedoch um die Bestimmungen der §§ 33 Abs.1 lit.a Z12 und 33 Abs.7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes ergänzt.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, insofern Folge gegeben, als die verhängte Strafe auf 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4,5 Stunden) herabgesetzt wird.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 21.7.1994 wurde der nunmehrige Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) neben den anderen handelsrechtlichen Geschäftsführern der K GesmbH & Co KG, nämlich den Herren A und A sowie M K als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der K GesmbH & Co KG wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der Bauarbeiterschutzverordnung mit Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) bestraft.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, daß er es zu verantworten habe, daß am 3.8.1993 auf einer Baustelle der K GesmbH & Co KG in L, ein Arbeitnehmer dieser Firma, nämlich Herr W C, auf der westlichen Dachhälfte bei einer Traufenhöhe von ca 16 m und einer Dachneigung von 30 Grad Montagearbeiten durchführte (Montage von zwei Sonnenschutzmarkisen), ohne daß Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden wären, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanhalten könnten.... Das auf der Baustelle aufgestellte Arbeitsgerüst (dreireihiges, sechs Steckrahmen hohes Gerüst), welches als Standfläche benötigt wurde, um im unteren Markisenbereich arbeiten zu können, wäre nicht als Schutzgerüst für Dacharbeiten ausgebildet gewesen, da sich der Belag des Gerüstes ca 1 m unter dem Dachsaum befunden hätte. Auf der Baustelle wäre keine Schutzausrüstung zur Sicherung gegen Absturz vorhanden gewesen.

Der Beschuldigte habe sohin gegen § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz iVm § 43 Abs.1 und 4 der Bauarbeiterschutzverordnung verstoßen.

1.2. In der Begründung wurde dargestellt, daß der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund einer Anzeige des Arbeitsinspektorates der Behörde bekannt wurde. Der Beschuldigte hätte im Ermittlungsverfahren darauf hingewiesen, daß für die Montage der Außenbeschattungen auf Verlangen der K GesmbH & Co KG seitens des Auftraggebers ein Gerüst aufgestellt worden sei. Zusätzlich verfüge jeder Monteur über einen Sicherheitsgurt und ein Sicherungsseil, um ein Arbeiten außerhalb des Sicherheitsbereiches zu ermöglichen.

Diese Sicherungsmittel seien ein Bestandteil der Werkzeugausgabeliste, die von jedem Monteur - in diesem Fall vom Werkmeister - übernommen und bestätigt worden sei. Es sei leider nicht möglich, die beauftragten Personen jederzeit und überall zu kontrollieren.

Nach einer Wiedergabe der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates sowie einer Darstellung der Rechtslage kam die belangte Behörde zum Ergebnis, daß der Tatbestand in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen sei.

Zur Schuldfrage führte sie nach einer Wiedergabe des § 5 Abs.1 VStG aus, daß der Beschuldigte den Schuldentlastungsbeweis nicht habe erbringen können. Es wurde ihm vorgeworfen, daß er durch entsprechende Information der Arbeitnehmer über die zu beachtenden Vorschriften, geeignete Anweisungen und Organisation des Kontrollsystems dafür hätte Sorge tragen müssen, daß in solchen Situationen alle nur denkbaren zweckmäßigen Vorkehrungen für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften getroffen werden. Die Tatsache, daß der Arbeitnehmer W C sich auf der gegenständlichen Baustelle völlig auf sich gestellt und uninformiert - wie der Vorfall beweise - befunden hätte, sei für sich alleine schon geeignet, die Nichtvornahme geeigneter Weisungen durch den Beschuldigten zu erweisen. Da der auf der Baustelle anwesende Arbeitnehmer offensichtlich nicht gewußt hätte, daß das gegenständliche Gerüst für Arbeiten am Dachsaum geeignet sei, jedoch nicht als Schutzgerüst für Dacharbeiten, sowie daß für Arbeiten auf dem Dach, speziell im Randbereich, Seilsicherungen gegen Absturz anzubringen sind, könnte die Behörde nicht davon ausgehen - auch wenn sie berücksichtigte, daß die gegenständlichen Verstöße auf der Baustelle vom Dienstnehmer ohne Willen des Beschuldigten begangen worden seien -, daß Herr C K bisher alle Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen würden. Die Übergabe eines Sicherheitsgurtes und eines Sicherungsseiles an jeden Monteur, ohne daß deren bestimmungsgemäßer Gebrauch mittels Überwachung durch ein wirksames Kontrollsystem gewährleistet sei, sei offensichtlich nicht geeignet, Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften hintanzuhalten. Die Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" reichten gleichfalls nicht aus, um unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten zu lassen. Um von einem wirksamen Kontrollsystem sprechen zu können, bedürfe es der Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Befolgung. Insbesondere hätten im gegenständlichen Fall Lücken in der Unterweisung der Arbeitnehmer bestanden und wäre die tatsächliche Befolgung der Anordnungen seitens des Beschuldigten nicht überwacht worden, sodaß der Beschuldigte die Kontrolltätigkeit nicht ausgeübt habe und kein wirksames Kontrollsystem darlegen konnte. Die Verwaltungsübertretung sei daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit als erwiesen anzusehen.

Die Erstbehörde führte sodann die Gründe für die vorgenommene Strafbemessung aus.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 11.8.1994, mit der die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu die Herabsetzung der Strafe bzw die Erteilung einer Ermahnung beantragt wurde; gleichzeitig wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

In der Begründung verweist der Bw darauf, daß aus rein tatsächlichen Gründen eine Kontrolle jeder Baustelle nicht möglich sei, zumal die gegenständliche Baustelle nur eine Arbeitszeit von etwa rund zwei Stunden erforderte. Wenn daher ein Arbeitnehmer trotz der ausdrücklichen Weisung des Arbeitgebers die erforderlichen Sicherungsmittel nicht anlege, so könne dies dem Arbeitgeber im konkreten Fall nicht angelastet werden. Tatsächlich hätte jeder Arbeitnehmer, so auch Herr C, die Sicherungsmittel ausgefaßt und im Firmenwagen mitgeführt.

Der Berufungswerber vertrat weiters die Ansicht, daß die durchgeführte Arbeit im Montieren von zwei Sonnenschutzmarkisen bestand; es handle sich daher um eine Schlossertätigkeit, nicht aber um eine Bauarbeit, Bauneben- oder Bauhilfsarbeit. Daher wäre die Bauarbeiterschutzverordnung gar nicht anwendbar. Überdies wäre die Arbeit nicht "auf dem Dach" durchgeführt worden, sodaß auch aus diesem Grund § 43 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung nicht anwendbar gewesen sei; eine Analogie sei im Verwaltungsstrafrecht verboten.

Zur subjektiven Verantwortlichkeit führt der Berufungswerber aus, daß ihm der gesamte Bereich der Montage und des Vertriebes in seine Verantwortung übertragen sei, während die anderen Geschäftsführer nach diesem Geschäftsführervertrag andere Agenden hätten. In zwei- bis dreiwöchigen Abständen fänden Besprechungen der Geschäftsführer statt, anläßlich derer die Verantwortlichkeit der anderen erörtert und überprüft werde. Es könnte daher nur Herr C K bestraft werden.

Zur Strafhöhe vertrat der Berufungswerber die Ansicht, daß die Erstbehörde von der Bestimmung des § 21 VStG hätte Gebrauch machen müssen.

3. Die Berufung wurde unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebracht; die Erstbehörde verzichtete nach Kenntnisnahme der Berufung auf eine Berufungsvorentscheidung und legte unter Hinweis auf die Begründung des Straferkenntnisses die Akten vor.

Das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk wies in seiner Stellungnahme vom 8.11.1994 darauf hin, daß die Behauptung, Sicherheitsseile und Sicherheitsgurte wären vom Arbeitnehmer C im Firmenwagen mitgeführt worden, falsch wäre: Bei der Besichtigung vom 3.8.1993 wäre festgestellt worden, daß keine Sicherheitsausrüstung auf der Baustelle war, und einer der beiden Arbeitnehmer in die Betriebsstätte fahren mußte, um die Sicherheitsausrüstung zu holen. Nach Ansicht des Arbeitsinspektorates fallen auch die Montagearbeiten unter den Begriff "Arbeiten auf Dächern", weil die Aufzählung im § 43 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung beispielhaft sei. Da der Beschuldigte kein wirksames Kontrollsystem nachweisen konnte, wurde der Strafantrag vollinhaltlich aufrechterhalten.

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat für 7. April 1995 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. Dabei wurde der Bw C K, der Zeuge W C sowie der Arbeitsinspektor, der die Anzeige vorgenommen hatte nämlich Herr Dipl.-Ing. F F zum Hergang am 3.8.1993 befragt.

Dabei hinterließ der Berufungswerber den Eindruck, ein sehr umsichtiger und gewissenhafter Arbeitgeber zu sein, der sich wirklich um die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften durch seine Arbeitnehmer kümmert. Auch der Zeuge W C wirkte vernünftig und besonnen im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und vermittelte keineswegs den Eindruck, leichtfertig seine Gesundheit oder sein Leben aufs Spiel setzen zu wollen.

4.2. Aus der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

An jenem 3.8.1993 führte Herr W C mit einem Hilfsarbeiter die Montage einer Sonnenschutzmarkise auf dem Haus W durch. Die Arbeitsstelle befand sich gegenüber dem Bürofenster des Arbeitsinspektors, sodaß dieser von seinem Büro aus die Tätigkeit beobachten konnte.

Die Sonnenschutzmarkise wurde zunächst am Dachsaum befestigt, wobei die beiden Monteure ein entsprechendes Arbeitsgerüst vom Auftraggeber (Architekt Kaufmann) zur Verfügung gestellt bekommen hatten.

Als die Markisenschienen im Bereich der Dachflächenfenster montiert wurden, begab sich Herr C in das Innere des Gebäudes W und sicherte sich in einem Büroraum dadurch, daß er einen Gurt um den Heizkörper schlang und diesen an seinem Sitzgurt befestigte. Er setzte sich sodann in die breite Dachrinne und konnte von dort seine Montagetätigkeit verrichten. Die Verbindung von seinem Sitzgurt zum Heizkörper stellte er jedoch nicht mit einem Personensicherungsseil her, sondern mit einem "Lastgurt", der nach Meinung des Herrn C ihm im Falle des Falles die nötige Sicherheit gegeben hätte, weil in der Firma solche Gurte auch zum Abschleppen von Kraftfahrzeugen verwendet würden.

Als der Arbeitsinspektor Dipl.-Ing. F von seinem Bürofenster aus den Monteur C in der Dachrinne sitzen und arbeiten sah, konnte er nicht erkennen, ob dieser irgendwie gesichert war. Er konnte lediglich feststellen, daß das Arbeitsgerüst nicht als Sicherungsgerüst für Dacharbeiten ausreichte. Er rief deshalb Herrn C zu, daß er ins Haus hineingehen und auf ihn warten solle.

Herr C kletterte daraufhin in den Büroraum und wartete dort auf den Arbeitsinspektor, der kurze Zeit später dann auch kam und feststellte, daß Herr C nicht ordnungsgemäß gesichert war. Es wurde sodann Herr C K telefonisch verständigt, der persönlich an Ort und Stelle kam und ein entsprechendes Personensicherungsseil mitbrachte. Mit diesem wurde Herr C sodann nach Anweisung des Arbeitsinspektors am Heizkörper gesichert und konnte daraufhin seine Arbeit fortführen.

Hinsichtlich der Sicherung gab der Zeuge C an, daß er, nachdem er über Anweisung des Arbeitsinspektors, wieder in den Büroraum zurückgekehrt war, noch mit dem Lastgurt am Heizkörper befestigt war, als der Arbeitsinspektor den Raum betrat. Der Arbeitsinspektor konnte sich daran nicht mehr erinnern, räumte jedoch ein, daß dieser Lastgurt vorhanden war.

Zur Verantwortlichkeit des Bw gab dieser an, daß am 3.12.1990 ein Geschäftsführervertrag zwischen ihm, seinem Bruder A K und seinen Eltern A und M K abgeschlossen worden war, der ihm die Zuständigkeit für den technischen Bereich und die Betreuung der Baustellen zuwies. Er konnte diesen Vertrag zwar nicht vorlegen, bestätigte aber ausdrücklich mündlich die Richtigkeit seiner Angabe.

4.3. Vor der Verkündung des Erkenntnisses am 21.4.1995 legte der Bw diesen Geschäftsführervertrag, datiert allerdings mit 18.12.1990, vor. Daraus geht hervor, daß dem Bw die alleinige Verantwortlichkeit für den technischen Bereich und die Betreuung der Baustellen zukommt.

5. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde (§ 51 Abs.1 VStG).

Somit ist die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates gegeben.

Da eine Geldstrafe nicht über 10.000 S verhängt wurde, ergibt sich gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes.

5.2. § 1 Abs.1 der Bauarbeiterschutzverordnung, die gemäß § 33 Abs.1 lit.a Z12 des Arbeitnehmerschutzgesetzes in der hier anzuwendenden Fassung BGBl.Nr. 234/1972 idF 650/1989, als Bundesgesetz weiter gilt, normiert, daß die Bestimmungen dieser Verordnung für die Ausführung von Bauarbeiten aller Art, einschließlich der Bauneben- und der Bauhilfsarbeiten auf Baustellen durch Betriebe, die gemäß den Bestimmungen des Arbeitsinspektionsgesetzes, BGBl.Nr. 194/1947 in der jeweils geltenden Fassung, der Aufsicht der Arbeitsinspektion unterliegen.

Damit ist klargestellt, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes auf alle Tätigkeiten eines Betriebes anzuwenden sind, wenn dieser nur der Aufsicht der Arbeitsinspektorate unterliegt und die Tätigkeit von den Intentionen der Bauarbeiterschutzverordnung erfaßt sind. Ziel dieses Gesetzes ist nämlich aufgrund des engen inhaltlichen und systematischen Zusammenhangs mit dem Arbeitnehmerschutzgesetz und dem Arbeitsinspektionsgesetz offenkundig der Arbeitnehmerschutz, sodaß es nicht auf die Gewerbeberechtigung des Betriebes ankommen kann, ob die Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer auf die Tätigkeit angewendet werden können oder nicht. Der Schutz der Arbeitnehmer ist ein von der gewerblichen Tätigkeit losgelöstes Ziel zur Erhaltung der Schutzgüter Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer. Somit ist die Bauarbeiterschutzverordnung auf den gegenständlichen Sachverhalt jedenfalls anzuwenden.

Zur Überprüfung des Tatvorwurfes, daß der Arbeitnehmer W C auf dem Dach Montagearbeiten durchgeführt hätte, ohne daß Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden wären, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanhalten könnten und daß auf der Baustelle keine Schutzausrüstung zur Sicherung gegen Absturz vorhanden gewesen wäre, sind die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 7.4.1995 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sowie § 43 Abs.1 der Bauarbeiterschutzverordnung heranzuziehen.

Unbestritten blieb, daß das Arbeitsgerüst nicht als Schutzgerüst für Dacharbeiten ausgebildet war.

Bestritten wurde allerdings, daß Herr C ungesichert war:

§ 43 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung bestimmt, daß Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaseroder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden dürfen.

Die Bestimmung regelt sohin alle Arbeiten auf Dächern; die Aufzählung ist eine lediglich beispielsweise, was sich aus der grammatikalischen Interpretation durch die Verwendung des Wortes "wie" eindeutig ergibt.

Die Bestimmung sagt nicht im Detail aus, welche Sicherheitsmaßnahmen zu treffen sind; es wird damit lediglich ein Sicherheitsziel bestimmt, nämlich die Verhinderung des Abstürzens von Menschen, Materialien und Geräten. Welche Sicherheitsmaßnahmen daher erforderlich sind, ergibt sich aus dem Stand der Technik, hier des Standes der Sicherungstechnik.

Im vorliegenden Fall hat der an dieser Dachbaustelle beschäftigte Monteur W C angegeben, sich mit einem Sitzgurt und einem längeren Seil, welches er an einem Heizkörper befestigt hatte, gesichert zu haben. Der an Ort und Stelle einschreitende Arbeitsinspektor bestätigte anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat, daß Herr C einen Sitzgurt hatte, den man als Sicherung noch in Ordnung befinden könne. Es hätte sich dabei um ein "Hosengeschirr" gehandelt. Der Arbeitsinspektor bestätigte weiters ausdrücklich (siehe Seite 6 der Verhandlungsschrift), daß das Seil ("Gurt" gemeint ist damit der Lastgurt - siehe unten), den Herr Casagranda nach eigener Aussage zu seiner Sicherung verwendet hatte, in dem Büroraum vorhanden war, in dem er sich mit Herrn C getroffen hatte. Nach der widerspruchsfreien Aussage des Zeugen C handelte es sich bei diesem Seil um einen Lastgurt, wie er in der Firma zum Sichern von Lasten, aber auch zum Abschleppen von Kraftfahrzeugen verwendet würde, und der eine Tragfähigkeit von mindestens 500 kg hätte. Das normalerweise zur Personensicherung vorgesehene Seil hätte er an diesem Tag in der Firma vergessen, weil er geglaubt hatte, daß ohnedies ein Gerüst an der Baustelle vorhanden sei.

Aus Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates ist dazu festzustellen, daß die Sicherung mit dem Lastgurt ein Provisorium war, das vom Arbeitnehmer subjektiv als ausreichend angesehen wurde. Aus arbeitnehmerschutzrechtlicher Sicht kann aber ein solches Provisorium, das auch den einschlägigen ÖNORMEN nicht entspricht, nicht als nach dem Stand der Technik zur Personensicherung ausreichend angesehen werden. Der Monteur C hätte vielmehr in den Betrieb zurückfahren müssen, um ein entsprechendes Personensicherungsseil zu holen bzw hätte er sich ein solches Seil bringen lassen müssen.

Der Umstand, daß der Monteur W C überhaupt ohne diesem Sicherungsseil zur Baustelle gekommen ist, zeigt, daß das vom Bw dargestellte Kontrollsystem doch nicht so funktioniert hat, wie er es in der Berufung sowie in der mündlichen Verhandlung dargestellt hat. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu etwa das Erkenntnis vom 24.2.1995, 94/02/0440, 0441 sowie die in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zitierte Vorjudikatur) reicht die Erteilung von Weisungen sowie die Vornahme von Belehrungen und selbst die stichprobenweise Kontrolle nicht aus, ein wirksames Kontrollsystem darzustellen. Die Verletzung dieser Arbeitnehmerschutzvorschrift ist daher dem Bw anzulasten.

Nach der vorgelegten "Geschäftsordnung" vom 18.12.1990, abgeschlossen zwischen den handelsrechtlichen Geschäftsführern der K GesmbH & Co KG, ist der Bw alleine für den Bereich der Baustellen und damit auch der Überwachung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen verantwortlich. Diese Vereinbarung stammt aus der Zeit vor Begehung der Verwaltungsübertretung und wurde vom Bw auch durch Unterschrift angenommen.

5.3. Zur vorgenommenen Herabsetzung der Strafe ist begründend auszuführen, daß das Verschulden des Bw nicht so geringfügig war, daß von einer Strafe iSd § 21 VStG abgesehen werden konnte. Allerdings hat die Tat keinerlei nachteilige Folgen nach sich gezogen und auch nicht Arbeitnehmerschutzinteressen in größerem Ausmaß geschädigt, weil der Monteur W C immerhin so vernünftig war, nicht völlig ungesichert auf dem Dach zu arbeiten. Daß er dazu einen Lastgurt verwendete, der nach seinem ursprünglichen Sinn nicht zur Personensicherung zu verwenden ist, nach der subjektiven Einschätzung dieses Monteurs jedoch durchaus als Sicherungsmittel geeignet war, zeigte aber doch, daß dieser mit den Sicherheitsvorschriften zumindest einigermaßen vertraut war. Dieser Umstand spricht jedenfalls für ein an sich funktionierendes Sicherheitsbelehrungssystem, das allerdings - wie der vorliegende Fall zeigte hinsichtlich der Kontrolle nicht ganz lückenlos ist.

Die herabgesetzte Strafe erscheint jedoch ausreichend, den Berufungswerber künftighin zu einer Optimierung seines Kontrollsystems zu veranlassen.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Strafe zu leisten hat. Dadurch, daß diese Strafe von der Berufungsbehörde herabgesetzt wurde, ist der Verfahrenskostenbeitrag mit 10 % der herabgesetzten Strafe zu berechnen, im vorliegenden Fall also mit 200 S.

Gemäß § 65 VStG sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn die Strafe abgeändert worden ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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