Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-300327/4/Ki/La

Linz, 07.03.2000

VwSen-300327/4/Ki/La Linz, am 7. März 2000 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Mag. O vom 1. Februar 2000, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Jänner 2000, Pol96-235-1999/WIM, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Straferkenntnis vom 12. Jänner 2000, Pol96-235-1999/WIM, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe es als Vertreter des Tierhalters in der Nacht zum 8.8.1999 kurz nach Mitternacht unterlassen, den Schäferrüden "Benjamin" ordnungsgemäß zu verwahren bzw. zu beaufsichtigen, sodass dieser während einer von ihm veranstalteten Party frei auf dem Grundstück des Hauses Marchtrenk, Linzerstraße 20, herumlaufen und den Gast V, während dieser in den dortigen Swimmingpool springen wollte, in den linken Fuß beißen und verletzen konnte und somit durch das Tier diese dritte Person gesundheitlich gefährdet.

Gemäß § 21 VStG wurde von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auf Grund der Anzeige des GPK Marchtrenk sowie auf Grund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 1. Februar 2000 Berufung mit dem Antrag, das Verfahren nach § 45 VStG einzustellen.

Im Wesentlichen begründet er das Rechtsmittel damit, dass Normadressat des Sonderdeliktbestandes des § 5 Oö. Polizeistrafgesetz einzig und allein der Tierhalter selbst sei.

Weiters bemängelt er, dass die Behörde erster Instanz offenbar zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ihm fahrlässiges Verhalten bezüglich der Verwahrung des Tieres vorzuwerfen ist. Die freie Haltung eines Tieres ohne Maulkorb in Haus und Garten sei zulässig, wenn gefährliche Eigenschaften eines Hundes nicht bekannt und nicht erkennbar wären.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Darüber hinaus erfolgte eine Anfrage an den Bezirksanwalt, aus welchem konkreten Grunde das Strafverfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt wurde. Der Bezirksanwalt teilte daraufhin mit, dass die Anzeige deshalb zurückgelegt wurde, weil der Berufungswerber bisher noch nie wegen Hundebiss angezeigt wurde und auch mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit kein strafrechtlich relevantes Verschulden festgestellt wurde.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz begeht unter anderem eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

Dazu wird zunächst zum Vorbringen des Berufungswerbers hinsichtlich des Umstandes, dass er nicht Tierhalter sei, festgestellt, dass dieser Begriff im Oö. Polizeistrafgesetz nicht definiert ist. Dieser Begriff wird offenbar mit Rücksicht auf dessen Relevanz in anderen Rechtsbegriffen als bekannt vorausgesetzt. Nach der herrschenden Meinung zu § 1320 ABGB ist als Tierhalter anzusehen, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung zu entscheiden hat. Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (wie etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl. VwSen-300168/2/Wei/Bk vom 14. Juli 1998 bzw. die dort zitierten Literatur- und Judikaturnachweise).

Im Sinne dieser Kriterien kam der Berufungswerber als Halter des Schäferrüden "Benjamin" in Betracht bzw. sind aus der Aktenlage keine gegenteiligen Anhaltspunkte zu entnehmen.

Die Frage, ob der Hund vom Berufungswerber im konkreten Fall ausreichend oder nur mangelhaft verwahrt wurde, braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt zu werden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der konkrete Sachverhalt eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet, weshalb die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz greift.

Laut Strafanzeige des Gendarmeriepostens Marchtrenk vom 16. November 1999 an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Wels hat der Berufungswerber in der Nacht vom 7. auf 8. August 1999 im eingefriedeten Garten seines Wohnhauses in M, eine Geburtstagsparty mit Freunden und Bekannten veranstaltet. Zur selben Zeit hielt sich dort auch der 12-jährige Schäferrüde "B" des Heinz B auf. Als kurz nach Mitternacht der Gast V in das Schwimmbad springen wollte, schnappte der Rüde, vermutlich um ihn zurückzuhalten, nach seinem linken Fuß und verletzte ihn dabei leicht. Der Gendarmerie wurde der Vorfall durch eine Anzeige des Herrn V bekannt.

Nachdem der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Wels der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mitgeteilt hat, dass das Verfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt wurde, hat letztere ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und abschließend das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Da Herr V durch den Hundebiss jedenfalls eine leichte Verletzung erlitten hatte, war im vorliegenden Fall an den gerichtlich strafbaren Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB zu denken. Dementsprechend hat der Gendarmerieposten Marchtrenk den Vorfall auch dem zuständigen Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Wels wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs.1 StGB angezeigt. Wie aus der Aktenlage hervorgeht, sind die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich von einer gerichtlich strafbaren Handlung ausgegangen. Der Bezirksanwalt begründete die Zurücklegung der Anzeige nicht etwa damit, dass durch den Vorfall in objektiver Hinsicht keine gerichtlich strafbare Handlung gegeben wäre. Er führte vielmehr aus, dass der Berufungswerber noch nie wegen Hundebiss angezeigt wurde und auch mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit kein strafrechtlich relevantes Verschulden festgestellt wurde. Damit war aber dem Grund nach die gerichtliche Zuständigkeit wegen des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung durchaus zu bejahen.

Im Hinblick auf die eindeutige Aussage der Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz liegt demnach im vorliegenden Falle keine strafbare Verwaltungsübertretung vor. Nach ihrem Wortlaut kommt es für die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit nicht auf die Gerichtsanhängigkeit oder ein bestimmtes Verfolgungsverhalten des Staatsanwaltes, sondern nur darauf an, dass die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet. Durch diese Subsidiaritätsklausel vermeidet der Landesgesetzgeber auch die spätestens seit dem Urteil des EGMR im Fall G verfassungsrechtlich unzulässige mehrfache Strafverfolgung aus ein und demselben Grund (vgl. ÖJZ 1995, 954 MRK ENR.51 = NL 95/5/10).

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Verhältnis § 5 Oö. PolStG zu StGB

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum