Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221228/2/Kl/Rd

Linz, 23.05.1995

VwSen-221228/2/Kl/Rd Linz, am 23. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des K T, vertreten durch RA Dr. H E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 10.4.1995, Ge96/177/1993, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1973 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es sind keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2 und Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 10.4.1995, Ge96/177/1993, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 5.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z26 GewO 1973 iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 19.5.1989, Ge-06035410, verhängt, weil er zumindest im Zeitraum vom 7.9.1990 bis 3.9.1992 den Auflagenpunkt 10 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 19.05.1989, Ge-0603-5410, nicht eingehalten hat, indem er in diesem Zeitraum die Pulverbeschichtungsanlage in seinem Betrieb auf der Grundparz.

Nr. , KG M, Gemeinde M, betrieben hat, obwohl ein Probebetrieb nur bis 6.9.1990 für zulässig erklärt wurde.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 500 S auferlegt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Begründend wurde ausgeführt, daß es Aufgabe der bescheiderlassenden Behörde sei, Auflagen in den Spruch eines Bescheides aufzunehmen und so konkret zu formulieren, daß schon aus dem Spruch allein zu erkennen ist, was damit gemeint ist und wie dieser Auflage nachzukommen ist.

Der Auflage, daß ein Probebetrieb bis zum 6.9.1990 zulässig sei, die Fertigstellung der Betriebsanlage anzuzeigen und um die Erteilung der Betriebsbewilligung anzusuchen, sei vom Berufungswerber nachgekommen worden. Hingegen gehe aus der Auflage nicht hervor, was zu unternehmen sei, wenn die Betriebsbewilligung nicht erteilt wird. Im übrigen sei die Genehmigung eines Probebetriebes in Form einer Auflage rechtlich verfehlt.

Gemäß § 367 Z26 GewO ist strafbar, wer die gemäß §§ 74 bis 83 GewO in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält. Ein Auftrag ist im Auflagepunkt 10 nicht zu erblicken. Im übrigen sei mit 1.7.1993 die Gewerberechtsnovelle 1992 in Kraft getreten, wonach die Strafbarkeit mangels gesetzlicher Deckung entfallen sei.

Auch sei das günstigere Recht (§ 1 Abs.2 VStG) anzuwenden, weshalb mangels gesetzlicher Vorschriften für einen Probebetrieb eine Bestrafung zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses nicht mehr zulässig sei. Im übrigen sei Rechtswidrigkeit gegeben, weil ein Verweis des Genehmigungsbescheides auf Gutachtenspunkte in der Verhandlungsschrift nicht ausreiche. Im übrigen bestreitet der Berufungswerber das subjektive Tatbild.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben. Von einer Berufungsvorentscheidung wurde nicht Gebrauch gemacht.

Weiters hat die belangte Behörde über Aufforderung eine Ausfertigung des Genehmigungsbescheides vom 19.5.1989, Ge-0603-5410, der diesbezüglichen Verhandlungsschrift vom 4.4.1989 sowie der Verhandlungsschrift vom 28.11.1989 vorgelegt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Danach hat der erkennende Senat im Zusammenhalt mit den Berufungsausführungen einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 51e Abs.1 VStG Abstand genommen werden, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 77 Abs.1 GewO 1973 idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und nach dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen iSd § 74 Abs.2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs.2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 78 Abs.2 leg.cit. kann die Behörde im Genehmigungsbescheid anordnen, daß die Betriebsanlage oder Teile dieser Anlage erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob die die Auswirkungen der genehmigten Anlage oder von Teilen dieser Anlage betreffenden Auflagen des Genehmigungsbescheides die gemäß § 74 Abs.2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend schützen oder zur Erreichung dieses Schutzes andere oder zusätzliche Auflagen erforderlich sind; sie kann zu diesem Zweck auch einen befristeten Probebetrieb zulassen oder anordnen.

5.2. Schon aufgrund des zitierten Gesetzeswortlautes geht hervor, daß der Ausspruch betreffend die Zulassung eines Probebetriebes nicht in Form einer Auflage zu treffen ist (VwGH 25.2.1986, 85/04/0167). Im Genehmigungsbescheid, in dem der Vorbehalt der Betriebsbewilligung und die Anordnung oder Zulassung des Probebetriebes erfolgt, ist dieser hinsichtlich seines Beginnes und Endes eindeutig zu begrenzen. Der Probebetrieb darf erst nach Rechtskraft des Bescheides (über die Genehmigung der Errichtung der Betriebsanlage) und konsensgemäßer Errichtung der Betriebsanlage geführt werden. Zweckmäßigerweise wird die Behörde dem Genehmigungswerber die Anzeige der Fertigstellung der Anlage gemäß § 359 Abs.1 GewO auftragen, um eine entsprechende Überwachungsmöglichkeit über den zulässigen Beginn des Probebetriebs zu haben (vgl. Stolzlechner-Wendl-Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage, 2. Auflage, RZ 86).

Dementsprechend stellt der Betrieb einer bereits genehmigten Betriebsanlage ohne die gemäß § 78 Abs.2 vorgeschriebene Betriebsbewilligung eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z26 dar, weil ein im (rechtskräftigen) Genehmigungsbescheid (§ 77 Abs.1) vorgeschriebener Auftrag (Inbetriebnahme erst nach Erlangung einer Betriebsbewilligung) nicht eingehalten worden ist (vgl. Mache-Kinscher, GewO, 5. Auflage, Seite 312 f).

Gemäß § 367 Z26 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs.1 oder § 82a Abs.1 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Dieser Tatbestand wird - wie nachstehend auszuführen sein wird - nicht erfüllt.

5.3. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 19.5.1989, Ge-0603-5410, wurde dem Berufungswerber die gewerberechtliche Genehmigung für die Erweiterung der bestehenden Werkstätte und Einbau einer Pulverbeschichtungsanlage nach Maßgabe der bei der Augenscheinsverhandlung vorgelegten Projektsunterlagen bzw. der im Befund festgelegten Beschreibung erteilt. "Die auf den Seiten 4 und 5 der Verhandlungsschrift vom 4.4.1989, Zl. Ge-0603-5410, enthaltenen Punkte 1 bis 10 des Gutachtens des Amtssachverständigen werden als Auflagen und Fristen festgelegt. Sie sind Bestandteil dieses Spruches." Punkt 10 des gewerbetechnischen Gutachtens lautet: "10.) Die Fertigstellung der Betriebsanlage ist der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn als Gewerbebehörde anzuzeigen und gleichzeitig ist um die Erteilung der Betriebsbewilligung anzusuchen. Ein Probebetrieb in der Dauer eines Jahres wird für zulässig erklärt." Wie schon oben (Punkt 5.2.) dargelegt wurde, ist der Ausspruch betreffend eines Probebetriebes nicht in Form einer Auflage zu treffen. Es erweist sich daher die gegenständliche Auflage als rechtswidrig. Im übrigen ist sie auch hinsichtlich des Beginnes und Endes des Probebetriebes nicht ausreichend (eindeutig) bestimmt. Bemerkenswert ist jedoch, daß der zitierte Auflagenpunkt 10 nicht gemäß § 78 Abs.2 GewO anordnet, "daß die Betriebsanlage oder Teile dieser Anlage erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen", sondern lediglich anordnet, daß die Fertigstellung anzuzeigen und um die Erteilung einer Betriebsbewilligung anzusuchen ist.

Selbst wenn man die unter Punkt 10 zitierte Auflage als einen in einem Genehmigungsbescheid ergangenen behördlichen Auftrag umdeutet und diese Umdeutung für zulässig erachtet, hat aber der Berufungswerber den Tatbestand der Nichterfüllung eines Auftrages gemäß § 367 Z26 GewO nicht erfüllt, weil er ja diesem "Auftrag", die Fertigstellung der Betriebsanlage anzuzeigen und um die Erteilung der Betriebsbewilligung anzusuchen, tatsächlich und unbestritten nachgekommen ist. Diesbezüglich ist der Berufungswerber mit seinen Berufungsausführungen im Recht.

5.4. Daß der Berufungswerber aber entgegen der Anordnung, daß die Betriebsanlage erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden darf, die Betriebsanlage in Betrieb genommen bzw. weiterbetrieben hat, wurde aber dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis nicht zum Vorwurf gemacht. Im übrigen würde ein solcher Vorwurf auch keine Deckung in dem unter Punkt 10 ergangenen Auflagenpunkt (Auftrag) des Genehmigungsbescheides finden. Daran ändert auch nichts die noch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4.2.1993 (als erster Verfolgungshandlung), weil der darin erhobene Vorwurf, nicht dem Punkt 10 des Gutachtens der Verhandlungsschrift entsprochen zu haben, wonach "die Betriebsanlage erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden darf", nicht den Tatsachen entspricht, insbesondere weil der Punkt 10 des Genehmigungsbescheides - wie schon oben ausgeführt - einen anderen Wortlaut enthält.

Es ist nämlich nicht zulässig, im Wege eines Verwaltungsstrafverfahrens eine rechtswidrig ergangene Auflage eines (rechtskräftigen) Genehmigungsbescheides abzuändern bzw. zu korrigieren und die Nichteinhaltung dem Berufungswerber zum Vorwurf zu machen.

5.5. Es brauchen daher die weiteren Berufungsausführungen hinsichtlich der näheren Konkretisierung des Genehmigungsbescheides bzw. der darin enthaltenen Auflagen nicht mehr näher erörtert zu werden. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ein konkreter ziffernmäßiger Verweis auf Punkte eines Gutachtens in der Verhandlungsschrift im Spruch des Genehmigungsbescheides im Sinn des § 44a VStG genügt.

Ebensowenig ist der Verweis des Berufungswerbers auf § 379 Abs.1 GewO zielführend, weil diese Bestimmung eine Übergangsbestimmung zur GewO 1973 darstellt, und sich diese Bestimmung auf Tatbestände vor Inkrafttreten der GewO 1973, also vor 1.8.1974, bezieht. Hiezu wird auch auf § 379 Abs.1 der Wiederverlautbarung der GewO 1973, BGBl.Nr. 194/1994, verwiesen.

Wenn hingegen der Berufungswerber einwendet, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses im Grunde der GewO-Novelle 1992 ein Probebetrieb bzw. eine Betriebsbewilligung nicht mehr vorgesehen sind, so wird auf die zu dieser Rechtsproblematik ergangene Judikatur des VwGH (Erk. vom 28.6.1994, 94/04/0023) sowie auch die diesbezügliche Literatur (Aichlreiter, Betriebsbewilligungspflicht und GewO-Novelle 1992, in WBL, Heft 4, April 1995, Seite 133 ff) hingewiesen. Danach wäre im gegenständlichen Fall auch weiterhin die Einholung einer Betriebsbewilligung erforderlich.

5.6. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß ein Bescheid, der hinsichtlich der einen Teil des Straftatbestandes bildenden Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides keine wörtliche Anführung enthält, durch die schon aus dem Spruch die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, nicht dem Sprucherfordernis des § 44a Z1 VStG entspricht.

Der bloße Hinweis auf ziffernmäßig bezeichnete Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides ist nicht als ausreichend anzusehen (VwGH 19.6.1990, 89/04/0249 uam). Schon dieser Umstand, weil eine wörtliche Anführung der Auflage 10 dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses fehlt und weil der tatsächliche Wortlaut der Auflage 10 dem Berufungswerber nie vorgeworfen wurde, hätte zu der Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG führen müssen.

Weiters wird die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß nach § 367 Z26 die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z2 VStG), aus der Strafbestimmung des § 367 Z26 iVm der konkret bezeichneten Untergliederung jenes Bescheides, in dem die betreffende Auflage vorgeschrieben wurde, besteht (vgl. Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, Seite 597 mwN).

Aus den angeführten Gründen war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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