Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221204/2/Schi/Ka

Linz, 20.03.1996

VwSen-221204/2/Schi/Ka Linz, am 20. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. vom 6.2.1995, Ge96-131-1994, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die angewendete Gesetzesbestimmung, nach der die Strafe verhängt wird (§ 44a Z3 VStG) zu lauten hat:

"§ 366 Abs.1 Einleitungssatz GewO 1994".

II. Als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind 20 % der verhängten Strafe, ds 1.000 S, binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstigem Zwang zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: §§ 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/I.

vom 6.2.1995, Ge96-131-1994, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Stunden) verhängt, weil er bei seiner erstmals mit Bescheid der BH Ried/I. vom 11.12.1972, Ge-893/5-1972, genehmigten Betriebsanlage (Bäckerei) in der L, auf Parzelle Nr. der KG R, bis zum 5.9.1994 ein Expedit ohne die erforderliche gewerberechtliche Genehmigung errichtet und nach der Errichtung bis zum 6.12.1994 betrieben und am 14.11.1994 einen zusätzlichen Backofen in diesem Expedit errichtet und nach der Errichtung bis zum 6.12.1994 betrieben habe, obwohl der im Expedit errichtete und betriebene Backofen durch die zusätzlichen Abluftführungen ins Freie geeignet ist, die Nachbarschaft durch Lärm unzumutbar zu belästigen. Er habe dadurch § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 verletzt. Gemäß § 64 VStG wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 500 S (10 % der verhängten Strafe) vorgeschrieben.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, mit Schriftsatz vom 23.2.1995 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, der Berufung Folge zu geben und die verhängte Geldstrafe wesentlich herabzusetzen.

Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, daß es richtig sei, daß er einen zusätzlichen Backofen ohne erforderliche gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung in Betrieb genommen habe. Ursache dafür sei gewesen, daß der alte Backofen plötzlich kaputtgegangen sei und er gezwungen war, sich sofort einen neuen Backofen zuzulegen, um den Gewerbebetrieb nicht einstellen zu müssen. Bei dieser Ausnahmesituation könne man kaum von einem vorsätzlichen Handeln sprechen, zumal diese Situation für ihn existenzbedrohend gewesen sei, wenn er erst den Backofen in Betrieb nehmen könne, sobald die entsprechende gewerberechtliche Genehmigung vorliege. Auch beim Expedit (Lagerhalle) sei es ähnlich gewesen; obwohl er bei den zuständigen Professionisten alles rechtzeitig bestellt habe, seien immer wieder Pannen eingetreten und versprochene Lieferungen nicht erfolgt, sodaß er aus Zeitmangel gezwungen gewesen sei, die Halle vor der gewerberechtlichen Genehmigung in Betrieb zu nehmen. Auch dies sei keinesfalls vorsätzlich erfolgt, sondern hätten ihn die Umstände hiezu gezwungen. In der Zwischenzeit habe er alle Auflagen erfüllt und es sei auch der zusätzliche Backofen derart ausgerüstet gewesen, daß eine Anrainerbelästigung nicht mehr eintrete.

Im Lichte dieser Umstände erscheine die verhängte Geldstrafe wesentlich überhöht, zumal er bisher unbescholten sei.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt, der im übrigen vom Berufungswerber gar nicht bestritten wird, legt der unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Gemäß § 81 Abs.1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs.2 GewO umschriebenen Interessen erforderlich ist.

Gemäß § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

4.2. Der Bw selbst gesteht ausdrücklich zu, "einen zusätzlichen Backofen ohne erforderliche gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung in Betrieb genommen zu haben"; ähnliches gelte auch für den Expedit (die Lagerhalle). Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes ist sohin als gegeben anzunehmen gewesen.

4.3. Zur subjektiven Tatseite hat die Erstbehörde bereits zutreffend auf § 5 Abs.1 VStG verwiesen und daraus den zutreffenden Schluß gezogen, daß es sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt, bei dem der Gesetzgeber den Täter schon durch den objektiven Tatbestand belastet und die Schuld als gegeben ansieht. Allerdings räumt der Gesetzgeber dem Beschuldigten die Möglichkeit ein, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Eine solche Glaubhaftmachung ist dem Bw im erstinstanzlichen Verfahren nicht gelungen; im vorliegenden Berufungsverfahren hat er die Erfüllung der subjektiven Tatseite an sich nicht in Abrede gestellt.

4.4. Die Einwendungen im Berufungsverfahren laufen jedoch im Ergebnis auf einen strafbefreienden Notstand hinaus bzw auf Umstände, die einem derartigen Schuldausschließungs- bzw Rechtfertigungsgrund nahekommen. Hier weist der Bw darauf hin, daß er gezwungen gewesen wäre, seinen Betrieb vorübergehend (wochenlang) stillzulegen, weil die gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren entsprechend lange dauern würden. Eine derartige Situation wäre für ihn existensbedrohend gewesen.

Hier ist auf folgendes hinzuweisen:

a) Der Gesetzgeber ordnet dazu in § 6 VStG an, daß eine Tat nicht strafbar ist, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Im vorliegenden Fall wird somit eine "wirtschaftliche Schädigung" geltend gemacht. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht, daß in der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, keine unmittelbar drohende Gefahr bilde und somit ein Notstand iSd § 6 VStG nicht gesehen werden könne (siehe dazu etwa VwGH vom 23.9.1985, 85/18/301 ua).

Daß die Lebensmöglichkeit des Bw. sowie seiner Familie selbst unmittelbar bedroht wäre, hat er aber nicht einmal selbst behauptet und ergaben sich auch aus dem Verfahren keine derartigen Hinweise.

Das hat zur Folge, daß sich der Bw. im vorliegenden Fall auf Notstand nicht berufen kann.

b) Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates im vorliegenden Fall nicht einmal von einer drohenden größeren wirtschaftlichen Schädigung gesprochen werden kann, zumal der Bw auch selbst immer wieder darauf hinweist, daß es sich hier nicht um den einzigen Backofen, sondern lediglich um einen zusätzlichen Backofen handelt (siehe oben Punkt 2. und Punkt 4.2.).

Die diesbezüglichen Einwendungen können daher der Berufung zu keinem Erfolg verhelfen; sie können daher auch nicht im Sinne des § 34 Z11 StGB, wonach es einen Milderungsgrund insbesondere darstellt, wenn die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen, einen solchen Milderungsgrund darstellen.

5. Zur Strafbemessung:

5.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

5.2. Insofern die Strafbemessung vom Rechtsmittelwerber angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse als überhöht angesehen wird, ist folgendes festzustellen:

Die belangte Behörde hat in der Begründung des Straferkenntnisses sowohl den Unrechtsgehalt der Tat als auch den Schuldgehalt der Tat vollständig und übersichtlich so erörtert, daß aus dem Blickwinkel des Rechtschutzes die Ermessensübung der belangten Behörde mit ihren maßgeblichen Überlegungen für den Bw offen vorgelegen ist. Besondere Milderungsgründe, die die belangte Behörde zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, hat der Bw nicht geltend gemacht.

Insbesondere kann aus den vom Bw angeführten Gründen ein (zusätzlicher) Milderungsgrund nicht abgeleitet werden. Im Hinblick auf die gemäß § 19 VStG vorgesehene Abwägung der dort angeführten Kriterien für die Bemessung von Geldstrafen kann nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates bei einem Strafrahmen bis zu 50.000 S - selbst bei der angeblichen Vermögens- und Einkommenslosigkeit - vorliegend nicht von einer unangemessen hohen Strafe, die eine besondere Härte darstellt, gesprochen werden. Insbesondere erscheint die verhängte Strafe im Ausmaß eines Zehntels der gesetzlichen Höchststrafe aus general- und spezialpräventiven Gründen notwendig.

6. Die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses hatte auf der Kostenseite zur Folge, daß der Bw einen Beitrag von 20 % der erwähnten Geldstrafe, ds 1.000 S, für die Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat (§ 64 Abs.1 und Abs.2 VStG).

7. Die Richtigstellung der Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG war im Sinne der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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