Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550163/5/Kl/Rd/Pe

Linz, 28.09.2004

 

 

 VwSen-550163/5/Kl/Rd/Pe Linz, am 28. September 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über den Antrag der H GmbH, vertreten durch Herrn M H, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren "ARA R, BA06/Bl.3 - elektrotechnische Ausrüstung" zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Gemeinde R die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 24. Oktober 2004, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl.Nr. 153/2002.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 24.9.2004 wurde von der H GmbH der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von einem Monat nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt.

Begründend wurde vorgebracht, dass im Zuge des Vergabeverfahrens fristgerecht ein ausschreibungsgemäßes Angebot gelegt worden sei. Die geforderten Nachreichungen seien fristgerecht und ausführlich nachgereicht worden. Nach Ansicht der Antragstellerin sei sie Bestbieterin. Trotzdem habe sie am 13.9.2004 von der Auftraggeberin ein Schreiben erhalten, in dem ihr die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Firma G GmbH, mitgeteilt worden sei. Obwohl das Angebot der Antragstellerin gleichwertig sei, sei es zu Unrecht ausgeschieden worden. Als Nachweis der Gleichwertigkeit seien dem Angebot Unterlagen der SPS und der Leittechniksoftware beigelegt worden. Die Auftraggeberin habe diese offensichtlich nicht berücksichtigt, sondern das Ausscheiden mit einer vermeintlichen Nichtgleichwertigkeit in einem anderen Vergabeverfahren, wo diese Unterlagen nicht beigelegt worden sind, begründet. Die dem Angebot beigelegten Produktunterlagen der SPS und der Leittechniksoftware seien nicht bemängelt worden.

Aufgrund der derzeitigen Auftragslage habe die Antragstellerin ein großes Interesse am betreffenden Auftrag. Für Angebotslegung und Nachreichungen seien 40 Stunden aufgewendet worden. Der Vertragsabschluss mit der Fa. G GmbH habe für die Antragstellerin folgende negative Auswirkungen:

- geringe Ausnutzung der betrieblichen Ressourcen

- Verringerung des Beschäftigungsstandes im wirtschaftlich schlechter situierten nördlichen (Mühlviertel)

- keine Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen für lokal Arbeitssuchende

- Förderung von zusätzlichen Lehrstellen nicht möglich (bereits 1 Elektroinstallationstechniker-Lehrling ab 1.9.2004)

- Festigung des Betriebsstandortes in N stark eingeschränkt

- Imageverlust für unseren Betrieb und der Wirtschaft im Bezirk Freistadt

Zum Schaden wurden der entgangene Auftrag, ca. 29.000 Euro (netto exkl) für den entgangenen Gewinn sowie Kosten der Angebotslegung im Ausmaß von 2.450 Euro und Ausgaben hinsichtlich der Vergebührung der Anträge, geltend gemacht.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Gemeinde R als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Vom Technischen Büro für Elektrotechnik TB B wurde eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, als im Anhang zum Angebot von der Antragstellerin keine prüfbaren Unterlagen hinsichtlich der Erläuterungen der Positionen 20.76.010 "Grundsoftware Prozessleitsystem"; 20.76.030 "Protokollerstellung"; 20.76.040 "Wartungsprogramm"; 20.76.090 "Alamierungssoftware" übergeben worden seien. Dem Angebot sei als Erläuterung nur ein Prospektfolder der angebotenen Prozessleitsystem-Software beigelegt worden.

Für das Projekt "EMSR-Anlage Abwasserbeseitigungsanlage S BA 04" seien im Rahmen der vertieften Angebotsüberprüfung technische Unterlagen zum angebotenen Prozessleitsystem Fabr. SAIA angefordert worden. Diese Unterlagen zum Beweis der Gleichwertigkeit seien von der Antragstellerin nicht erbracht worden.

Da die Antragstellerin beim Projekt ABA S BA 04 ebenfalls ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet gehabt habe und es sich beim gegenständlichen Projekt ABA R um eine Anlage ähnlicher Größe handle, sei seitens der Auftraggeberin keine vertiefte Angebotsprüfung zur Position 20.76.010 "Prozessleitsystem" durchgeführt worden.

Die Positionsnummern der Angebote ABA S BA04 und ABA R BA06 20.76.010 "Grundsoftware Prozessleitsystem"; 20.76.030 "Protokollerstellung"; 20.76.040 "Wartungsprogramm"; 20.76.090 "Alamierungssoftware" seien dem Text und dem Inhalt nach absolut gleich.

Im Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates zu Zl. VwSen-550159/12/Kl/Pe vom 15.9.2004 sei in der Sache ABA S BA 04 bereits entschieden worden.

Im Übrigen wurde angeführt, dass aus sachlichen und wasserwirtschaftlichen Gründen eine einstweilige Verfügung und damit eine Verzögerung des Baubeginns der ABA Reichenau nicht gerechtfertigt sei, zumal es in der gleichen Sache ABA S betreffend bereits eine Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates gebe.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Die Gemeinde Reichenau i.M. ist öffentliche Auftraggeberin iSd § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw des § 1 Abs.2 Z1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz (kurz: Oö. VNPG). Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 5 Mio Euro bei Bauaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z3 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie

2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betrifft, einen Monat nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei der Erbringung einer elektrotechnischen Ausrüstung (Installation Mess-, Steuer-, Regel- und Prozessleittechnik) um eine nicht vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen die Auftraggeberin eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 5 Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 16,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 
 
Beschlagwortung:
Interessensabwägung, keine besonderen Interessen des Auftraggebers

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