Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240182/2/Wei/Bk

Linz, 16.12.1996

VwSen-240182/2/Wei/Bk Linz, am 16. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des K, vertreten durch Prof. Dr. A, vom 31. Jänner 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23. Jänner 1996, Zl. SanRB 96-129-1995-Fu, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl Nr. 756/1992)) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 23.

Jänner 1996 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der Firma E in L am 12.4.1995 um 09.30 Uhr im Betrieb der vorgenannten Firma in W, mindestens 3 Gläser 'Maiskölbchen' gelagert und damit in Verkehr gebracht, ohne diese verpackten Lebensmittel der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 entsprechend gekennzeichnet zu haben, zumal das Kennzeichnungselement gemäß § 4 Z. 2 LMKV 1993 - der Name (Firma oder Firmenschlagwort) und die Anschrift der erzeugenden oder verpackenden Unternehmung oder eines in einem EWR-Mitgliedstaat niedergelassenen Verkäufers; der Ursprungs- oder Herkunftsort, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über die tatsächliche Herkunft möglich wäre; bei ausländischen, nicht aus einem EWR-Mitgliedstaat importierten Waren, ist jedenfalls das Ursprungsland anzugeben - unvollständig angegeben war, da die Angabe des Ursprungs- und Herkunftslandes (nämlich T) fehlte. Ohne diese Angabe ist jedoch ein Irrtum des Verbrauchers über die tatsächliche Herkunft möglich." Dadurch erachtete die Strafbehörde die §§ 1 bis 3 und § 4 Z 2 LMKV 1993 iVm § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 (gemeint:

Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975) eine Geldstrafe von S 1.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 100,-- und als Ersatz für Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L S 537,50 vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter am 25. Jänner 1996 zugestellt wurde, richtet sich die Berufung vom 31. Jänner 1996, die am 5.

Februar 1996 - und damit rechtzeitig - bei der belangten Behörde einlangte und mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Anläßlich einer lebensmittelpolizeilichen Revision am 12. April 1995 um 9.30 Uhr fand das Lebensmittelaufsichtsorgan im Lager der Firma E Ges.m.b.H. in W, Gläser mit Maiskölbchen in essigsaurem Aufguß, die als Produkt dieser Firma gekennzeichnet waren. Auf dem Etikett finden sich die Angaben "ohne Konservierungsmittel" und "pasteurisiert" sowie die Zutaten: Maiskölbchen, mit künstlichem Süßstoff (Saccharin) gesüßter Säureessig, Salz, Naturaromen. Es wurden 3 Gläser à 390 ml als Probe genommen und unter der Sachbezeichnung "Gemüseerzeugnis" an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L weitergeleitet. Im Probenbegleitschreiben vermerkte das Lebensmittelaufsichtsorgan, daß die Maiskölbchen in Dosen, Abtropfgewicht 1,5 kg, aus Thailand angeliefert und dann in Gläser abgefüllt und mit Essig aufgegossen werden.

Im amtlichen Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 9. Mai 1995, UZ 1878/1995, wurde die Kennzeichnung im Hinblick auf § 4 Z 2 LMKV 1993 beanstandet. Die belangte Strafbehörde ging in weiterer Folge ebenfalls von einer unzureichenden Kennzeichnung aus, weil das Ursprungsland nicht angegeben worden ist.

In der Rechtfertigung vom 5. September 1995 wurde vorgebracht, daß die Veredelung bzw. Wertschöpfung der Ware in Österreich erfolge, weshalb das Ursprungsland im Sinne einer richtig verstandenen Konsumenteninformation nicht anzugeben sei. Die belangte Behörde holte dazu die Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L vom 26.

September 1995 ein, in der bekräftigt wird, daß bei ausländischer Ware, die aus einem Nicht-EWR-Mitgliedsstaat stammt, in jedem Fall das Ursprungsland anzuführen sei.

2.2. In der Stellungnahme vom 2. Jänner 1996 brachte der Bw vor, daß die verarbeiteten Maiskölbchen nicht direkt aus Thailand, sondern von der Firma E gekauft werden, die die Ware aus Deutschland von der Firma I bezöge. Dazu wurde eine Kopie der Rechnung vom 5. September 1995 der F an die Firma E über gelieferte Dosen Maiskölbchen vorgelegt. Mit Schreiben vom 3. Jänner 1996 wurde weiters die Kopie eines Telefaxes der Firma E vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß Importeur und Verzoller der Ware die Firma I. S in H ist, die unter der Eigenmarke I geprüfte, erstklassige Qualität von ausgesuchten Produzenten liefere. An die Firma E werde ausschließlich unter dieser Marke geliefert, wobei auf den Dosen der Name des deutschen Partners ersichtlich sei.

Der Bw brachte außerdem vor, daß die Maiskölbchen nur rund ein Drittel der Selbstkosten ausmachten. Es handle sich daher um österreichische Ware, bei der lediglich das Grundmaterial aus dem Ausland stammt. Unter Vorlage einer Ablichtung des Schreibens des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie Österreichs vom 11. April 1995, nach dem im gegebenen Fall eine Angabe des Herkunftslandes der Maiskölbchen wegen der entscheidenden Wertschöpfung in Österreich nicht notwendig ist, beruft sich der Bw hilfsweise und sinngemäß auf entschuldigenden Rechtsirrtum.

Die belangte Behörde erließ daraufhin das angefochtene Straferkenntnis vom 23. Jänner 1996 und vertrat weiterhin die Ansicht, daß das Ursprungsland hätte angegeben werden müssen. Der Konsument beziehe seine Produkterwartungen in erster Linie auf die Maiskölbchen und erst in zweiter Linie auf den Essigzusatz. Die Kennzeichnung wäre geeignet gewesen, den Verbraucher im Glauben zu lassen, ein österreichisches Qualitätsprodukt zu erwerben.

2.3. In der Berufung wird zunächst betont, daß kein Produkt aus einem Nicht-EWR-Mitgliedstaat importiert wurde. Im übrigen wolle § 4 Z 2 LMKV nur Produkte erfassen, die völlig unverändert in Verkehr gebracht werden. Die verarbeiteten Maiskölbchen stellten nur das Grundprodukt dar. Zwei Drittel der Wertschöpfung erfolgte in Österreich. Die gesamte hygienische und Veredelungsbearbeitung werde durch die Firma E Ges.m.b.H. vorgenommen. Bei in Österreich hergestelltem Popcorn käme niemand auf die Idee von ausländischer Ware zu sprechen, wenn der Mais beispielsweise aus den Vereinigten Staaten stammte. Neuerlich wird hilfsweise auf das Schreiben des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie Österreichs verwiesen, aus dem sich die vertretbare Rechtsauffassung der fehlenden Tatbestandsmäßigkeit ergebe.

2.4. Die belangte Strafbehörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erwägen. Auch eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, daß der wesentliche Sachverhalt unstrittig ist. Da nur Rechtsfragen zu beurteilen waren, konnte eine Berufungsverhandlung unterbleiben.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 5 LMG 1975 begeht im Falle der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 25.000,-- S zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Die verfahrensrelevante LMKV 1993 wurde nach ihrer Präambel auf Grund der §§ 7 Abs 2, 10 Abs 1 und 19 Abs 1 LMG 1975 erlassen. Sie hat demnach ihre Grundlage in gesetzlichen Vorschriften, die entweder unter die Blankettstrafnorm des § 74 Abs 4 Z 1 oder unter die des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 fallen. Im Hinblick auf zwei in Betracht kommende gesetzliche Strafbestimmungen mit verschiedenen Strafrahmen muß bei Heranziehung von Gebots- oder Verbotsnormen der LMKV 1993 genau differenziert werden, welche Bestimmung auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht.

Die Gebotsnormen der §§ 4 und 5 LMKV 1993 betreffen erkennbar die bloße Kennzeichnung von verpackten Waren, die für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs 1 LMKV 1993). Sie haben ihre gesetzliche Grundlage im § 19 LMG 1975, der die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen regelt und eine Verordnungsermächtigung enthält. Hingegen ermächtigt der § 10 LMG 1975 den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz besondere Vorschriften für das Inverkehrbringen mit Verordnung zu erlassen, die zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder Täuschung geboten sind. Dabei geht es an sich nicht um bloße Kennzeichnungsvorschriften. Beim Schutz des Verbrauchers vor Täuschung bestehen aber fließende Übergänge zur Kennzeichnung. Die LMKV 1993 gibt demnach auch den § 10 LMG 1975 als gesetzliche Grundlage an. Die gegenständlich maßgeblichen §§ 4 und 5 LMKV 1993 regeln die Kennzeichnung iSd § 19 LMG 1975. Die belangte Behörde hatte daher die Strafnorm des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 heranzuziehen.

4.2. Nach dem § 4 LMKV 1993 haben verpackte Waren, sofern die §§ 5 bis 7 dieser Verordnung nichts anderes bestimmen, bestimmte Kennzeichnungselemente zu enthalten, die in mehreren Ziffern ausführlich beschrieben werden. § 4 Z 2 LMKV 1993 2. Halbsatz verlangt die Kennzeichnung der verpackten Ware durch Angabe des Ursprungs- oder Herkunftsortes, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über die tatsächliche Herkunft möglich wäre.

Bei ausländischen - nicht aus einem EWR-Mitgliedstaat importierten Waren - ist jedenfalls das Ursprungsland anzugeben.

Nach dem gegebenen Sachverhalt wurden die thailändischen Maiskölbchen von der Firma S in H in den EWR-Raum importiert. Die Firma E kaufte sie von der Firma E in I. Im übrigen kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die "Maiskölbchen" als eine Ware im Sinne der LMKV 1993 anzusehen sind. Die Strafbehörde begründet diesen Standpunkt mit der vermuteten Konsumentenerwartung, die sich in erster Linie auf die Maiskölbchen und erst in zweiter Linie auf den Essigzusatz beziehe. Diese Annahme ist aber zweifelhaft.

Ebensogut könnte man behaupten, daß diese Aspekte für den Konsumenten gleichermaßen oder im umgekehrten Verhältnis wichtig sind. Die Qualität der Maiskölbchen wird für den Verbraucher sicherlich von wesentlicher Bedeutung sein. Das heißt aber noch nicht, daß er eine Vorstellung von einem Ursprungsland hat. Woher die Maiskölbchen kommen, spielt für den Verbraucher idR keine Rolle. Über diesen Umstand wird sich der durchschnittliche Konsument kaum Gedanken machen, weil er ihm eher gleichgültig ist. Es ist daher schon die Annahme der belangten Behörde gewagt, daß ein Irrtum des Verbrauchers über die tatsächliche Herkunft ohne Angabe des Ursprungslandes möglich wäre.

Formal betrachtet handelt es sich bei den thailändischen Maiskölbchen nur um eine Zutat des in Österreich veredelten Gemüseerzeugnisses der Firma E Gesm.b.H. Für die Wertungsfrage, ob dennoch ein ausländisches Produkt vorliegt, wird es daher in der Tat auf den Ort der maßgeblichen Wertschöpfung ankommen. Insofern hat der Bw unwidersprochen und glaubhaft vorgebracht, daß gegenständlich zwei Drittel der Wertschöpfung in Österreich erfolgen. Auch aus diesem Gesichtspunkt ist jedenfalls die Annahme berechtigt, daß ein inländisches Produkt vorliegt, bei dem eine Kennzeichnung des Herkunftslandes nicht vorgeschrieben ist. Anders wäre allenfalls zu entscheiden, wenn die LMKV 1993 die Kennzeichnung der Herkunft bestimmter Zutaten verlangte. Dies ist aber unbestrittenermaßen nicht der Fall. Mangels bestehender Pflicht zur Kennzeichnung scheidet daher für den Bw die angelastete Verwaltungsübertretung aus.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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