Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420219/5/Kl/Rd

Linz, 24.02.1998

VwSen-420219/5/Kl/Rd Linz, am 24. Februar 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des M, vertreten durch die RAe, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Festnahme und Anhaltung am 16.1.1998 in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die am 16.1.1998 erfolgte Festnahme um 19.31 Uhr und Anhaltung bis 19.38 Uhr als rechtswidrig festgestellt. Der Beschwerdeführer wurde in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

II. Die belangte Behörde (das Land Oberösterreich) hat dem Beschwerdeführer Aufwandersatz in Höhe von 8.580 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen. Der Aufwandersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG, sowie § 35 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und Art.1 B-VG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988. zu II.: § 79a AVG idF BGBl.Nr. 471/1995 iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 28.1.1998, eingelangt beim O.ö. Verwaltungssenat am 29.1.1998, erhob der Bf Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und beantragte, festzustellen, daß er durch seine Festnahme am 16.1.1998 um 19.30 durch Organe des GP Leonding in Leonding und seine nachfolgende Anhaltung auf dem GP Leonding im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in seinem Recht, nicht entgegen der Bestimmungen der §§ 35 und 36 VStG festgenommen und angehalten zu werden, verletzt worden sei. Weiters beantragte er Kostenersatz.

Begründend wurde ausgeführt, daß der Bf am 16.1.1998 in Leonding aus Platzgründen seinen PKW zum Teil auf dem Gehsteig geparkt hätte und sodann mit seiner Gattin und seiner Tochter bei Bekannten auf Besuch gewesen sei. Um ca. 19.30 Uhr hätte er sich zu seinem Fahrzeug begeben, um eine Schachtel Zigaretten zu holen, wobei er ein in der Nähe abgestelltes Gendarmeriefahrzeug bemerkte. Als sich die Gendarmeriebeamten ihm näherten, versperrte er die Wagentür und beantwortet die Frage, daß es sich um sein Fahrzeug handle und er es dort abgestellt habe. Auch wurde er um den Genuß von Alkohol in den letzten Stunden befragt und sodann zur Vorlage der Fahrzeugpapiere und zur Durchführung des Alkomattests auf dem GP aufgefordert. Weil er die Fahrzeugpapiere bei seinem Bekannten in der Wohnung hätte, wollte er dort hingehen, dies wurde ihm aber verweigert. Daraufhin sei er für festgenommen erklärt worden und zwangsweise in das Wachzimmer des GP Leonding verbracht worden. Der anschließend durchgeführte Alkomattest ergab Fahrtauglichkeit; nach Überprüfung des Ausweises sei er freigelassen worden. Eine Betretung auf frischer Tat sei hingegen nicht erfolgt, weil das Fahrzeug bereits abgestellt war. Auch würde dies in keinster Weise eine Verhaftung rechtfertigen. 2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat am 12.2.1998 eine Stellungnahme abgegeben, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Gleichzeitig legte sie die bezughabenden Aktenteile, nämlich einen Aktenvermerk des Meldungslegers vom 16.1.1998, eine Ablichtung des Führerscheins des Bf und das Meßprotokoll über die Alkomatuntersuchung vor. 3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsakt Einsicht genommen, woraus sich ein genügend geklärter Sachverhalt ergibt. Insbesondere aus dem Aktenvermerk vom 16.1.1998, welcher über den Gang der Amtshandlung der Beamten des GP Leonding Auskunft gibt, geht klar hervor, daß aufgrund einer Privatanzeige über einen vorschriftswidrig abgestellten PKW auf dem Gehsteig vor dem Haus eine Kontrolle erfolgte, bei der am 16.1.1998, 19.25 Uhr, der abgestellte PKW vorgefunden wurde und soeben eine Abschleppung veranlaßt werden sollte, als der Bf sich zum Fahrzeug bewegte und die Fahrertür aufsperrte. Über Befragen bejahte er seine Lenkereigenschaft. Aufgrund wahrgenommener Alkoholisierungssymptome wurde er dann zu einem Alkotest aufgefordert. Der Aushändigung des Führerscheins und des Zulassungsscheins sei er nicht nachgekommen, weshalb er um 19.31 Uhr festgenommen worden sei, mit dem Dienstkraftfahrzeug zum GP Leonding verbracht worden sei, wo aber nach neuerlicher Aufforderung zum Identitätsnachweis und nach Übergabe des Führerscheins die Festnahme um 19.38 Uhr aufgehoben wurde. Der Alkomattest um 19.39 Uhr ergab einen Meßwert von 0,20 mg/l. Über Verlangen seien dem Bf Dienstnummer und Namen der einschreitenden Beamten aufgeschrieben und übergeben worden. Die Verwaltungsübertretung nach § 24 StVO 1960, nämlich Parken auf dem Gehsteig, sei mittels Organmandat erledigt worden. 4. Weil schon aufgrund der Aktenlage iVm den Beschwerdeausführungen der Sachverhalt ausreichend geklärt ist und schon aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 67d Abs.1 AVG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Der Bf wurde in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 16.1.1998 um 19.31 Uhr bis 19.38 Uhr durch Gendarmeriebeamte des GP Leonding festgenommen. Dies stellt einen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und es liegen auch die übrigen Beschwerdevoraussetzungen vor. Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.

5.2. Gemäß § 35 Z1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Jeder Festgenommene ist unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Gemäß der ständigen Judikatur wird jemand auf frischer Tat dann betreten, wenn das Sicherheitsorgan die Begehung der Tat unmittelbar wahrnimmt, ohne daß zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind und aus den erhobenen Tatsachen Schlüsse gezogen werden müssen; wer bloß im Verdacht steht, eine strafbare Tat begangen zu haben, wird nicht auf frischer Tat betreten (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 941 E7 mN). Wenn einem Sicherheitswachebeamten von einer Privatperson von einer halben Stunde vorher erfolgten Übertretung Mitteilung gemacht wird, hat er dennoch den Bf nicht auf frischer Tat iSd Einleitungssatzes des § 35 VStG betreten (Hauer-Leukauf, E8).

5.3. ISd ständigen Judikatur des VfGH wurde auch der Bf gegenständlich nicht auf frischer Tat von den beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten betreten. Vielmehr wurde die Tat von einer Privatperson zur Anzeige gebracht und war beim Eintreffen der Gendarmeriebeamten an Ort und Stelle bereits vollendet. Im übrigen wurden die Gendarmeriebeamten auf den Bf aufmerksam, weil er zu dem vorschriftswidrig abgestellten PKW hinging und die Fahrertür öffnete, was sie auch bewog, ihn dann nach seiner Lenkereigenschaft zu fragen. Auch dieser Umstand, daß sie weitere Ermittlungen hinsichtlich der Tat pflegten, nämlich hinsichtlich des Täters, weist darauf hin, daß ein Betreten auf frischer Tat nicht vorgelegen war.

Es fehlte daher gegenständlich an der wesentlichen gesetzlichen Voraussetzung der frischen Tatbegehung gemäß § 35 VStG, sodaß eine Ermächtigung zur Festnahme iSd gesetzlichen Bestimmung nicht vorgelegen war. Die vorgenommene Festnahme erfolgte daher rechtswidrig; ebenfalls war auch die weitere Anhaltung am GP rechtswidrig. Dies mußte spruchgemäß festgestellt werden. Der Bf wurde daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

6. Gemäß § 79a AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei. Als Aufwendungen gemäß Abs.1 gelten Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, und die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatzaufwand. Es waren daher gemäß der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, dem Bf als obsiegender Partei der Schriftsatzaufwand in der Höhe von 8.400 S sowie Barauslagen in der Höhe von 180 S-Bundesstempelmarken zuzusprechen. Ein Verhandlungsaufwand ist nicht entstanden und war daher nicht zu ersetzen. Entsprechend diesem Ausspruch war daher der Ersatzanspruch der belangten Behörde abzuweisen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt Beschlagwortung: Privatanzeige, Erhebungen zur Person des KFZ Lenkers, keine unmittelbare Wahrnehmung

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