Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420262/26/Gf/Km VwSen420263/25/Gf/Km VwSen420264/25/Gf/Km

Linz, 06.03.2001

VwSen-420262/26/Gf/Km

VwSen-420263/25/Gf/Km

VwSen-420264/25/Gf/Km Linz, am 6. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde der A T, vertreten durch RA Mag. R R, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 16. und 17. Juni 1999 in Marchtrenk durch Organe des Bundesamtes für Agrarbiologie in Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesamt für Agrarbiologie) Kosten in Höhe von 3.500 S (entspricht  254,35 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a Abs. 3 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. In ihrer am 13. Juli 1999 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerde bringt die Rechtsmittelwerberin in drei Schriftsätzen vor, dass Organe des Bundesamtes für Agrarbiologie in ihrem Werk in Marchtrenk näher bezeichnete Futtermittel - nämlich: am 16. Juni 1999 gegen 11.30 Uhr fünfzehn 30-kg-Säcke "Diät-Vital" der Chargen-Nr. T 5223 (VwSen-420263), am 16. Juni 1999 gegen 14.00 Uhr zehn 30-kg-Säcke "Diät-Vital" der Chargen-Nr. T 5220 (VwSen-420264) und am 17. Juni 1999 einhundertneununddreißig 30-kg-Säcke "Hennengold" (VwSen-420262) - rechtswidrig in Beschlag genommen und jeweils erst am 17. Juni 1999 vormittags (Diät-Vital) bzw. nachmittags (Hennengold) wieder herausgegeben hätten.

1.2. Dagegen richtet sich die vorliegende Maßnahmenbeschwerde, mit der eine Verletzung der Rechtsmittelwerberin in ihrem durch Art. 5 StGG verfassungsmäßig sowie in ihren durch das Futtermittelgesetz, BGBl.Nr. 905/1993 (im Folgenden: FMG 1993), einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall weder die - jeweils eine Beschlagnahme ermöglichenden - Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 VStG noch jene des § 27 Abs. 1 FMG 1993 erfüllt gewesen seien, weil kein (begründeter) Verdacht für das gesetzwidrige Inverkehrbringen eines Futtermittels oder die Begehung einer Verwaltungsübertretung vorlag; denn die anhand der entnommenen Proben festgestellten Dioxinwerte hätten sich auch nach Auffassung der belangten Behörde keinesfalls als für Mensch oder Tier gesundheitsgefährdend erwiesen.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Beschlagnahme beantragt.

1.3. Das Bundesamt für Agrarbiologie hat als belangte Behörde weder einen bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt noch eine Gegenschrift erstattet.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat daher Beweis erhoben im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. August 1999, zu der als Parteien zum einen der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin und andererseits Dr. J W als Vertreter des Bundesamtes für Agrarbiologie sowie die (sachverständigen) Zeugen Ing. R (Aufsichtsorgan beim Bundesamt für Agrarbiologie) und Dr. A Z (Leiter der Futtermittelforschung im Betrieb der Beschwerdeführerin) erschienen sind.

2.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Über generelle Weisung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: BMLFU) wurden im Juni 1999 im Gefolge des "Belgischen Dioxin-Skandals" in ganz Österreich stichprobenartige Kontrollen in Futtermittelproduktionsbetrieben durchgeführt; soweit die Probenanalyse einen den sog. "vorläufigen Vorsorge-Aktionswert" (VVA) von 1.000 picogramm/kg (im Folgenden: pg/kg) übersteigenden Dioxingehalt ergab, waren die zugehörigen Produktchargen in Beschlag zu nehmen.

In Entsprechung dieses Erlasses hat das Bundesamt für Agrarbiologie u.a. auch in der Betriebsstätte der Rechtsmittelwerberin in Marchtrenk entsprechende Proben gezogen, deren Analyse am 14. Juni 1999 ergab, dass sämtliche Muster der hier verfahrensgegenständlichen Futtermittel einen Dioxinwert von über 1.000 pg/kg aufwiesen.

Am 16. und 17. Juni 1999 wurde daher die Beschlagnahme der entsprechenden Produktchargen - durch Absonderung und Versiegelung - im Werk Marchtrenk durchgeführt.

Nachdem der VVA am 17. Juni 1999 seitens des BMLFU auf 2.000 pg/kg zuzüglich einer 20%igen Analysetoleranz angehoben wurde, hat die belangte Behörde an diesem Tag sämtliche beschlagnahmten Futtermittel - weil deren Dioxingehalt damit jeweils unter dem nunmehr aktuellen VVA lag - wieder freigegeben.

2.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den insoweit übereinstimmenden, glaubwürdigen und in sich widerspruchsfreien Aussagen der in der mündlichen Verhandlung unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen und Parteienvertreter.

3. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 25. August 1999, Zlen. VwSen-420262/12/Gf/Km, VwSen-420263/12/Gf/Km u. VwSen-420264/12/Gf/Km, wurde die Beschwerde der Rechtsmittelwerberin als unbegründet abgewiesen.

4. Der dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. November 2000, Zl. 99/07/0169-5, insoweit stattgegeben, als die h. Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Begründend wurde darin ausgeführt, dass es der VwGH zwar für zulässig erachte, dass auf Grund der durch fachkundige Erkenntnisse begründet nachgewiesenen Gefahr einer Gesundheitsschädigung durch einen in Futtermitteln verwendeten Stoff ein vorläufiger Vorsorge-Aktionswert (VVA) - also eine bestimmte Menge des als gefährlich erkannten Stoffes im Futtermittel - festgelegt wird, ab welchem nach dem vorläufigen Wissensstand davon ausgegangen werden kann, dass der Verdacht einer Gesundheitsschädigung oder Qualitätsbeeinträchtigung i.S.d. § 3 Abs. 2 FMG 1993 anzunehmen und damit eine vorläufige Beschlagnahme gemäß § 27 Abs. 1 FMG 1993 gerechtfertigt ist. Dies habe - wie bei Dioxin - insbesondere dann zu gelten, wenn zwar die grundsätzliche Eignung einer Gesundheitsgefährdung feststehe, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Auswirkungen dieses Stoffes bei der Verwendung in dem betroffenen Futtermittel jedoch fehlen.

Für die Parteien müsse aber nachvollziehbar sein, warum die Aufsichtsorgane hier bei der vorläufigen Beschlagnahme zunächst von einem VVA von 1.000 pg/kg ausgegangen sind, die Behörde jedoch bereits einen Tag später die vorläufige Beschlagnahme mit der Begründung, dass ein begründeter Verdacht i.S.d. § 27 Abs. 1 FMG 1993 erst bei einem VVA von 2.000 pg/kg unter Berücksichtigung einer 20%-igen Analysetoleranz anzunehmen sei, wieder aufgehoben hat.

Es sei daher vom jeweiligen Wissenstand des BMLFU zur Gefahrenrelevanz des angenommenen Höchstgehaltes von Dioxin in den beschlagnahmten Futtermitteln auszugehen und zu klären, warum am Tag der vorläufigen Beschlagnahme schon bei 1.000 pg/kg ein begründeter Verdacht der Eignung einer Gesundheitsgefährdung als gegeben angesehen werden musste, einen Tag später jedoch die doppelte Menge an Dioxin in den Futtermitteln die Annahme eines solchen Verdachtes nicht mehr gerechtfertigt hat.

5. Unter Bindung an die vom Verwaltungsgerichtshof im vorangeführten Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht (vgl. § 63 Abs. 1 VwGG) hat der Oö. Verwaltungssenat den BMLFU - obwohl nicht Partei des h. Verfahrens - ersucht, zu dieser vom VwGH aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen.

5.1. Mit Schriftsätzen vom 6. Februar 2001, Zl. 12200/12-IA2/01, und vom 14. Februar 2001, Zl. 12200/16-IA2/01, hat der BMLFU dargelegt, dass auf EU-Ebene mit der Richtlinie 98/60/EG vom 24. Juli 1998 erstmals ein Grenzwert für Dioxin in Futtermitteln - und zwar mit 500 pg/kg bei Zitruspellets (Zitrustrester) - festgelegt (und auf den in der Folge immer wieder zurückgegriffen) wurde (vgl. z.B. zuletzt die VO 1887/2000/EG). Im Übrigen habe die EU-Kommission in ihrer Entscheidung vom 3. Juni 1999, 1999/363/EG, ausgeführt, dass die Weltgesundheitsorganisation (im Folgenden: WHO) empfehle, dass bei Dioxinen eine Tageshöchstdosis von 1 bis 4 pg/kg pro Körpergewicht und Tag nicht überschritten werden dürfe. Nach einer im Zuge des "Belgischen Dioxinskandals" am 14. Juni 1999 erfolgten Rücksprache mit dem Bundeskanzleramt (im Folgenden: BKA) wurden die Bundesämter für Agrarbiologie noch am selben Tag angewiesen, Futtermittel mit deutlich überhöhten Dioxinwerten, d.i. ab 1.000 pg/kg (entsprechend einer von Experten der WHO am 17. November 1998 festgelegten Berechnungsmethode; vgl. ONr. 24, S. 3 und 4 des h. Aktes), zu beschlagnahmen. Am 18. Juni 1999 wurde schließlich vom BKA auf Grund aktuellster Berechnungen einer Expertenrunde von hochrangigen einheimischen Wissenschaftern u.a. ein Vorsorgewert von 2.000 pg/kg unter Berücksichtigung einer 20%-igen Analysetoleranz für Geflügelfutter festgelegt.

5.2. Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin mit h. Schriftsatz vom 19. Februar 2001 in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und ihr gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, hiezu bis zum 28. Februar 2001 eine Äußerung abzugeben.

Bis dato hat sich die Beschwerdeführerin dazu jedoch weder inhaltlich geäußert noch einen Fristerstreckungsantrag o.ä. gestellt.

6. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Gemäß § 24 Abs. 1 des Futtermittelgesetzes 1999, BGBl.Nr. I 139/1999 (FMG 1999), ist das FMG 1993 zwar mit dem Inkrafttreten des FMG 1999 außer Kraft getreten; dies war - da das FMG 1999 hinsichtlich seines Inkrafttretens selbst keine Anordnung enthält - nach Art. 49 Abs. 1 B-VG der 24. Juli 1999.

Im gegenständlichen Fall einer Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG ist jedoch die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Maßnahme nach der zum Zeitpunkt ihrer Setzung maßgeblichen Rechtslage zu beurteilen (vgl. z.B. R. Walter - H. Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 7. Auflage, Wien 1999, RN 548/23); der Oö. Verwaltungssenat hat daher hier noch das FMG 1993 anzuwenden.

6.2.1. Gemäß § 27 Abs. 1 FMG 1993 hatten Aufsichtsorgane - nämlich: nach § 24 Abs. 2 FMG 1993 fachlich befähigte Personen, derer sich die Überwachungsbehörden (wozu gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 lit. b FMG 1993 auch die belangte Behörde zählt) zu bedienen hatten - Futtermittel u.a. dann vorläufig zu beschlagnahmen, wenn der begründete Verdacht bestand, dass sie entgegen § 3 Abs. 2 FMG 1993 in Verkehr gebracht wurden.

6.2.2. Nach § 3 Abs. 2 FMG 1993 war die Inverkehrbringung von Futtermitteln verboten, wenn diese bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Verwendung geeignet waren, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse insbesondere im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit nachteilig zu beeinflussen oder die Gesundheit von Tieren zu schädigen.

6.2.3. Gemäß § 30 Abs. 1 der Futtermittelverordnung, BGBl.Nr. 273/1994, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. II 79/1999 (im Folgenden: FMV), durfte der Gehalt an unerwünschten Stoffen in Futtermitteln jeweils den in Anlage 4 zur FMV festgesetzten Höchstgehalt nicht überschreiten. Nach Anl. 4 waren "Dioxine (Summe von PCDD und PCDF, ausgedrückt in internationalen toxischen Äquivalenten)" solcherart unerwünschte Stoffe, wobei deren Höchstgehalt im Futtermittel "Zitrustrester" den Wert von "500 pg I-TEQ/kg (obere Nachweisgrenze)" nicht übersteigen durfte.

Zusammenfassend betrachtet war daher Dioxin weder als verbotener Stoff i.S.d. § 31 Abs. 1 i.V.m. Anl. 5 FMV noch als generell unerwünschter Stoff, sondern lediglich als ein unerwünschter Stoff, der im Besonderen Futtermittelrohstoff Zitrustrester den Höchstwert von 500 pg/kg nicht übersteigen durfte, anzusehen.

6.3. Entscheidend ist somit hier allein die Frage, ob zum Zeitpunkt des Einschreitens der Aufsichtsorgane die Prognose der belangten Behörde dahin, dass die Verwendung anderer Futtermittelrohstoffe (Zitrustrester wurde nämlich vorliegendenfalls allseits unstrittig nicht eingesetzt) mit einem Dioxingehalt von über 1.000 pg/kg gemäß § 27 Abs. 1 FMG 1993 einen begründeten Verdacht dahin, dass entweder i.S.d. § 3 Abs. 2 Z. 1 FMG 1993 die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse im Hinblick auf deren Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit nachteilig beeinflusst oder i.S.d. § 3 Abs. 2 Z. 2 FMG 1993 die Gesundheit von Tieren geschädigt wird, bilden konnte, vertretbar war.

Dies ist im Ergebnis zu bejahen.

6.3.1. Denn zum einen ist zu bedenken, dass die ursprüngliche Festlegung eines generellen VVA für Dioxin am 14. Juni 1999 mit 1.000 pg/kg aus der Sicht der einschreitenden Aufsichtsorgane von einer fachlich hiezu befähigten und vor allem sachlich hiefür zuständigen Behörde, nämlich dem BMLFU (vgl. § 37 Abs. 3 FMG 1993) im Einvernehmen mit dem BKA (Sektion VI - Verbraucherschutz), erfolgte.

Dies bedeutet zwar nicht, dass allein schon der Umstand, dass organisationsintern ein entsprechender Erlass der Oberbehörde vorlag, das Vorgehen der belangten Behörde auch nach außen hin gegenüber der normunterworfenen Beschwerdeführerin jedenfalls als rechtmäßig erscheinen ließ, vermag doch eine derartige Weisung die einschreitenden Organe grundsätzlich stets nur im Innenverhältnis, also v.a. in dienst- und haftungsrechtlicher Hinsicht, zu entlasten.

Objektiv besehen gab es aber zum Zeitpunkt ihres Einschreitens keinen Grund für die belangte Behörde bzw. deren Aufsichtsorgane, daran zu zweifeln, dass die Festsetzung des VVA für Dioxin mit 1.000 pg/kg seitens des BMLFU auch entsprechend fachlich begründet war; im Übrigen hat das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat auch ergeben, dass diese Festlegung dieses Grenzwertes zudem auf Grund einer sachverständigen, nämlich von Experten der WHO am 17. November 1998 normierten Berechnungsmethode (vgl. ONr. 24, S. 3 und 4, des h. Aktes) erfolgte. Dass dieser WHO-Grenzwert von einer österreichischen Expertengruppe im BKA - im Nachhinein, nämlich: dem BMLFU angekündigt am 16. Juni 1999 bzw. bestätigt am 18. Juni 1999 - auf 2.000 pg/kg hinaufgesetzt wurde, kann bei der hier vorzunehmenden ex-ante-Betrachtung (vgl. VwGH v. 23. November 2001, Zl. 99/07/0169, S. 14) aber nicht der belangten Behörde bzw. deren Aufsichtsorganen angelastet werden; vielmehr ist diesen zugute zu halten, dass sie die beschlagnahmten Futtermittel ("Diät-Vital") ohnehin unverzüglich (bzw. "Hennengold" etwas später, nämlich nach der Aufklärung dahin, dass auch eine 20%-ige Analysetoleranz zu berücksichtigen ist) nach der Bekanntgabe der Grenzwerterhöhung durch das BMLFU am 17. Juni 1999 (vgl. S. 3 des Verhandlungsprotokolles, ONr. 11 des h. Aktes) wieder freigegeben hat.

6.3.2. All dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil - wie vorhin gezeigt - zumindest hinsichtlich des spezifischen Futtermittelrohstoffes "Zitrustrester" sogar bereits ein verordnungsmäßig festgelegter und insoweit auch nach außen hin allgemein verbindlicher Dioxin-Grenzwert - im Sinne eines Richtwertes - existierte (500 pg/kg), von dem nach dem damaligen Wissensstand einerseits jedenfalls nicht auszuschließen war, dass dessen Überschreitung geeignet ist, die Gesundheit von Menschen und Tieren zu beeinträchtigen (vgl. den Zusammenhang zwischen § 4 Abs. 1 Z. 4 FMG 1993 [" ..... soweit dies zum Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren ..... geboten ist ....."] und der auf dieser gesetzlichen Ermächtigung basierenden Anlage 4 zur FMV) und der andererseits noch dazu deutlich unter jenem nunmehr für sämtliche Futtermittelrohstoffe einzuführenden Höchstgehalt (1.000 pg/kg) lag. Resultierte sohin im Ergebnis für alle anderen Futtermittelrohstoffe gleichsam ohnehin eine Verdoppelung dieses spezifischen Grenzwertes, so hätten nur bei besonderen Begleitumständen - für deren Vorliegen sich im gegenständlichen Verfahren jedoch keinerlei Anhaltspunkte ergaben - Zweifel hinsichtlich der sachlichen Begründetheit dieser Festlegung entstehen können bzw. müssen.

6.3.3. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass im Gefolge des "Belgischen Dioxinskandals" Anfang Juni 1999 in weiten Bevölkerungskreisen bereits eine große Verunsicherung in Bezug auf die Unbedenklichkeit bzw. Genussfähigkeit tierischer Produkte eingetreten war. Seitens der zuständigen Behörden war daher grundsätzlich ein rasches Einschreiten gefordert. Insbesondere wäre es unter den gegebenen Umständen nicht sachdienlich gewesen, zunächst das Ergebnis langwieriger wissenschaftlicher Versuche (dahin, in welchem Umfang ein bestimmter Dioxingehalt im Tierfutter vom tierischen Organismus aufgenommen wird und dort nach der Verarbeitung bis zur Nahrungsaufnahme durch den Menschen erhalten bleibt) abzuwarten.

6.3.4. All dies berücksichtigend gelangt der Oö. Verwaltungssenat daher zur Überzeugung, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihres Einschreitens deshalb, weil aufgrund zuvor gezogener Stichproben - allseits unbestritten - ein über dem damaligen VVA von 1.000 pg/kg liegender Dioxinwert festgestellt wurde, vertretbar davon ausgehen konnte, dass der begründete Verdacht vorliegt, dass die Rechtsmittelwerberin Futtermittel, die geeignet sind, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse insbesondere im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit nachteilig zu beeinflussen bzw. die Gesundheit von Tieren zu schädigen, durch Lagern in ihrem Produktionsbetrieb in Marchtrenk in Verkehr bringt. Die Beschlagnahme der gesamten zu den Proben gehörigen Produktchargen am 16. und 17. Juni 1999 erwies sich sohin im Lichte des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 FMG 1993 grundsätzlich nicht als rechtswidrig.

6.3.5. Der Beschwerdeführerin ist zuzugestehen, dass dieses Ergebnis - wie stets in Konstellationen, wo die Verwaltung zum Schutz hochwertiger Rechtsgüter rasch eingreifen muss, aber eine dieses Handeln explizit deckende Rechtsgrundlage i.S.d. Art. 18 Abs. 1 B-VG fehlt - auf den ersten Blick als rechtsstaatlich bedenklich erscheinen mag.

6.3.5.1. Grundsätzlich ist ihr unter diesem Aspekt zunächst darin zu folgen, dass die belangte Behörde die Beschlagnahme im gegenständlichen Fall nicht auf § 39 VStG hätte stützen können.

Insoweit über § 27 Abs. 1 FMG hinausgehend sieht diese Bestimmung nämlich vor, dass der Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, gegeben sein muss, um eine Beschlagnahme anordnen zu können.

Unter Berücksichtigung der Anordnung des Art. 7 Abs. 1 erster Satz MRK, wonach niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden darf, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war, kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Festlegung eines Grenzwertes im Erlassweg - nämlich des VVA für Dioxin in Futtermitteln mit 1.000 pg/kg - und damit in Form einer bloß verwaltungsinternen Weisung gemäß dem Prinzip "nulla poena sine lege" als gesetzliche Grundlage für eine Bestrafung der Rechtsmittelwerberin nach § 31 Abs. 1 Z. 1 lit. b i.V.m. § 3 Abs. 2 FMG 1993 hätte herangezogen werden können (die gleichzeitig einen Verfall gemäß § 32 FMG 1993 nach sich gezogen und damit aber letztlich erst die Beschlagnahme nach § 39 VStG gedeckt hätte).

Art. 7 Abs. 1 MRK und Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechend sieht § 39 VStG, der eine Bestimmung für den Regelfall des Verwaltungsstrafverfahrens darstellt (das VStG basiert auf Art. 11 Abs. 2 B-VG), eben eine schon ex ante bestehende - hier mangels entsprechender Außenwirksamkeit des VVA jedoch nicht gegebene - konkrete gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff, wie ihn eine Beschlagnahme fraglos verkörpert, vor.

6.3.5.2.1. Da sich demgegenüber § 27 Abs. 1 FMG 1993 gerade nicht auf ein Strafverfahren bezieht, kann diese Bestimmung sohin aus verfassungsrechtlicher Sicht auch von vornherein nicht in Konflikt mit Art. 7 Abs. 1 erster Satz MRK geraten.

6.3.5.2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat aber auch nicht das Bedenken, dass die letztgenannte Bestimmung nicht dem Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG entspricht, wenn sie im Ergebnis einen Grundrechtseingriff ermöglicht, weil ein Grenzwert bloß in verwaltungsinterner Form festgelegt wird.

Im Widerstreit zwischen infolge von Gefahrenabwehrmaßnahmen erforderlichen Grundrechtseingriffen einerseits und Rechtsstaatsprinzip auf der anderen Seite ist zunächst davon auszugehen, dass für den Gesetzgeber nicht jede mögliche Art der Beeinträchtigung von schutzwürdigen Rechtsgütern der Allgemeinheit schon konkret vorhersehbar ist.

Um den allgemeinen Schutz dieser Rechtsgüter von behördlicher Seite möglichst effektiv handhaben zu können, gleichzeitig aber sicherzustellen, dass aus diesem Grund erforderliche Eingriffe in die Rechtssphäre des Einzelnen auf das unumgängliche Mindestmaß beschränkt bleiben, muss § 27 Abs. 1 FMG daher - um von der Unbedenklichkeit seiner weit gefassten Formulierung im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 B-VG ausgehen zu können - verfassungskonform dahin interpretiert werden, dass dementsprechende behördliche Eingriffsakte unter dem Aspekt des Art. 2 StGG stets am Prinzip der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu grundlegend Th. Öhlinger, Verfassungsrecht, 3. Auflage, Wien 1997, 284 ff) zu messen sind.

6.3.5.2.3. Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich daher vor diesem Hintergrund nicht dazu veranlasst, hinsichtlich § 27 Abs. 1 FMG 1993 gemäß Art. 129a Abs. 3 i.V.m. Art. 89 Abs. 2 B-VG einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

6.3.5.3. Im Verhältnis zum angestrebten, zweifelsfrei im öffentlichen Interesse gelegenen Ziel - Schutz der Menschen und Tiere vor Dioxin-Kontamination - erweist sich der gegenständliche Eingriff (nämlich die Beschlagnahme von Futtermitteln der Beschwerdeführerin durch Aufsichtsorgane der belangten Behörde) in der Form, in der dieser konkret durchgeführt wurde, gleichermaßen als zweckmäßig und möglichst maßhaltend. Denn die beanstandeten Futtermittel wurden zwar auf der Verpackung entsprechend gekennzeichnet und versiegelt, aber dem § 27 Abs. 5 FMG 1993 gemäß ansonsten unverändert im Betrieb der Rechtsmittelwerberin belassen. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Hinaufsetzung des VVA für Dioxin auf 2.000 pg/kg durch den BMLFU hat die belangte Behörde die Futtermittel am 17. Juni 1999 wieder freigegeben, sodass diese der Beschwerdeführerin im Ergebnis höchstens lediglich für einen Zeitraum von einem Tag nicht zur Disposition standen.

6.4. All dies berücksichtigend war daher die gegenständliche Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der belangten Behörde gemäß § 79a Abs. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 5 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, Kosten in Höhe von 3.500 S (nur Verhandlungsaufwand; s.o., 1.3.) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. G r o f

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