Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240398/2/Gf/Km

Linz, 26.04.2001

VwSen-240398/2/Gf/Km Linz, am 26. April 2001

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der M C W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 8. März 2001, Zl. 101-4/9-330119381, wegen einer Übertretung des AIDS-Gesetzes zu Recht erkannt:
 
I. Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
 
II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.
 
Rechtsgrundlage:
§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.
 
 
 
Entscheidungsgründe:
 
 
1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 8. März 2001, Zl. 101-4/9-330119381, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil sie am 11. November 2000 in einem Lokal in L "an dem Kunden F.A. gewerbsmäßig sexuelle Handlungen vorgenommen bzw. am eigenen Körper geduldet habe, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben"; dadurch habe sie eine Übertretung des § 4 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Z. 2 des AIDS-Gesetzes, BGBl.Nr. 728/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 117/1999 (im Folgenden: AIDS-G), begangen, weshalb sie nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.
 
1.2. Gegen dieses ihr am 10. April 2001 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, offenkundig am 18. April 2001 - und damit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.
 
2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass die der Rechtsmittelwerberin angelastete Verwaltungsübertretung aufgrund entsprechender Wahrnehmungen im Zuge einer Polizeikontrolle als erwiesen anzusehen sei, während ihr Einwand, dass es sich bei dem Kunden in Wahrheit um ihren Freund handle, lediglich als eine Schutzbehauptung gewertet werden könne.
 
Im Zuge der Strafbemessung seien weder mildernde noch erschwerende Umstände hervorgekommen; infolge der Unterlassung einer entsprechenden Mitwirkung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 10.000 S).
 
2.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin neuerlich vor, sich zum Tatzeitpunkt "nur mit ihrem Bekannten auf dem Bett vergnügt" zu haben.
 
Daher wird - erschließbar - die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.
 
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Magistrates Linz zu Zl. 101-4/9-330119381; im Übrigen konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.
 
 
4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
 
 
4.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs. 2 AIDS-G zu unterziehen.
 
Nach § 4 Abs. 2 AIDS-G haben sich Personen vor der Duldung gewerbsmäßiger sexueller Handlungen am eigenen Körper einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.
 
4.2. Das in § 44a Z. 1 VStG normierte Konkretisierungsgebot in jener Ausprägung, die dieses durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erhalten hat, bedeutet u.a., dass es nicht hinreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung des Tatortes und der Tatzeit wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist (vgl. z.B. die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, Wien 1996, 970 f).
 
Diesem Erfordernis wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses jedoch offenkundig nicht gerecht, wenn dort - mit Blickpunkt auf die Tathandlung - lediglich der Text des § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G wörtlich wiedergegeben wird.
 
Im Übrigen geht aber auch weder aus der Bescheidbegründung noch überhaupt aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt hervor, aufgrund welcher Umstände jene mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgehen konnte, dass gegenständlich das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit, insbesondere jenes der Gewinnerzielungsabsicht, als erfüllt anzusehen ist; Gleiches gilt hinsichtlich eines Nachweises für das Vorliegen sexueller Handlungen, wo doch sogar in der Anzeige der BPD Linz vom 13.11.2000, Zl. 40637/00, lediglich davon die Rede ist, dass die Beschwerdeführerin "völlig nackt und umschlungen im Bett angetroffen werden" konnte (was für sich allein betrachtet noch keine sexuelle Handlung i.S.d. § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G darstellt), ohne dass etwa ihr "Kunde" in der Folge von der Erstbehörde als Zeuge einvernommen worden wäre.
 
4.3. Aus allen diesen Gründen war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hatte hingegen mit Blick auf die derzeit noch offene Verfolgungsverjährungsfrist nicht zu erfolgen.
 
5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin in analoger Anwendung des 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.
 
Dr. G r o f

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