Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400868/4/Gf/Ga

Linz, 22.02.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des S D, dzt. PAZ Linz, vertreten durch die RAe Dr. W F u.a., wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck seit dem 8. Jänner 2007  zu Recht erkannt:

 

 

I.                Die Anhaltung des Beschwerdeführers wird als rechtswidrig festgestellt.

 

II.              Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck), hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 673,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der Beschwerdeführer − ein türkischer Staatsangehöriger − ist nach eigenen Angaben am 4. Jänner 2007 von seinem Heimatstaat kommend über den Landweg ohne gültige Reisedokumente in das Bundesgebiet eingereist.

 

Am 5. Jänner 2007 hat er einen Asylantrag eingebracht.

 

In Griechenland wurde gegen ihn ein bis zum 22. August 2008 für alle Schengenstaaten gültiges Aufenthaltsverbot verhängt.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 8. Jänner 2007, Zl. Sich 40-1026-2007, wurde über den Rechtsmittelwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 3 und 4 i.V.m. § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Verbringung in das Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz noch am selben Tag vollzogen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das in Griechenland erlassene Aufenthaltsverbot nach den Bestimmungen des FPG als eine durch­setzbare Ausweisung gelte. Zudem verfüge der Rechtsmittelwerber in Österreich weder über einen gültigen Aufenthaltstitel noch über familiäre Bindungen oder die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erforderlichen finanziellen Mittel. Schließlich sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Asylantrag – da er auf dem Landweg eingereist ist – mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird.

 

Daher und auf Grund des bisher gezeigten Verhaltens, wonach der Beschwerdeführer offenkundig jeweils ohne jegliche Rücksichtnahme auf fremdenpolizeiliche Vorschriften die Staatsgrenzen verschiedener EU-Mitgliedsländer überschritten hat, sei insgesamt zweifelsfrei zu befürchten, dass er sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen würde, weshalb die Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung unbedingt erforderlich sei. Auch eine Anwendung gelinderer Mittel komme nicht in Betracht, weil jedenfalls angenommen werden müsse, dass er noch vor Abschluss des Asylverfahrens in die Illegalität abtauchen werde.

 

1.3. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die am 6. November 2006 per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wird vorgebracht, dass einerseits die Verhängung der Schubhaft auf Grund eines bloß von einem anderen EU-Staat erlassenen Aufenthaltsverbotes nicht zulässig sei. Zum anderen könne deshalb, weil dieses Aufenthaltsverbot offenkundig schon vor mehreren Jahren erlassen worden ist, nicht ohne weiteres angenommen werden, dass Österreich schon von vornherein nicht zur Prüfung des Asylantrages zuständig sein wird, sodass auch der Haftgrund des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG nicht zum Tragen komme.

 

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

 

1.4. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Ergänzend wird darin u.a. darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber sowohl bei der Erstbefragung seinen früheren Aufenthalt in Griechenland als auch in der Folge seinen Reiseweg verschleiert habe Außerdem habe er bereits den Versuch unternommen, aus der Schubhaft auszubrechen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-1026-2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, dieser vom Beschwerdeführer im Grunde auch nicht bestritten wird und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit der Anhaltung anzurufen,

wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Nach § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG kann die Fremdenbehörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 [im Folgenden: AsylG] ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz – d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen – bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstands­losigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen, wenn gegen ihn vor der Stellung des Asylantrages ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60 FPG) verhängt wurde. In gleicher Weise kann über einen Asylwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG die Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungs­dienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Asylantrag mangels Zuständig­keit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden. Gegen Minderjährige muss die Behörde gelindere Mittel anwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2.1. Aufgrund seines Asylantrags vom 5. Jänner 2007 ist der Beschwerdeführer als Asylwerber anzusehen, weshalb die Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG grundsätzlich zur Anwendung kommen kann.

 

Gegen ihn wurde allseits unbestritten von Griechenland noch vor der Asylantragsstellung in Österreich ein noch bis zum 22. August 2008 gültiges Aufenthaltsverbot verhängt, weshalb die belangte Behörde in concreto von der Heranziehbarkeit des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG ausging.

 

Dies ist jedoch verfehlt, weil diese Bestimmung dezidiert auf § 60 FPG verweist und damit ausschließlich ein von österreichischen Behörden verhängtes Aufenthaltsverbot im Blick hat (vgl. in diesem Sinne bereits VwSen-400851/5/Gf/BP/CR vom 8. November 2006). Würde man die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretene Rechtsauffassung teilen, führte dies dazu, dass ausländische Hoheitsakte in Österreich ohne dazwischentretenden nationalen Rechtsakt, also unmittelbar vollstreckbar wären. Selbst wenn die normative Festlegung eines derartigen "Vollzugsautomatismus" als Folge EU-rechtlicher Vorschriften innerstaatlich geboten wäre, würde eine derartige, bloß auf einfachgesetzlicher Basis getroffene Anordnung offenkundig dem in der Verfassung grundgelegten völkerrechtlichen Souveränitätsprinzip Österreichs widersprechen. Nach dem vom Verfassungsgerichtshof u.a. aus diesem Grund entwickelten Prinzip der "doppelten Bedingtheit" hätte daher ein derartiger Vollzugsautomatismus (zumindest) auf der Ebene einer Verfassungsbestimmung festgelegt werden müssen.

 

3.2.2. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergeben sich aber auch keine zwingenden Anhaltspunkte dafür, dass der von ihr konsultierte Staat – Griechenland - nach der sog. "Dublin II–Verordnung" anstelle Österreichs zur für die Prüfung des Asylantrags zuständig wäre und demgemäß der vom Beschwerdeführer in Österreich gestellte Asylantrag zurückzuweisen sein wird. Insbesondere hat weder der Rechtsmittelwerber behauptet, auf dem Landweg über Griechenland eingereist zu sein noch findet sich ein Anhaltspunkt dafür, der eine Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 10 der Dublin II–Verordnung begründen könnte, zumal im Hinblick auf den letzten Satz des Abs. 1 dieser Bestimmung auch nicht feststeht, zu welchem Zeitpunkt das Aufenthaltsverbot in Griechenland erlassen wurde.

 

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die Anhaltung in Schubhaft daher im Ergebnis auch nicht auf § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG gestützt werden.

 

3.3. Der gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers festzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren Rechtsmittelwerber gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Stempelgebühren: 13 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

1.       Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2.       Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

Beachte: vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben; VwGH vom 31.03.2008, Zl.: 2007/21/0126-11
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