Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280174/7/Ga/La

Linz, 26.01.1996

VwSen-280174/7/Ga/La Linz, am 26. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr.

Grof, Berichter: Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die - auf die Strafe eingeschränkte - Berufung des G.

D., vertreten durch Dr. E. G., Rechtsanwalt in ............, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 6. November 1995, Zl. Ge96-103-1995, wegen Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in der Weise Folge gegeben, daß die verhängte Geldstrafe auf 33.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe:

auf fünf Tage) herabgesetzt wird.

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde wird auf 3.300 S herabgesetzt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 16, § 19, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.2; § 64 Abs.2 und § 65.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis ist der Berufungswerber wie folgt schuldig gesprochen und bestraft worden:

"Sie sind handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der D.

Spengler Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in ................ Nr. ..... und haben es als solcher zu verantworten, daß, wie anläßlich einer am 3.10.1995 auf der Baustelle bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding in Schärding, Ludwig-Pfliegl-Gasse 11-13, durchgeführten Überprüfung festgestellt worden ist, 5 Arbeitnehmer auf dem Dach mit einer Neigung von 45 bis 50 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 10 m zu Arbeiten, die länger als 1 Tag dauerten und die sich nicht nur auf Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich beschränkten, herangezogen worden sind, ohne daß geeignete Schutzmaßnahmen (Dachfanggerüst) vorhanden waren, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Dieses Dachfanggerüst muß mit einer mind. 1 m hohen tragfähigen Schutzwand, bestehend aus Brettern (z.B. Belagsplatten) oder aus Netzen mit einer Maschenweite von nicht mehr als 10 cm, ausgerüstet sein, deren oberer Rand, gemessen im rechten Winkel zur Dachfläche einen Abstand von mindestens 60 cm von der Dachfläche haben muß. Der Belag des Dachfanggerüstes darf bei Arbeiten im Bereich des Dachsaumes (Traufenbereich) nicht mehr als 1,5 m unterhalb des Dachsaumes liegen." Dadurch hat er § 87 Abs.3 und 5 sowie § 88 Abs.3 und 5 BauV iVm § 118 Abs.3 und § 130 Abs.5 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG verletzt; wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 130 Abs.5 ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe:

sieben Tage) kostenpflichtig verhängt.

Begründend rechtfertigt die belangte Behörde die Höhe der verhängten Strafe zunächst mit dem Ausmaß des Verschuldens. Es sei dem Berufungswerber nämlich Vorsatzschuld vorzuwerfen, weil er vom kontrollierenden Arbeitsinspektorat über die maßgeblichen Vorschriften belehrt worden sei; trotz mehrmaliger Aufforderungen und Strafandrohungen und sogar trotz einer Baustellensperre habe er jedoch den gesetzlich geforderten Zustand auf der Baustelle nicht hergestellt. Als besonders straferschwerend sei weiters der Umstand zu werten, daß der Berufungswerber seine Arbeitnehmer durch die Unterlassung der Sicherheitsvorkehrungen im Hinblick auf die steile Dachneigung einer besonderen Absturzgefahr ausgesetzt habe; der Absturz eines Arbeitnehmers hätte mit großer Wahrscheinlichkeit tödlich geendet. Als äußerst verantwortungslos sei auch die Tatsache zu werten, daß Jugendliche zu derart gefährlichen Arbeiten herangezogen worden seien. Strafmildernd hingegen sei zu werten gewesen, daß der Berufungswerber keine einschlägigen Vormerkungen aufweise. Dennoch habe die Strafe - auch im Sinne der Generalprävention - "unbedingt" in dieser Höhe festgesetzt werden müssen, um den Berufungswerber in Zukunft von strafbaren Handlungen gleicher oder ähnlicher Art abzuhalten. Und schließlich ergebe sich die Höhe der verhängten Strafe auch aus der Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (monatliches Nettoeinkommen ca. 25.000 S; Besitz eines Einfamilienhauses; Sorgepflicht für drei Kinder).

2. Gegen diesen Strafbescheid richtet sich die vorliegende, ausdrücklich nur die Höhe der verhängten Strafe bekämpfende und deren Herabsetzung auf 10.000 S begehrende Berufung.

In den von der belangten Behörde zugleich mit der Berufung vorgelegten Strafakt zu Zl. Ge96-103-1995 nahm der unabhängige Verwaltungssenat beweiserhebend Einsicht. Das zur Berufung angehörte Arbeitsinspektorat wies darauf hin, daß auf einer derartigen Baustelle gemäß Neuregelung der BauV Sicherheitsgürtel (Bauchgurte) für Dacharbeiten wegen der damit einhergehenden großen Verletzungsgefahr auch bei geringsten Fallhöhen nicht mehr zulässig seien.

Auf Grund der auf den Strafausspruch eingeschränkten Berufung ist der Ausspruch über die Schuld (teil)rechtskräftig geworden.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Der Berufungswerber bringt vor, er sei voll geständig und bereue, daß er den gesetzlich vorgeschriebenen Absicherungsmaßnahmen auf dieser Baustelle nicht nachgekommen ist. Den Grund für sein Fehlverhalten sieht er vor allem darin, daß er zur Tatzeit einem enormen Termindruck ausgesetzt gewesen sei und eine Vielzahl von Baustellen zu betreuen gehabt habe, wobei es bei einigen Aufträgen Probleme mit der termingerechten Fertigstellung gegeben habe und ihm hohe vertragliche Pönalstrafen gedroht hätten. Er sei daher zu jener Zeit völlig überfordert und infolge des Terminstresses bedauerlicherweise nicht mehr in der Lage gewesen, für die geforderten Sicherheitsvorkehrungen Sorge zu tragen. Immerhin aber hätten seine Arbeiter diese Dacharbeiten unter Verwendung von Sicherheitsgurten ausgeführt, wodurch zumindest die größte Gefahr für deren Leib und Leben abgewendet gewesen sei. Denn selbst wenn einer der Arbeiter am Dach ausgerutscht wäre, so hätte grundsätzlich allein der Sicherheitsgurt ausgereicht, um ein Hinunterfallen des Arbeiters zu verhindern. Zuletzt wendet der Berufungswerber ein, daß bei der Festsetzung der Strafhöhe wohl hätte berücksichtigt werden müssen, daß er trotz jahrelanger Tätigkeit in seinem Beruf bisher noch nie wegen Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften bestraft worden sei.

3.2. Die für die Strafbemessung maßgeblichen Grundsätze regelt § 19 VStG. Danach obliegt es der - insoweit eine Ermessensentscheidung treffenden - Strafbehörde, die Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens (hier:

gemäß § 130 Abs.5 ASchG Geldstrafe - bei Ersttat - von 2.000 S bis 100.000 S) anhand der objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts (§ 19 Abs.1 VStG) und der subjektiven Kriterien des Schuldgehalts (§ 19 Abs.2 VStG) zu bewerten und entsprechend dieser Bewertung die Strafe festzusetzen.

Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe (sinngemäß sind hiefür heranzuziehen: §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches) gegeneinander abzuwägen. Im ordentlichen Strafverfahren sind schließlich die Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

3.3. Vor diesem Hintergrund gelingt es dem Berufungswerber nicht, den besonderen Milderungsgrund eines qualifizierten Geständnisses (iSd § 34 Z17 StGB) darzutun.

Aus der Aktenlage und der damit übereinstimmenden Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht unzweifelhaft hervor, daß ein "Geständnis" des Berufungswerbers für das Ermittlungsverfahren keine Rolle gespielt hat.

Auch die behauptete Überforderung infolge Terminstresses vermag den Berufungswerber nicht zu exkulpieren. Gerade aus den Erfahrungen seiner "jahrelangen beruflichen Tätigkeit" ist ihm das Wissen abzuverlangen, daß Termindruck bei der Bewältigung mehrerer Aufträge die Vernachlässigung von zwingenden Sicherheitsvorkehrungen, die der Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben seiner Arbeitnehmer dienen, grundsätzlich nicht rechtfertigen oder entschuldigen kann.

Vielmehr ist ihm zuzumuten gewesen, den Nöten aus einem solchen, in der Praxis des Spenglerhandwerks ja nicht ungewöhnlichen Termindruck mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes innerbetrieblich vorzukehren.

Und schließlich gewinnt der Berufungswerber auch mit dem Einwand, daß die Arbeitnehmer bei der inkriminierten Tätigkeit immerhin Sicherheitsgurte verwendet hätten, aus dem Blickwinkel des Unrechtsgehalts der Tat nichts für sich.

Unter den spruchgemäß festgestellten und unstrittigen Gegebenheiten auf der Baustelle kann durch den Hinweis auf Sicherheitsgurte, sollten sie tatsächlich verwendet worden sein, das gravierende Ausmaß der Verletzung des Schutzzweckes der Gebotsnorm des § 87 Abs.3 BauV in keinem günstigeren Licht gesehen werden, weil dieser Schutzzweck vorliegend, wie in der Strafanzeige zutreffend erläutert wurde, nur durch Dachfanggerüste iSd § 88 Abs.3 und 5 BauV (nicht auch schon durch Anseilung mittels Sicherheitsgeschirren) gewahrt gewesen wäre. Die unter Verhältnissen wie hier nicht mehr zulässige Verwendung von Sicherheitsgurten hätte, wie vom Arbeitsinspektorat zutreffend hingewiesen, von vornherein schwere Verletzungen im Falle eines Sturzes nicht hintanhalten können.

3.4.1. Dennoch aber hat die belangte Behörde bei ihrer - in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses im wesentlichen nachvollziehbar dargestellten - Ermessensentscheidung mit der Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe gleich der Hälfte der Höchststrafe aus folgenden Gründen zu hoch gegriffen:

Indem sie nämlich die zufolge fehlender Sicherheitsvorkehrung und steiler Dachneigung gegebene besondere Absturzgefahr mit der Wahrscheinlichkeit des tödlichen Verlaufs eines Absturzes als "besonders straferschwerend" gewertet hat, übersieht sie, daß damit kein Erschwerungsgrund iSd § 33 StGB begründbar ist. Vielmehr sind dies Umstände, die zum einen die Tatbildlichkeit herstellen (insoweit ist das sogen. Doppelverwertungsverbot wirksam; vgl. zB VwGH 21.3.1995, 94/09/0039, mit Vorjudikatur) und zum anderen eine Aussage über den objektiven Tatunwert treffen. Daß vorliegend für die Strafbemessung ein gravierender Unrechtsgehalt bestimmend ist, hat schon das Arbeitsinspektorat in seiner Strafanzeige zutreffend begründet. Allerdings kann aus dem objektiven Blickwinkel des Erfolgsunwerts der Tat nicht unberücksichtigt bleiben, daß zufolge ausdrücklicher Formulierung im rechtskräftig gewordenen Schuldspruch die Tatzeit als solche mit nur einem einzigen Tag konkret angelastet ist (dies, obwohl nach der Aktenlage eine fortgesetzte Tatbegehung an mehreren Tagen durch jeweils festgestellte Unterlassungen vorwerfbar gewesen wäre). Für den Unrechtsgehalt iSd § 19 Abs.1 VStG ist in diesem Fall weiters zu bedenken, daß die Tat - trotz hoher Absturzgefahr und hohen Gefährdungspotentials - sonst nachteilige Folgen, etwa die Verletzung eines der beschäftigt gewesenen fünf Arbeitnehmer, nicht nach sich gezogen hat.

Welche Rolle bei der Strafbemessung der Vorwurf, wonach der Berufungswerber durch die Verwendung (auch) von jugendlichen Arbeitnehmern bei den inkriminierten Arbeiten äußerst verantwortungslos gehandelt habe, gespielt hat, ist aus der Begründung des Straferkenntnisses nicht mit Klarheit zu ersehen. Im Zweifel zugunsten des Beschuldigten sieht der unabhängige Verwaltungssenat darin jedoch weder den Erschwerungsgrund iSd § 33 Z5 StGB (besondere Verwerflichkeit des Tatantriebs) noch jenen iSd § 33 Z7 StGB (Ausnützung der Wehr- oder Hilflosigkeit eines anderen) verwirklicht. Aber auch beim Unrechtsgehalt ist dieser Vorwurf nicht in Anschlag zu bringen, weil im Lichte des Schutzzweckes der verletzten Gebotsnorm der Unversehrtheit von Leib und Leben des jugendlichen Arbeitnehmers kein höheres Gewicht zukommen kann als beim erwachsenen Arbeitnehmer (zB einem Familienerhalter).

Andererseits hat die belangte Behörde den Umstand, daß der Berufungswerber für sich die relative Unbescholtenheit geltend machen kann, zu Unrecht als Strafmilderungsgrund iSd § 34 Z2 VStG gewertet, weil hiefür, neben weiteren Voraussetzungen (vgl. VwGH 16.3.1995, 94/16/0300; mit Verweis auf weiterführende strafrechtliche Literatur), nur die absolute Unbescholtenheit in Frage kommt. Immerhin aber ist der Einwand des Berufungswerbers auf seine jahrelange, einschlägig unbeanstandete berufliche Tätigkeit dadurch zu würdigen, daß in diesem Fall - entgegen der Sichtweise der belangten Behörde - der spezialpräventive Strafzweck in den Hintergrund zu treten hat. In diesem Zusammenhang kann zudem die bereuende Schuldeinsicht des Berufungswerbers nicht gänzlich unbedacht bleiben.

Schließlich ist angesichts der Verhängung einer derart hohen Geldstrafe auch beachtlich, daß der Berufungswerber mit der Sorgepflicht für immerhin drei Kinder belastet ist.

Daß darauf die belangte Behörde aus dem Blickwinkel der Zumutbarkeit der Strafe konkret würdigend eingegangen wäre, ist aus der Begründung des Straferkenntnisses nicht nachvollziehbar.

3.4.2. Aus allen diesen Gründen hält der unabhängige Verwaltungssenat die Herabsetzung der Geldstrafe auf immerhin noch ein Drittel der Höchststrafe für gerechtfertigt. Einer noch weiteren Herabsetzung steht der vorliegend verwirklichte, gravierende Unrechtsgehalt der Tat und das von der belangten Behörde hier zu Recht als erschwerend gewürdigte Vorsatzverschulden entgegen.

In einem angemessenen Verhältnis zur herabgesetzten Geldstrafe war auch die Ersatzfreiheitsstrafe zu mindern.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschuldigten von Gesetzes wegen Kosten des Berufungsverfahrens nicht aufzuerlegen; die verfügte Minderung seines Beitrages zu den Kosten des strafbehördlichen Verfahrens entspricht der gesetzlichen Vorgabe.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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