Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280294/17/SCHI/Km

Linz, 24.11.1997

VwSen-280294/17/SCHI/Km Linz, am 24. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt; Beisitzer: Mag. Kisch; Berichter: Dr. Schieferer) über die Berufung des Herrn Ing. M S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29.8.1996, Ge96-2505-1995, wegen einer Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21. Oktober 1997, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 50 Stunden) herabgesetzt wird. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß a) im Spruch der Ausdruck "die Arbeitnehmer Wintereder Josef (Polier) und" zu entfallen hat; b) die verletzte Rechtsvorschrift iS des § 44a Z 2 VStG "§ 130 Abs.5 Z1 und § 61 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, iVm § 87 Abs 3 und Abs.5 der Bauarbeiterschutz- verordnung BGBl.Nr. 340/1994" und c) die Strafnorm iS des § 44a Z 3 VStG: "§ 130 Abs.5 ASchG" zu lauten haben.

Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich daher auf 1.000 S; ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 16, 19, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 29.8.1996, Ge96-2505-1995, wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 VStG verantwortlicher handelsrechtlicher Gechäftsführer der "Ing. M S Baugesellschaft m.b.H. als Komplementärin in der als Arbeitgeber fungierenden KG" mit Sitz in S, zu verantworten, daß laut Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk vom 26.6.1995, ausgelöst durch eine am 20.6.1995 um ca. 11.00 Uhr auf der Baustelle Wohnsiedlung G in N durchgeführte Kontrolle festgestellt wurde, daß die Arbeitnehmer M J und A E beim Aufnageln von Dachlatten, sowie die Arbeitnehmer W J (Polier) und B S beim Ausschneiden von Velux-Fenster-Öffnungen in einer Höhe von ca. 5,5 m und bei einer Dachneigung von 36 Grad ohne jede Sicherung gegen Absturz angetroffen wurden. An beiden Objekten seien weder Dachfanggerüste noch Dachschutzblenden angebracht und als Anseilmittel für alle Arbeitnehmer nur ein einziger Sicherheitsgürtel der alten Bauweise vorhanden gewesen, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

Der Bw habe dadurch § 130 Abs.1 Z19 ASchG iVm § 87 Abs.3 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994, und § 61 Abs.3 ASchG verletzt; in Anwendung des § 130 Abs.1 Z19 ASchG wurde deshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 300 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Kostenbeitrag für das Strafverfahren in erster Instanz in Höhe von 1.500 S zu leisten.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 30.9.1996, mit der beantragt wird, der Berufung Folge zu geben, das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafe schuldangemessen herabzusetzen; im übrigen wurde die Anberaumung einer Verhandlung beantragt.

Begründend wurde zunächst eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht, zumal die Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen unterblieben ist, weshalb nicht davon ausgegangen werden dürfe, daß der Einschreiter seiner Pflicht als Arbeitgeber zur Kontrolle der tatsächlichen Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht nachgekommen sei. Weiters werden gegen das von der Behörde geforderte Kontrollsystem und dessen Überwachung grundsätzliche Bedenken geltend gemacht, zumal auch durch ein perfektes Kontrollsystem - ähnlich wie im Straßenverkehr - immer wieder Übertretungen möglich seien. Es können daher nur stichprobenartige Kontrollen durchgeführt werden. Denn solange die Arbeitnehmer nicht selbst zur Verantwortung gezogen würden, ignorierten diese die Vorschriften, sobald der Geschäftsführer nicht mehr auf der Baustelle sei bzw. nicht hinsehe.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk in Vöcklabruck zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 25.10.1996 eine Stellungnahme ab, welche mit der Ladung zur Verhandlung dem Bw zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zugestellt wurde. 3.3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in dieser Sache am 21.10.1997 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und durchgeführt. An dieser Verhandlung nahmen neben dem Rechtsvertreter des Bw und dem Berufungswerber selbst je ein Vertreter der belangten Behörde und des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck teil. Der anzeigende Arbeitsinspektor Ing. W W und der Polier J W wurden als Zeugen geladen und vernommen.

4. Aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung und des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes sowie in Verbindung mit den Berufungsausführungen geht der O.ö. Verwaltungssenat von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

4.1. Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Ing. M S Baugesellschaft m.b.H.; diese fungiert als Komplementärin in der Kommanditgesellschaft; Sitz ist S.

Am 20.6.1995 um ca. 11.00 Uhr wurde vom Arbeitsinspektor Ing. W W festgestellt, daß vier Arbeitnehmer der Firma Ing. M S Baugesellschaft m.b.H. & Co. KG auf der Baustelle Wohnsiedlung G in N beschäftigt waren, und zwar M J und A E mit dem Aufnageln von Dachlatten sowie der Polier J W und B S beim Ausschneiden von Velux-Fenster-Öffnungen; obwohl die Traufenhöhe ca. 5,5 m betrug und die Dachneigung 36 Grad aufwies, wurden die Arbeiten ohne Sicherungen gegen Absturz durchgeführt. Es waren weder Dachfanggerüste noch Dachschutzblenden angebracht. Über Aufforderung des Arbeitsinspektors wurde ihm lediglich ein einziger Sicherheitsgürtel der alten Bauweise vorgewiesen.

4.2. In der Verhandlung wurde vom Zeugen Ing. W ein Lichtbild der Baustelle vorgelegt und bei der anschließenden Erörterung festgestellt, daß es sich hier um eine mehrere (Reihen-) Häuser umfassende Baustelle handelt, an der die Firma des Bw schon einige Zeit gearbeitet hat; weiters sagte der Polier J W aus, daß er sich nicht außen am Dach, sondern innen bei der Fensteröffnung befand und somit einen sicheren Standplatz hatte, weshalb für ihn das Erfordernis einer Absturzsicherung nicht gegeben war.

4.3. Wegen der Firmengröße (ca. 90 Arbeitnehmer, mehrere Baustellen) wurde das Kontrollsystem wie folgt angelegt: In Mitarbeiterbesprechungen werden die Arbeitnehmer auf Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften stets hingewiesen; darüberhinaus bestätigt jeder Mitarbeiter mit Unterschrift und Datum den Erhalt von verschiedenen Sicherheits- bzw. Schutzausrüstungen und weiters, daß er auf den Inhalt der Arbeitnehmerschutzvorschriften hingewiesen wurde. Dabei wird ihnen das Merkblatt "falsch - richtig: Situationen auf Baustellen" ausgehändigt, welches eine eingehende Broschüre der allgemeinen Unfallversicherungsanstalt darstellt. Weiters werden insbesondere die Bauleiter, im gegenständlichen Fall der Polier J W, mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf Baustellen wahrzunehmen. Der Berufungswerber als Verantwortlicher selbst kann infolge der Betriebsgröße nur stichprobenweise kontrollieren, ob die Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten werden. Ein Sanktionssystem im Falle von Verstößen wurde nicht erwähnt.

Auch im gegenständlichen Fall wurde der Polier vom Bw entsprechend ermahnt und belehrt, die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten. Der Bw hat auch etwa einige Tage vor dem Vorfall die gegenständliche Baustelle kontrolliert.

4.4 Dieser Sachverhalt ergab sich aus den glaubwürdigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Aussagen der vernommenen Zeugen Ing. W W und J W sowie aus den Ausführungen des Bw bzw. dessen Rechtsvertreter selbst.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z.1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 61 Abs.3 ASchG müssen Arbeitsplätze und Zugänge zu den Arbeitsplätzen erforderlichenfalls mit Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz oder herabfallende Gegenstände versehen sein.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 340/1994 (BauV), als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. Gemäß § 87 Abs.3 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste. Zufolge Abs. 5 dieses Paragraphen darf das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.3 nur entfallen bei 1. geringfügigen Arbeiten, wie Reparatur- oder Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, 2. Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein.

5.2. Das Vorliegen des objektiven Tatbestandes war - vgl. oben Punkt 4 - als erwiesen anzunehmen, wenn auch mit der Einschränkung, daß hinsichtlich des Arbeitnehmers Josef Wintereder (Polier), die Absturzsicherungspflicht entfiel, weil er von einem sicheren Standplatz aus im Inneren des Dachraumes arbeiten konnte. Aus diesem Grund mußte der Spruch des Straferkenntnisses entsprechend eingeschränkt werden.

6. Zum Verschulden:

6.1. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es ist daher Sache des Berufungswerbers, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei muß er initiativ alles dartun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. 6.2. Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat der Bw nur das Existieren eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form glaubhaft gemacht, nicht hingegen, wie von der Rechtsprechung des VwGH für erforderlich erachtet (vgl. zB. Erk. 8.7.1991, 91/19/0095; mit Vorjudikatur), darlegen können, wie dieses Kontrollsystem konkret, insbesondere auf der gegenständlichen Baustelle (als Teil eines gleichzeitig mehrere Baustellen umfassenden und 90 Arbeitnehmer beschäftigenden Betriebes) funktionieren sollte. Hier genügt es daher nicht, Anweisungen zu erteilen (wenn auch von den Arbeitnehmern schriftlich bestätigt) und lediglich Stichproben durchzuführen. Weiters hat der Bw kein Sanktionssystem dargelegt, welches bei Verstößen entsprechend eingreifen sollte.

6.3. Hingegen hat der Bw mit seinen Ausführungen grundlegende Bedenken gegen dieses von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geforderte, schwer erfüllbare Kontrollsystem vorgebracht. 6.3.1. Dazu ist festzustellen, daß der O.ö. Verwaltungssenat diese Problematik nicht verkennt; so wurde vom O.ö. Verwaltungssenat in den letzten Jahren mehrfach versucht, durch entsprechende Entscheidungen die strengen Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes etwas zu lockern (vgl. zB. Erk. vom 25.11.1994, VwSen-220928/5/Le/La). Aufgrund von Amtsbeschwerden ist aber der Verwaltungsgerichtshof von seiner diesbezüglichen strikten Rechtsprechung nicht abgewichen (Erkenntnis vom 2.5.1995, Zl. 95/02/0026), weshalb der O.ö. Verwaltungssenat letztlich gehalten war, diese Rechtsansicht zu übernehmen. Auch in jüngsten Erkenntnissen (vgl. zB. VwGH vom 20.12.1996, 93/02/0160) hat der VwGH in vergleichbaren Fällen seine diesbezügliche Judikatur aufrechterhalten und darauf hingewiesen, daß nicht nur das Bestehen eines Kontrollsystemes dargelegt werden muß, sondern auch erkennbar ausgeführt werden muß, wie dieses Kontrollsystem im einzelnen auf der jeweils tatgegenständlichen Baustelle funktioniert bzw. funktionieren hätte sollen. Allerdings ist hier noch darauf zu verweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof in einem (zum ARG ergangenen) Erkenntnis ausgesprochen hat, daß dem Arbeitgeber die Unterlassung der Einrichtung oder Dartuung eines solchen Kontrollsystems nur dann zur Last fällt, wenn sich a) tatsächlich Verstöße ereignet haben (die Unterlassung selbst stellt kein strafbares Verhalten dar) und b) diese Verstöße durch das Kontrollsystem hätten verhindert werden können. Wenn ein an sich taugliches Kontrollsystem in einem Einzelfall versagt hätte, kann sein Fehlen nicht zur Strafbarkeit des Arbeitgebers führen, weil dies im Ergebnis zu einer nach dem Gesetz nicht gegebenen Strafbarkeit führen würde (23.4.1996, 95/11/0411).

6.3.2. Es ist zwar dem O.ö. Verwaltungssenat bekannt bzw. insofern eine offenkundige Tatsache, daß der Betrieb des Bw ein modernes, innovatives Unternehmen darstellt, welches erst kürzlich für die Entwicklung eines Fertigmassivhauses in Verbindung mit einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem (ISO 9000) mit dem Jungunternehmerpreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet wurde (vgl. zB. Salzburger Nachrichten vom 21.10.1997, Seite 25; Kammernachrichten der Wirtschaftskammer Oberösterreich vom 24. Oktober 1997, Seite 7). Auch wenn nun anzuerkennen ist, daß durch dieses Qualitätsmanagementsystem des Bw das Bewußtsein seiner Mitarbeiter im Hinblick auch auf Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechend verbessert wurde, so ist es dem O.ö. Verwaltungssenat dennoch aufgrund der dargestellten strikten Judikatur des VwGH verwehrt, zu einem anderen Ergebnis als letztlich (wenn auch etwas herabgesetzt) einer Bestrafung zu kommen.

7. Zur Strafbemessung:

7.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

7.2. Die belangte Behörde bewertet im Zuge ihres Strafbemessungsverfahrens den Unrechtsgehalt der Tat als sehr erheblich. Allerdings hat die belangte Behörde in die Bewertung des Unrechtsgehaltes den Umstand der einschlägigen Vorstrafen miteinbezogen; allerdings wurde von ihr ein Verwaltungsvorstrafenauszug in der Verhandlung vorgelegt, auf dem sich aber keine einschlägigen Vorstrafen finden (wohl aber Übertretungen nach dem alten Arbeitnehmerschutzgesetz sowie die Ermahnung betreffend den fehlenden Schutzhelm). Aus diesen Gründen sowie wegen des Umstandes, daß der Polier J W infolge seines sicheren Standortes nicht an einer absturzgefährdenden Stelle arbeitete, war die Geldstrafe entsprechend herabzusetzen. Diese herabgesetzte Strafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat und ist schuldangemessen und im Hinblick auf den Strafrahmen nicht überhöht.

8. Da sich für den ggst. Fall die übertretene Rechtsvorschrift aus der BauV ergibt, diese jedoch gemäß dem 9. Abschnitt des ASchG (vgl. § 118 Abs.3) als weitergeltende Bestimmung anzusehen war, mußte der O.ö. Verwaltungssenat im Rahmen seiner Pflicht zur Richtigstellung den im Spruch zitierten § 130 Abs.1 Z.19 ASchG durch § 130 Abs.5 Z1 ASchG ersetzen.

9. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw ein Beitrag zum Berufungsverfahren nicht aufzuerlegen; die Verfahrenskosten erster Instanz hingegen waren entsprechend zu reduzieren.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. K l e m p t Beschlagwortung: Kontrollsystem, keine Absturzsicherungen

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