Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-521233/2/Bi/Be

Linz, 01.03.2006

 

 

 

VwSen-521233/2/Bi/Be Linz, am 1. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn M P, S, L, vertreten durch RA Dr. G S, M, L, vom 26. Jänner 2006 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 13. Jänner 2006, FE 1243/2005, wegen Einschränkung der Lenkberechtigung durch Auflagen, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde die Gültigkeit der mit Führerschein der BPD Linz vom 17. November 2000, F 6577/2000, für die Klassen A und B erteilten Lenkberechtigung des Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1 Z2 und 8 Abs.3 Z2 bzw Z3 FSG insofern durch Auflagen eingeschränkt, als der Bw aufgefordert wurde, sich in regelmäßigen Abständen von drei Monaten - erstmals am 13. April 2006, weiters 13. Juli 2006, 13. Oktober 2006, 13. Jänner 2007 - einer ärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen und unter gleichzeitiger Vorlage des Führerscheins (Original-)Befunde über Leberlaborwerte (GGT, MCV, CDT) durch einen Facharzt für Labormedizin bei der Behörde vorzulegen. Weiters wurde dem Bw gemäß § 13 Abs.2 FSG aufgetragen, den Führerschein unverzüglich der Behörde zur Eintragung der Beschränkung bzw zur Neuausstellung vorzulegen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 13. Jänner 2006.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Sachverhalt sei unrichtig festgestellt worden bzw die Beweiswürdigung unrichtig, zumal er zwar laut amtsärztlichem Gutachten "bedingt geeignet" sei, Kraftfahrzeuge der Klassen A und B zu lenken, aber die nachdrückliche Empfehlung ausgesprochen worden sei, eine zeitliche Befristung auf ein Jahr und alkoholrelevante Leberkontrollen durchzuführen, wobei der Amtsarzt dies damit begründe, dass ein Änderungsprozess, der für eine stabile und dauerhafte Einstellungs- und Verhaltensänderung zum Thema Alkohol spreche, derzeit bei ihm nicht aufgezeigt werden könne. Die behaupteten Defizite lägen aber nicht bzw nicht mehr vor, weil die Ereignisse vom 11. September 2005 bei ihm eine Einstellungs- und Verhaltensänderung herbeigeführt hätten, wobei auch die Nachschulung, in der er sich intensiv mit dem Thema Alkohol und Straßenverkehr auseinandergesetzt habe, dies nachhaltig gefördert habe. Selbst im aä Gutachten sei die psychologische Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht verneint worden und hinsichtlich eines verkehrsrelevanten Risikopotentials liege keine normabweichende Akkumulation von psychischen Fehlhaltungen vor. Er habe den Alkoholkonsum seit dem Unfall drastisch eingeschränkt, konsumiere praktisch keinen Alkohol mehr - dazu wird auf die beigelegten Laborbefunde Dris H P, L, vom 5. Jänner 2006 verwiesen, nach denen weder ein Verdacht noch ein Hinweis auf Alkoholabusus bestehe. Eine weitere Kontrolle sei bei normalen Werten nicht notwendig. Die Feststellungen des Amtsarztes seien nicht mehr zu halten und auch im Interesse der Verkehrssicherheit Laborkontrollen nicht mehr erforderlich. Beantragt wird daher Bescheidaufhebung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der am 23. April 1972 geborene Bw am 14. Februar 1992 eine Lenkberechtigung für die Klassen A und B erworben hat, die ihm von 17. Juni bis 17. November 1999, das sind fünf Monate, wegen Übertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 entzogen wurde. Weiters wurde ihm die Lenkberechtigung wegen Übertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 von 11. September 2005 bis 11. Jänner 2006, das sind vier Monate, entzogen.

Der Bw hat anordnungsgemäß eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker im Dezember 2005 absolviert und die verkehrspsychologische Stellungnahme des Institutes Infar vom 29. November 2005 vorgelegt, aus der sich eine bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B ergibt mit der Empfehlung einer zeitlichen Befristung auf ein Jahr und alkoholrelevanter Laborleberwertkontrollen, "um die Gefahr eines Alkoholmissbrauchs kontrollieren zu können". Aus der Begründung geht hervor, dass der Bw bei den kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen (Reaktionsfähigkeit, reaktive Dauerbelastbarkeit, Konzentrationsfähigkeit, rasche und detailgetreue optische Überblicksgewinnung, gezielte visuelle Wahrnehmungsfähigkeit und sensomotorische Koordinationsfähigkeit) keine Defizite aufweist. Weiters wurde hinsichtlich eines verkehrsrelevanten Risikopotentials keine normabweichende Akkumulation von psychischen Fehlhaltungen ausgewiesen. Die Persönlichkeitsuntersuchung ergab den Befund einer kontaktfreudigen Person, die für gruppendynamische Prozesse leichter ansprechbar sei Die Alkoholtrinkgewohnheit des Bw habe ein Ausmaß, das gesundheitsschädlich sein könnte; ein Hinweis auf Alkoholismus sei nicht verifizierbar. Der Bw habe für die Vergangenheit eine sehr geringe subjektive Bedeutung des Alkohols geschildert, wobei eine unkritische Wahrnehmung/Bagatellisierung des vergangenen Wirkungstrinkens nicht sicher ausgeschossen werden könne - Forschungsergebnisse bestätigten, dass der gesellschaftlich übliche Alkoholkonsum auch bei besonderen Trinkanlässen nur zu Werten zwischen 0,8 %o bis 1,1 %o, allenfalls 1,3 %o, führe, sofern keine gesellschaftlich unübliche Trinkfestigkeit vorliege - der Bw habe 1,9 %o aufgewiesen. Er arbeite als Kellner in einem alkoholfreundlichen Umfeld mit der latenten Gefahr einer Verführbarkeit durch Alkoholtrinkangebote. Er könne keinen Prozess für eine stabile und dauerhafte Einstellungs- und Verhaltensänderung zum Thema Alkohol aufzeigen Aus diesem Grund werde eine weitere Kontrolle der alkoholrelevanten Laborwerte nachdrücklich empfohlen. Die psychologische Bereitschaft zur Verkehrsanpassung sei sehr knapp ausreichend gegeben.

Die Leberlaborwerte MCV, GOT, GPT, GGT und CDT lagen laut Befund Dris P, L, vom 5. Jänner 2006 jeweils innerhalb der Norm.

Der Polizeiarzt Dr. H hat sich in seinem Gutachten nach § 8 FSG vom 13. Jänner 2006 inhaltlich den Ausführungen in der verkehrspsychologischen Stellungnahme angeschlossen und den Bw bedingt geeignet auf ein Jahr befunden mit der Auflage von Kontrolluntersuchungen alle drei Monate auf GGT, MCV und CDT durch einen Facharzt für Labormedizin.

Dem entsprach dann auch der angefochtene Bescheid der Erstinstanz.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit Z1 die Lenkberechtigung zu entziehen oder Z2 die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind.

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

Grundlage für die Beurteilung ist, dass dem Bw 1999 die Lenkberechtigung wegen einer Übertretung nach §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 für 5 Monate entzogen wurde und er nunmehr am 11. September 2005 als Besucher der "European Bike Week 2005" in Kärnten erneut in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand - 0,97 mg/l AAG - ein Motorrad lenkte und in einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden verwickelt war, dessen Zustandekommen ihm aber nicht zugerechnet wurde, weil ein Blinken des Unfallgegners vor dessen Spurwechsel nicht ausreichend erwiesen war. Dem Bw wurde die Lenkberechtigung für die Mindestentziehungsdauer von vier Monaten entzogen.

Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit liegen nicht vor.

Anhaltspunkte für das Begehen eines im § 14 Abs.5 FSG-GV genannten "gehäuften Missbrauchs von Alkohol" in der Vergangenheit ("... begangen haben") liegen ebenfalls nicht vor - in der verkehrspsychologischen Stellungnahme wurde lediglich aufgrund des beim Bw festgestellten AAG von 0,97 mg/l anhand von nicht näher definierten "Forschungsergebnissen" ausgeführt, sogar bei besonderen Trinkanlässen (wie offenbar der European Bike Week 2005) würden lediglich Werte bis höchstens 1,3 %o erzielt, sofern keine gesellschaftlich unübliche Trinkfestigkeit vorliege. Damit wurde dezent die Vermutung angedeutet, dass der Bw wohl in der Vergangenheit einen gehäuften Missbrauch im Hinblick auf Alkohol begangen haben müsse.

Tatsächlich wurde sowohl nach dem Ergebnis der VPU und darauf basierend dem amtsärztlichen Gutachten jedoch die genannte Auflage für erforderlich erachtet, weil der Bw als Kellner in einem "alkoholfreundlichen Berufsumfeld" arbeite, sich damit latent in einer "gewissen" Gefahr der Verführbarkeit für Alkoholtrinkangebote befinde und eine stabile und dauerhafte Einstellungs- und Verhaltensänderung im Explorationsgespräch nicht aufzeigen habe können, dh seine "Eignungserhaltung" erst glaubhaft machen müsse. Dabei wurde aber sowohl eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit als auch eine "sehr knapp" ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung für gegeben erachtet. Der Bw hat nach der VPU die ihm aufgetragene Nachschulung für alkoholauffällige Lenker absolviert. Er hat normwertige Leberlaborwerte vom Jänner 2006 vorgelegt - trotzdem weisen die ergänzenden Ausführungen des Polizeiarztes vom Februar 2006 immer noch auf die "vorerst noch nicht stabile und dauerhafte Einstellungs- und Verhaltensänderung" des Bw laut VPU vom November 2005 hin.

In einem ähnlich gelagerten Fall (E 24.11.2005, 2004/11/0121, mit Hinweis auf Vorjudikatur) hat der VwGH ausgeführt, dass Alkoholkonsum - ohne Bezug auf das Lenken von Kraftfahrzeugen - die Eignung des Betreffenden zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht in jedem Fall ausschließt. Vielmehr müssen konkrete Umstände dafür vorliegen, der Betreffende sei nicht willens oder nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen. Es muss somit konkret zu befürchten sein, dass er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde und warum dies trotz absolvierter Nachschulung in Zukunft konkret zu befürchten sein sollte, wenn er die genannten Laborwerte nicht nachweist, sei nicht erkennbar.

Im Erkenntnis vom 18. März 2003, 2002/11/0209, führte der VwGH im Zusammenhang mit der Frage, ob gehäufter Missbrauch im Sinne des § 14 Abs.5 FSG-GV vorliege, aus, um von einem gehäuften Missbrauch von Suchtmitteln im Sinne dieser Verordnungsstelle sprechen zu können, genüge nicht ein gelegentlicher wiederholter Missbrauch, sondern es müsse sich um häufigen Missbrauch innerhalb relativ kurzer Zeit handeln, ohne dass allerdings der Nachweis einer früher bestehenden Suchtmittelabhängigkeit erforderlich sei. Mehrmaliges Cannabisrauchen im Laufe eines Sommers wurde vom VwGH in diesem Erkenntnis nicht als gehäufter Missbrauch qualifiziert.

Allein auf der Grundlage der beiden immerhin sechs Jahre auseinanderliegenden einzelnen Alkoholvorfälle ist nach Auffassung des UVS unter Bedachtnahme auf die zitierte Judikatur des VwGH beim Bw nicht von einem tatsächlichen "gehäuften Missbrauch" iSd § 14 Abs.5 FSG-GV auszugehen. Die European Bike Week 2005 ist ein spezielles Ereignis, das durchaus als "besonderer Trinkanlass" im Sinne der verkehrspsychologischen Stellungnahme zu sehen ist und der Alkoholkonsum des Bw bei diesem Anlass ist sicher als Missbrauch zu sehen - er hat zugestanden, entgegen seiner sonstigen (Bier-)Trinkgewohnheiten größere Mengen Cola-Whisky getrunken zu haben. Er hat laut VPU Alkohol für die Vergangenheit eine "überwiegend sehr geringe subjektive Bedeutung" zuerkannt. Er hat eine dreijährige Tochter, die ihn nach eigenen glaubhaften Ausführungen bei der VPU nicht beim Konsum von Alkohol sehen soll.

Zusammenfassend ist der Bw nach dem Ergebnis der verkehrspsychologischen Untersuchung, die wiederum die (inhaltlich offenbar einzige) Grundlage für das amtsärztliche Gutachten darstellt, grundsätzlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 geeignet, wenn er seine Einstellungs- und Verhaltensänderung "vorsichtshalber" durch die Vorlage bestimmter Leberlaborwerte alle drei Monate dokumentiert.

Diese Ansicht vermag der UVS unter Bedachtnahme auf die zitierte VwGH-Judikatur nicht zu teilen. Warum beim Bw in Zukunft konkret zu befürchten sein sollte, dass er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen wird, ist für den UVS insofern nicht nachvollziehbar, als er mittlerweile eine entsprechende Nachschulung absolviert hat, seine letzten Leberlaborwerte gänzlich unauffällig sind und allein sein Beruf als Kellner wohl nicht ernsthaft eine solche Befürchtung konkret zulässt. Völlige Alkoholabstinenz wird weder im FSG noch in der FSG-GV verlangt (VwGH 8.3.2003, 2002/11/0143, ua). Für eine Einschränkung der Lenkberechtigung durch Auflagen rein aus Gründen der Vorsicht, insbesondere wegen eines "alkoholhältigen" Berufes, bietet das FSG keine Grundlage.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Auflage (Laborwerte) nicht gerechtfertigt, wie beim gehäuften Missbrauch vorlag -Aufhebung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum