Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520806/5/Bi/An

Linz, 21.03.2005

 

 

 VwSen-520806/5/Bi/An Linz, am 21. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn R O, vertreten durch RA Dr. J P, vom 1. Dezember 2004 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 29. November 2004, VerkR20-1531-2003/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen C und E wegen gesundheitlicher Nichteignung und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Braunau/Inn am 14. August 2003, VerkR20-1531-2003/BR, für die Klassen C und E erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 2 FSG und § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV mangels gesundheitlicher Eignung für die Dauer der behördlich festgesetzten Nichteignung entzogen. Weiters wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allenfalls dagegen eingebrachten Berufung ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 30. November 2004.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit des Führerscheinverfahrens verstoßen, zumal am 14. August 2003 die Lenkberechtigung für die Klassen C und E von dieser Behörde rechtskräftig erteilt wurde. Die Entziehung hätte daher nicht auf Umstände gestützt werden dürfen, die zum Zeitpunkt der Erteilung bereits verwirklicht gewesen seien.

Außerdem sei seine gesundheitliche Eignung gegeben, zumal das Schreiben Dris. M vom 16. Juli 2003 laut Amtsarzt nicht geeignet sei, im FS-Verfahren verwertet zu werden. Dieses sei auch älter als ein Jahr. Er habe den Fehler gemacht und sich von einem Bekannten dazu verleiten lassen, zu diesem Arzt nach München zu fahren, um sich ein Attest ausstellen zu lassen, mit dem er vom Wehrdienst befreit werden wollte. Dr. Mauch habe ihm gesagt, dieses Attest habe mit dem Führerschein nichts zu tun. Wären ihm die Konsequenzen bekannt gewesen, hätte er seine berufliche Existenz damit nicht in Gefahr gebracht.

Seine Fahrvorgeschichte lasse Befürchtungen im Sinne des § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV nicht aufkommen. Er fahre etwa 180.000 bis 200.000 km im Jahr mit dem Lkw unbeanstandet, was klar für seine Eignung zum Lenken von Kfz dieser Klassen spreche. Beantragt wird daher Bescheidaufhebung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw am 13. März 2002 eine Lenkberechtigung der Klasse B erworben hat, die nach einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 8 FSG (samt Vorlage eines normgerechten GGT-Wertes) beim Amtsarzt der Erstinstanz mit 14. August 2003 auf die Klassen C und E samt Unterklassen ausgedehnt wurde.

Am 9. September 2003 erschien der Bw erneut bei DDr. Brandmayr zur amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zur Leistung eines ordentlichen Zivildienstes. Er legte ein "ärztliches Attest" Dris. M, "praktischer Arzt, Psychotherapie" in München, vom 16. Juli 2003 vor, wonach bei ihm eine Persönlichkeitsstörung im Sinne einer neurotisch-depressiven Entwicklung und Verdacht auf Vorliegen endogener Depression gegeben sei. Laut amtsärztlichem Gutachten DDris. B ist der Bw zur Ableistung des Zivildienstes zweifelsfrei gesundheitlich geeignet, jedoch wird eine neurologisch-psychiatrische Abklärung empfohlen.

Der Amtsarzt legte am 6. November 2003 das "ärztliche Attest" der Erstinstanz vor wegen "Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen C und E". Der Bw wurde daraufhin mit (rechtskräftigem) Bescheid der Erstinstanz vom 8. Juli 2004, VerkR20-1531.2003/BR, gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgefordert, zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens zur Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zur Erstinstanz zu kommen. Auf der Grundlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme der AAP vom 16. August 2004 ist der Bw für die Klassen B und F "geeignet", für die Gruppe 2 "nicht geeignet", worauf dem Bw aufgrund des gleichlautenden amtsärztlichen Gutachtens DDris. B vom 24. August 2004 mit Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 26. August 2004, VerkR20-1531-2993/BR, gemäß §§ 24 Abs.1 Z1 und 25 Abs.1 und 2 FSG iVm § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV die Lenkberechtigung für die Klassen C und E, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, das war am 3. September 2004, mangels gesundheitlicher Eignung für die Dauer der behördlich festgestellten Nichteignung entzogen wurde.

Im Vorstellungsverfahren erläuterte der Amtsarzt sein Gutachten und erging nach Parteiengehör der nunmehr angefochtene Bescheid vom 29. November 2004.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde der Bw seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates, um den Verdacht einer psychischen Erkrankung im Sinne des § 13 Abs.1 FSG-GV abzuklären, aufgefordert, eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie im Sine des § 2 Abs.1 Z2 FSG-GV vorzulegen.

Dr. H, FA für Psychiatrie und Neurologie in Salzburg, kommt in seiner FA-Stellungnahme vom 3. März 2005 nach Untersuchung des Bw unter Miteinbeziehung der verkehrspsychologischen Stellungnahme zum Ergebnis, der Bw sei wegen der erhöhten Anforderungen in diesem Bereich derzeit nicht geeignet, Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 zu lenken. Die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 sei gegeben.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit Z1 die Lenkberechtigung zu entziehen oder Z2 die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Gemäß Abs.2 ist bei der Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs.4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 13 Abs.1 Z1 gelten als ausreichend frei von psychischen Krankheiten iSd § 3 Abs.1 Z1 FSG Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

Eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kommt nur dann in Betracht, wenn sich seit ihrer Erteilung die Umstände ua in Bezug auf die bei der Erteilung angenommene geistige und körperliche Eignung entscheidend geändert haben. Ist dies nicht der Fall, so folgt aus der Rechtskraft der Erteilung der Lenkberechtigung, dass diese - soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 68 Abs.3 AVG vorliegen - nur als Folge einer Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens oder einer Änderung des maßgeblichen Sachverhalts (zB einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes) entzogen oder eingeschränkt werden darf (vgl VwGH 20.9.2001, 99/11/0279; 20.4.2004, 2003/11/0189; 20.4.2004, 2004/11/0020; 13.8.2003, 2001/11/0183).

Dem Bw wurde nach amtsärztlicher Untersuchung die Lenkberechtigung für die Klassen C und E am 14. August 2003 erteilt. Das von ihm vorgelegte "ärztliche Attest" Dris. M stammt vom 16. Juli 2003, also einem Zeitpunkt vorher. Die darin enthaltene Diagnose (Persönlichkeitsstörung) wird im Wesentlichen in der nun vorgelegten psychiatrischen Stellungnahme Dris. H vom 3. März 2005 (Diagnose: Störung des Sozialverhaltens F91, Persönlichkeitsstörung ohne nähere Angabe F 60.9) bestätigt, sodass davon auszugehen ist, dass der Gesundheitszustand des Bw sich nicht erst ab Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen C und E ergeben hat, sondern bereits vor Erteilung bestanden hat; insbesondere werden die häufigen beruflichen Wechsel (verschiedene Berufe, verschiedene Arbeitgeber) sowie die schon mit 10 Jahren aufgetretenen Lernschwierigkeiten angeführt.

Es besteht auch kein Hinweis darauf, dass sich der Gesundheitszustand des Bw seit Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen C und E massiv verschlechtert hätte - es bestehen weder Vormerkungen noch sonstige Anhaltspunkte.

Laut FA-Stellungnahme Dris. H ist der Bw - so wie laut amtsärztlichem Gutachten DDris. B - zwar geeignet für die Gruppe 1, aber nicht geeignet für die Gruppe 2, wobei auch keine Auflagen angeführt sind, die als Grundlage für eine gesundheitliche Eignung anzusehen wären.

Damit ist mit der - dem Bw noch nicht zur Kenntnis gebrachten - FA-Stellungnahme ein neues Beweismittel gegeben, das im Sinne des § 69 Abs.1 Z2 AVG in Verbindung mit einem einzuholenden amtsärztlichen Gutachten gemäß § 8 FSG voraussichtlich zu einem im Hauptinhalt anders lautenden Bescheid, nämlich zur Feststellung der gesundheitlichen Nichteignung des Bw für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2, geführt hätte, wenn es der Behörde zum Zeitpunkt der Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen C und E bereits bekannt gewesen wäre. Damit ist ein Wiederaufnahmegrund im Rahmen des Erteilungsverfahrens gegeben und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 
 

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