Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400356/6/Wei/Bk

Linz, 13.07.1995

VwSen-400356/6/Wei/Bk Linz, am 13. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des P W, geb.1978, liberianischer Staatsangehöriger, dzt PGH , vertreten durch G E, p.A SOS Mitmensch, K, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von S 3.043,33 binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 51 Abs 1, 52 Abs 2 und 4 Fremdengesetz - FrG (BGBl.Nr.

838/1992 zuletzt geändert duch BGBl.Nr. 505/1994) iVm §§ 67c Abs 3 und 79a AVG 1991 iVm §§ 47 ff VwGG 1985.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde vom folgenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), ein liberianischer Staatsangehöriger, wurde am 1. Oktober 1978 in M geboren. Nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1992 brachte ihn ein Freund seines bereits 1988 verstorbenen Vaters in die kleine Stadt "B" in der Elfenbeinküste. Der Grund für diese Flucht waren die Bürgerkriegsverhältnisse in Liberia. Sein Aufenthalt in der Elfenbeinküste dauerte bis Februar 1994. Danach reiste er mit dem Schiff nach K, wo er sich bis Mai 1995 aufhielt. In weiterer Folge gelangte er illegal (als blinder Passagier und ohne gültige Reisedokumente) per Schiff nach C. In P lernte er einen Mann kennen, der ihn mit dem PKW unentgeltlich nach Österreich brachte. Am 14. Juni 1995 passierten sie einen unbekannten Grenzübergang nach Österreich, wobei sich der Bf im Kofferraum des PKW versteckt hielt.

1.2. Nach den Angaben des Bf anläßlich seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 22. Juni 1995 brachte ihn der Schlepper nach Graz, wo er bereits am 16. Juni 1995 einen Asylantrag beim Bundesasylamt, Außenstelle Graz, stellte. Von dort schickte man ihn nach Linz und übergab ihm eine Bahnfahrkarte. Am 20. Juli 1995 stellte er dann bei der Außenstelle Linz des Bundesasylamtes einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 21. Juni 1995, Zl. 95 02.461-BAL, des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, wurde der Asylantrag vom 16. Juni 1995 gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen und die aufschiebende Wirkung der Berufung gemäß § 64 Abs 2 AVG im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 wurde nicht erteilt.

1.3. Der Bf ist mittellos und unterkunftslos. Er verfügte an Barmitteln lediglich über den Betrag von S 100,--. Er besaß auch keine Ausweisdokumente. Nach seinen Angaben hatte der Schlepper den Personalausweis und seine Geburtsurkunde an sich genommen und nicht mehr zurückgegeben.

Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme wurde dem Bf zur Kenntnis gebracht, daß seine Ausweisung und die Abschiebung in sein Heimatland nach Beischaffung eines Heimreisezertifikates beabsichtigt sei. Er wünschte die Verständigung seiner Vertretungsbehörde. Über Belehrung im Sinne des § 54 FrG stellte er einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in bezug auf seinen Heimatstaat Liberia.

1.4. Mit Bescheid vom 22. Juni 1995, Fr-89.066 ordnete die belangte Behörde gegen den Bf gemäß § 41 Abs 1 FrG in Anwendung des § 57 AVG die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) des Bf zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw zur Zurückschiebung an. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Bf am 14. Juni 1995 illegal eingereist ist und sich illegal in Österreich aufhält. Er sei nicht im Besitz eines Reisepasses und völlig mittellos. Da gegen ihn ein fremdenpolizeiliches Verfahren zu führen sei und er in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Diesen Bescheid hat der Bf am 22. Juni 1995 um 12.10 Uhr eigenhändig übernommen.

1.5. Der Bf hat am 22. Juni 1995 dem Schubhaftbetreuer G E des Vereins SOS-Mitmensch Oberösterreich, K Vertretungsvollmacht für die fremdenrechtlichen Angelegenheiten erteilt. Das Vollmachtsverhältnis wurde der belangten Behörde durch eine schriftliche Vollmacht offenbar erst nach Erlassung des Schubhaftbescheides nachgewiesen.

Die weiteren Zustellungen erfolgten daher zu Handen Herrn G E.

Mit Bescheid vom 23. Juni 1995, Fr-89.066, hat die belangte Behörde den Bf gemäß § 17 Abs 2 Z 4 und Z 6 FrG ausgewiesen.

Begründend wurde dazu - nach Zitierung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sowie des maßgeblichen Sachverhaltes - ausgeführt, daß der Bf unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes und unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag und innerhalb eines Monates nach seiner Einreise betreten wurde.

Er sei deshalb im Interesse der öffentlichen Ordnung auszuweisen.

Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 1995, Fr-89.066, wurde gemäß § 54 Abs 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, daß der Bf in Liberia gemäß § 37 Abs 1 oder 2 FrG bedroht ist; seine Abschiebung nach Liberia sei zulässig. Begründend wurde auf den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 21. Juni 1995 verwiesen und festgestellt, daß auch die belangte Behörde zu diesem Ergebnis gekommen sei, da keine neuen Erkenntnisse vorlägen.

Dem Vorbringen des Bf könnten keine stichhaltigen Gründe iSd § 37 Abs 1 oder 2 FrG entnommen werden.

1.6. Mit Schreiben vom 28. Juni 1995 teilte Herr E von SOS-Mitmensch Oberösterreich dem fremdenpolizeilichen Referat der belangten Behörde mit, daß der Verein die inhaftierten liberianischen Staatsangehörigen ab Freitag, den 30. Juni 1995, im Ferienheim Kinderland, A 10, unterbringen und mit Nahrungsmittel versorgen lassen könnte.

Darüber hinaus würden sie ein bescheidenes Taschengeld erhalten. Mit dieser Begründung wurde auch für den Bf um Entlassung aus der Schubhaft ersucht.

1.7. Mit Schreiben vom 26. Juni 1995 an das Generalkonsulat der Republik Liberia in Zürich ersuchte die belangte Behörde um Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Diese Vertretungsbehörde erklärte sich für unzuständig und verwies auf das liberianische Konsulat in Wien. Mit Schreiben vom 3.

Juli 1995 an das Honorarkonsulat der Republik Liberia in Wien wurde daher neuerlich um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht. Das Honorarkonsulat hat mit Antwortschreiben vom 5. Juli 1995 seine Unzuständigkeit bekanntgegeben und mitgeteilt, daß die Unterlagen direkt an die zuständige Botschaft der Republik Liberia in Bonn weitergeleitet worden wären.

1.8. Mit Schriftsatz vom 4. Juli 1995, eingelangt am 10.

Juli 1995, hat der Bf "Beschwerde gem. §§ 51 f Fremdengesetz" erhoben, mit der die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft behauptet und die entsprechende kostenpflichtige Feststellung beantragt wurde.

2.1. Die Beschwerde geht im wesentlichen von dem zu Punkt 1.

festgestellten Sachverhalt aus und führt ergänzend an, daß gegen die ergangenen Bescheide im fremdenrechtlichen Administrativverfahren jeweils fristgerecht Berufung eingebracht werde. Im übrigen führt sie begründend aus, daß die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nur dann erfolgen könne, wenn eine Abschiebung zulässig sei, was wiederum voraussetze, daß ein Aufenthaltsverbot bereits erlassen wurde und durchsetzbar sei bzw eine Ausweisung rechtskräftig bzw zumindest durchsetzbar sei. Es könne somit eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung solange nicht verhängt werden, solange kein Aufenthaltsverbot oder keine Ausweisung erlassen worden sei. Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung sei daher rechtswidrig. Ein Aufenthaltsverbot setze voraus, daß derjenige, gegen den sich ein solches richtet, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß er nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei, sodaß aus diesem Grund kein Aufenthaltsverbot verhängt werden dürfe und daher die Schubhaftverhängung aus diesem Grund unzulässig sei. Es hätte daher über ihn auch nicht die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verhängt werden dürfen. Außerdem sei die Schubhaftverhängung zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 35 FrG nur innerhalb von sieben Tagen ab illegaler Einreise zulässig. Er sei am 14. Juni 1995 eingereist und die Schubhaftverhängung erfolgte nach Ablauf dieser Frist am 22. Juni 1995. Eine Schubhaftverhängung zur Sicherung der Zurückschiebung komme daher nicht in Frage.

Allenfalls wäre daher eine Schubhaftverhängung zur Vorbereitung einer Ausweisung in Frage gekommen. Da allerdings der Spruch des Bescheides durch die Heranziehung auch anderer Schubhaftgründe dermaßen widersprüchlich sei, insbesondere Schubhaftgründe herangezogen würden, die einander wiedersprechen, sei die Schubhaftverhängung insgesamt rechtswidrig. Daß eine kumulative Anwendung der Haftgründe nicht möglich sei, ergebe sich aus § 48 Abs 3 FrG.

Gemäß § 48 Abs 2 FrG dürfe die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist. Abschiebungen nach Liberia könnten zur Zeit sowohl tatsächlich als auch rechtlich nicht durchgeführt werden. Dies ergebe sich aus einem in Kopie vorgelegten Bescheid der BH Schärding zu Sich 41-43-1994-Hol, dem eine Stellungnahme des Außenministeriums zugrundeliege, wonach eine Abschiebung nach Liberia aus den in § 37 Abs 1 und 2 FrG genannten Gründen derzeit generell unzulässig sei. Aus dem angeführten Bescheid wird folgende Passage zitiert:

"In der derzeitigen Situation kann daher das Leben eines in die Republik Liberia abgeschobenen Menschen nicht garantiert werden, zumal in keinster Weise ausgeschlossen werden kann, daß Personen des einen Truppenverbandes die abgeschobene Person für ein Mitglied bzw einen Sympathisanten des jeweils anderen Truppenverbandes halten. Diese Verdächtigung allein kann in der derzeitigen Situation jedoch bereits lebensbedrohend sein. Ihrem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Republik Liberia war daher sowohl aus den in § 37 Abs. 1 FrG als auch aus den in § 37 Abs. 2 FrG genannten Gründen stattzugeben. Eine Abschiebung in die Republik Liberia kommt sohin aufgrund der derzeitigen Lage nicht in Betracht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war." Dieser Bescheid sei auch der belangten Behörde bekannt, die daher in Kenntnis der Lage in Liberia sein müsse.

Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) komme in einer Stellungnahme zur Situation von Flüchtlingen aus Liberia vom Mai 1995 zu dem Schluß, daß eine Abschiebung nach Liberia aufgrund des herrschenden Bürgerkrieges eine Verletzung des § 37 FrG bedeuten würde. Aus diesem Grund rate der UNHCR dringend an, den Betroffenen einen Abschiebungsaufschub gemäß § 36 Abs 2 FrG zu erteilen. Die Stellungnahme liegt in Kopie bei.

Der unabhängige Verwaltungssenat Wien komme zur Zahl UVS-01/31/00143/93 zum Schluß:

"Zwar trifft es zu, daß es keinen Direktflug nach Liberia gibt, dennoch ist - worauf die belangte Behörde zu Recht hinweist - eine Abschiebung per Flugzeug (über Paris-Conakry-Monrovea) entgegen dem Beschwerdevorbringen sehr wohl möglich. Nach den Ermittlungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ist es aber derzeit überhaupt nicht möglich, ein Heimreisezertifikat für Liberia zu beschaffen." Darüber hinaus lehne etwa das bundesdeutsche auswärtige Amt die Begleitung liberianischer Staatsbürger bei der Abschiebung durch deutsche Sicherheitsbeamte wegen der "ungefestigten Lage" in Monrovia ab (aus Verwaltungsgericht Berlin, Beschluß vom 14.12.1994, AZ.: VG 33 X 856.94).

Gemäß § 48 Abs 2 FrG dürfe daher die Schubhaft überhaupt nicht verhängt werden, da ihr Ziel von vornherein nicht erreicht werden könne.

Aus der Regierungsvorlage zu § 47 FrG ergebe sich, daß die Möglichkeit der Schubhaft für Minderjährige geschaffen wurde, weil es im Zusammenhang mit eingeschleusten Jugendbanden wiederholt zum Auftritt (alleinstehender) Minderjähriger gekommen sei und weil bei der Abschiebung von Ehepaaren das Zurückbleiben der Kinder im Bundesgebiet nicht in Betracht kommen könne.

Der Bf sei weder Mitglied einer Jugendbande noch werden seine Eltern abgeschoben. Er habe unmittelbar nach seiner Einreise das Bundesasylamt Graz aufgesucht und sei in weiterer Folge - wie vorgesehen - beim Bundesasylamt Linz vorstellig geworden. Weder das Bundesasylamt noch das fremdenpolizeiliche Referat der belangten Behörde hätten ihm Glaubwürdigkeit abgesprochen. Es gebe daher keinen Grund zur Annahme, er werde sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen. Gerade in Anbetracht seiner Minderjährigkeit könne dies keine Begründung für die Anhaltung in Schubhaft sein, insbesondere wo er im Falle seiner Entlassung für die Dauer des fremdenpolizeilichen Verfahrens sofort über Wohnsitz, Verpflegung und Taschengeld verfüge.

Im Hinblick auf das Schreiben des Vereins SOS-Mitmensch Oberösterreich vom 29. Juni 1995 könne die Unstetheit und Mittellosigkeit als Begründung für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht aufrechterhalten werden.

Der Verpflichtung nach § 48 Abs 1 FrG sollte die belangte Behörde insbesondere bei Minderjährigen nachkommen, was sie aber gegenständlich mit Rücksicht auf die angeführten Gründe nicht getan hätte.

2.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 11. Juli 1995 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie ihre Vorgangsweise verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 51 Abs.1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat von dem in Schubhaft Angehaltenen angerufen werden. Solange die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 52 Abs 4 FrG).

Die gegenständliche Beschwerde ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

4.2. Gemäß § 41 Abs 1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Der Schubhaftbescheid ordnete die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw zur Zurückschiebung an. Diese kumulierte Anführung von Schubhaftzwecken erachtet die Beschwerde für rechtswidrig und so widersprüchlich, daß die Schubhaft insgesamt rechtswidrig sei.

Richtig ist zwar, daß der Schubhaftzweck Sicherung der Abschiebung erst nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung oder eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes in Betracht kommt. Wurde die Schubhaft - wie hier - auch zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung verhängt, dann bedarf es aufgrund der Bestimmung des § 48 Abs 3 FrG gar nicht der zusätzlichen Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung, weil dies ex lege ab Durchsetzbarkeit gilt.

Die überflüssige Angabe, die gesetzeskonform nur im Sinne des § 48 Abs 3 FrG interpretiert werden darf, schadet entgegen der Beschwerdeansicht nicht. Ebensowenig war es für die belangte Behörde geboten, sich bereits im Schubhaftbescheid auf eine der beiden Verfahrensarten festzulegen. Dies ist im Hinblick darauf, daß der Schubhaftbescheid idR im Mandatsverfahren gemäß § 57 AVG ergeht, oft gar nicht möglich. Die alternative Verfahrenssicherung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes solange unbedenklich, als im Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine der Möglichkeiten auszuschließen ist (vgl VwGH 3.3.1994, 93/18/0302). Nach einem jüngsten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes schadet es auch nicht, wenn eine Schubhaft im Hinblick auf das Bestehen einer durchsetzbaren Ausweisung in Wahrheit der Sicherung der Abschiebung diente und nicht - wie im Schubhaftbescheid angeführt - zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung verhängt worden ist (vgl VwGH 7.4.1995, 94/02/0517).

Die Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung war im gegebenen Zusammenhang zwar nicht naheliegend, jedoch auch nicht von vornherein auszuschließen. Der Bf ist unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist, was nach der Schilderung des Bf schon binnen sieben Tagen ab dem angegebenen Einreisetermin der zuständigen Asylbehörde bekannt war. Es konnte daher im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 22. Juni 1995 noch nicht ausgeschlossen werden, daß der Bf nicht auch binnen sieben Tagen iSd § 35 Abs 1 Z 1 FrG betreten worden ist. Deshalb war auch die Angabe dieser alternativen Möglichkeit eines Schubhaftzweckes im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unbedenklich.

4.3. Nach dem unstrittigen Sachverhalt steht fest, daß der Bf unter Umgehung der Grenzkontrolle, ohne gültiges Reisedokument und ohne den für ihn notwendigen Sichtvermerk nach Österreich eingereist ist. Er verfügte weder über Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts noch über eine Unterkunft in Österreich. Er hat auch keine Möglichkeit, seinen Aufenthalt zu legalisieren und die erforderlichen Mittel für den Lebensunterhalt in rechtmäßiger Weise zu erwerben.

Diese Umstände lassen nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 14.4.1993, 93/18/0071; VwGH 29.7.1993, 92/18/0499; VwGH 11.11.1993, 93/18/0417; VwGH 13.1.1994, 93/18/0183) die Befürchtung gerechtfertigt erscheinen, daß sich der Bf durch Untertauchen in der Anonymität dem fremdenpolizeilichen Zugriff entziehen oder ihn zumindest erschweren werde. Dies gilt umso mehr, als auch noch kein Identitätsnachweis vorhanden ist.

4.4. Zum Vorbringen des Bf, wonach ihm von der Organisation "SOS Mitmensch " eine Wohnmöglichkeit sowie Unterhalt zuzüglich Taschengeld zur Verfügung bzw in Aussicht gestellt worden sei, ist folgendes festzustellen:

Den Nachweis der erforderlichen Mittel für den Lebensunterhalt hat der Fremde initiativ zu erbringen. Da der unabhängige Verwaltungssenat zufolge § 52 Abs 2 Z 2 FrG über Schubhaftbeschwerden binnen einer Woche zu entscheiden hat, unterliegt der Bf einer erhöhten Mitwirkungspflicht, insbesondere im Hinblick auf den Nachweis der erforderlichen Mittel und der Unterkunft. Diese schließt auch den Nachweis der Bonität der sich verpflichtenden Person ein (VwGH 29.7.1993, 92/18/0499, 0500). Außerdem ist eine gewisse persönliche Bindung zwischen dem Fremden und der die Erklärung abgebenden Person glaubhaft zu machen (VwGH 13.1.1994, 93/18/0183; VwGH 10.2.1994, 93/18/0410).

Der Bf hat nun vorgebracht, daß ihm SOS-Mitmensch eine Wohnmöglichkeit samt Unterhalt zuzüglich Taschengeld zur Verfügung stellen würde. Das Schreiben von SOS-Mitmensch Oberösterreich vom 28. Juni 1995 betreffend die Unterbringung von vier Liberianern, unter denen sich auch der Bf befindet, führt aus, daß die Liberianer sieben Wochen hindurch durch die Heimküche mitversorgt würden. Für die restliche Zeit übernehme SOS-Mitmensch Oberösterreich in Kooperation mit der Caritas die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Weiters werde SOS-Mitmensch Oberösterreich die Liberianer mit einem bescheidenen Taschengeld versorgen.

Damit wurde zum einen keine rechtsverbindliche Verpflichtungserklärung abgegeben, die dem Bf einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen einräumen würde. Auch die durch den rechtswidrigen Aufenthalt des Bf der Republik Österreich künftig noch entstehenden Kosten werden nicht übernommen.

Ebensowenig wurde ein Nachweis über die Bonität der Organisation SOS-Mitmensch Oberösterreich erbracht, die sich - dem Vernehmen nach - lediglich aus Spenden finanziert. Es ist ungeklärt, wie weit deren finanzielle Kapazitäten reichen. Insbesondere im Hinblick darauf, daß nicht nur der Bf, sondern auch drei weitere Liberianer (und möglicherweise noch andere nicht aktenkundige Personen) untergebracht, versorgt, verpflegt und unterhalten werden, erscheint die Bonität sehr fraglich. Schließlich ist noch festzuhalten, daß auch bei Gewährung eines bescheidenen Taschengeldes vom Vorliegen der erforderlichen Mittel zum Unterhalt auf Dauer nicht gesprochen werden kann.

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1995, Zl. 94/02/0435 wurde ausgesprochen, daß für den vom Fremden initiativ zu erbringenden Nachweis der erforderlichen Mittel eine Beschreibung des Zustandes im Zeitpunkt der Beschwerde nicht ausreicht, weil eine nicht bloß vorübergehende Sicherung auch des künftigen Unterhaltes mangels Darlegung eines dem Bf zustehenden durchsetzbaren Rechtsanspruches nicht abgeleitet werden kann. Dabei verwies der Verwaltungsgerichtshof auf seine Vorjudikatur, die ebenfalls die behauptete Unterkunft und Versorgung in einem Caritasheim betraf (vgl VwGH 23.6.1994, 94/18/0287; VwGH 25.11.1994, 94/02/0349). Dies gilt auch im gegenständlichen Fall, weshalb weiterhin von der Mittellosigkeit des Bf auszugehen ist.

Abgesehen davon böte auch die Versorgung durch SOS-Mitmensch Oberösterreich keine Gewähr für den fremdenbehördlichen Zugriff auf den Bf.

4.5. Das weitläufige Vorbringen, wonach zugunsten des Bf ein Abschiebungsverbot bestehe, weil er wegen der Bürgerkriegssituation in Liberia sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden könne, geht im Schubhaftbeschwerdeverfahren ins Leere.

Gegenständlich dient die Schubhaft noch der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, weil im Hinblick auf die vom Bf angekündigte Berufung noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Gemäß § 17 Abs 3 FrG ist die Ausweisung aber bereits mit ihrer Erlassung durchsetzbar, weshalb die Schubhaft gemäß dem § 48 Abs 3 FrG auch als zur Sicherung der Abschiebung verhängt gilt.

Nach der nunmehr übereinstimmenden Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts hat der unabhängige Verwaltungssenat im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach dem Fremdengesetz im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Unzulässigkeit der Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht zu überprüfen (vgl ua VfGH 4.10.1993, B 364/93-7; VfGH 16.6.1994, B 1774/93-13; VwGH 10.2.1994, 93/18/0410; VwGH 22.4.1994, 94/02/0082; VwGH 17.11.1994, 94/18/0561; VwGH 27.1.1995, 94/02/0201, 0202, 0283; VwGH 27.1.1995, 94/02/0442; VwGH 24.2.1995, 94/02/0435). Der Grund liegt vor allem darin, daß Anträge iSd § 54 Abs 1 FrG in einem Sonderverfahren zu behandeln sind, in dem die Fremdenbehörde und nicht der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig ist.

Der Bf hat von der möglichen Antragstellung nach § 54 Abs 1 FrG bezüglich seines Heimatstaates Liberia Gebrauch gemacht und in erster Instanz eine für ihn negative Entscheidung der belangten Behörde erhalten. Gegen diese Entscheidung steht ihm die Berufung an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich offen, in der er sämtliche Argumente für seine Befürchtung, daß in Liberia für ihn Lebensgefahr bestünde, vorbringen kann. Gemäß § 54 Abs 4 FrG darf der Bf bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag in den von ihm bezeichneten Verfolgerstaat nicht abgeschoben werden.

Was die behauptete tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung nach Liberia betrifft, ist der Bf darauf zu verweisen, daß dies ein Grund für einen Abschiebungsaufschub nach § 36 Abs 2 FrG wäre. Es ist nicht Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates, das allfällige zukünftige Problem der Unmöglichkeit der Abschiebung zu untersuchen.

Auch diese Frage ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Schubhaftprüfungsverfahren zu klären (vgl VwGH 8.7.1994, 94/02/0227; VwGH 12.8.1994, 94/02/0123; VwGH 25.11.1994, 94/02/0409; VwGH 27.1.1995, 94/02/0201, 0202, 0283). Daß die Abschiebung nach Liberia schlechthin unmöglich erscheint, hat die Beschwerde nicht glaubhaft machen können.

4.6. Schließlich ist der unter Hinweis auf die Regierungsvorlage erhobene Einwand der Minderjährigkeit ebenfalls nicht geeignet, die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig oder nicht erforderlich erscheinen zu lassen.

Das Fremdengesetz bietet nicht nur keine Handhabe dafür, sondern sieht die Anhaltung von Minderjährigen im § 47 Abs 2 und 3 FrG ausdrücklich vor. Gewisse Einschränkungen sind gemäß § 47 Abs 2 FrG bei Fremden unter sechzehn Jahren vorgesehen. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, daß das Verbot des Vollzugs der Strafhaft an Jugendlichen gemäß § 54 VStG bei der Schubhaft nicht analog vorgesehen werden kann, wobei zur Begründung auf eingeschleuste Jugendbanden und die Notwendigkeit der Abschiebung von Ehegatten mit ihren Kindern verwiesen wird.

Aus dem Umstand, daß diese ausdrücklich genannten Motive nicht auf den Bf zutreffen, kann er noch nicht ableiten, daß er nicht in Schubhaft genommen werden darf, weil es dafür auch andere Gründe gibt. Außerdem geht die Argumentation der Beschwerde schon deshalb ins Leere, weil der Bf bereits das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat. Bei Fremden über sechzehn Jahren wäre sogar die Haft nach dem VStG zulässig.

4.7. Der unabhängige Verwaltungssenat kann aus der Aktenlage keine Umstände erkennen, die der belangten Behörde als unangemesse Verzögerungen anzulasten wären. Vielmehr sind die notwendigen fremdenbehördlichen Maßnahmen sehr zügig gesetzt worden. Auch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde längst in die Wege geleitet. Ein Verstoß gegen § 48 Abs 2 FrG kommt demnach nicht in Betracht.

Im Ergebnis liegen die Gründe für die Verhängung der Schubhaft ebenso wie die für deren Aufrechterhaltung vor. Da die negative Prognose keine Änderung erfahren hat, sind sowohl die Inschubhaftnahme als auch die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig anzusehen.

5. Mangels näherer gesetzlicher Kostenregelung für den Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten iSd § 52 Abs 2 FrG iVm § 79a AVG sind nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die §§ 47 ff VwGG iVm der jeweiligen Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers analog anzuwenden, wobei die geltenden Pauschalsätze vor dem Verwaltungsgerichtshof um ein Drittel zu kürzen sind (stRsp seit VwGH 23.9.1991, 91/19/0162).

Beim gegebenen Verfahrensergebnis des Obsiegens der belangten Behörde waren dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Fremdenbehörde funktional eingeschritten ist, zwei Drittel des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde nach der geltenden Pauschalierungsverordnung BGBl Nr. 416/1994 zuzusprechen.

Dementsprechend war der Bf zur Leistung eines Betrages in Höhe von S 3.043,33 zu verpflichten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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