Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230851/2/SR/An

Linz, 11.10.2003

 

 

 VwSen-230851/2/SR/An Linz, am 11. Oktober 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des N H, vertreten durch Rechtsanwalt W M. H, St.-J-S, D- B gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 4. August 2003, Sich96-469-2002 wegen Verletzung des Melderechtes, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - AVG iVm § 24, § 45 Abs. 1 Z. 1, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es zumindest vom 1. Jänner 2002 an unterlassen, sich innerhalb von 3 Tagen vor oder nach der Unterkunftsaufgabe unter der Adresse I in S beim Bürgermeister der Gemeinde S als Meldebehörde abzumelden, obwohl Sie seit mindestens 1. Jänner 2002 unter dieser Adresse keine Unterkunft mehr hatten und zumindest bis 11. Juni 2002 keine Abmeldung erfolgte.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 2 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 Meldegesetz 1991, BGBl. I Nr. 28/2001

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

36 Euro

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

12 Stunden

gemäß

 

§ 22 Abs.1 Z.1 Meldegesetz 1991 idF BGBl. I. Nr. 28/2001

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

3,60 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 14,53 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 39,60 Euro."

 

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG).

 

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 7. August 2003 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen begründend aus, dass der Bw die Unterkunft spätestens am 1. Jänner 2002 aufgegeben habe. Dabei habe er es unterlassen, innerhalb von drei Tagen vor oder nach der Unterkunftaufgabe die Abmeldung durchzuführen. Auch wenn während der Tatzeit das Mietverhältnis noch aufrecht gewesen sei, habe es am tatsächlichen Naheverhältnis des Meldepflichtigen zur Wohnung bzw. zur Unterkunft gemangelt. Das (wenn auch nur vorübergehende) Verlassen der Wohnung mit dem damit einhergehenden Nichtbenützen der Wohnung zum Wohnen und Schlafen würde die Aufgabe der Unterkunft in einer Wohnung begründen.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen. Ferner ging die Behörde erster Instanz davon aus, dass der Bw kein Vermögen besitze, über kein eigenes Einkommen verfüge und keine Sorgepflichten habe.

 

2.2. Dagegen bringt der Vertreter des Bw u.a. vor, dass die Wohnung sehr wohl auch nach dem 1. Jänner 2002 als Unterkunft benützt worden sei und er im Nachhinein von der zwangsweisen Räumung erfahren habe. Das Mietverhältnis sei auf Grund der Vereinbarung vom 3. Februar 2003 gelöst worden. Dabei habe sich der Vermieter bereit erklärt, die einbehaltenden Fahrnisse des Bw herauszugeben. Erst zu diesem Zeitpunkt sei festgestanden, dass der Bw seine Unterkunft verloren habe.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zur Zl. Sich96-469-2002 und nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen hinreichend geklärt erscheint.

3.2. Auf Grund der Aktenlage steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

 

Der Bw schloss am 18. Juli 1991 mit der Bauträger W&I AG, R, S, vertreten durch die Firma W, Wohnungsvermittlung, Ggasse, P einen Mietvertrag betreffend dem Objekt "Studentenwohnanlage K H", Appartement Nr., S, I , ab.

 

Am 11. Juni 2002 wurde das Appartement Nr. zwangsweise geräumt und die Fahrnisse des Bw vom Vermieter einbehalten. Bei der vom Bezirksgericht Schärding anberaumten zwangsweisen Räumung waren Organe des Bezirkshauptmannes von Schärding (Gendarmeriebeamter des GP S) anwesend.

 

Während der angeführten Tatzeit war der Bw auf einem Studienaufenthalt im Ausland. In der gegenständlichen Wohnung befanden sich persönliche Gegenstände des Bw.

3.3. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich schon aus dem erstbehördlichen Akt und blieben von den Parteienvertretern unbestritten.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetz 1991 - MeldeG), BGBl 9/1992, zuletzt geändert mit BGBl. I 98/2001, sind Unterkünfte Räume, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden.

 

Gemäß § 1 Abs. 6 MeldeG ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 MeldeG ist zu melden, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt oder eine solche aufgibt.

 

§ 4 MeldeG (Unterkunft in Wohnungen; Abmeldung) sieht in Abs. 1 vor, dass derjenige, der seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt, innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden ist.

 

4.2. Unterkunftnahme liegt dann vor, wenn von einer Wohnung (Unterkunft) ein widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Dies wird bei der Unterkunft in einer Wohnung dann der Fall sein, wenn eine Person diese tatsächlich zum Wohnen und Schlafen benützt. Eine Unterkunftnahme wird daher überall dort anzunehmen sein, wo Räume von einer oder mehreren Personen zur Befriedigung eines, wenn auch nur vorübergehenden, Wohnbedürfnisses tatsächlich benützt wird. Zu den Wohnbedürfnissen muss man aber nicht bloß das Nächtigen, sondern auch das Sichdarinaufhalten, "seine Sachen verwahren und andere hievon grundsätzlich auszuschließen", zählen. Hingegen setzt die Unterkunftnahme nicht voraus, dass in den jeweiligen Räumen sämtliche Wohnbedürfnisse ständig bzw. ununterbrochen befriedigt werden.

 

Vergleichsweise hat der VwGH am 3. September 1996, Zl. 95/08/0283 ausgeführt, dass der Annahme der Unterkunftnahme nicht entgegensteht, wenn die betreffende Person aus besonderen Gründen, wie etwa einer auswärtigen Arbeitsverrichtung, wobei an deren Ort eine Unterkunft besteht, nur am Wochenende in die Wohnung zurückkehrt. Es ist für die Frage, ob eine Unterkunftnahme vorliegt, also nicht erforderlich, dass die Unterkunft nehmende Person in den als Wohnung dienenden Räumen ihr Wohnbedürfnis ständig bzw. ununterbrochen befriedigt.

 

Die Meldevorschriften stellen sowohl betreffend das Nehmen als auch die Aufgabe einer Unterkunft auf ein tatsächliches Naheverhältnis bzw. dessen Wegfall des Meldepflichtigen zur Unterkunft ab (VwGH 20.1.1993, Zl. 92/01/0557). Eine Aufgabe der Unterkunft kann daher grundsätzlich nur angenommen werden, wenn aus den äußeren Umständen - etwa durch Entfernung der persönlichen Gegenstände des täglichen Gebrauches aus der Wohnung - hervorgekommen ist, dass eine Person ihre Beziehung zu der Unterkunft gänzlich gelöst hat (vgl. hiezu VwGH vom 29.9.2000, Zl. 98/02/0449 und vom 6.3.2001, Zl. 2000/05/0108).

 

Im gegenständlichen Verfahren steht fest, dass sich an der gemeldeten Unterkunft bis zur gerichtlich angeordneten, zwangsweisen Räumung am 11. Juni 2002 persönliche Gegenstände des Bw befunden haben.

 

Entgegen der Ansicht des Vertreters des Bw kommt es nicht auf die zivilrechtliche Beziehung des Meldepflichtigen zur Unterkunft an. Die Pflicht zur An- und Abmeldung bei der Meldebehörde besteht unabhängig vom Grund der Aufgabe der Wohnung bzw. der Unterkunftnahme; insbesondere begründet auch eine widerrechtlich unter Zwang oder Gewaltanwendung erfolgte Aufgabe der Unterkunft und das Beziehen einer Notunterkunft diese Verpflichtungen (VwGH 2.2.1983, 82/01/0290; 27.4.1984, 82/01/0019).

 

Dennoch war dem Berufungsantrag Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Von der Aufgabe einer Unterkunft kann nur ausgegangen werden, wenn die Beziehung zwischen der Person und der Unterkunft - wenn auch nur vorübergehend - gänzlich gelöst wird. Davon kann aber bei einer vorübergehenden Abwesenheit zum Zwecke eines Studienaufenthaltes im Ausland nicht gesprochen werden. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Unterbrechung des Aufenthaltes von absehbarer Dauer war. Der Bw konnte im Verfahren glaubhaft darlegen, dass seine Abwesenheit nur von vorübergehender Dauer sein sollte. Untermauert wird sein Vorbringen auch durch seine angestrengten gerichtlichen Schritte und dem daraus ableitbaren Willen, die gegenständliche Wohnung weiterhin als Unterkunft für seine Studienzwecke in Anspruch nehmen zu wollen.

 

Da § 4 Abs. 1 MeldeG dem Meldepflichtigen einräumt sich innerhalb von drei Tagen vor der Unterkunftaufgabe oder danach bei der Meldebehörde abzumelden, hätte der Bw seiner Meldepflicht auch noch innerhalb von 3 Tagen nach dem 11. Juni 2002 nachkommen können, ohne einer strafrechtlichen Sanktion ausgesetzt zu sein. Indem die Behörde erster Instanz dies verkannt und dem Bw lediglich vorgeworfen hat, "zumindest bis 11. Juni 2002 keine Abmeldung" vorgenommen zu haben - obwohl die Unterkunftaufgabe erst am 11. Juni 2002 erfolgte - war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

4.5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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