Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150529/13/Lg/Hue

Linz, 29.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 22. Mai 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des Mag. J E, 40 P, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. Jänner 2007, Zl. BauR96-65-2005/Stu, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.                  Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.:  § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs. 1 VStG.

Zu II.:  §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er als Lenker des Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen LL zu vertreten habe, dass er am 23. Oktober 2004, 17.22 Uhr, die A bei km 17, Raststation A, in Fahrtrichtung W benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Am Kfz sei eine Mautvignette nicht mit dem Originalkleber angebracht gewesen, wodurch der Selbstzerstörungseffekt bei Ablösen der Vignette verhindert werde.

 

2. In der Berufung wird verfahrensgegenständlich vorgebracht, dass zwischen der letzten Stellungnahme des Bw und der Erstellung des angefochtenen Bescheides mehr als 18 Monate vergangen seien, wobei die Behörde gemäß AVG innerhalb von 6 Monaten eine Tätigkeit setzen müsse. Dies sei im Verhältnis zu 2 Wochen Rechtsmittelfrist reine Willkür. Der Bw besitze (offensichtlich Bezug nehmend auf eine entsprechende Feststellung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses) kein Kfz mit dem Kennzeichen M-N, welches bei km 17 abgestellt gewesen sei. Der Strafbescheid sei deshalb wegen grober Sachverhaltsmängel nichtig. Aufgrund der falschen Sachverhaltsfeststellung sei auch die Beweiswürdigung falsch. Dem Bw mit einem "Außendienstberuf" bliebe nichts anderes übrig, als sich jährlich eine Vignette zu kaufen. Vor allem aber gebe es keinen einzigen objektiven Beweis, außer die Aussage eines "provisionsbeteiligten Mautscheriffs".

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 23. Oktober 2004 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei auf dem Kfz eine Mautvignette nicht mit dem Originalkleber angebracht gewesen, wodurch der Selbstzerstörungseffekt bei Ablösen der Vignette verhindert werde.

 

Nach Strafverfügung vom 27. Jänner 2005 brachte der Bw vor, dass er den Vorwurf, er habe die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet, für nicht zutreffend erachte. Als Beilage sind eine Fotoaufnahme der Frontseite des gegenständlichen Kfz und der Vignettenallonge angeschlossen.

 

Einer zusätzlichen Stellungnahme der A vom 25. März 2005 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass laut Aufzeichnungen des Mautaufsichtsorgans die Vignette mit Zwischenfolie angebracht gewesen sei.

 

Dazu verwies der Bw auf seine bisherige Stellungnahme und legte seine Einkommensverhältnisse dar.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Verhandlungsleiter zunächst fest, dass der Bw trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Verhandlung erschienen ist.

 

Der als Zeuge einvernommene Meldungsleger sagte aus, dass er sich an den gegenständlichen Fall nicht mehr erinnern könne. Er habe deshalb bei der A nach entsprechenden Unterlagen zur Anzeige gefragt. Dort habe der Zeuge jedoch die Auskunft erhalten, dass solche Unterlagen nicht mehr vorhanden seien.

 

Es wurde festgestellt, dass sich im Akt keine Kopie des Ersatzmautangebotes befindet.

 

Dazu ist laut Auskunft des Meldungslegers zu vermuten, dass es zu keiner direkten Betretung gekommen sei, da sonst persönliche Bemerkungen des Bw in der Anzeige vermerkt worden wären, was gegenständlich jedoch nicht der Fall sei. Es handle sich bei der Anzeigenformulierung um den Standardtext. Welche Mängel konkret vorgelegen haben, wisse er nicht mehr. Zur zusätzlichen A-Stellungnahme vom 25. März 2005, wonach die Vignette mit "Zwischenfolie" angebracht gewesen sei, vermutete der Zeuge, dass diese Auskunft auf eine Notiz seinerseits zurückzuführen sei. Der Ausdruck "Zwischenfolie" könne entweder bedeuten, dass die Vignette nach Abziehen der Trägerfolie auf eine Doppelklebefolie geklebt und derart auf die Windschutzscheibe aufgebracht oder die Vignette unter Belassen der Trägerfolie mittels Tixo oder abdeckender Folie an der Windschutzscheibe angebracht worden sei. Bei der zweiten Variante werde die Vignette nicht zerstört, wenn sie abgelöst werde. Bei beiden Varianten werde das Ausschneiden der Vignette erforderlich, welches jedoch nie so exakt gelinge, dass Manipulationen nicht erkennbar seien. Welche konkrete Manipulation gegenständlich vorgelegen sei, sei nicht mehr erinnerlich. Die konkrete Manipulation könne von außen nicht festgestellt werden, wenn der Lenker nicht vor Ort sei. Wenn der Lenker angetroffen werde, werde er vom Zeugen gebeten, die Vignette ablösen zu dürfen, um die Art der Manipulation feststellen zu können. Eine dritte Manipulationsmöglichkeit sei noch, dass die Vignette ohne Ablösen der Trägerfolie mit Labello o.ä. an der Windschutzscheibe befestigt wird. Dabei handle es sich aber um keinen Fall, den der Zeuge mit "Zwischenfolie" beschreiben würde. Man merke diese Art der Manipulation an der Spiegelung bzw. Tönung der Vignette, da diese ein "anderes Licht" mache. Bei solchen Spieglungen schreite der Meldungsleger allerdings nur ein, wenn der Lenker vor Ort ist.

Fotos seien zur damaligen Zeit keine angefertigt worden. Dies sei erst seit gut einem Jahr Praxis. Früher mittels Handy, die jedoch eine schlechte Auflösung aufwiesen. Seit einigen Monaten habe der Zeuge jedoch eine Digitalkamera im Auto.

 

Nach Beendigung der Verhandlung erschien der Bw und gab bekannt, den Verhandlungstermin verwechselt zu haben. Ihm wurde die Aussage des Meldungslegers zur Kenntnis gebracht und ihm eine Kopie davon übergeben. Der Bw verzichtete daraufhin auf eine neuerliche Einvernahme des Zeugen. Der Bw legte eine Kopie des Ersatzmautangebotes und die Vignettenallonge vor. Auf der Zahlungsaufforderung ist der Vermerk "Zwischenfolie" angebracht. Der Bw verwies darauf, dass aus der Allonge der tatsächliche Kauf der Vignette ersichtlich sei.

 

Die Kopien wurden zum Akt genommen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Gemäß Punkt 7.1 der Mautordnung ist an jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen. Die Vignette ist – nach Ablösen von der Trägerfolie – unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

5.2. Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Vignette ordnungsgemäß – das heißt, unter Ablösung der Trägerfolie unter Verwendung des Originalklebers – angebracht, oder ob sie vorschriftswidrig an der Windschutzscheibe befestigt war.

 

Dazu ist festzuhalten, dass der Wortlaut in der Anzeige "es war am Fahrzeug eine Mautvignette nicht mit dem Originalkleber angebracht, wodurch der Selbstzerstörungseffekt bei Ablösen der Vignette verhindert wird" offensichtlich eine Routine- bzw. Standardformulierung der A darstellt, ohne dass darin die Behauptung eines bestimmten Mangels der Vignette (etwa Verwendung von "Labello" oder zusätzlicher Klebestreifen bzw. –folie) impliziert ist. Vielmehr scheint diese Formulierung lediglich den Sinn zu haben, eine Palette möglicher Mängel vorzuführen. Auch der als Zeuge einvernommene Meldungsleger konnte mangels Erinnerung oder zusätzlicher Beweismittel den konkreten Mangel der Vignette nicht mehr angeben. Jedenfalls lässt der Begriff "Zwischenfolie" in einer zusätzlichen A-Stellungnahme mehrere Möglichkeiten der vorschriftswidrigen Anbringung einer Vignette (Klebestreifen "Tixo", Klebefolie oder Doppelklebeband mit oder ohne Ablösung der Trägerfolie) zu, wie vom Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch eingeräumt wurde. Der Unabhängige Verwaltungssenat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der Vermerk "Zwischenfolie" auf dem Ersatzmautangebot eine Deliktsverwirklichung durch den Bw wahrscheinlich macht. Aus rechtsstaatlichen Gründen erscheint es aber zur Erlangung der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit notwendig, dass in irgendeiner Weise dokumentiert ist, worauf der Ungültigkeitsvorwurf konkret beruht. Es war deshalb der Bw – im Zweifel – freizusprechen und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

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