Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400797/10/BMa/Ps

Linz, 12.05.2006

 

 

VwSen-400797/10/BMa/Ps Linz, am 12. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Beschwerde des J C, angeblich Staatsangehöriger von Nigeria (undokumentierter Fremder), vertreten durch W K G, gegen den Schubhaftbescheid des Bezirkshauptmanns von Schärding vom 8. Mai 2006, Zl. Sich40-8294, zu Recht erkannt:

 

 

Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben als die Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen Verhängung einer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung unmittelbar im Anschluss an die Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft) festgestellt wird.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs.1, 83 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, (im Folgenden: FPG) iVm § 67c und § 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, (im Folgenden: AVG)

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

J C ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. Der am 24. Oktober 2002 nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer brachte am 25. Oktober 2002 beim Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, einen Asylantrag ein, der mit 22. Dezember 2004 rechtskräftig negativ entschieden wurde. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria wurde mit diesem Bescheid für zulässig erklärt. Die ihm zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz wurde nach Abschluss seines Asylverfahrens am 12. Jänner 2005 widerrufen.

Dokumente in Bezug auf seine Identität und Nationalität liegen derzeit nicht vor; im Asylverfahren wurde der Beschwerdeführer als dokumentloser Fremder geführt.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2006 wurde neuerlich ein Asylantrag gestellt, der am 8. Mai 2006 eingebracht wurde.

Der in der Präambel angeführte Schubhaftbescheid vom 25. April 2005 wurde dem Beschwerdeführer am 26. April 2005 in der Justizanstalt Suben durch persönliche Übernahme zugestellt.

Wegen Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig am 4. Juni 2004 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter gleichzeitigem Widerruf einer wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftat ausgesprochenen bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Das prognostizierte Datum der Strafhaftentlassung ist der 11. Mai 2006.

Auf Grund der rechtskräftigen Verurteilungen nach dem österreichischen Suchtmittelgesetz beabsichtigt die BPD Wien gegen den Beschwerdeführer ein unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unbefristetes Aufenthaltsverbot auszusprechen. Dieser Bescheid ist jedoch noch nicht aktenkundig.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 25. April 2006 an das Bundesministerium für Inneres, Abteilung II/3, wurde unter Hinweis auf den Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 9. März 2005, Zl. 31.200/410-II/3/05, ersucht, die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer bei der Konsularabteilung der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria zu beantragen.

Gemäß der Faxmitteilung der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10. Mai 2006 wurde J C nach Verbüßung seiner gerichtlichen Haftstrafe nach seiner Entlassung an diesem Tag nicht in Schubhaft genommen.

1.2. Zur Begründung des bekämpften Schubhaftbescheides wurde neben dem festgestellten Sachverhalt, der sich im Wesentlichen mit den Feststellungen dieses Bescheides deckt, angeführt, im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erscheine auf Grund der gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, seines bisherigen Verhaltens und des derzeit unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich die Schubhaftverhängung gerechtfertigt und diese diene zur Sicherung der Abschiebung. Der Zweck der Schubhaft könne beim Beschwerdeführer durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 Abs.1 FPG nicht erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhalts nicht ausgeschlossen werden könne, dass er auf freiem Fuß belassen untertauchen könnte. Die Rechtsfolgen des Bescheides würden erst ab Entlassung aus der Strafhaft, das ist der 11. Mai 2005 (gemeint wohl: 2006), eintreten.

1.3. Mit Eingabe vom 4. Mai 2006 wurde gegen den in der Präambel angeführten Schubhaftbescheid Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben und die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde unter Hinweis auf seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wonach ihm gemäß § 12 Asylgesetz faktischer Abschiebeschutz zustehen würde, begehrt. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei im gesamten Bundesgebiet geduldet, weshalb auch weder die im § 76 FPG angeführten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft gegeben seien, noch jene im bekämpften Bescheid zum Tragen kommen würden. Deshalb sei der bekämpfte Schubhaftbescheid rechtswidrig.

Dem Schreiben wurde der Folgeantrag um Gewährung von internationalen Schutz an das Bundesasylamt vom 4. Mai 2006 als Beilage angeschlossen.

1.4. Am 9. Mai 2006 wurde per Telefax durch die belangte Behörde nach Anfrage durch den Unabhängigen Verwaltungssenat hinsichtlich der Modalitäten der Anforderung eines Heimreisezertifikats für Nigeria (nach Vorlage der wesentlichen Aktenteile per Fax) mitgeteilt, dass das Heimreisezertifikat bei Durchführbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kurz vor Haftentlassung des Fremden bei der zuständigen ausländischen Vertretungsbehörde bzw. auf Grund des Erlasses des BMI über dieses anzufordern sei. Dies deshalb, da die Gültigkeit der Heimreisezertifikate meist zeitlich beschränkt sei. Diese Beschränkungen würden sich zumeist zwischen 14 Tagen bis zu einem Monat bewegen. Bei zeitlich beschränkten Heimreisezertifikaten müsste bei eventueller vorzeitiger Entlassung neuerlich um Ausstellung eines Heimreisezertifikats bzw. Änderung der Gültigkeitsdauer des vorliegenden angesucht werden. Im gegenständlichen Fall sei der hiesigen Behörde als Termin für eine persönliche Vorführung des Fremden bei der nigerianischen Botschaft in Wien zu einer Befragung zur Identitäts- und Nationalitätsfeststellung des Fremden sowie in der Folge einer eventuellen Ausstellung eines Heimreisezertifikats der 20. Juni 2006 bekannt gegeben worden.

1.5. Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurden telefonisch bei der zuständigen Abteilung II/3 beim BMI, Amtsdirektor P Z, die üblichen Modalitäten bei der Erlangung eines Heimreisezertifikats erhoben. Dieser gab bekannt, dass die Dauer zur Erlangung eines solchen für Nigeria unterschiedlich sei. Eine Absprache mit der Botschaft des Staates Nigeria zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats für einen bestimmten Zeitpunkt sei möglich. Das Heimreisezertifikat sei formal nicht befristet, habe aber in der Regel nur drei bis vier Monate Gültigkeit. Eine Antragstellung zur Erlangung eines Heimreisezertifikats mehrere Monate vor einer beabsichtigten Abschiebung schade nicht.

2. Der Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding wurde dem Oö. Verwaltungssenat am 9. Mai 2006 vorgelegt.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs.1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Im konkreten Fall ist die Schubhaftbeschwerde zulässig, weil gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft aufschiebend bedingt mit seiner Entlassung aus der Strafhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 80 Abs.1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Der Beschwerdeführer war seit 3. Juni 2004 in Strafhaft. Das prognostizierte Strafende war am 11. Mai 2006; die Entlassung erfolgte am 10. Mai 2006. Innerhalb dieser zweieinhalb Jahre wäre es den Behörden zumutbar gewesen, sich um die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Zeitpunkt der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft zu bemühen und das bereits seit dem Jahr 2004 bei der BPD Wien anhängige Aufenthaltsverbotsverfahren abzuschließen.

Das Unterlassen dieser (rechtzeitigen) Amtshandlungen, obwohl das mit 25. Oktober 2002 beantragte Asylverfahren am 22. Dezember 2004 rechtskräftig negativ entschieden worden war und die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt worden war, kann dem Beschwerdeführer gemäß der vorzitierten Gesetzesbestimmung nicht solchermaßen zum Nachteil gereichen, dass über ihn zur Sicherung der Abschiebung (zur Erreichung eines Heimreisezertifikats nach Nigeria) nach einer zweieinhalbjährigen Strafhaft noch eine Schubhaft verhängt wird.

Bereits aus diesem Grund erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen und es war damit spruchgemäß zu entscheiden.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer am 8. Mai 2006 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz eingebracht. Die Voraussetzungen zur Schubhaftverhängung über einen Fremden der einen derartigen Antrag gestellt hat gem. Z 1. bis 4. des § 76 Abs.2 FPG sind im konkreten Fall, weil noch kein durchsetzbares Aufenthaltsverbot verhängt worden ist, auch nicht erfüllt.

Zumal der Erlassung des Schubhaftbescheides ein Ermittlungsverfahren vorangegangen war - so befand sich der Beschwerdeführer bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheids nicht bloß kurzfristig in Haft - gilt dieser, obwohl er nicht vollstreckt wurde und ein Zeitraum von mehr als 14 Tagen seit seiner Erlassung verstrichen ist, nicht ex lege als widerrufen (vgl. §76 Abs.3 FPG). Es hatte daher ein Abspruch über die Rechtmäßigkeit des (nicht vollstreckten) Bescheides zu ergehen.

4. Ein Abspruch über die Kosten konnte unterbleiben, weil von keiner Partei ein diesbezügliches Begehren gestellt wurde.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2.  

  3. Im gegenständlichen Verfahren ist eine Eingabengebühr in Höhe von 13 Euro

angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Mag. Bergmayr-Mann

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