Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530116/41/Kü/Hu

Linz, 27.01.2006

 

 

 

VwSen-530116/41/Kü/Hu Linz, am 27. Jänner 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine X. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung des Herrn G S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M K, T, L, vom 27. Jänner 2004, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Jänner 2004, UR-710223/190-2003, betreffend die Betriebseinstellung der Kompostierungsanlage auf näher bezeichneten Grundstücken gemäß § 62 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Jänner 2004, UR-710223/190-2003, behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm § 62 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl.I.Nr.102/2002 idgF.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid vom 9. Jänner 2004, UR-710223/190-2003, ordnete der Landeshauptmann von Oberösterreich gemäß § 62 Abs.3 iVm § 77 Abs.2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) an, dass der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) den Betrieb der Kompostierungsanlage auf den Grundstücken Nr. , und, je KG P, sofort einzustellen und sämtliche auf dieser Kompostierungsanlage vorhandenen Abfälle bis spätestens 20.3.2004 ordnungsgemäß zu entfernen hat.

 

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Genehmigungssituation, des Vorverfahrens zur Beschränkung des Anlagenbetriebes und der Darstellung der eingeholten Gutachten aus, dass die gegenständliche Kompostierungsanlage als genehmigt nach § 37 AWG 2002 iVm § 77 Abs.2 AWG 2002 anzusehen sei. In Anlehnung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2001, Zl. 2001/07/0115, habe die Behörde den Sachverhalt insbesondere dahingehend beurteilt, ob die Voraussetzungen für ein Vorgehen zur Vorschreibung nachträglicher Auflagen nach § 62 Abs.3 AWG 2002 ausreichend wären oder ob nicht sogar ein Vorgehen zur dauernden Einstellung des Betriebes der Kompostierungsanlage geboten wäre.

 

Im gegenständlichen Verfahren hätten die Nachbarn insbesondere über Geruchsbelästigungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen, die von der Kompostierungsanlage ausgehen würden, geklagt. Es seien somit die Schutzaspekte des § 43 Abs.1 Z1 und 3 AWG 2002 angesprochen worden. Verschiedenen Überprüfungsberichten sei zu entnehmen, dass die Kompostierungsanlage des Bw ordnungsgemäß geführt würde und die Mieten entsprechend normale Werte aufweisen würden. Die Erteilung nachträglicher Auflagen hätte sich daher nicht nur deshalb, sondern auch im Zusammenhang mit den Gutachten von Herrn Dr. R, dass insbesondere bauliche Änderungen wie die Errichtung einer Grünwand oder die Einhausung der Anlage aufgrund der Nähe zum ersten Anrainer (50 m) nicht zweckmäßig seien, nicht als zielführend erwiesen.

 

Aufgrund der bestehenden Gutachten sei von einer konkreten gesundheitlichen Gefährdung durch die gegenständliche Kompostierungsanlage auszugehen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob man von Gesundheitsbeeinträchtigungen der Anrainer aufgrund einer Toxikopie ausgehe oder der mikrobiologischen Beurteilung in Verbindung mit einer aktuellen Studie über nachgewiesene gesundheitliche Beeinträchtigungen von Anrainern folge. Eine weitere Beurteilung, ob die durch die Anlage verursachten Geruchsimmissionen zumutbar seien oder nicht, erübrige sich daher.

 

2. Dagegen wurde vom Rechtsvertreter des Bw rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung und die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass Dr. V auch in seiner zweiten Anrainerbefragung vom 22.8.2002 verschiedene Sachverhaltsannahmen zugunsten der Anrainer unterstelle, ohne die selben selbst objektiv überprüft zu haben. Diese zweite Anrainerbefragung enthalte völlig unzulässig und einem Gutachter in keinster Weise gestattet eine Beweiswürdigung. Der Gutachter habe den Anrainern offensichtlich uneingeschränkte Glaubwürdigkeit attestiert, auf nicht überprüfte Anrainerangaben aufgebaut und daraus gutachterliche Schlüsse gezogen, die einer kritischen Hinterfragung in keiner Weise standhalten würden. Die Frage, ob "die Emissionen der Anlage zu Immissionen im Areal der Wohnsiedlung geführt haben" würde der Sachverständige unter Berufung auf Befund Nr. 18 bejahen. Aus dem Befund Nr. 18 des mikrobiologischen Labors Dr. J B, M, sei lediglich zu entnehmen, dass die eingeschickte Probe von der Terrasse der Familie M einen hohen Anteil pflanzlichen Materials, wie er etwa auch im Kompost vorkomme, aufweise. Der Sachverständige schließe daraus völlig unschlüssig, dass es sich hierbei nur um Material von der verfahrensgegenständlichen Anlage handeln könne. Der Sachverständige habe es unterlassen, sich selbst vor Ort von der Existenz eines derartigen "Belages" zu überzeugen.

 

Wäre die Behörde den Anträgen auf Bestellung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Lungen- und HNO-Fachbereich mit dem Auftrag, behauptete Gesundheitsbeschwerden der Anrainer während eines Zeitraums von zumindest 6 Monaten entgegen zu nehmen und nach Untersuchung des betreffenden Anrainers Befund und Gutachten über konkrete Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erstellen, nachgekommen bzw. darauf aufbauend ein Sachverständiger aus dem Fachbereich der Umweltmedizin zur Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang und mit welcher Häufigkeit die Wohnsiedlung durch Emissionen der Kompostierungsanlage belastet sei und ob hierdurch die Zumutbarkeitsschwelle erreicht oder gar überschritten würde, beauftragt worden, würde auch das Ergänzungsgutachten von Dr. V objektiv nachvollziehbar sein.

 

Darüber hinaus sei die Frage der Kausalität zwischen den behaupteten Beschwerden einerseits und dem Betrieb der Kompostierungsanlage andererseits nach wie vor nicht unter Beweis gestellt. In diesem Zusammenhang würde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2001, S.18, verwiesen. Dort habe das Höchstgericht ausgesprochen, dass nur solche Beeinträchtigungen ein Vorgehen nach § 39 Abs.1 Oö. AWG 1997 rechtfertigen würden, welche durch den Betrieb, der diesem Landesgesetz unterliegenden Anlage (Kompostierungsanlage) verursacht würden. Durch die zweite Anrainerbefragung sei vielmehr verdeutlicht, dass die Anrainer sich schon durch die bloße Existenz der Anlage - unabhängig vom Betrieb - subjektiv gefährdet fühlen würden. Es sei somit deutlich, dass ein Kausalzusammenhang der (behaupteten) Gesundheitsgefährdung der Anrainer zum Betrieb der Kompostierungsanlage - soweit sie dem Oö. AWG 1997 oder dem AWG 2002 unterliege - gar nicht bestehe.

 

Zum Gutachten von Dr. R führte der Bw aus, dass ursprünglich mit dem Gutachter vereinbart gewesen sei, dass die Messungen betreffend die Emissionen wöchentlich erfolgen sollten. In der Folge habe sich jedoch herausgestellt, dass aus organisatorischen und terminlichen Gründen die Messungen durch den Gutachter in größeren Zeitabständen erfolgen sollten. Er sei somit gezwungen gewesen, zeitgleich drei frische Mieten aufzusetzen, was keinesfalls dem Normalbetrieb entsprochen habe. Bedingt durch die extrem heiße Witterung im Messzeitraum und das Vorhandensein von drei Mal so viel Material als im Regelbetrieb, könne man bei den gemessenen Daten nicht von Messdaten ausgehen, wie es normalerweise der Normalbetrieb erwarten lassen würde.

 

Auf S.12 des Gutachtens stelle Dr. R als Grund für die in der Umgebungsluft deutlich niedrigeren Emissionen im Vergleich zu bisher bekannten Emissionen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit geringere Kompostiertätigkeit fest. Diese Annahme entbehre jeder Grundlage und sei unschlüssig, zumal alle Anweisungen betreffend Aufsetzen der Kompostmieten nicht dem Normalbetrieb entsprochen hätten.

 

Zu Beginn der Messungen hätte der Bw wegen Vergleichsmessungen keine frische Kompostmiete aufsetzen dürfen, was schon von sich aus unschlüssig sei, zumal Vergleichsmessungen nur dem Regelbetrieb entsprechend vorgenommen werden könnten. Die erste Messung sei Ende März 2003 vorgenommen worden, das Ergebnis aus dieser Messung sei jedoch später annulliert worden, wobei als Grund die hohe Windgeschwindigkeit genannt worden sei. Diesbezüglich stelle sich die berechtigte Frage, warum diese Messung überhaupt vorgenommen worden sei, obwohl bereits vor Beginn der Messung diese hohe Windgeschwindigkeit bestanden habe.

 

Außerdem entspreche die Messung an drei frischen Mieten, wie bereits erwähnt, nicht dem Normalbetrieb. Darauf sei auch der Gutachter hingewiesen worden, dies sei jedoch vom Gutachter nicht berücksichtigt worden. Dies habe dazu geführt, dass sich zum Zeitpunkt der Messungen im Juli 2003 und Anfang August 2003 bei Temperaturen über 30° C drei Mal mehr Material in der Hauptrotte befunden habe als dies dem Normalbetrieb entspreche. Im Normalbetrieb sei im Zeitraum März bis August die gleiche Anzahl von Kompostmieten vorhanden. Da aus dem Gutachten selbst bzw. einer weiteren Studie des Instituts für Hygiene der Universität Graz zu entnehmen sei, dass das Erreichen von Hintergrundwerten neben Anlagenart und
-größe auch die Abhängigkeit der Messungen von klimatischen Verhältnissen bestehe, sei die Objektivität der Messung nicht gegeben.

 

Der Gutachter führe auch aus, dass die Medianwerte für thermophile Actinomyzeten und Aspergillus fumigatus an der Messstelle P3 über bisher ermittelten natürlichen Hintergrundwerten liegen und dies ein eindeutiger Nachweis für eine mikrobielle Beeinflussung im Anrainerbereich sei. Unterstützt würde dies auch durch den hohen Medianwert für mesophile Schimmelpilze an diesem Standort, wobei sich der Gutachter wiederum auf nicht nachvollziehbare Feststellungen beschränke, zumal keine objektiv nachvollziehbaren Hintergrundwerte angeführt worden seien. Aufgrund einer Studie des Hygieneinstituts der Universität Graz "vergleichende Untersuchung über die Verbreitung von Mikroorganismen in der Umgebung von Kompostanlagen und Nutztierstallungen" würde deutlich, dass in Bezug auf die Emission von Schimmelpilzen natürliche Emissionsquellen die Werte stark beeinflussen können, sodass diese Keimgruppe zur Bewertung der Emissionen einer Anlage nur eingeschränkt als Parameter geeignet sei. Im Gutachten von Dr. R seien jedoch die natürlichen Emissionsquellen weder überprüft noch festgestellt worden.

 

Wenn der Gutachter ausführe, dass die Medianwerte für die Leitkeime an der ersten Immissionsmessstelle (P3) über den bisher ermittelten natürlichen Hintergrundwerten liegen würden und somit signifikant höher als die Werte an der Referenzmessstelle P5 in 800 m Entfernung seien, so sei es dahingehend auch unschlüssig, dass die gemessenen Werte unter der Höhe der Hintergrundwerte laut der Studie der Universität Graz liegen würden. Auch die Bewertung, dass bei offenen Anlagen (6.000 t pro Jahr und 25.000 t pro Jahr) ein Einfluss bis zu 500 m von der Anlage nachweisbar sei, sei falsch, da bei seiner Anlage lediglich 300 t pro Jahr fix gelagert und maximal 1.000 t pro Jahr kompostiert werden würden. Die Bewertung des Sachverständigen, dass in einer aktuellen Studie erstmals eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei Anrainern einer Großkompostierungsanlage und zwar im
200-m-Abstand zur Anlage gemessen nachgewiesen worden wäre, während im
300-m-Bereich die Hintergrundwerte erreicht worden seien, sei ungeeignet, da die Anlage des Bw keinesfalls eine vergleichbare Großkompostierungsanlage sei.

 

In der Zusammenfassung erläutere der Sachverständige, dass aufgrund der vorhandenen Literatur eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei Anrainern, die einer Bioaerosolbelastung ausgesetzt seien, nicht ausgeschlossen werden könne. Dem gegenüber unterlasse der Sachverständige in dieser Schlussfolgerung jedoch, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Anrainer in der unmittelbaren Nähe der gegenständlichen Kompostierungsanlage aber auch nicht nach dem derzeitigen Stand der Technik und der derzeitigen medizinischen Erkenntnissen bestätigt werden könne. Auch die Schlussfolgerung, dass eine Verlegung der Anlage außerhalb dieses Abstandsbereiches (Größe 150 m) empfohlen werde, sei unrichtig, zumal die Voraussage, ob allfällige bauliche Maßnahmen ausreichen, um mit Sicherheit die Hintergrundwerte im Bereich der ersten Anrainer zu erreichen, eben nicht getroffen werden können. Vor allem ergebe sich die Unschlüssigkeit daraus, dass der Sachverständige ausführe, dass bauliche Änderungen wie beispielsweise die Errichtung einer Grünwand oder die Einhausung der Anlage zwar die Immissionen reduzieren würden, ob allerdings damit schon im 50-m-Abstand Hintergrundwerte erreicht werden könnten, könne aufgrund bisheriger Erkenntnisse nicht vorausgesagt werden.

 

An dieser Stelle sei auch die unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde zu rügen, zumal diese laut AWG 2002 es völlig unterlassen habe, vor der Bescheiderlassung zur Schließung der Kompostierungsanlage, etwaige zielführende Auflagen festzulegen. Der Sachverständige hätte nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht feststellen können, ob bauliche Änderungen, wie die Errichtung einer Grünwand oder die Einhausung der Anlage oder sonstige Auflagen die Immissionen reduzieren könnten. Der Sachverständige hätte lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Hintergrundwerterreichung durch Auflagen aufgrund bisheriger Erkenntnisse nicht vorausgesagt werden könne. Die belangte Behörde habe diesbezüglich jegliche Feststellungen unterlassen, ob durch Auflagen die Hintergrundwerte erreicht werden könnten, es seien auch keine weiteren fachlichen Meinungen eingeholt worden.

 

Es sei nochmals darauf verwiesen, dass es insbesondere keine nationalen oder internationalen Grenzwerte für Bioaerosolimmissionen und ebenso keine Erfahrung über die notwendige Anzahl (KBE) von pathogenen Mikroorganismen, die nach aerogener Aufnahme einen gesunden Organismus beeinträchtigen könnten, gebe. Es sei jedoch lediglich aus der Literatur bekannt, dass insbesondere bei immungeschwächten Personen jede zusätzliche Exposition durch Schimmelpilze zu einer weiteren Erkrankung führen könne. Maßstab für die Verträglichkeit einer Kompostierungsanlage könne jedoch kein allergieanfälliger Mensch sein, sondern nur der Durchschnittsmensch. Bei anfälligen Menschen bedürfe es zur Auslösung von Allergien aber keiner Kompostierungsanlage, sondern es genüge irgend ein Anlass.

 

Abschließend beantragte der Bw die Bestellung eines gerichtlich beeideten medizinischen Sachverständigen aus dem Lungen- sowie HNO-Fachbereich, eines gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Bereich der Umweltmedizin, die neuerliche Durchführung von Emissionsmessungen durch den Gutachter Dr. R und die Bestellung des Büros U H, Beratung für Boden und Kompost, P, mit dem Auftrag, Messungen der Luft auf Geruchsbelästigungen und die Bestimmung von Schimmelpilz und Bakterienkonzentrationen oder sonstigen Krankheitserregern durchzuführen.

 

3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsverfahrensakt vorgelegt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Im Hinblick auf das Vorbringen des Bw hat es der Unabhängige Verwaltungssenat für notwendig erachtet, ein weiteres medizinisches Gutachten zum Beweisthema einzuholen, ob aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Messungen aus medizinischer Sicht eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft auszuschließen ist, wobei der Beurteilung eine der medizinischen Wissenschaft entsprechende, objektiven Gegebenheiten Rechnung tragende Durchschnittsbetrachtung, somit der durchschnittliche Gesundheitszustand der Bevölkerung, zugrunde zu legen ist.

 

Der medizinische Sachverständige führt dazu Folgendes aus:

 

"Die Beschreibung des durchschnittlichen Gesundheitszustandes der Bevölkerung erfordert die Auseinandersetzung mit statistischen Daten zu diesem Thema. Ausführliches Datenmaterial dazu liefert das "Jahrbuch der Gesundheitsstatistik", dem folgendes zu entnehmen ist:

‚Dieses statistische Kompendium zum Gesundheitswesen in Österreich informiert über das Krankheitsspektrum der Bevölkerung (Krebserkrankungen, Spitalsaufnahmen etc.) und das Todesursachenspektrum und die Auswirkungen auf die Lebenserwartung. Darüber hinaus werden Spitalswesen, Sozialversicherungen und Gesundheitsausgaben in nationaler Perspektive sowie im internationalen Vergleich präsentiert.'

 

Im besonderen wird auf die Ausführungen ‚Gesundheitsrelevante Tatbestände aus der Sozialversicherung" eingegangen, die eine Zuordnung in Hinblick auf die statistische Relevanz jener Erkrankungen, wie sie im hs. Vorgutachten beschrieben wurden, erkennen lassen:

 

Die häufigsten Ursachen für Krankenstandsfälle waren 2003 Krankheiten der Atmungsorgane (39,5%; darunter vor allem Krankheiten der oberen Luftwege, 32,7%), Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes (14,4%) sowie Darminfektionen (8,6%). Die Krankenstandsfälle pro 1.000 Erwerbstätige infolge von Krankheiten der Atmungsorgane sind in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, von 2002 auf 2003 sind sie allerdings um 7,5% gestiegen. Die Krankenstandsfälle sind infolge von Krankheiten der oberen Luftwege um 7,8% gestiegen, jene infolge von Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes um 5,6% gesunken. Leicht gesunken (- 1,6%) sind Krankenstandsfälle aufgrund von Darminfektionen.' (Die folgenden Textpassagen des Statistischen Jahrbuches befassen sich mit Beschreibungen von Unfällen und Berufskrankheiten.)

 

Aus diesen statistischen Beschreibungen wird klar, dass Erkrankungen der Atemwege in der Bevölkerung weit verbreitet sind, wenn auch die Feststellung der Häufigkeit keinen Schluss auf die Kausalität zulässt.

 

Zur Unterscheidung der Begriffe Gesundheitsgefährdung, Belästigung werden im folgenden folgende Definitionen, wie sie immer wieder in Umweltverfahren verwendet werden wiedergegeben:

 

Gesundheitsgefährdung, -Belästigung:

In den ‚Empfehlungen für die Verwendung medizinischer Begriffe im Rahmen umwelthygienischer Beurteilungsverfahren' veröffentlicht (von M. Haider et. Al) in den Mitteilungen der Österr. Sanitätsverwaltung 85. Jhg. (1984) H. 12, werden die Begriffe ‚Gesundheitsgefährdung und -belästigung' wie folgt definiert:

 

Gesundheitsgefährdung:

Als Gesundheitsgefährdung gilt eine Einwirkung (Immission), durch die nach den Erfahrungen der med. Wissenschaft, die Möglichkeit besteht, dass Krankheitszustände, Organschäden oder unerwünschte organische oder funktionelle Veränderungen, die die situationsgemäße Variationsbreite vom Körper- oder Organformen bzw. -funktionen signifikant überschreiten, entweder bei der Allgemeinbevölkerung oder auch nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen bzw. auch Einzelpersonen eintreten können.

 

Belästigung:

Störungen des Wohlbefindens, Beeinträchtigungen des Wohlbefindens. Hier handelt es sich weitgehend um subjektive Wahrnehmungsqualitäten. Jede Immission - vorausgesetzt, dass sie überhaupt wahrgenommen wird, d.h. dass sie die Wahrnehmungsschwelle überschreitet - kann vom gesunden normal empfindenden Menschen im konkreten Fall als Belästigung empfunden werden und damit eine Störung des Wohlbefindens bewirken. Das Empfinden einer Belästigung ist inter- und intraindividuell sehr unterschiedlich. Die Wahrnehmung einer Immission an sich stellt noch keine Belästigung dar. Zum Belästigungserleben kommt es insbesondere, wenn die Immission emotional negativ bewertet wird. Einzuschließen in diese Kategorie wären auch Störungen bestimmter höherer Funktionen und Leistungen - wie etwa der geistigen Arbeit, der Lern- und Konzentrationsfähigkeit, der Sprachkommunikation, ... Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, dass solche Funktions- und Leistungsstörungen über einen längeren Zeitraum hinweg sehrwohl zu einer Gesundheitsgefährdung werden können. (Zitat Ende).

 

Demnach ist eine Gesundheitsgefährdung eine Einwirkung, durch die nach den Erfahrungen der med. Wissenschaft, die Möglichkeit besteht, dass Krankheitszustände bei der Allgemeinbevölkerung oder auch nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen bzw. Einzelpersonen eintreten können.

Zu den konkret mit den in Rede stehenden (nachgewiesenen) Mikroorganismen Aspergillus fumigatus und Actinomyceten wird in der Literatur (Schimmelpilze, Vorkommen, Gesundheitsgefahren Schutzmaßnahmen, W. Mücke Ch. Lemmen, ecomed-Verlag) ausgeführt, dass Aspergillosen (Anm.: Erkrankungen durch Aspergillus, der in mehreren Gattungen vorkommt, deren häufigster Erreger Aspergillus fumigatus ist) verschiedenen Befall von Organen (Niere, Herz, zentrales Nervensystem), ausgehend von einem primären Infektionsherd der Lunge, verursachen können. Die Letalität einer invasiven Aspergillose in diesen Organsystemen ist sehr hoch (<50%). Andere Erkrankungsbilder sind Aspergillome (lokal begrenzte, nicht invasive Pilzansiedlungen zumeist vorgeschädigter Lungen, Bronchomykosen) und Aspergillus-Pneumonie.

Wie bereits im Gutachten im Juli 2004 beschrieben erfordert die Entstehung einer Pilzerkrankung zumeist ein vorgeschädigte Organsysteme (wie sie statistisch belegt durch die weite Verbreitung von Atemwegserkrankungen häufig vorkommen) und/oder hohe Expositionen.

Aktinomyceten sind sog. ‚Strahlenpilze', die keine Schimmelpilze im engeren (mikrobiologischen) Sinne sind, sondern Bakterien mit pilzähnlichem Wachstum und die häufig an ähnlichen Standorten nachgewiesen werden wie Schimmelpilze.

 

Zusammenfassend ergibt sich aus medizinischer Sicht, dass im Sinne des Ersuchens um Gutachtensergänzung unter Anwendung der oben angewendeten Begriffsdefinitionen, dass eine Gesundheitsgefährdung als Möglichkeit der Entstehung einer Erkrankung oder Verschlechterung eines bestehenden Erkrankungsbildes nicht auszuschließen ist."

 

Dieses Gutachten wurde dem Bw in Wahrung des Parteiengehörs zur Stellungnahme vorgelegt. Der Vertreter des Bw führte dazu aus, dass die Zusammenfassung des medizinischen Sachverständigen, dass eine Gesundheitsgefährdung als Möglichkeit der Entstehung einer Erkrankung oder Verschlechterung eines bestehenden Erkrankungsbildes nicht auszuschließen sei, nicht logisch, nicht schlüssig nachvollziehbar, unrichtig und bestenfalls eine abstrakte Befindung ohne konkrete Feststellung sei. Die Beweisfrage habe gelautet, ob es auszuschließen sei, dass die laut Fachgutachten Dr. R festgestellten Keime auf Menschen aus medizinischer Betrachtung seiner krankmachenden Auswirkung bei diesen, gedacht als gesunde, normal empfindende Erwachsene und Kinder führen könnten. Da offensichtlich nach dem Ergänzungsgutachten die Entstehung einer Pilzerkrankung ein zumindest vorgeschädigtes Organsystem erfordere, sei schlüssig, dass das Entstehen einer Erkrankung auszuschließen sei. Eine andere Schlussfolgerung lasse dieses Gutachten nicht zu. Der Bw stellte abschließend fest, dass trotz expeditiver Fragestellung des Unabhängigen Verwaltungssenates eine gutachterliche Befindung im Sinne einer konkret drohenden gesundheitlichen Gefährdung der Anrainer nicht möglich sei, sohin auch nicht gegeben sei. Es würde daher angeregt, das Verfahren ohne weitere medizinischer Sachverständigenstellungnahme fortzusetzen.

 

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 67d Abs.2 Z2 AVG trotz Parteiantrag entfallen, da für den Unabhängigen Verwaltungssenat bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Unabhängige Verwaltungssenat den Ausführungen der belangten Behörde bezüglich der Frage, ob es sich bei der gegenständlichen Kompostierungsanlage des Bw um eine im Sinne des § 77 Abs.2 AWG 2002 genehmigte Anlage nach § 37 AWG 2002 handelt, anzuschließen vermag. Ergänzend dazu ist festzustellen, dass dieser Rechtsansicht vom Bw nicht entgegen getreten wurde und sich deshalb weitere Ausführungen dazu erübrigen, zumal sich diese nur als Wiederholungen darstellen würden.

 

4.2. Nach § 62 Abs.3 AWG 2002 hat die Behörde, sofern sich nach der Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 44 oder 52 ergibt, dass die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht hinreichend geschützt sind, die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben. Geeignete Maßnahmen sind insbesondere Untersuchungen, Beprobungen, Messungen, nachträgliche Auflagen, Erstellung und Durchführung eines Sanierungskonzeptes, Beseitigung von bereits eingetretenen Folgen von Auswirkungen der Behandlungsanlage, vorübergehende oder dauernde Einschränkungen der Behandlungsanlage oder die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebes.

 

§ 43 Abs.1 AWG 2002 nennt u.a. als wahrzunehmende Interessen, dass das Leben oder die Gesundheit des Menschen nicht gefährdet werden, die Emissionen von Schadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik begrenzt werden und Nachbarn nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt werden.

 

4.3. Die belangte Behörde stützt ihre Ausführungen, wonach die gemäß § 43 AWG 2002 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, auf die sogenannte "zweite Anrainerbefragung der Siedlergemeinschaft G, P", durchgeführt von Univ.Prof. Dr. C V, Facharzt für Sozialmedizin, und auf das Ergebnis der "Luftkeimmessungen im Bereich der Kompostierungsanlage S, P, im Zeitraum von März bis August 2003", durchgeführt von Univ.Prof. Mag. Dr. F F. R.

 

4.4. Die zusammenfassende Beurteilung von Dr. V wurde bereits von der Behörde im nunmehr beeinspruchten Bescheid (beginnend S.2) wörtlich wiedergegeben, weshalb an dieser Stelle auf eine nochmalige Auflistung verzichtet werden kann. Zu erwähnen ist allerdings, dass der Gutachter ausführt, dass es nicht schlüssig nachvollziehbar ist, dass gesundheitliche Beschwerden der Anrainer (Atemwege, HNO, Haut und Augen) durch die Belastung mit kompostbürtigen Mikro-Organismen/Toxinen kausal verursacht wurden. Unter Bezugnahme auf Befund Nr. 18 führt der Gutachter allerdings aus, dass die Annahme kausaler Zusammenhänge vor allem bei Fällen mit einem positiven Titerbefund plausibel ist. Der diesbezügliche Einwand des Bw, wonach sich entgegen den Ausführungen des Sachverständigen aus dem Befund Nr. 18 nicht ableiten lässt, dass es sich hierbei nur um Material von der verfahrensgegenständlichen Kompostierungsanlage handeln könne, ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates nicht unberechtigt. Der Befund Nr. 18 stellt das Ergebnis einer Beprobung durch ein Labor für Umweltanalytik in M/BRD dar, wobei im Originaltext der Begutachtung darauf hingewiesen wird, dass "die eingeschickte Probe, welche von der Terrasse der Familie M stammt, einen hohen Anteil an organischem Material aufweist. Sämtliche Befunde weisen deutlich auf einen hohen Anteil pflanzlichen Materials in der Probe hin, wie es z.B. im Kompost der Fall ist. Die Verbreitung dieses Materials durch Wind ist relativ leicht, da es sich um kleine Partikel handelt, die insbesonders in trockenem Zustand sehr leicht sind. "

Gutachter Dr. V schließt aufgrund dieser Ausführungen des Labors, die nur beispielhaft den Ursprung des pflanzlichen Materials im Kompost sehen, darauf, dass dieses Material nur von der gegenständlichen Kompostierungsanlage stammen kann, da Gartenkomposthaufen nicht umgesetzt werden und als Emissionsquelle nicht in Frage kommen. Dieser Rückschluss allein genügt allerdings nicht dafür, um nachvollziehbar darstellen zu können, dass dieses pflanzliche Material ausschließlich von der verfahrensgegenständlichen Kompostierungsanlage stammt. Insofern ist der Bw mit seinem Einwand der Unschlüssigkeit des gegenständlichen Gutachtens in diesem Bereich im Recht.

 

Der Gutachter führt weiters aus, dass im Sinne der Ausschlussdiagnose mit großer Sicherheit davon auszugehen ist, dass alle der berichteten Gesundheitsstörungen (Kopfschmerzen, Halsbrennen/Halskratzen/Halsschmerzen/Schluckbeschwerden, Husten, Heiserkeit/belegter Rachen/Stimmverlust, verstopfte Nase/Nasen-Rinnen, Augenbrennen, Atembeschwerden) Toxikopien darstellen. Sie sind nach Ausführungen des Gutachters von medizinischer Relevanz und ist ein Interventionsbedarf abzuleiten. Dazu ist festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof in einem vorangehenden Verfahren zur gegenständlichen Kompostierungsanlage ausgeführt hat, dass gerade weil die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Toxikopie auf rein subjektiver Ebene ausgelöst werden, bedürfe es jedenfalls auch Untersuchungen dahin, ob die dargestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht einerseits schon durch die bloße Existenz der Anlage - unabhängig vom Betrieb - ausgelöst werden, oder andererseits bereits dann eintreten, wenn der Anlagenbetreiber nur den betriebseigenen Stallmist kompostiert. Diese vom Verwaltungsgerichtshof aufgeworfene Frage, die nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates auch auf die Rechtsvorschrift des § 62 Abs.3 AWG 2002 übertragbar ist, wird auch durch das zweite Gutachten von Dr. V grundsätzlich nicht beantwortet. Es ist nach wie vor nicht geklärt, ob die vom Gutachter festgestellten Toxikopien nicht allein schon durch die bloße Existenz der Anlage herrühren. Insofern kann die zur Anwendung des § 62 Abs.3 AWG 2002 geforderte Gesundheitsbeeinträchtigung mit dem vorliegenden Gutachten nicht begründet werden.

 

Der Gutachter stellt weiters dar, dass die Geruchsemissionen der Anlage jedes Jahr zeitweise ein Ausmaß erreicht haben (Anlass zum Schließen der Fenster), welches als erhebliche Belästigung der Anrainer bezeichnet werden muss. Diese Ausführungen des Sachverständigen decken sich grundsätzlich mit den über Geruchsbelästigungen geführten Aufzeichnungen der Anrainer der Kompostierungsanlage, welche sich im gegenständlichen Verfahrensakt befinden. Der Gutachter führt aus medizinischer Sicht dazu aus, dass diese Situation nicht zumutbar ist, da durch diese immer wiederkehrenden Geruchsemissionen, negative Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden der Anrainer nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, weil immer wieder auftretende Geruchsimmissionen als Stressoren wirksam werden und als Stressreaktionen Befindlichkeitsveränderungen, wie Angst oder Depression, Leistungsbeeinträchtigungen, wie Abnahme der Konzentration, der Gedächtnisleistung, körperliche Funktionsstörungen (Kopfschmerzen), Erschöpfungszustände und Veränderungen des Blutdrucks entstehen bzw. immer wieder auftretende Geruchsimmissionen als besonders bedrohlich erlebt werden und Toxikopien auslösen. Diese Ausführungen stellen sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat insbesondere im Hinblick auf die immer wieder von den Nachbarn geführten Beschwerden hinsichtlich der Geruchsbelästigungen als schlüssig und nachvollziehbar dar. Mithin ist davon auszugehen, dass das durch § 43 Abs.2 AWG 2002 geschützte Interesse der Nachbarn nicht durch Geruch unzumutbar belästigt werden zu dürfen, als beeinträchtigt zu erachten ist.

 

4.5. Der Gutachter für Mikrobiologie, Herr Prof. Dr. R, kommt aufgrund der von ihm geführten Luftkeimmessungen in seinem Gutachten zum Schluss, dass Keime im Nahbereich der Anlage nachgewiesen worden sind. Er spricht davon, dass die Emissionen der Kompostierungsanlage im Untersuchungszeitraum im Vergleich zu bisher bekannten Emissionen aus Kompostierungsanlagen niedriger sind. Gleichzeitig verweist er darauf, dass von einer Bioaerosolbelastung der Anrainer (zumindest im 100 m-Abstandsbereich) auszugehen ist. Aufgrund der vorhandenen Literatur kann eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei Anrainern, die einer Bioaerosolbelastung ausgesetzt sind, nicht ausgeschlossen werden.

 

Der Bw führt im Zusammenhang mit den Luftkeimmessungen aus, dass er vom Gutachter aufgefordert wurde, drei Mieten auf seiner Anlage aufzusetzen und dieser Zustand nicht dem Normalbetrieb entspricht und daher die Messergebnisse verfälscht sind. Darüber hinaus wurde vom Bw auch die trockene Witterung während der Messungen angeführt. Zu diesem Einwand ist allerdings festzuhalten, dass die gegenständliche Kompostierungsanlage scheinbar die Kapazität aufweist, auch drei Mieten auf der befestigten Fläche aufzusetzen und in der Folge zu verarbeiten. Auch wenn man den Ausführungen des Bw Glauben schenken mag, dass dies nicht der normale Betriebszustand der Anlage ist, stellt der im Zeitpunkt der Messung bestehende Betriebszustand (drei Mieten) jedenfalls einen möglichen Betriebszustand bei maximaler Auslastung der Anlage dar. Dem Bw ist auch nicht durch den bestehenden Anlagenbescheid eine Begrenzung der gleichzeitigen Lagerkapazität von biogenen Abfällen auf der Anlage auferlegt worden. Aufgrund dieser Sichtweise und der grundsätzlich vorhandenen Kapazität der Anlage für die Verarbeitung von drei Mieten ist mit dem erwähnten Einwand des Bw hinsichtlich der Messergebnisse nichts zu gewinnen. Durch die Messungen ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat der Beweis erbracht, dass von einer Bioaerosolbelastung der Anrainer im Nahbereich der Anlage (100 m-Abstand) auszugehen ist.

 

4.6. Zur medizinischen Beurteilung dieser festgestellten Situation wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat das bereits oben erwähnte Gutachten des Amtssachverständigen für Medizin in Auftrag gegeben. Der Sachverständige kommt nach allgemeiner Darstellung der möglichen gesundheitlichen Auswirkungen zum Schluss, dass sich durch den positiven Sporennachweis ergibt, dass Krankheiten, eine entsprechende Disposition vorausgesetzt, ausgelöst werden können und im Hinblick auf das Verteilungsmuster (höhere Belastung als in unbelasteten Gebieten und Referenzpunkten) das Risiko für die Entstehung von Erkrankungen höher eingeschätzt werden muss. Daraus ergibt sich der Schluss, dass Krankheitssymptome verschlechtert werden können, möglicherweise in Einzelfällen ein Kausalzusammenhang vorliegen könnte.

 

In Zusammenfassung seiner Überlegungen kommt der medizinische Sachverständige zum Schluss, dass in Anwendung der von der Judikatur entwickelten Definitionen zu Gesundheitsgefährdungen und Belästigungen davon auszugehen ist, dass aufgrund der festgestellten Keimbelastung im Nahbereich der Anlage eine Gesundheitsgefährdung als Möglichkeit der Entstehung einer Erkrankung oder Verschlechterung eines bestehenden Krankheitsbildes nicht auszuschließen ist.

 

Demgegenüber ist aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 3 AVG (kann als inhaltlich gleichzusetzende Bestimmung zur Auslegung des § 63 Abs.3 AWG 2002 herangezogen werden) Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit nicht bloß die allgemein abstrakte und an generellen Erfahrungswerten orientierte Möglichkeit einer Gefahr, sondern es muss vielmehr - gestützt auf einen ordnungsgemäß erhobenen Befund - eine konkrete Gefährdung von Personen nachgewiesen und von der Behörde in einem mängelfreien Verfahren festgestellt werden (vgl. VwGH vom 13.4.1993, 93/05/0007 und vom 21.11.2003, 2003/02/0175). Eine allgemeine Gefahr, die nach allgemeiner Erfahrung nicht ausgeschlossen werden kann, reicht also nicht aus. Es muss sich um tatsächliche Auswirkungen handeln, die einen unerträglichen Nachteil für die Allgemeinheit bedeuten (VwGH vom 17.2.1994, 90/06/0221). Von einem das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missstand im Sinne des § 68 Abs.3 AVG kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn eine solche Gefahr nach den allgemeinen Erfahrungen nicht ausgeschlossen werden kann, sondern nur dann, wenn eine konkrete Gefährdung nachgewiesen ist (VwGH vom 30.9.1983, 82/04/0137).

 

Aus die vorliegenden Ermittlungsergebnissen kann nach Meinung des Unabhängigen Verwaltungssenates nicht mit der notwendigen Bestimmtheit darauf geschlossen werden, dass durch den Betrieb der Kompostierungsanlage konkrete Gesundheitsgefährdungen der Anrainer eingetreten sind. Andererseits aber besteht durch die zeitweise vorherrschende Geruchssituation ein Zustand, der damit gleichgesetzt werden kann, dass die in § 43 Abs.1 AWG 2002 geschützten Interessen durch den gegenwärtigen Anlagenzustand nicht den vom Gesetz geforderten Schutz erfahren, zumal unzumutbare Geruchsbelästigungen der Nachbarn als gegeben zu erachten sind. Insofern ist wie bereits von der Erstinstanz angenommen, zwar nicht auf Gesundheitsgefährdung sondern auf unzumutbarer Belästigung beruhend, die erste Voraussetzung des § 62 Abs.3 AWG 2002 als erfüllt zu werten. Für diesen Fall sieht das Gesetz vor, dass die Behörde die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben hat.

 

4.7. Die im Gesetz vorgenommene Aufzählung von geeigneten Maßnahmen ist wegen der vom Gesetzgeber gewählten Reihung (reicht von Untersuchungen bis zum äußersten Mittel der gänzlichen Anlagenschließung) nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates jedenfalls so zu interpretieren, dass unter Würdigung des durch die Anlagengenehmigung erworbenen Rechtes die Behörde angehalten ist, die gelindeste noch zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes ausreichende Maßnahme vorzuschreiben. Diese Auslegung deckt sich auch mit der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde bei Anwendung des § 68 Abs. 3 AVG dazu verpflichtet ist, notwendige bzw. unvermeidbare Maßnahmen unter möglichster Schonung erworbener Rechte zu treffen; dabei hat sie in Anwendung der in Betracht kommenden materiellen Rechtsvorschriften, von Amts wegen in ausreichendem Maße die zur Beurteilung der Frage anderer, auch zum Ziel führender, aber weniger eingreifender Maßnahmen (Lastenvergleich) erforderlichen Feststellungen zu treffen. Dies gilt auch für jene Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Eingriff in die Rechtskraft bei Anwendung der jeweils in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift zu treffen sind (VwGH vom 21.11.2003, 2003/02/0175).

 

Die belangte Behörde führte zu dieser Frage aus, dass aus den verschiedenen Überprüfungsberichten zu entnehmen ist, dass die Kompostierungsanlage ordnungsgemäß geführt wird und die Mieten entsprechend normale Werte aufweisen. Die Erteilung nachträglicher Auflagen erweise sich daher nicht nur deshalb, sondern auch im Zusammenhang mit dem Gutachten von Herrn Prof.Dr. R, dass insbesondere bauliche Änderungen wie die Errichtung einer Grünwand oder die Einhausung der Anlage aufgrund der Nähe zum ersten Anrainer (50 m) nicht zweckmäßig seien, nicht als zielführend. Eine nähere Begründung, warum als einzige geeignete Maßnahme zur Wahrung der Interessen nach § 43 Abs.1 AWG 2002 die Einstellung des Betriebes der gegenständlichen Anlage gesehen wurde, wird von der Behörde nicht gegeben.

 

Die Feststellungen der belangten Behörde, wonach die Vorschreibung nachträglicher Auflagen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht zielführend seien, basieren im Wesentlichen auf den Ausführungen des Sachverständigen für Mikrobiologie. Dieses Gutachten lässt allerdings nach Meinung des Unabhängigen Verwaltungssenates jegliche Begründung für diese Ausführungen vermissen und ist nicht schlüssig nachvollziehbar, warum der Sachverständige zu dieser Ansicht kommt. Der belangte Behörde hat diese Aussagen ungeprüft übernommen und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Für den von der belangten Behörde gesetzten Eingriff in bestehende Rechte, wie der angefochtene Bescheid es bewirkt, reicht ein solches Vorgehen nicht aus. Die Behörde beauftragte zwar den Sachverständigen für Kompostiertechnik mit der unangekündigten Überprüfung der Anlage, wobei dieser den ordnungsgemäßen Betrieb feststellte, konfrontierte diesen aber nicht mit dem Beweisthema, welche dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen außer der Betriebseinstellung zur Wahrung der Interessen nach § 43 Abs.1 AWG aus kompostiertechnischer Sicht gesetzt werden könnten. Nur nach dieser technischen Prüfung könnte die Behörde nachvollziehbar zum Schluss kommen, dass einziges Mittel zum Schutz der gesetzlichen Interessen die konkrete Betriebseinstellung ist. Trotz des Vorbringens des Bw in seinem Schriftsatz vom 4.10.2002 und den darin aufgezeigten technischen Maßnahmen ist die Behörde in ihrem Ermittlungsverfahren nicht auf dieses Vorbringen eingegangen. Es ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht auszuschließen, dass die Behörde bei entsprechender Überprüfung der vom Bw vorgeschlagenen Maßnahmen durch einen Anlagentechniker zu einer anderen Entscheidung als der Betriebsschließung gekommen wäre.

 

Als Stand der Technik ist im Sinne des § 2 Abs.8 Z1 AWG 2002 der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist, anzusehen. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere jene vergleichbaren Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, welche am wirksamsten zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt sind. Bei der Festlegung des Standes der Technik sind unter Beachtung der sich aus seiner bestimmten Maßnahme ergebenden Kosten und ihres Nutzens und des Grundsatzes der Vorsorge und der Vorbeugung im Allgemeinen wie auch im Einzelfall die Kriterien des Anhanges 4 zu berücksichtigen.

 

Im Zusammenhang mit der Frage des Standes der Technik sollte die Richtlinie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Stand der Technik der Kompostierung nicht unerwähnt bleiben. Unter Pkt. 4.4.3 dieser Richtlinie sind Schlussfolgerungen für den Stand der Technik "Minderung von Keimemissionen" enthalten, wobei die jeweiligen Maßnahmen punktuell aufgelistet sind. Als wesentliche Maßnahmen werden dabei das Befeuchten der Mieten während des Umsetzens (z.B. Einsprühen bzw. Benebelung während der Manipulation), die Beregnung der Mieten in Trockenperioden, um die Windverdriftung zu reduzieren und ein ausgewogenes Feuchtigkeitsmanagement bei allen Systemen (inkl. Biofilter) genannt. Im Falle kritischer Standorte (Abstand zum Wohngebiet kleiner 200 m) wird auf das Ausstatten der Umsetzaggregate mit Gummischürzen, um die Austrittsflächen für Staub zu minimieren, ein Abstimmen der Umsetzzeiten auf die jeweils aktuelle kleinklimatische Situation auch zur Beherrschung der Geruchsproblematik und auf eine Vliesabdeckung von Mieten mit geringem Querschnitt (Höhe kleiner 1,5 m), die dadurch ein relativ hohes Oberflächen-/Volumenverhältnis aufweisen, hingewiesen.

 

§ 62 Abs.3 AWG sieht vor, dass bei Verletzung der wahrzunehmenden Interessen die nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben sind. Die Behörde hätte sich daher mit möglichen technischen Maßnahmen auseinander zu setzen gehabt, um beurteilen zu können, ob damit die durch Messung festgestellten Keimemissionen wirksam auf das Ausmaß der Hintergrundwerte abgesenkt werden könnten bzw. die auftretenden Geruchsemissionen auf ein zumutbares Maß gesenkt werden könnten. Erst nachdem von der belangten Behörde eine derartige Prüfung mit dem nachvollziehbaren Ergebnis abgeschlossen werden könnte, dass einzig und allein die Betriebsschließung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes führt, hätte der nunmehr bekämpfte Bescheid in der vorliegenden Form ergehen dürfen. Indem die Erstinstanz dies unterlassen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb dieser aufgrund der Berufung zu beheben war.

5. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

 

 

 

 

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