Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106196/10/Br

Linz, 03.05.1999

VwSen-106196/10/Br Linz, am 3. Mai 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 21. Jänner 1999, VerkR-96-499-1997-Pre, wegen Übertretung des KFG 1967, nach der am 3. Mai 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat über den Berufungswerber mit dem Straferkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl.: VerkR-96-499-1997-Pre, wegen der Übertretung nach § 134 Abs.1 iVm § 75 Abs.4 KFG und dem vollstreckbaren Bescheid dieser Behörde vom 2. Jänner 1997, Zl. VerkR21-8-1997/BR, eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil dieser am 8. Jänner 1997 seinen Führerschein nicht unverzüglich dem Gendarmeriebeamten des GP A ausgefolgt habe, obwohl ihm der Entzugsbescheid zugestellt worden sei, dessen Annahme er jedoch verweigert habe.

1.1. Die Erstbehörde wies begründend im wesentlichen auf die bezogene Gesetzesstelle hin, wonach einzige Voraussetzung für die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines die Vollstreckbarkeit des Entzugesbescheides sei.

Die Erstbehörde folgte dabei nicht der Verantwortung des Berufungswerbers, er habe den Führerschein verloren gehabt und aus diesem Grunde dem Gendarmeriebeamten diesen nicht ausfolgen können. Es entspräche nicht der Lebenserfahrung, daß im Falle des Verlustes nicht sogleich Anzeige erstattet worden wäre. Dies sei am 8. Jänner 1997 noch nicht geschehen gewesen. Diese sei vielmehr erst am 25. Jänner 1997 geschehen, sodaß dies als Schutz dieser Bestrafung zu entgehen zu werten gewesen wäre.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit der letztlich als fristgerecht eingebracht zu wertenden Berufung.

Er legt darin im Ergebnis die Umstände des Verlustes von Dokumenten (darunter auch den Führerschein) in Wien dar. Zum Beweis dafür beantragt er die Vernehmung des Zeugen A.

Darüber hinaus wird bezüglich des nicht mit der Hinterlegung des Straferkenntnisses beginnenden Fristenlaufes und somit die Rechtzeitigkeit dieser Berufung ausgeführt. In eventu stellt der Berufungswerber in diesem Zusammenhang auch einen Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand.

Er beantragte die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung schien angesichts des in der Berufung getätigten Tatsachenvorbringens in Wahrung der gemäß Art.6 EMRK intendierten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in das von der Bezirkshauptmannschaft Braunau vorgelegte Aktenmaterial und dessen Erörterung anläßlich der Berufungsverhandlung, zu welcher neben dem Berufungswerber auch eine Vertreterin der Erstbehörde teilgenommen hat. Beigeschafft und auszugsweise verlesen wurde auch der bezughabende Führerscheinentzugsakt beim Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Verkehr, VerkR-392776-1997. Recherchen wurden hinsichtlich des Zustellvorganges des angefochtenen Straferkenntnisses im Wege des Postamtes vorgenommen. Ferner wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigter und des Zeugen A. H als Zeuge.

5. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

5.1. Dem Berufungswerber wurde mit dem Bescheid, VerkR21-8-1997/BR, vom 2. Jänner 1997, die Lenkerberechtigung der Gruppe B für die Dauer von 12 Monaten entzogen. Dieser Bescheid wurde dem Berufungswerber am 8. Jänner 1997 an seinem Wohnsitz in A von einem Gendarmeriebeamten kuvertiert ausgefolgt, womit wohl auch dessen Zustellung bewirkt wurde. Dies geschah konkret durch die Niederlegung am Küchentisch im Beisein der Mutter des Berufungswerbers. Dieser brachte jedoch verbal zum Ausdruck die Annahme verweigern zu wollen. Dies mit der Begründung derartige Sendungen grundsätzlich nicht anzunehmen. Die Ausfolgung des vom Gendarmeriebeamten gleichzeitig einfordernden Führerscheins unterblieb seitens des Berufungswerbers mit dem Hinweis diesen nicht finden zu können.

Von einem Diebstahl dieses Dokumentes machte der Berufungswerber damals keine Erwähnung.

Diese Feststellungen ergeben sich aus der Meldung des GP A vom 13. Jänner 1997 (AS 9).

Im Verfahrensakt findet sich schließlich eine Anzeigebestätigung der Bundespolizeidirektion W, Wachzimmer , vom 25. Jänner 1997, aus welcher u.a. auch der Diebstahl eines auf den Berufungswerber ausgestellten Führerscheines vermerkt ist. Aus dem angeschlossenen Erhebungsakt des Wachzimmers , und eines Berichtes der Kriminalabteilung O vom 3. Februar 1997 wurden einerseits die als gestohlenen Dokumente in der Sachenfahndung ausgeschrieben, andererseits wurde wegen dieses angezeigten Diebstahles gegen unbekannten Täter wegen Urkundenunterdrückung (§ 229 StGB) unter der AZ: D 425/O/97 ben/krd, bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige erstattet.

Diesbezüglich wurde anläßlich der Berufungsverhandlung vom Berufungswerber in nachvollziehbarer Weise präzisiert, daß er sich anfangs Dezember 1996, gemeinsam mit dem Zeugen A. H, bei einem Fußballspiel (Manchester United gg. Rapid) in Wien aufgehalten habe. Nach dem Fußballspiel habe er sich alleine auf eine Lokaltour in Wien gemacht. Dort müßten ihm - ohne dies bemerkt zu haben - die Dokumente abhanden gekommen sein. Erwiesen ist, daß zu einem nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt bei H. in A von einem Lokalbesitzer aus W angerufen wurde, wobei der Anrufer die Auffindung von Dokumenten in seinem Lokal mitteilte. Tatsächlich wurde in der Niederschrift eines Lokalbesitzers in, betreffend die Diebstahlanzeige des Berufungswerbers bestätigt, daß sich der Berufungswerber in einem stark alkoholisierten Zustand in seinem Lokal aufgehalten habe. Dabei bestätigte dieser Lokalbesitzer nur die Auffindung einer Paßhülle. Keine Abklärung erfolgte offenbar hinsichtlich des Aufenthaltszeitpunktes des Berufungswerbers in diesem Lokal, noch hinsichtlich des Anrufes in A.

Der Anruf wegen einer angeblichen Auffindung von Dokumenten des Berufungswerbers in Wien wurde anläßlich der Berufungsverhandlung vom Zeugen H. glaubhaft bestätigt. Der Zeuge vermochte sich jedoch nicht mehr an den Zeitpunkt seines Aufenthaltes mit dem Berufungswerber in Wien erinnern. Bestätigt wurde vom Zeugen auch die Auffindung eines auf seinen Namen und Adresse lautenden Briefloses, offenbar aus dem Verlustbestand des Berufungswerbers.

Der Umstand des Anrufes an seiner Wohnadresse und die Entgegennahme des Anrufes durch den Vater des Zeugen läßt daher mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit die Tatsache des Dokumentenverlustes im Sinne des Vorbringens des Berufungswerbers als erwiesen erscheinen.

Es ergeben sich folglich keine objektiven Anhaltspunkte dafür, daß sich darunter nicht auch der verfahrensgegenständliche Führerschein des Berufungswerbers befunden haben sollte bzw. die diesbezüglichen Angaben in der Diebstahlsanzeige bei der Bundespolizeidirektion Wien falsch sein sollten.

Ergänzend sei festgestellt, daß letztlich der Berufungswerber in diesem Führerscheinentzugsverfahren durch den Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 6. August 1998, VwSen-520008/27/Gf/Km, Recht bekam. Der Verwaltungssenat wurde durch Devolution des Verfahrens von der Bezirkshauptmannschaft Braunau an den Landeshauptmann, welcher dadurch in erster Instanz zu entscheiden berufen war, zuständig. Im zweiten Rechtsgang gelangte der Oö. Verwaltungssenat schließlich zur Ansicht, daß hier ein Entziehungsgrund nicht vorlag. Diese Feststellungen, die hier wohl nicht präjudiziell oder verfahrensrelevant sind, ergeben sich aus dem beigeschafften Administrativakt des Amtes der Oö. Landesregierung - Abteilung Verkehr, VerkR-392776-1997.

5.1.1. Das hier angefochtene Straferkenntnis wurde für den Berufungswerber am 9. Februar 1999 beim Postamt A zur Abholung bereitgehalten. Der nicht unterfertigte Rückschein wurde offenbar bereits am 11. Februar 1999 wieder an die Erstbehörde rückgeleitet. Anläßlich einer Rückfrage beim Postamt A am 3. Mai 1999 um 08.15 Uhr konnte weder die Behebung der Sendung noch deren Weg an den Berufungswerber nachvollzogen werden. Der Rückschein wurde auch nicht von den Eltern des Berufungswerbers unterschrieben und Aufzeichnungen über die Behebung konnte das Postamt nicht vorfinden (siehe AV v. 3.5.1999).

Es wird somit in Verbindung mit dem Vorbringen des Berufungswerbers und der amtsbekannten Tatsache, daß dieser in L berufstätig ist und nicht täglich an die Abgabenstelle zurückkehrt, im Zweifel von der Rechtzeitigkeit der Berufungserhebung ausgegangen.

5.2. Grundsätzlich vermochte der Erstbehörde wohl durchaus dahingehend gefolgt werden, daß es ihr zumindest aus der ursprünglichen Aktenlage nicht gerade glaubwürdig erschien, wo der Berufungswerber nicht sogleich auf den Umstand des möglichen Verlustes oder durch Glaubhaftmachung der schon damaligen Unauffindbarkeit des Dokumentes gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten hingewiesen hatte. Ebenfalls zur Glaubwürdigkeit trug es nicht bei, wenn eine Verlustanzeige erst mehrere Wochen nach diesem Verlust erstattet wurde. Die diesbezüglichen Gründe vermochten im Berufungsverfahren vom Berufungswerber aber weitgehend plausibel gemacht werden.

Angesichts des nun vorliegenden Beweisergebnisses ist sehr wohl vom Verlust des Führerscheines vor dem 8. Jänner 1997 auszugehen. Es ist somit dem Berufungswerber in seiner Verantwortung zu folgen, den Führerschein damals tatsächlich nicht an den Gendarmeriebeamten ausfolgen gekonnt zu haben. Daher kann auch die offenkundig mangelhafte oder überhaupt nicht bestehende Kooperationsbereitschaft des Berufungswerbers mit den damals bei ihm einschreitenden Gendarmeriebeamten seine Glaubwürdigkeit in seiner Verantwortung nicht mehr schaden. Letztlich plädierte aufgrund des Beweisergebnisses auch die Erstbehörde dafür zugunsten des Berufungswerbers zu entscheiden.

Es ist davon auszugehen, daß tatsächlich die damalige Ablieferung des Führerscheines wegen des Verlustes dieses Dokumentes objektiv nicht möglich war.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgendes erwogen:

6.1. Im Hinblick auf die Tatzeit ist hier gegenüber der zwischenzeitig in Kraft befindlichen inhaltsgleich belassenen Gesetzesbestimmung des Führerschein-gesetzes nach § 1 Abs.2 VStG das zum Zeitpunkt der Tat noch geltende und hinsichtlich des Strafrahmens günstigere Kraftfahrgesetz anzuwenden.

Nach § 75 Abs.4 KFG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkerberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführung, daß dies als tatbestandsmäßig nur mit Strafsanktion geahndet werden kann, wenn diese gesetzliche Anordnung auch tatsächlich befolgt werden kann. Da dies hier nicht der Fall war, darf der Berufungswerber dafür auch nicht bestraft werden.

6.1.1. Das angefochtene Straferkenntnis war daher mangels Erfüllung des zur Last liegenden Tatbestandes aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (vgl. auch h. Erk. vom 11. November 1996, VwSen-104107).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

 

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