Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521678/11/Bi/Se

Linz, 06.09.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Ing. G P, O, vertreten durch RA Dr. R G, L, vom 26. Juni 2007 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 18. Juni 2007, VerkR-06/347550, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Anordnung einer Nachschulung und der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, Lenkverbot, Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung,  aufgrund des Ergebnisses der am 3. August und 5. September 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

 

      Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Urfahr-Umgebung am 5. September 2006, GZ 06347550, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs.1 Z1, 3 Abs.1 Z2 und 7 Abs.3 Z1 FSG für die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab 16. Februar 2007, entzogen. Weiters wurde gemäß § 24 Abs.3 FSG angeordnet, dass sich der Bw auf seine Kosten bis zum Ablauf der Entziehungsdauer einer Nachschulung zu unterziehen und ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG beizubringen habe. Gemäß § 32 FSG wurde ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge, gerech­net ab Bescheidzustellung, dh ab 20. Juni 2007, somit bis 16. Februar 2009, ausgesprochen. Außerdem wurde ihm gemäß § 30 Abs.1 FSG das Recht aberkannt, während der Dauer der Entziehung von einer ausländischen Lenkbe­rechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen den Bescheid ausge­schlossen. 

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 20. Juni 2007.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz  AVG). Am 3. August 2007 und 5. September 2007 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters Mag. P, des Vertreters der Erstinstanz R S und der Zeugen GI F G (G) und Meldungsleger BI H N (Ml) durchgeführt. Die Beru­fungs­ent­scheidung wurde mündlich verkündet.    

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, laut Ansicht der Erstinstanz sei es trotz einschlägiger Abstrafungen bei ihm zu keiner Änderung der Sinnesart gekommen. Er habe aber aus seinen Fehlern gelernt und daher am 16. Februar 2007 überhaupt kein Fahrzeug in Betrieb genommen. Er habe die Atemluftkontrolle verweigert, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Verweigerung für sich alleine schon gesetz­widrig und er sich keiner Schuld bewusst gewesen sei. Die Entziehungsdauer sei zu weit gefasst. Die Abstrafungen wegen Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkohol­beeinträchtigtem Zustand lägen schon Jahre zurück. Bei richtiger Beurteilung hätte er nach einer Entziehungsdauer von maximal 10 Monaten die Verkehrszuverlässig­keit wiedererlangt. Beantragt wird die Herabsetzung der Entziehungsdauer nach Durchführung einer Berufungsverhandlung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört und die genannten Polizeibeamten unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaft­lich einvernommen wurden.

 

Der Bw führte am 3. August 2007 aus, er habe den Pkw am 16. Februar 2007 nicht gelenkt, obwohl er schon um 6.30 Uhr bei der Fa W gestanden sei; diese hätte aber erst um 7.45 Uhr geöffnet. Am Vorabend seien ihm während seines Aufenthalts in Linz von Unbekannten die Reifen zerstochen worden. Er sei um 19.30 Uhr zu seinem in einer Parallelstraße zur Humboldtstraße abgestellten Fahrzeug gekommen und habe wegfahren wollen. Erst beim Fahren sei ihm bewusst geworden, dass die Reifen kaputt seien. Da der Pkw am Montag darauf verkauft hätte werden sollen und er den Vorfall vor seiner Frau, die an diesem Wochenende nicht zu Hause gewesen sei, verheimlichen habe wollen, sei er über die Eisenbahnbrücke nach Urfahr gefahren, um die Reifen bei der Fa W wechseln zu lassen. Er habe den Pkw dort geparkt und habe sich am Hinsenkampplatz ein Taxi genommen, mit dem er heimgefahren sei. Am nächsten Tag sei er in der Meinung, die Fa W werde um 7.00 Uhr öffnen, per Autostopp mit einem unbekannten Lenker nach Linz gefahren und sei schon um 6.30 Uhr dort gewesen. Zuvor habe er zu Hause Alkohol getrunken und sich auch bei der nahegelegenen Tank­stelle noch Bier besorgt. Da sich aber herausgestellt habe, dass die Fa W erst um 7.45 Uhr aufsperre, habe er sich ins Auto gesetzt. Die Polizeibeamten hätten völlig ignoriert, dass der Zünd­schlüssel gar nicht angesteckt und auch der Motor kalt gewesen sei. Er habe mit beiden Beamten noch nie zu tun gehabt. Er könne nicht erklären, warum in der Anzeige stehe, dass nach seinen Aussagen er "vor drei Stunden" hierher gefahren sei, er habe eine solche Aussage auch nicht unterschrieben.      

 

Nach den Schilderungen beider Zeugen wurde der Bw gegen 7.30 Uhr in seinem Pkw, der bei der Fa W geparkt gewesen sei, sitzend angetroffen. Der Pkw war aufgefallen, weil beide linken Reifen samt Felgen und vorne links die Stoßstangen­ecke von unten her massiv beschädigt gewesen seien. Der Bw wurde vom Ml zur Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufgefordert und aufgrund des Alkoholgeruchs aus dem Mund zum Alkotest aufgefordert, den er verweigerte – dazu erging seitens der Erstinstanz das (rechtskräftige) Straferkenntnis vom 22. Mai 2007, VerkR96-955-2007-OJ, wegen Übertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960.

Zu den Beschädigungen gab der Bw dem Ml gegenüber an, ihm seien in der Innenstadt die Reifen zerstochen worden und er sei trotzdem bis nach Urfahr gefahren, um diese bei der Fa W wechseln zu lassen – der Ml macht ihn auch darauf aufmerksam, dass eine Anzeige gegen Unbekannte der Wahrheit entsprechen müsse, weil er die Beschädigungen am Pkw so deutete, dass der Bw zB über einen hohen Randstein gefahren sein müsse. Nach den Aussagen des Ml bestritt der Bw zunächst, den Pkw gelenkt zu haben, gab dann aber zu, mit den zerstochenen Reifen "vor drei Stunden" hierhergefahren zu sein und bei der Fa W gewartet zu haben. Von einer Fahrt am Vorabend, 19.30 Uhr, bzw einem Aufenthalt in der Nacht zu Hause und einer Fahrt am Morgen zum Pkw war laut Ml bei der Amtshandlung keine Rede. Dieser verstand die Angaben des Bw vielmehr so, dass er ca drei Stunden vorher aus der Innenstadt hierhergefahren sei und seither hier warte. Der Bw habe allerdings gebeten, der Ml möge von einem Alkotest Abstand nehmen, damit seine Frau von dem Vorfall nichts erfahre. Dann habe er wieder gesagt, es habe ihn ja niemand beim Fahren gesehen und ein Alkotest sei gar nicht notwendig. Er sei aber bei seiner Weigerung einen Alkotest durchzuführen geblieben und habe schließlich die Amtshandlung vor deren Abschluss verlassen, sodass ihm die Bestätigung über die vorläufige Führerscheinabnahme nicht ausgehändigt werden habe können. Es habe sich auch herausgestellt, dass er eine offene Dose Bier unter der Jacke gehalten habe, weil ihm diese aus der Hand gerutscht sei und er sich Bier auf die Kleidung geschüttet habe. Der Ml äußerte in der Verhandlung Zweifel, ob die Reifen des Pkw tatsächlich zerstochen worden seien oder der Bw irgendwo darübergefahren und dabei die Beschädigung entstanden sein könnte. Eine Nachfrage beim Verkehrsunfallkommando habe aber nichts ergeben, was die Schilderung des Bw erhärtet oder widerlegt hätte.   

Der Zeuge G bestätigte inhaltlich sinngemäß die Angaben des Ml, hatte jedoch von einer angeblichen Lenkzeit "drei Stunden vorher" nichts mitbekommen, weil er den Pkw fotografiert hatte; zumindest konnte er sich in der Verhandlung am 3. August 2007 an eine solche Äußerung des Bw nicht erinnern.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrs­sicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) ange­nommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraft­fahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit ... beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicher­heitspolizeigesetz zu beurteilen ist.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung  ... wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Gemäß § 5 Abs.2 Z1 leg.cit. sind ua besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht ... berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

Aus der Sicht des UVS sind die Umstände der Beschädigung der beiden Reifen ungeklärt, wobei jedoch offenbar keine Meldung wegen eines mit dem Schaden am Pkw des Bw übereinstimmenden Vorfalls erfolgt war. Wenn der Bw am Vorabend tatsächlich nach Urfahr gefahren wäre, wäre anzunehmen, dass jemand das Rumpeln der defekten Reifen – der Bw fuhr dezidiert auf den linken Felgen – wahrgenommen und Meldung erstattet hätte. Geht man jedoch von der glaub­würdigeren Zeitangabe des Bw bei der Amtshandlung aus, er sei drei Stunden vorher gefahren, dh ca um 4.00 Uhr Früh, ist nachvollziehbar, dass er trotz des Lärms beim Fahren unbehelligt bis nach Urfahr gekommen ist. Dass er den Pkw selbst gelenkt hat, besteht kein Zweifel und hat er das in der Verhandlung auch zugestanden. 

Unbestritten ist auch, dass den Bw niemand beim Lenken beobachtet hat und keinerlei Anhaltspunkte für seinen Zustand beim Lenken des Pkw vorliegen. Die Aufforderung zum Alkotest erging wegen des Verdachts des Lenkens und der Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung wegen des Biergeruchs um 7.30 Uhr, wobei die offene Dose Bier dafür spricht, dass der Bw beim Warten auch noch Alkohol konsumiert hat. Im gegenständlichen Fall lagen die Voraussetzungen für eine Aufforderung zum Alkotest um 7.32 Uhr unzweifelhaft vor, weil schon der bloße Verdacht des Lenkens, bezogen auf 4.00 Uhr des 16. Februar 2007, und der Alkoholgeruch des Bw um 7.30 Uhr früh als Grundlage für die Vermutung einer Alkoholbeeinträch­ti­gung ausreichend sind. Die Rechtskraft des Straferkenntnisses wegen Übertretung der StVO bezieht sich auf 7.32 Uhr. 

 

In welchem Zustand sich der Bw um 4.00 Uhr des Vorfallstages befunden hat, konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden, zumal keine objektiven Anhalts­punkte für eine dezidierte Aussage vorliegen. Der Bw hat ausgeführt, er sei beim Lenken des Pkw nicht alkoholisiert gewesen, sondern habe am Morgen Alkohol getrunken und sich Bier bei der nahegelegenen Tankstelle geholt.

Auch die offene Dose Bier spricht dafür, dass der Alkoholkonsum des Bw während der Wartezeit vor der Fa W, dh in den drei Stunden der Beanstandung erfolgt sein kann. Die Unterscheidung ist aber insofern wesentlich, als bei Nichterweisbarkeit eines Alkoholkonsums des Bw vor dem Lenken des Pkw auch nicht zwingend von einer Verkehrsunzuverlässigkeit, auszugehen ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Zustand zur Lenkzeit ungeklärt, Alkoholkonsum danach erwiesen – Alkotest wegen Verdacht des Lenkens –> Straferkenntnis wegen Verweigerung rechtskräftig -> Einstellung im Zweifel

 

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