Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230423/11/Br/Bk

Linz, 04.05.1995

VwSen-230423/11/Br/Bk Linz, am 4. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn S H, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 1. Februar 1995, AZ. Sich96 - 165 - 1994, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, nach der am 20. April 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung am 4. Mai 1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben, als die Geldstrafe auf 700 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt wird.

Der Spruch hat in Abänderung zu lauten: "Sie haben am 30. Mai 1994, nach 19.50 Uhr als Teilnehmer ....." (weiter wie Spruch des Straferkenntnisses).

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag ermäßigt sich demzufolge auf 70 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem Straferkenntnis vom 1. Februar 1995, AZ. Sich96 - 165 1994, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 14 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch ausgeführt:

"Sie haben am 30. Mai 1994 als Teilnehmer der Versammlung im Bereich des eingezäunten Baustellengeländes der ÖSAG am Südportal des projektierten L, Gemeinde S, diese Versammlung nicht sogleich verlassen, obwohl diese von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems am 30.5.1994 um 19.50 Uhr behördlich untersagt und aufgelöst worden ist." 1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend aus:

"Sie haben gegen die Strafverfügung der BH. Kirchdorf v.

29.06.1994 Zahl w.o., innerhalb offener Frist Einspruch erhoben und diese damit begründet, daß Sie keine strafbare Handlung begangen hatten.

Hiezu wird festgestellt:

§ 1 VersG.:

Die positive österreichische Rechtsordnung enthält keine nähere Definition des Begriffes "Versammlung", sondern setzt diesen voraus. Unter einer Versammlung im weiteren Sinn versteht man sprachlich eine organisierte einmalige Vereinigung einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort; sie unterscheidet sich von einer eventuellen Ansammlung durch ihre Organisation.

Eine solche Versammlung im Sinne des § 1 des Versammlungsgesetzes lag am 30.5.1994 vor. Hiefür spricht das am 26.5.1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf eingelangte Schreiben der ARGE "Stop Pyhrn", in welcher zu einem "Aktionscamp" in der Zeit vom 28.5. bis 5.6.1994 aufgerufen wurde.

Im gegenständlichen Fall waren alle Voraussetzungen für eine Versammlung, nämlich die Organisation einer Mehrheit v.

Personen (Demonstrationsteilnehmer) zu einem gemeinsamen Zweck (Protest gegen den Weiterbau der A9-Pyhrnautobahn) an einem bestimmten Ort (Südportal des projektierten L im Gemeindegebiet von S) erfüllt. Es kann somit keinesfalls von einer eher zufälligen "Ansammlung" oder gar einer geschlossenen Veranstaltung gesprochen werden, da hiefür typische und wesentliche Voraussetzungen (geschlossene Veranstaltung tritt nicht nach außen in Erscheinung, Zustimmung des Verfügungsberechtigten) fehlen. Der mögliche Umstand, daß einzelne Versammlungsteilnehmer ev. auch persönlich geladen wurden vermag diesen Mangel nicht zu beheben.

Der geschilderte Sachverhalt erfüllt somit die Voraussetzungen des § 1 des Versammlungsgesetzes.

§ 14 VersG.:

(1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 19 VersG.:

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu ahnden.

Die gegenständliche Versammlung wurde am 30. Mai 1994 um 19.45 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.

Krems als örtlich zuständige Behörde aufgelöst und wurden sämtliche auf dem Baustellengebiet befindlichen Versammlungsteilnehmer aufgefordert, das Gelände sogleich zu verlassen.

Da Sie dieser Aufforderung keine Folge geleistet haben, wurden Sie am selben Tag um 21.00 Uhr festgenommen und wurde gegen Sie Anzeige wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes erstattet. (Beweis: siehe Anzeige GP. Kirchdorf v.

30.5.1994, GZ P-3135-11/94). Die Einvernahme des Gendarmeriebeamten BezInsp. M K hat ergeben, daß Sie sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung weiterhin im Baustellenbereich (=Bereich der aufgelösten Versammlung) aufgehalten haben, sodaß Sie in weiterer Folge festgenommen werden mußten. Dieser Zeugenaussage wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine maßgebliche Beweiskraft beigemessen.

Anläßlich Ihrer Beschuldigten-Ersteinvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf am 30.5.1994 haben Sie sämtliche Angaben hinsichtlich des Tatvorwurfes des Verbleibes auf der Baustelle nach behördlicher Auflösung der Versammlung verweigert. In Ihrer von Ihrem Rechtsvertreter eingebrachten Stellungnahme vom 10.2.1995 wenden Sie im wesentlichen ein, daß es sich bei der gegenständlichen Demonstration um keine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt hat. Hiezu wird auf die bereits erfolgten obigen Ausführungen verwiesen. Weiters wenden Sie ein, daß es für die behördliche Auflösung dieser Versammlung keinen gesetzlichen Grund gegeben hätte und somit auch keine Schutzgüter verletzt worden wären. Hiezu wird bemerkt, daß § 13 die Behörde zur Auflösung einer Versammlung verpflichtet, wenn diese gegen die Vorschriften des Versammlungsgesetzes (z.B. ordnungsgemäße Anzeige der Versammlung) veranstaltet wird. Die behördliche Auflösung der Versammlung war somit rechtmäßig.

Aufgrund dieses ermittelten maßgeblichen Sachverhaltes steht fest, daß Sie gegen die Bestimmung des § 14 VersammlungsG.

verstoßen haben, indem Sie sich nach Auflösung der Versammlung durch die Behörde weiterhin auf dem durch die Auflösung betroffenen Baugelände aufgehalten haben.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 VStG 1991 das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Bei der Strafbemessung wurde auf die Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Beschuldigten Rücksicht genommen.

Als erschwerend mußte der Umstand, daß Sie sich trotz Aufforderung, das Baustellengelände zu verlassen, dort weiter vorsätzlich aufgehalten haben. Mildernde Umstände konnten keine festgestellt werden.." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber in der Sache aus:

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber in seiner fälschlich als Einspruch bezeichneten Berufung und führt aus:

"Betrifft: Straferkenntnis (Zahl Sich96-165-1994) vom 1.2.1995, eingegangen am 4. 2. 1995 E I N S P R U C H 1. Widerruf: Zunächst zu meiner Vollmachtserklärung im diesem Falle, an Herrn Dr. E T, K: Hiermit widerrufe ich diese Vollmachtserklärung und bitte um weiteren Schriftverkehr ausschließlich über mich persönlich. Die in seiner Ausführung/Begründung des Einspruchs gemachten Angaben sind teilweise nicht richtig und in keiner Weise mit mir abgesprochen. Dazu eine genauere Erläuterung in der folgenden Sachverhaltsdarstellung:

2. Teilnahme an einer "Versammlung": Ich habe das Gebiet um das Baustellengelände der ÖSAG am Südportal des projektierten L am 30. 5. 1994 um ca. 18.00 Uhr betreten.

Hierbei bin ich dort aus freien Stücken, ohne Aufforderung Dritter und in eigener Verantwortung hingegangen. Beweis:

Dies wird durch die Aussagen der ebenfalls dort anwesenden Personen zu belegen sein, wobei ich nicht feststellen kann, ob alle Personen aus freien Stücken dort erschienen sind.

Es ist nicht richtig, daß diese Zusammenkunft, wie im Straferkenntnis angeführt, durch ein eingelangtes Schreiben der ARGE "Stop Phyrn" (Aufruf zu einem Aktionscamp VOM 28.

5. bis 5. 6. 1994) belegt werden kann. Ich jedenfalls hatte von diesem Aufruf zu einem "Aktionscamp" sowie dem Aktionscamp zu dieser Zeit keine Kenntnis. Nach meinem jetzigen Wissensstand hat dieses Camp auch nicht in diesem Baustellengebiet stattgefunden. Damit sehe ich auch die Vorraussetzungen für eine Versammlung gemäß § 19 Versammlungsgesetz - nämlich die Organisation einer Mehrheit von Personen, zu einem gemeinsamen Zweck, an einem bestimmten Ort - nicht erfüllt.

3. Auflösung der Versammlung: zum Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung (ca. 19 Uhr 5o) war es mir nicht mehr möglich die Baustelle zu verlassen: Ich war zum Zeitpunkt der Räumung mit einem Schloß festgekettet. Dies tat ich bei der "Stürmung" der Baustelle durch die Polizei aus Angst einfach weggezerrt zu werden. Der Schlüssel zum Schloß ist bei diesem Trubel der "Stürmung' der Baustelle durch die Polizei abhanden gekommen. Die "Stürmung" erfolgte vor dem offiziellen Auflösen der Versammlung um ca. 19 Uhr 30. Mir ist eine Decke, auf der ich gelegen bin (und auf der sich zu diesem Zeitpunkt auch der Schlüssel befand), sowie meine Schuhe, unmittelbar nach dem ich festgekettet war, weggerissen worden. Dabei ist auch der Schlüssel mitgerissen worden und ist nicht mehr aufgetaucht. In der Hektik hätte ich gar keine Zeit gehabt diesen Schlüssel zu verstecken, dies ist auch nach dem Absuchen meiner gesamten Kleidung festgestellt worden. Beweis: Aussagen der Gendarmen, die mich unmittelbar am Festnahmeort durchsuchten und diesen Baustellenteil "gestürmt" haben. Ich beantrage zur genauen Klärung der Umstände meiner Festnahme um eine maßstabsgerechte Skizze des Baustellengeländes, des genauen Herganges, sowie Ort der beteiligten Personen.

4. Verfahrensmängel bei der Festnahme und Verweigerung der Angaben bei der Ersteinvernahme Vorort, und bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf. Ich habe damals zu mehreren Zeitpunkten ausdrücklich um Beiziehung einer Vertrauensperson gebeten. Und zwar * bei der Festnahme, * bei der Aufnahme der Personendaten vor der Baustelle, * bei der ersten Vernehmung bei der Polizei in Kirchdorf, * sowie bei der Vernehmung bei der Bezirkshauptmannschaft in Kirchdorf.

In keinem der Fälle wurde mir eine Vertrauensperson zugestanden, obwohl die von mir geforderten Personen zum Zeitpunkt meiner Festnahme in meiner unmittelbaren Nähe waren, und nicht an der "Versammlung" innerhalb der Baustelle beteiligt waren.

Diese Person ist auch nach Überstellung nach Kirchdorf dort in der Nähe anwesend gewesen. Mir wurde jegliche Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zu dieser Person verweigert. Hierbei handelt es sich meines Erachtens um ein Verfahrensfehler! Durch die Beistellung einer Vertrauensperson wäre (zumindestens in 3 der obengenannten 4 Fälle) die Durchführung des Verwaltungsaktes nicht beeinträchtigt oder behindert worden. In keinem dieser Fälle bestand auch "Gefahr in Verzug". Für die Verweigerung der Beistellung einer verlangten Vertrauensperson sind in keinem dieser 4 Fälle irgendwelche Begründungen gegeben worden. Eine Verweigerung meiner Angaben erfolgte erst nach Verweigerung der Beiziehung dieser Vertrauensperson. Beweis:

Zeugenvernahme aller Personen (Gendarmerie und Bezirkshauptmannschaft) die an diesen 4 Durchführungen des Verwaltungsaktes beteiligt waren.

5. Strafhöhe: Im Falle einer weiteres Straferkenntnis möchte ich nochmals Einspruch gegen die Strafhöhe einlegen. Dazu zunächst zu meinen Einkommens-, Vermögens- und Familenverhältnissen: Ich bin Ledig, habe keinerlei Vermögen, und verrichte gerade meine Zivildienst. Mein monatliches Einkommen aus diesem Dienst beläuft sich auf 2.222,- öS. (Kopie des Erlagscheinabschnittes/Besoldung, Einberufung liegt bei). In Hinblick auf diese Einkommenslage und die Tatumstände erscheint die Verhängung der angeführten Geldstrafe von 2.158,- öS als überhöht." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 20. März 1995, AZ. Sich96-165-1994, sowie durch Vernehmung der am Einsatz beteiligten Gendarmeriebeamten BezInsp. A. S, GrInsp. M. K und GrInsp. H. H als Zeugen, die Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten, den von der Erstbehörde vorgelegten und verlesenen Aktenvermerk des Einsatzleiters vom 31. Mai 1994 und der Sichtung der vom Landesgendarmeriekommando erstellten Videodukumentation anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber reiste am Vormittag des 30. Mai 1994 mit dem Zug von Wien nach F. Dabei erhielt er über die Medien Kenntnis von einem stattfindenden "Actionscamp" auf der Baustelle der Pyhrnautobahn, Baustelle L. Er verließ den Zug am Bahnhof W. Schon daraus folgt, daß er zu dieser Veranstaltung nicht individuell eingeladen war. Über die Eisenbahngeleise gelangte der Berufungswerber in den Baustellenbereich, welcher zusätzlich durch ein Tor abgesichert war. Dieses Tor konnte ohne Probleme überwunden werden. Diese Veranstaltung (genannt Actionscamp) wurde der Bezirkshauptmannschaft nicht als solche angezeigt. Mittels eines Plakates war zu diesem sogenannten "Actionscamp" aufgerufen worden. Im Baustellenbereich wurden von den "Actionscampteilnehmern" zahlreiche, teilweise mehrere Meter große Transparente an Baumaschinen angebracht, deren plakaktive Texte sich gegen den Bau der Pyhrnautobahn richtete. Die etwa 70 Teilnehmer waren zu einem guten Teil mit Proviant, Gepäck und Decken ausgerüstet. Im Verlaufe des späteren Nachmittages wurde seitens der Exekutive, welche in der Stärke von zwei Zügen vor Ort beordert worden war, vesucht, die Teilnehmer zu einem freiwilligen Verlassen der Baustelle zu bewegen. Dies verlief erfolglos bis schließlich um 19.45 Uhr vom Behördenvertreter vor Ort die Versammlung untersagt wurde. Der Berufungswerber und mit ihm fünfzehn weitere Teilnehmer hatten sich bereits vor der Untersagung der Veranstaltung mittels Sperrketten an Baumaschinen (der Berufungswerber mittels eines Umhangschlosses zum Absperren von Fahrrädern) fixiert. Im Zuge der Abnahme von Gegenständen durch die Exekutive noch vor der Auflösung der Veranstaltung ging dem Berufungswerber der Schlüssel zum Umhangschloß ohne sein aktives Zutun verloren. Etwa zehn Minuten nach der mittels Megaphondurchsage kundgemachten Untersagung der Versammlung begann die Exekutive mit der zwangsweisen Räumung der Baustelle. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch etwa fünfzehn an Geräten fixierte Teilnehmer auf der Baustelle. Der Großteil war der Aufforderung der Behörde bzw. der Exekutive nachgekommen, indem sie sich freiwillig von der Baustelle entfernten. Dem Berufungswerber war dies aufgrund des nicht (mehr) verfügbaren Schlüssels nicht (mehr) möglich. Er war unter einem Radlader angekettet und mußte durch technische Einsatzkräfte mittels eines Schneidbrenners in der Zeit von 20.30 Uhr bis 20.40 Uhr vom Radlader getrennt werden. Drei Gendarmeriebeamte vermochten den Berufungswerber aus seiner mißlichen Lage und ohne ihn zu verletzen zu befreien. Der Berufungswerber wurde schließlich um 21.00 Uhr festgenommen und nach seiner Identifizierung und Vernehmung um 22.00 Uhr wieder entlassen. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Einschreiten der Exekutive unter äußerster Schonung der Teilnehmer, in vorbildlichster Weise geschah.

Die in der Berufung vertretene Ansicht, daß diese Veranstaltung objektiv nicht den Charakter einer Versammlung gehabt hätte, erweist sich als haltlos.

4.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf die Aussage des Zeugen GrInsp. H, den Inhalt der vom Landesgendarmeriekommando angefertigten Videodokumentation, die Ausführungen des Behördenvertreters, welcher zur Ergänzung einen von ihm am 31. Mai 1994 angefertigten Aktenvermerk vorlegt, welcher verlesen und zum Akt genommen wird und nicht zuletzt der Verantwortung des Berufungswerbers anläßlich der Berufungsverhandlung.

4.2.1. Der Aktenvermerk wird nachfolgend in seinem gesamten Umfang wiedergegeben:

"Am 28.05.1994 errichteten Aktionsgruppen (Arge-Bauern; Arge-Stop Transit; Netzwerk-Pyhrn; Plattform-ÖKO Region Pyhrn-Garstnertal; Global 2000; Österreichische Hochschülerschaft) auf den Gründen des Landwirtes Adolf P, W, Gemeinde R, ein Aktions-Camp mit mehreren Zelten.

In einer Aussendung haben diese Aktionsgruppen angekündigt, in der Woche von 28.05.1994 bis 05.06.1994 gegen die Transitpolitik der Regierung zu demonstrieren. Diese Aussendung wird als Versammlungsanzeige für das Aktions-Camp angesehen, soweit dieses Camp einen versammlungsrechtlichen Charakter Oberhaupt aufweist.

Am 30.05.1994 um 07.00 Uhr besetzten ca. 70 Männer und Frauen der genannten Aktionsgruppen überfallsartig die eingezäunte Baustelle der ÖSAG am Südportal des sogenannten L, ketteten sich an Baustellenfahrzeugen und Baugeräten an und verhinderten somit die weiteren Bauarbeiten. Sie waren über die Geleise der Pyhrnbahnstrecke in das Baustellengebiet eingedrungen.

Dieser Sachverhalt wurde um ca. 07.20 Uhr der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich berichtet und von dort aus dem Bundesministerium für Inneres gemeldet.

Dabei wurde von Bundesminister Dr. Löschnak und dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die Weisung erteilt, die Baustelle so bald als möglich zu räumen.

Zunächst wurde mit den Teilnehmern der nicht angezeigten Versammlung Kontakt aufgenommen; es wurde versucht, sie unter Hinweis auf die nunmehr erreichte Publizität des von ihnen vertretenen Anliegens (Medienvertreter hatten bereits Berichte aufgenommen) zur freiwilligen Aufgabe der Besetzung zu bewegen.

Sie erklärten jedoch dezidiert, ihre Aktion weiterhin fortsetzen zu wollen und kündigten somit eine längerfristige Besetzung der Baustelle an.

Die genannte Aktion war jedenfalls als Versammlung im Sinn des Versammlungsgesetzes zu werten, da die Teilnehmer in gemeinsamem wirken (sie diskutierten und präsentierten Transparente) ihrer Meinung zum Weiterbau der A 9-Pyhrnautobahn und zur Transitbelastung Ausdruck verliehen.

Erklärtes Ziel der Aktivisten war es, einen Baustopp für die gegenständliche Baustelle zu erwirken.

Da die Versammlungsteilnehmer zu einer freiwilligen Aufgabe der Besetzung der Baustelle nicht bereit waren, wurde die gegenständliche Versammlung um 19.45 Uhr gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes untersagt und aufgelöst, wobei mittels Megaphon folgender Wortlaut an die Versammlungsteilnehmer verkündet wurde:

"Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems untersagt gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. diese Versammlung und löst sie nach dieser Gesetzesbestimmung auf.

Alle Anwesenden sind verpflichtet, den Versammlungsort zugleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Im Fall des Ungehorsams müssen Zwangsmittel angewendet und die Räumung des Versammlungsortes verfügt werden. Überdies stellt die Weigerung, den Versammlungsort zugleich zu verlassen und auseinanderzugehen, eine Verwaltungsübertretung dar, welche gemäß § 19 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. mit Arrest bis zu 6 Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-bestraft werden kann." Zu begründen ist diese Versammlungsauflösung zunächst dadurch, daß die gegenständliche Versammlung nicht binnen 24 Stunden vor ihrer Abhaltung bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems angezeigt wurde und somit ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften vorliegt.

Darüber hinaus ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch die gegenständliche, nicht angezeigte Versammlung die Bauarbeiten auf der genannten Baustelle behindert werden. Da sich die Versammlungsteilnehmer im unmittelbaren Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen befanden, mußte die ÖSAG eine totale Einstellung ihres Baustellenbetriebes verfügen, um ein gravierendes Verletzungsrisiko für die Versammlungsteilnehmer hintanzuhalten.

Die ÖSAG hat bereits mit Schreiben vom 14.09.1993 darauf hingewiesen, daß Baustellenbesetzungen einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Rechte darstellen und daraus große wirtschaftliche Nachteile entstehen werden.

Aus diesem Grund hat die ÖSAG auch das gesamte Baustellengelände mit einem Zaun abgesichert, welcher die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse der Republik Österreich deutlich ersichtlich zum Ausdruck bringt. Dadurch soll verhindert werden, daß sich unbeteiligte Personen in den Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen begeben können.

Zu berücksichtigen ist weiters der Zweck, den die Versammlungsteilnehmer mit ihrer Baustellenbesetzung verfolgen:

offensichtlich soll auf das österreichweite Problem der Transitbelastung und das Problem der Belastung der Pyhrn-Priel-Region durch den Weiterbau der A 9-Pyhrnautobahn hingewiesen werden. Dabei soll von den Versammlungsteilnehmern im gemeinsamen wirken eine gemeinsame Meinung zur Transitbelastung und zur Frage der Notwendigkeit des Weiterbaus der A 9-Pyhrnautobahn zum Ausdruck gebracht werden, wobei der Öffentlichkeit mit drastischen Mitteln die Beeinträchtigung des Einzelnen durch das Transitverkehrsgeschehen vor Augen gehalten werden soll, indem der Grundeigentümer in seinem Verfügungsrecht beeinträchtigt werden soll.

Diese Interessen der Versammlungsteilnehmer sind den Interessen der Republik Österreich gegenüberzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, daß durch die Einstellung der Bauarbeiten der Republik Österreich ein beträchtlicher finanzieller Schaden entsteht.

Weiters darf nicht vergessen werden, daß sich die Versammlungsteilnehmer im unmittelbaren Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen befinden und daher durch die von den Baumaschinen ausgehenden Gefahren in ihrer Sicherheit beeinträchtigt werden können.

Aus diesem Grunde mußte der Standpunkt vertreten werden, daß die von den Versammlungsteilnehmern beabsichtigte Meinungskundgabe ebenso zielführend auch durch andere Maßnahmen bzw. Demonstration erreicht werden kann, durch welche die Republik Österreich in ihr Eigentums- und Verfügungsrecht nicht beeinträchtigt wird und die Versammlungsteilnehmer keinen Gefahren ausgesetzt werden.

Somit muß davon ausgegangen werden, daß die Interessen an der Aufrechterhaltung der Sicherheit und die Interessen des Schutzes der Rechte des Grundeigentümers Republik Österreich die Interessen an der Durchführung der von den Versammlungsteilnehmern abgehaltenen Versammlung bei weitem überwiegen, weshalb die Versammlug untersagt und aufgelöst werden mußte.

Um ca. 19.50 Uhr wurden die Versammlungsteilnehmer nochmals auf ihre Verpflichtung gemäß § 14 Versammlungsgesetz hingewiesen; da jedoch nicht alle Versammlungsteilnehmer dieser Verpflichtung nachkamen, wurde anschließend das Versammlungsgelände durch die Einsatzeinheit und die Sondereinsatzgruppe des LGK geräumt.

Dabei mußten angekettete Versammlungsteilnehmer zunächst von den Baugeräten geschnitten werden. Von den zunächst noch vorhandenen ca. 30 Besetzern wurden 14 Personen nach § 35 VStG festgenommen, nach dem Versammlungsgesetz angezeigt und der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vorgeführt.

Die Auflösung der Besetzung war um 21.15 Uhr beendet. Die der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vorgeführten Personen wurden wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes (bzw.

zusätzlich zum Teil wegen Übertretung des Eisenbahngesetzes) als Beschuldigte einvernommen und anschließend auf freien Fuß gesetzt.

K, am 31.5.1994 (e.h. gezeichnet vom Behördenvertreter)" 4.2.2. An der Richtigkeit der zuletzt wiedergegebenen Darstellung des Verlaufes der Versammlung bestehen keine wie immer gearteten Zweifel. Betreffend das Verhalten des Berufungswerbers hat steht laut dem h. durchgeführten Ermittlungsverfahrens wohl fest, daß ihm ein Verlassen der Veranstaltungsstätte nach Auflösung dieser an sich objektiv nicht mehr möglich gewesen ist. Der Umstand, des Verlustes des Schlüssels für die Sperrvorrichtung, welche sich der Berufungswerber bereits vor der Ankündigung der Untersagung um den Hals gelegt und sich unter einem Radlager liegend an diesem fixiert hatte, konnte nicht geklärt werden. Das Beweisverfahren hat in diesem Punkt anschaulich gemacht, daß sich der Berufungswerber selbst in eine sehr unangenehme Lage manövriert hatte. Es kann nicht angenommen werden, daß er sich mutwillig seines Schlüssels begeben hätte. Die rechtliche Qualifizierung seines Verweilens nach der Auflösung wird im Punkt 6. dargelegt.

5.1. Rechtlich hat er unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Als Vorfrage war zunächst zu klären, ob einerseits eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz vorlag und ob diese zu untersagen war und nach den gegebenen Umständen aufgelöst werden durfte bzw. mußte (VfGH 23.9.1983, Zl.

23/09/1983).

5.1.2. Eine Versammlung ist unter anderem dann den Vorschriften des VersG 1953 zuwider veranstaltet, wenn sie nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde, obgleich hiezu die Verpflichtung bestand. Wie der VfGH schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Zusammenkunft mehrerer Personen dann als Versammlung iS des VersG 1953 zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen (VfGH Slg.Nr. 9783/1983). Durch das Anbringen zahlreicher Transparente, deren eindeutiger Inhalt sich gegen den Bau eines Teilstückes der Pyhrnautobahn richtete und der von den Teilnehmern gepflogene Aktionismus (Anketten an Baufahrzeugen) läßt an einer Assoziation der Zusammengekommenen keinen Zweifel aufkommen (VfGH 23.9.1983, B 671/80).

Die Versammlung war demnach nicht bloß auf geladene Gäste beschränkt und damit nicht von der Anzeigepflicht nach § 2 Versammlungsgesetz ausgenommen. Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die Teilnehmer persönlich und individuell vom Veranstalter der Versammlung zum Erscheinen geladen werden und wenn der Veranstalter Vorkehrungen trifft, durch die die Nichtzulassung Ungeladener gesichert ist (vgl. VfSlg.

7762/1976; VfGH 23.9.1983 B 671/80). Sie wäre daher der Behörde anzuzeigen gewesen.

Die Behörde darf - wie schon aus dem Wortlaut des § 13 Abs.

1 VersG hervorgeht - eine gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltete Versammlung nur "nach Umständen" auflösen (mit Hinweis auf VfSlg. 7762/1976 und VfGH 23.9.1983, B 671/80). Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein ausreichender Grund vorliegen. Das im jeweiligen Fall - hier als Vorfrage vom unabhängigen Verwaltungssenat selbständig zu beurteilen - rechtmäßige Verhalten der Behörde ist wohl vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen.

Der staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art. 11 Abs. 2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wenn sie einen ausreichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (Vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk. VfSlg. 8090/1977) .

Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Nach der sich aus Art. 11 Abs.2 MRK ergebenden Richtlinie ist dies u.a. die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung, des Schutzes der Gesundheit sowie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (VfGH Slg. 6883/1972, sowie VfGH 23. 6. 1977, B 209/76). Im gegenständlichen Fall war der Eingriff der Behörde zwecks Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, ferner zum Schutz des Eigentums der Baustellenbetreiber und nicht zuletzt auch zum gesundheitlichen Schutz der sich an Baumaschinen festgeketteten Teilnehmer selbst, berechtigt, ja gefordert.

Ob solche Umstände vorlagen, hatte das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bot.

Dies mußte der Veranstalter, der hier auch seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, gegen sich gelten lassen; er hatte demnach in Kauf zu nehmen, daß kein eigentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt werden konnte und daß es der Behörde wohl kaum mehr möglich sein wird, allenfalls erforderliche, den ungehinderten Ablauf der Versammlung sichernde Vorkehrungen zu treffen. Hier wurde obendrein ohnedies erst eingegriffen, als der Zweck der Demonstration/Manifestation weitestgehend erreicht gewesen zu sein schien.

Zum Zeitpunkt der Auflösung konnte das einschreitende Organ des Bezirkshauptmannes nach dem sich ihm bietenden Gesamtbild mit gutem Grund den Eindruck gewinnen, daß sich bei dem genommenen Verlauf der Versammlung strafgesetzwidrige Vorgänge, Beschädigungen von Baumaschinen, insbesondere aber die Selbstgefährdung von Teilnehmern ereignen würden (VfGH 10.6.1985, B 567/84). Die Beurteilung des Handelns der Behörde hat hier aus einer ex-ante Sicht zu erfolgen.

5.2. Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs.1 VStG erster Satz). Das VStG gibt bezüglich der Schuldform Vorsatz und Fahrlässigkeit keine Definition. Wenngleich das VStG (abgesehen vom § 19) nicht auf das StGB verweist, wird dennoch den Begriffsbestimmungen dieses Gesetzes Bedeutung zukommen.

Hinsichtlich der Fahrlässigkeit definiert § 6 StGB, wobei zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit unterschieden wird, daß bewußt fahrlässig derjenige handelt, der zwar daran denkt, daß sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könne, dieses jedoch nicht herbeiführen will, wenngleich er es für möglich hält. Im Falle der unbewußten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, daß er einen tatbildmäßigen Erfolg verwirklichen könnte.

Wenn nun dem Berufungswerber der Schlüssel für die an seinem Körper selbst angebrachten Sperrvorrichtung verlorengegangen ist und er aus diesem Grunde der Aufforderung der Behörde nicht mehr Folge leisten konnte, ist ihm zwar nicht vorsätzliche (wie von der Erstbehörde angenommen), aber fahrlässige Begehungsweise vorzuwerfen. Selbst wenn dieser Schlüssel bei der Abnahme von persönlichen Sachen durch Exekutivbeamte verloren ging befreit dies den Berufungswerber von diesem Schuldvorwurf nicht. Er hatte sich selbst in eine Lage gebracht, aus welcher es ihm offenbar an ausreichender Sorgfaltsmöglichkeit für seine Sachen mangelte. Eine selbstverschuldete Zwangslage ist kein Schuldausschließungsgrund (VwGH 8.9.1969, 1708/68, 22.4.1976. 1705/75, 15.4.1983, 82/04/0169 u. v. 25.11.1986, 86/04/0116, Hauer-Leukauf, Handbuch des öst.

Verwaltungsverfahrens, S. 737, RZ 5). Als Teilnehmer an einer Demonstration an deren Zuspitzung er durch sein Anketten selbst beteiligt war, mußte er auch mit einer Auflösung derselben rechnen. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht ist es gesicherte Judikatur des VwGH (s E Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist.

Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).

Weil der Berufungswerber (hier bezogen auf die Verwahrung des Schlüssels) in der spezifischen Situation ein von diesem Maßstab abweichendes Verhalten gesetzt hat, muß er sich den antizipierten Schuldvorwurf im Hinblick auf seine nachfolgende rechtswidrige Verhaltensweise gefallen lassen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Unter Bedachtnahme auf den zusätzlichen Milderungsgrund der gänzlichen Unbescholtenheit und auch der im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung gezeigten Einsichtigkeit, der Tatgeständigkeit und weil der Tatbegehung eine bloß geringe Fahrlässigkeit zugrundelag, konnte trotz des erheblichen Tatunwertes mit einer Strafe von bloß 700 S das Auslangen gefunden werden. Diese Bestrafung scheint geeignet, den Berufungswerber in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam zu machen und ihn dadurch von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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