Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108655/2/Bi/Be

Linz, 18.02.2003

 

 

 VwSen-108655/2/Bi/Be Linz, am 18. Februar 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Z, vom 13. November 2002 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Steyr vom 28. Oktober 2003, S 6304/ST/02, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs und der Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 36 Euro herabgesetzt wird.

 

II. Der Verfahrenskostenersatz erster Instanz ermäßigt sich auf 3,60 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG,

zu II.: §§ 65 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 2. Satz iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 72 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil er am 9. Juni 2002 um 14.50 Uhr in 4400 Steyr, B122 bei Strkm 29.380 (Haratzmüllerstraße gegenüber Stadtbad) als Lenker des Kfz mit dem polizeilichen Kennzeichen SR-unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, an dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7,20 Euro auferlegt.

 

 

 

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, seine Beifahrerin und er hätten damals nach Sierning fahren wollen und in der beim Stadtbad bei Rot der Fußgängerampel anhalten müssen. In der Folge sei ihnen Dr. F von hinten ins Auto gefahren. Da die Verschuldensfrage klar gewesen sei, hätten Dr. F und er die Daten ausgetauscht und zu dieser Zeit hätten weder seine Beifahrerin noch er Schmerzen gehabt. Keiner der Unfallsbeteiligten habe Anlass für eine Verständigung der Polizei gesehen. Bei der Weiterfahrt habe seine Beifahrerin über Kopfschmerzen zu klagen begonnen und, da sie am LKH Steyr vorbeigefahren seien, sei aus Sicherheitsgründen eine Untersuchung in der Unfallabteilung erfolgt. Dann habe auch sein Nacken zu schmerzen begonnen, sodass auch er sich zum Röntgen entschlossen habe. Beide seien entsprechend versorgt und krank geschrieben worden. Erst in den darauffolgenden Tagen seien die Schmerzen erheblich stärker geworden, was aber aus medizinischer Sicht durchaus üblich sei. Seine Beifahrerin und er hätten dem Beginn ihrer Schmerzen weniger Aufmerksamkeit geschenkt und sich bei der Aufnahme der Niederschrift auf die Aussage zum Unfallshergang konzentriert, wobei sie auch von den Beamten nicht darauf hingewiesen worden seien, dass sie sich damit selbst schädigen könnten. Sie hätten nicht unmittelbar nach dem Zusammenstoß sofort Schmerzen gehabt, was alle Unfallsbeteiligten bestätigen könnten. Er empfinde den Strafantrag als reine Willkür und Schikane, zumal damit ein großer Arbeitsaufwand verbunden sei. Er habe auch Nachforschungen zum Thema "Schleudertrauma" im Internet und bei Ärzten angestellt und beantrage bei Aufrechterhaltung des Strafantrages ein medizinisches Gutachten, aus dem sich eindeutig ergebe, dass ein Schleudertrauma sofort nach einem Unfall Schmerzen bereiten müsse. Abgesehen davon beantrage er den Ersatz des ihm durch das Verfahren erstandenen Kostenaufwandes.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass das Verkehrsunfallkommando der BPD Steyr durch die Verletzungsanzeige des LKH Steyr Kenntnis vom am 9. Juni 2002 stattgefunden habenden Verkehrsunfall verlangte und am 21. Juni 2002 um 8.30 Uhr mit Sachverhaltsfeststellungen begonnen habe. Die Anzeige geht davon aus, dass der Bw sofort nach dem Verkehrsunfall von den Nackenschmerzen seiner Beifahrerin

 

 

Kenntnis erlangt hatte, weswegen er sie sofort ins LKH Steyr gebracht habe. Dort hätten sich dann bei ihm selbst Kopfschmerzen eingestellt. Dem Unfallsbeteiligten Dr. F sei nach eigenen Angaben von den Verletzungen nichts bekannt gewesen.

 

Den Unfallshergang beschrieben alle Beteiligten so, dass der Bw mit dem Pkw
SR-956AH wegen Rotlichtes der VLSA vor dem Schutzweg auf der auf Höhe des Stadtbades anhalten musste. Dr. F bog mit seinem Pkw von der in die ein, bemerkte den vom Bw angehaltenen Pkw zu spät und fuhr auf diesen auf. Laut Niederschrift vom 21. Juni 2002 bremste Dr. F seinen Pkw noch ab, jedoch verlängerte sich der Bremsweg wegen der nassen Fahrbahn, sodass er mit stark verminderter Geschwindigkeit auf den Pkw des Bw auffuhr. Nach dem Zusammenstoß seien sie zur nahegelegenen Bushaltestelle gefahren und hätten die Daten ausgetauscht, wobei weder der Bw noch seine Beifahrerin irgendetwas über Schmerzen gesagt hätten. Eine Verletzung sei Dr. F auch wegen der geringen Auffahrgeschwindigkeit und der geringen Schäden an beiden Fahrzeugen unwahrscheinlich erschienen; daher habe er nicht ausdrücklich nachgefragt. Er und seine Beifahrerin seien nicht verletzt worden.

S, die Beifahrerin des Bw, gab in der von ihr unterfertigten Niederschrift vom 21. Juni 2002 an, sie habe von hinten einen starken Anstoß und gleich nach dem Unfall Nackenschmerzen verspürt. Nach dem Austausch der Daten seien dazu auch noch Kopfschmerzen gekommen, weshalb sie sich entschieden hätten, sofort ins LKH Steyr zu fahren, wo ein Schleudertrauma festgestellt worden sei. Sie sei immer noch im Krankenstand, habe Kopfschmerzen und Migräneanfälle und die Bewegungsfreiheit im Nacken- und Halsbereich sei noch stark eingeschränkt.

Der Bw gab in seiner Niederschrift vom 21. Juni 2002 an, nach dem Zusammenstoß habe seine Beifahrerin Nackenschmerzen verspürt, weshalb sie gleich ins LKH Steyr gefahren seien. Dort habe auch er dann Kopfschmerzen und Verspannungen im Nackenbereich gehabt und es sei ein Schleudertrauma festgestellt worden. Er sei noch bis 24. Juni 2002 im Krankenstand und verspüre immer noch Kopf-, Rücken- Schulterschmerzen und Verspannungen. Die Polizei habe er nicht verständigt, weil das Verschulden am Verkehrsunfall eindeutig gewesen sei und sie gleich das LKH aufgesucht hätten.

 

Die Anzeigen gegen den Bw und Dr. F wegen § 88 Abs.1 StGB wurden laut Mitteilung der StA Steyr vom 5. August 2002 gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt.

Die Strafverfügung der Erstinstanz vom 9. August 2002 hat der Bw fristgerecht beeinsprucht und ausgeführt, ein Schleudertrauma sei üblicherweise nicht sofort bemerkbar und seine Beifahrerin und er hätten erst nach Verlassen des Unfallortes Schmerzen bekommen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe keine Notwendigkeit der

 

 

Verständigung der Polizei bestanden, zumal das auch den "nicht zu verachtenden Betrag von 36 Euro gekostet" hätte.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere ... nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen.

Gemäß § 4 Abs.2 2. Satz StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

 

Das Wort "sofort" ist wörtlich auszulegen (vgl VwGH v 27. Jänner 1962, 1662/61, ua).

Die Meldung hat sofort nach der Hilfeleistung (vgl VwGH v 2. Oktober 1967, 894/67, ua) und kann auch telefonisch oder durch Boten (vgl VwGH v 17. Februar 1969, 1175/68, ua) erfolgen.

Die Verpflichtung des Krankenhauses, die Sicherheitsbehörden von jeder verdächtigen Verletzung zu verständigen, befreit nicht von der Verpflichtung zur sofortigen Verständigung gemäß § 4 Abs.2 2. Satz. Die Verständigungspflicht besteht auch bei einer geringfügigen Verletzung, gleichgültig, ob diese einer ärztlichen Versorgung bedarf (vgl VwGH v 9. Mai 1980, 1765/78, v 22. Jänner 1982, 81/02/0285, ua).

Die Verpflichtung besteht bei bloßer ursächlicher Beteiligung am Verkehrsunfall, auch wenn kein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles besteht.

 

Aus den Aussagen der Beifahrerin S vom 21. Juni 2002 geht eindeutig und zweifelsfrei hervor, dass sie sofort nach dem Anstoß Nackenschmerzen bekommen und mit dem Bw noch an der Unfallstelle wegen der mittlerweile dazugekommenen Kopfschmerzen entschieden hat, sofort das LKH Steyr zur Abklärung aufzusuchen. Daraus folgt, dass der Bw schon an der Unfallstelle Kenntnis von den Schmerzen seiner Beifahrerin hatte. Selbst wenn, was allgemein bekannt ist, Schleudertraumen in den meisten Fällen nicht sofort Schmerzen verursachen, sondern diese erst in der Folge stärker werden, kann der Bw nicht für sich in Anspruch nehmen, von den bereits an der Unfallstelle bestanden habenden Nacken- und Kopfschmerzen seiner Beifahrerin nichts gewusst zu haben. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Bw zuerst die Schmerzen seiner Beifahrerin im LKH Steyr abklären lassen wollte, wäre er spätestens sofort danach zur - zumindest telefonischen - Meldung des Verkehrsunfalls mit Personenschaden, und zwar nur hinsichtlich der Verletzungen seiner Beifahrerin, nicht seiner eigenen, verpflichtet gewesen.

 

 

Zweck dieser Bestimmung ist nicht eine Schikane für unschuldig in einen Verkehrsunfall verwickelte Lenker, sondern dem/der Verletzten durch eine polizeiliche Unfallsaufnahme alle Möglichkeiten der Beweissicherung zu verschaffen, um insbesondere auch klären zu können, mit wem er/sie sich hinsichtlich eventueller Schadenersatzforderungen auseinanderzusetzen haben wird - seine Daten hat der Unfallsbeteiligte dem Bw wegen des Sachschadens am Pkw nachgewiesen, nicht aber bestand dazu der verletzten Beifahrerin gegenüber eine Verpflichtung.

 

Die Bedenken des Bw wegen der Kosten einer Unfallsaufnahme sind unbegründet, weil gemäß § 4 Abs.5b StVO von den dafür zu bezahlenden 36 Euro nur Verkehrsunfälle mit Sachschaden betroffen sind, nicht aber Verkehrsunfälle mit Personenschaden wie der Gegenständliche.

 

Der Bw hat daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihm diese Bestimmung als Inhaber einer Lenkberechtigung bewusst sein musste.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 lit.a StVO von 36 bis 2.180 Euro Geldstrafe bzw im Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 

Die Erstinstanz hat bei der Strafbemessung mildernd gewertet, dass der Bw keine einschlägige Vormerkung aufweist, und auch dessen Einkommen von 1.200 Euro sowie die Sorgepflicht für zwei Kinder berücksichtigt. Warum zwar die Ersatzfreiheitsstrafe an der gesetzlichen Untergrenze, die Geldstrafe jedoch höher bemessen wurde, ergibt sich aus der Begründung des Straferkenntnisses nicht.

Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die eigene Verletzung des Bw laut Verletzungsanzeige des AKH Steyr ebenfalls als mildernd zu werten, wobei auch davon auszugehen ist, dass die Unterlassung der Unfallmeldung nicht vorsätzlich erfolgte. Aus diesen Überlegungen ist eine Herabsetzung der Geldstrafe auf die gesetzliche Mindeststrafe gerechtfertigt, wobei diese unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den finanziellen Verhältnissen des Bw entspricht und ihn in Zukunft von der Begehung gleichartiger Übertretungen abhalten soll.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Verpflichtung zur Leistung eines VU mit Personenschaden bei Beifahrterin auch wenn beim Verschulden am VU + eigene Verletzung, Strafe herabgesetzt

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