Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161407/16/Bi/Be

Linz, 12.10.2006

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn S P, vertreten durch RA Mag. T F, vom 18. Mai 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried/Innkreis vom 25. April 2006, VerkR96-16919-2005, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 28. September 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 Euro (60 Stunden EFS) verhängt, weil er am 22. August 2005 gegen 10.50 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen in Frankenburg auf der Gemeindestraße Au gelenkt und dabei auf Höhe des Hauses Au Nr.28 einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht habe. Trotzdem sein Verhalten mit dem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, habe er es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, obwohl er Name und Anschrift dem Geschädigten nicht nachgewiesen habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 28. September 2006 wurde an der Unfallstelle eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters RA Mag. F, der Vertreterin der Erst­instanz Frau A H und der Zeugen M K, M P, F H, F P und S W durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, allein aus dem Umstand, dass er gemeint habe, der Pkw K sei aufgesessen, ergebe sich noch nicht, dass es sich um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden gehandelt habe. Es habe keine Streifkollision gegeben, der Zeuge habe den Pkw auch erst später angehalten. Es habe daher für ihn keinerlei Anzeichen für einen Verkehrsunfall mit Sachschaden gegeben. Er habe jedenfalls sein Fahrzeug verlangsamt und geschaut, was passiert sei. Der Zeuge sei nicht unmittelbar beim Wasserdurchlass stehengeblieben, sondern sei weiterge­fahren, wobei die Behörde nicht eruiert habe, wo er letztlich stehengeblieben sei. Dazu wird ein Ortsaugenschein unter Beiziehung eines Amtssachverstän­digen beantragt. Es sei auch nicht festgestellt worden, von wo das Fahrzeug K letztlich abgeschleppt worden sei. Aufgrund der Tatsache, dass jemand in einen Grünstreifen ausweiche, könne auch nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Schaden entstanden sei und es sich um einen meldepflichtigen Verkehrsunfall handle. Beantragt wird die Behebung des Straferkenntnisses und Verfahrensein­stellung, in eventu Absehen von einer Bestrafung, in eventu Strafherabsetzung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am Unfallort, bei der beide Parteien gehört und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 289 StGB einvernommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am 22. August 2005 gegen 10.50 Uhr den Pkw des Zeugen Franz P, der Beifahrer war, auf der Gemeindestraße Au in Richtung L509 Franken­burger Straße, wo ihm kurz nach dem Haus Au 28 der Zeuge K als Lenker seines Pkw mit der Zeugin M P als Beifahrerin entgegenkam. Die Gemeindestraße ist dort für die Begegnung zweier Pkw zu schmal, weshalb der Zeuge K mit seinem Pkw nach rechts in die Wiese auswich - welche Geschwindigkeit von beiden Fahrzeugen eingehalten wurde, ließ sich nicht mehr ermitteln - und unmittelbar vor der Einmündung der Zufahrt zum Haus Au 28 mit dem rechten Vorderrad des Pkw in einen zu diesem Zeitpunkt etwa einen halben Meter tiefen, völlig ungesicherten, nicht gekenn­zeichneten und mit hohem Gras über­wachsenen Wasserdurchlass fiel, sodass der Pkw schwer beschädigt wurde (Rechnung der KFZ-Werkstätte G über ca 900 Euro). Der Pkw blieb dort nicht stecken, sondern gelangte aufgrund der Beschleunigung wieder auf die Fahrbahn und blieb erst im Bereich des zum Haus 28 gehörenden Holzzaunes stehen. Da der Holzzaun im Kurvenbereich Gemeindestraße - Hauszufahrt seit dem Vorfall verkürzt wurde und die Fotos, die vom Zeugen K in Farbe vorgelegt wurden und die die Beschädigungen des Pkw, den überwachsenen Wasserauslass samt der Reifenspur in der Wiese und die Stelle zeigen, wo der Pkw das später mit Bindemittel versetzte Öl verloren hat, zunächst nicht zuordenbar waren, wurde, da die Befragung des Nachbarn F H diesbezüglich - außer der Mitteilung, dass sich im Grünstreifen entlang des Holzzaunes ein weiteres ungesichertes und grasüberwachsenes Loch befindet - nichts wesentliches ergab, die Zeugin S W, die im wohnt, befragt, die bestätigte, dass und wo genau der Zaun seit dem Vorfall verkürzt wurde. Sie hat auf dem Foto die Zaunlatte, die nunmehr den Eckpfeiler bildet, bezeichnet, sodass nunmehr zuorden­bar war, dass der Pkw K etwa im Bereich des nunmehrigen Eck­pfeilers Öl verloren hat, sodass hier die "Unfallsendlage" anzunehmen ist, weil hier das mit Bindemittel versehene Öl auf der Fahrbahn und an deren Rand zu sehen ist.

Die Stelle befindet sich nach Einmündung der Hauszufahrt zum Haus Nr.28, aber noch vor der daran anschließenden unübersichtlichen Kurve und wäre vom Ort, an dem der Bw den Pkw nach seinen Angaben angehalten hatte, noch einsehbar gewesen. Die Zeugen K und P bestätigten, dass beim Pkw gleich die Warnblinkanlage eingeschaltet worden sei - allerdings haben davon weder der Bw noch der Zeuge P nach eigenen Aussagen etwas bemerkt.

Der Begegnungsort der beiden Fahrzeuge wurde vom Bw ca 50 m vor der Einmündung zum Haus 28 angegeben, was aber von Zeugen P und den auf dem Foto erkennbaren Reifenspuren des Pkw K in der Wiese relativiert wurde. Nach der Darstellung des Bw wäre nicht erklärbar, warum der Pkw K erst so weit vom Begegnungsort in die Wiese gefahren sein sollte. Glaubhaft ist vielmehr eine Begegnung ca 5 m vor der Einmündung zum Haus 28, die das  Ausweichen des Pkw K nachvollziehbar macht. Der Bw konnte dort nicht nach rechts ausweichen, weil sich in diesem Bereich neben der Straße eine abfallende Wiesen­böschung befindet.

Der Zeuge P hat glaubhaft dargelegt, dass der Bw aufgrund des Geräusches, das beim Ausweichen des Pkw K zu hören war, wie er der Meinung war, dass der Pkw K aufgesessen ist - festgestellt wurde, dass keinem der beteiligten Lenker oder Beifahrer die Existenz dieses Wasserdurchlasses bekannt war. Da, wie auch auf dem Foto zu sehen ist,  das Wasserloch mit hohem Gras verwachsen und sonst nichts besonderes erkennbar war, bestand allein aufgrund des Geräusches, das sowohl vom Bw als auch vom Zeugen P als Aufsitzen gedeutet wurde, kein Anhaltspunkt dafür, dass das Ausweichen in die Wiese beim Pkw K einen Sachschaden zur Folge gehabt haben könnte. Der Pkw K fuhr auch tat­sächlich ein Stück weiter quer über die Einmündung der Zufahrtsstraße und blieb erst danach stehen. Der Bw und der Zeuge P bestätigten, sie hätten die Weiterfahrt beobachtet und daraus geschlossen, dass das "Aufsitzgeräusch" keinerlei Folgen gehabt habe, zumal ein geringfügiges Aufsitzen, auch nach Aussagen des Zeugen P, vorkommen könne und nicht gleich einen Schaden darstelle. Weil der Pkw K nach dem Geräusch weitergefahren sei, sei auch der Bw weitergefahren.

Die Zeugen K und P bestätigten das Einschalten der Warnblink­anlage sowie Hupzeichen. Beide gaben an, der Bw habe zwar seine Geschwindigkeit verlangsamt, sei aber nicht stehengeblieben, und dann sofort weitergefahren, obwohl er die eingeschaltete Warnblinkanlage ihrer Ansicht nach bemerken hätte müssen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Darstellung des Vorfalls durch den Bw, die durch die Aussage des Zeugen P bestätigt wird, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten durchaus nachvollziehbar. Das Beweisverfahren lässt den Schluss zu, dass beide Fahrzeuge doch eine ziffernmäßig nicht zuordenbare, aber höhere Geschwindigkeit innehatten, wenn auch die Aussage des Zeugen Hagler etwas übertrieben scheint. Dass dem Bw und dem Zeugen P am Ausweichmanöver des Pkw K nichts besonders Gefährliches auffiel, ist insofern nachvollziehbar, als keinem Beteiligten die Existenz des tiefen Wasser­durchlasses bekannt war und das Ausweichen in eine Wiese normalerweise kein besonders risikoreiches Manöver darstellt, auch wenn ein Streifgeräusch, das auch vom Bw als Aufsitzen gedeutet wurde, zu hören war. Der Pkw K nahm nach dem Sturz in den Wasser­durchlass den Schwung mit und fuhr wieder auf die Fahrbahn, sodass, wenn der Bw und der Zeuge P den Vorfall im Rück- bzw Innenspiegel beobachtet haben, der Eindruck entstehen konnte, der Pkw werde die Fahrt fortsetzen. Wenn der Bw tatsächlich, wie die Zeugen K und P ausgesagt haben, nicht zum Stillstand kam, sondern nur langsamer wurde, ist nicht auszuschließen, dass er tatsächlich bereits um die nächste Kurve verschwunden war, als die Warnblinkanlage einge­schaltet wurde. Auch wenn beim Pkw K die Bremsleuchten aufgeleuchtet haben müssen, lässt dies angesichts des vorherigen Ausweich­manövers nicht  unbedingt auf einen Verkehrsunfall mit Sachschaden schließen, weil die Straße in Fahrtrichtung des Pkw K anschließend am Holzzaun entlang eine unübersichtliche Rechtskurve beschreibt.

Die Zeugin P bestätigte in der Verhandlung, dass sie den ihr persönlich und auch von der Adresse her bekannten Bw als Lenker eines ihr unbekannten Pkw erkannte. Der Bw hat dazu nichts ausgeführt. Der Zeuge K versuchte anhand der Angaben der Zeugin den Bw auf telefonischem Weg zu erreichen, was aber misslang, sodass er den Unfall bei der PI Frankenburg meldete.           

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn beim Verkehrs­­unfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständi­gung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. 

 

§ 4 hat ua den Zweck, eine geordnete Schadensregelung zu ermöglichen (vgl VwGH 25.1.2002, 2001/02/0240).

Voraussetzung für die Meldepflicht ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrs­unfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 23.5. 2002, 2001/03/0417, ua).

 

Das durchgeführte Beweisverfahren hat ergeben, dass dem Bw das Nichtwissen vom beim Verkehrsunfall, dessen Zustandekommen unzweifelhaft mit seinem Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, beim "Einbrechen" in den ca einen halben Meter tiefen, mit hohem Gras überwachsenen Wasserdurchlass entstan­denen Sachschaden nicht mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit vorwerfbar ist. Es war daher ohne Vorschreibung von Verfahrenskosten­beiträgen spruchgemäß zu entscheiden, auch wenn dem Bw der Umstand, dass der Zeugin P seine Daten bekannt waren und damit für den Geschädigten die Person des Schädigers für eine geordnete Schadens­regulierung feststand, mangels Kenntnis davon im Ergebnis nicht zuge­rech­net werden kann.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

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