Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281024/25/Kl/Pe

Linz, 17.10.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. H F, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & P, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 12.6.2007, Gz.: 0047526/2005, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 10.10.2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 12.6.2007, Gz.: 0047526/2005, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 46 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ASchG iVm §§ 86 Abs.1, 3 Z7, 5 und 85 Abs.1 BauV verhängt, weil er als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bauunternehmen Ing. H W GmbH mit dem Sitz in zu vertreten hat:

Am 22.6.2005 wurden auf der von der Bauunternehmen Ing. H W GmbH betriebenen Baustelle „W, Bauteil 3 ON35 Stiege 2, Top 208 (2. OG) (Neubau einer Wohnhausanlage in Stahlskelettbauweise – Stahlstützen und -träger auf deren Betonfertigteile gelagert werden)“ Baufertigteile bei Beton-Fertigteil-Verlegearbeiten (Fertigteil-Hohldielendecken-Elemente wurden auf I-Stahlträger verlegt) nicht sei eingebaut, dass sich ihre Lage nicht unbeabsichtigt verändern konnte. Es waren zu wenige Stützen vorhanden, um bei den Beton-Fertigteil-Verlegearbeiten die Tragfähigkeit und die Standsicherheit dieser Fertigteile zu gewährleisten. Dadurch stürzten Betonfertigteile ab und verletzten zwei Arbeitnehmer tödlich.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass die Stahlkonstruktion von der Firma D GmbH & Co KG errichtet worden sei und es Aufgabe der Firma Ing. H W GmbH lediglich war, die Hohldielenelemente in diese Stahlkonstruktion zu montieren. Unter Hinweis auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen DI W R wird darauf eingegangen, dass die Stahlrahmenkonstruktion ohne fertigen Verbund mit den eingelegten Betonelementen die auftretenden Torsionskräfte ohne Unterstellung nicht aufnehmen konnte, wobei auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien von einem Bediensteten der Baupolizei ausgeführt wurde, dass eine Verschweißung der Flansche der I-Träger bewirkt hätte, dass die Konstruktion stabil gewesen wäre und sich die I-Träger nicht ausgedreht hätten. Es war der I-Träger nicht gegen Torsion (Verdrehen) gesichert. Es sei daher das Verschulden bei der Firma D zu suchen, welche den Stahlbau mangelhaft errichtet hat. Es hätte auch dem Bauleiter der Firma W nicht auffallen müssen, dass der I-Träger nicht durch Verschweißen gegen Torsion gesichert war. Diesbezüglich wurde auch ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich des Bauwesens beantragt. Weiters wurde bestritten, dass es schriftliche oder mündliche Hinweise der Firma D gegeben hätte, die eine Unterstellung verlangten. Der Bauplan für die Hohldielendecke sei eingehalten worden, statische Hinweise im Hinblick auf Unterstellungen gab es darin nicht. Die Firma Ing. W GmbH hat sich vielmehr beim Einbau der Fertigbetonteile sowohl an die vorgegebenen statischen Erfordernisse – also eine mängelfrei errichtete Stahlkonstruktion – und an die Anweisungen des Herstellers – unterstellungsfreie Hohldielenelemente – gehalten. Auch wurde bemängelt, dass aus der Spruchformulierung nicht hervorgehe, wer die Betonfertigteile verlegt hat bzw. wer die Stahlstützen weggelassen hat, sondern es wird lediglich vorgeworfen, dass keine vorhanden waren. Auch aus dem Betreiben der Baustelle kann eine Verantwortlichkeit nicht abgeleitet werden, zumal es sich bei der Firma Ing. W GmbH gar nicht um das einzige auf der Baustelle tätige Unternehmen handelte. Vielmehr war diese nur als Subunternehmer tätig. Ein Vorwurf der Pflichtverletzung des Nichterkennens der Mangelhaftigkeit der vorangehenden Gewerke wurde jedoch von der Behörde innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist gegenüber dem Beschuldigten nicht releviert. Schließlich wurde auf ein gegen die Firma D vor der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren hingewiesen. Hinsichtlich der Strafzumessung wurde auf die Unbescholtenheit des Beschuldigten verwiesen, weiters darauf, dass der Beschuldigte nicht selbst auf der Baustelle anwesend war, sondern der für das Bauvorhaben zuständige Baumeister DI C S, welcher mit der Verantwortung für diese Baustelle betraut wurde und eine taugliche und befähigte Hilfsperson mit Baumeisterberechtigung ist. Es wurde daher beantragt, den Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu die Strafe tat- und schuldangemessen herabzusetzen, in eventu das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt inklusive einer Kopie des Aktes des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien betreffend ein Strafverfahren gegen den Berufungswerber wegen Verstoßes gegen die Wiener Bauordnung vorgelegt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat den Verwaltungsstrafakt gegen das verantwortliche Organ der Firma D GmbH & Co KG vor der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingeholt. Weiters wurde der vor dem Bezirksgericht H zu 10 U 510/06 k anhängige Strafakt eingesehen und von relevanten Teilen Kopien angefertigt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.10.2007, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Es hat der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter, eine Vertreterin der belangten Behörde und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten in Wien teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen F B, Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten, J H und Ing. W, beide Arbeitnehmer der Ing. H W GmbH, geladen und einvernommen. Der weiters geladene Zeuge DI C S ist nicht erschienen; dem Vernehmen nach ist er im Ausland berufstätig.

Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden vom Berufungswerber zwei technische Gutachten eines Privatsachverständigen, nämlich des Zivilingenieurs DI D H und des DI A H, vorgelegt.

 

4.1. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass der Berufungswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der Ing. H W GmbH mit dem Sitz in ist. Die Firma D GmbH & Co KG mit dem Sitz in ist Generalunternehmerin der Baustelle in W. Es sollte ein Bau in Stahlbetonskelettbauweise ausgeführt werden, wobei Fertigbetonelemente zur Verlegung gelangen sollten. Die Stahlkonstruktion wurde von der Firma D ausgeführt, die Baumeisterarbeiten wie auch die Verlegung der Fertigteilelemente sollte von der Ing. H W GmbH in durchgeführt werden. Es waren Decken in Form von Hohldielendecken und nichttragende Zwischenwände auszuführen. Die Hohldielendecken sind unterstellungsfrei auszuführen, wobei sie in die I-Träger der Stahltragekonstruktion hineingeschoben werden. Die einzelnen Deckenelemente werden durch Beton verfugt. Projektleiter war der Niederlassungsleiter der Ing. H W GmbH für den Bereich Wien, DI S, Bauleiter war Herr Ing. W. Für die Baustelle zuständiger Baupolier war Herr H. Für die Verlegung der Fertigelemente, also für die Verlegung der Deckenplatten gab es einen Verlegeplan. Dieser Verlegeplan des Herstellerunternehmens H wurde von der Stahlbaufirma D gezeichnet und freigegeben. Aus diesem Plan sind keine Unterstellungen oder Hilfskonstruktionen ersichtlich. Auch gab es sonst keine Montageanweisungen, die Unterstellungen oder Hilfskonstruktionen verlangten. Im Leistungsverzeichnis für Baumeisterarbeiten, Pos. 16.13.41Z und 16.Z, wird auf unterstellungsfreie Verlegung hingewiesen bzw. werden vom Statiker angeordnete Hilfskonstruktionen für die Standsicherheit nicht gesondert vergütet. Eine entsprechende Anordnung des Statikers gibt es nicht. Es wurde zunächst die Stahlträgerkonstruktion aufgestellt und jeweils nach Freigabe durch den Bauleiter der Stahlkonstruktionsfirma wurden die Betondeckenteile dann verlegt und anschließend mit Beton verfugt. Nach Freigabe der jeweiligen Stahlkonstruktion ging man von der ordnungsgemäßen Errichtung aus. Nach diesem Verfahren wurden bereits 75 % des Projektes ausgeführt. Auch im eingestürzten Bauteil 3 wurde bei zwei Geschossen derart vorgegangen.

Am 21.6.2005 wurden auf der Baustelle im Bauteil 3, ON35, Stiege 2, Top 208, vier Hohldielendeckenplatten des dritten Obergeschosses verlegt, aber nicht mehr verfugt. Am 22.6.2005 haben sich die I-Träger der Stahlkonstruktion, in welche die Platten eingelegt wurden, konkret der horizontale Außenträger, verdreht. Zwei Arbeitnehmer der Leiharbeitsfirma G L, welche für die Firma D GmbH & Co KG auf der Baustelle beschäftigt waren, versuchten Abstützarbeiten durchzuführen, wobei es zu einer weiteren Neigung und schließlich zum Einsturz von drei Betonplatten kam. Dabei verunfallten die beiden Arbeitnehmer.

Gemäß dem Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Architekt DI W R vom 19.8.2005 ist nachvollziehbar dargelegt, dass es „zuerst zu einer Verdrehung des horizontalen Außenträgers gekommen sein muss. Der Sanierungsversuch der beiden verunglücken Arbeitnehmer hat dann anscheinend zu einer weiteren Verdrehung des Trägers und zum Absturz der beiden Elemente geführt. Diese Verdrehung des Auflagerträgers könnte durch eine mangelhafte Unterstellung dieses Trägers während und nach der Montage der Deckenelemente hervorgerufen worden sein. … Daraus kann geschlossen werden, dass das Stahlsystem für die Lastaufnahme der Deckenelemente ohne zusätzliche Unterstützung bei der Montage bzw. vor Herstellen der kraftschlüssigen Verbindung durch das Ausgießen der Auflagerbereiche mit Beton, nicht ausreichend dimensioniert war und der Auflagerträger die verursachten Torsionskräfte der Betonelemente ohne zusätzliche Unterstellung nicht aufnehmen konnte. In den vorgelegten statischen Unterlagen (Berechnung und Montageplan) fanden sich aber keine Hinweise bzw. Angaben zu dieser notwendigen Unterstellung. … Auch in den vorgelegten Teilen des Leistungsverzeichnisses der Baumeisterarbeiten, die das Liefern und Montieren der Betondecken beschreibt, gibt es nur einen Hinweis auf Unterstellung, und zwar in den Vorbemerkungen der Montage: ‚Montagehilfen sind einkalkuliert. Vom Statiker angeordnete Hilfskonstruktionen für die Standsicherheit während des Errichtens werden nicht gesondert vergütet.’ Damit wird nur die Verrechnung geregelt und auf statische Hinweise verwiesen, die es aber nicht gibt.“

Es führt daher der Gutachter hinsichtlich eines allfälligen Verschuldens aus bautechnischer Sicht aus: „Da die Stahlrahmenkonstruktion ohne fertigen Verbund mit den eingelegten Betonelementen die auftretenden Torsionskräfte ohne Unterstellung nicht aufnehmen konnte, wären genauere statische Angaben über Art, Lage und Dauer einer Unterstellung notwendig gewesen. Nach Meinung des Sachverständigen liegt hier eine Unterlassung der Stahlbaufirma (D) bzw. deren Statiker vor.“

Auch das vom Berufungswerber vorgelegte Privatgutachten von DI A H vom 2.10.2007 betreffend Nachrechnung eines als Auflager für die Hohldielendecke dienenden Stahlträgers für den Lastfall „Bauzustand“ kommt zu dem Ergebnis: „Mit den oben angeführten Berechnungsgrundlagen ergibt die Handrechnung ein Torsionsmoment im Auflagerbereich von rund 2,5 kNm. Der vollplastische Torsionswiderstand des ausgeklinkten Querschnitts im Auflagerbereich (nur Stegquerschnitt mit reduzierter Höhe vorhanden) beträgt hingegen nur rund 0,58 kNm, das heißt der Querschnitt wird unter den oben definierten Rahmenbedingungen in diesem Bereich im Bauzustand rechnerisch mit dem 4,3‑fachen des vollplastischen Torsionswiderstandes beansprucht.“

Auch die weiters vom Privatgutachter DI D H verfasste gutachterliche Stellungnahme vom 7.10.2007, welche ebenfalls vom Berufungswerber vorgelegt wurde, führt aus, dass vorgespannte Hohldielen – in der Folge HDD genannt – unterstellungsfrei sind, was auch einer der wesentlichen Vorteile dieser Bauelemente ist. Für die Montage von HDD auf oder in Stahlträger ist gefordert, dass der Stahlträger torsionsfrei verankert werden muss, damit er die exzentrischen Belastungsfälle im Bau- und Endzustand aufnehmen kann, und nach dem Einschieben die Platten keinesfalls nochmals mit dem Kran angehoben werden dürfen. „In diesem Fall wurden weder der Stahlträger torsionsfrei ausgeführt (siehe Beilage 2 – außerordentliche Überschreitung der zulässigen Schubspannung aus Torsion) noch wurden die Deckenelemente nach dem Erkennen der Verdrehungen von den Unfallopfern sachgemäß behandelt.“ Als Ursachen für den Absturz der Hohldielen wurde als primäre Ursache die viel zu schwache Ausbildung des Randträgers angegeben. Der endgültige Auslöser des Unfalles war dann die Manipulation durch die Verunfallten. Weiters wurde zur Frage der Montageanleitung ausgeführt, dass von dem Produzenten der Dielen (H) keine besondere Anweisung erforderlich ist, da die H nur die Teile auf die Baustelle geliefert und nicht montiert hat und das Versetzen von solchen Elementen an sich keine besonderen Kenntnisse erfordert und das Versetzen „Stand der Technik“ ist. Vom Versetzer (W) ist keine Anweisung erforderlich, weil er wie in den diversen Produktblättern ersichtlich, vertrauen kann, dass er die Elemente auf eine stabile Primärkonstruktion (Stahl – D) nach dem Stand der Technik absetzt. „Da die Torsion (Verdrehung) der Auflagerträger maßgeblich zum Unfall geführt hat oder wenn auch nur ein Risiko in dieser Richtung bestand, hätte D in den Plänen oder in anderer Form auf die Notwendigkeit von Montageunterstützungen an den richtigen Stellen hinweisen müssen. Auch der Planungs- und Baustellenkoordinator (ASchG) hätte eine dementsprechende Warnung geben müssen. … In keinem der Pläne sind Hilfsunterstellungen für die Montage eingetragen. Es sind immer Hilfsunterstellungen anzugeben, wenn es erforderlich ist. Die Angabe hat der jeweilige Unternehmer zu geben, von dem die Konstruktion/der Werkteil stammt, konkret hier der Statiker und die Firma D.“ In der Zusammenfassung wird daher ausgeführt: „Nach meinem Stand des Wissens ist die Hauptursache des Unfalles die verfehlte Konstruktion des Trägerauflagers. Eine Überschreitung der zulässigen Schubspannung aus Torsion unter Montagelasten um das ca. 15fache hat zu der übergroßen Verdrehung geführt. … Das Wissen über die Tragfähigkeit ihres Stahlträgers im Montagezustand und entsprechende Maßnahmen konnte nur die Firma D und deren Statiker haben. Außenstehende wie die Baufirma, Bauleiter, Poliere und Arbeiter sind mit solchen statischen Problemen überfordert.“

 

Die Feststellungen gründen sich auf die angeführten Gutachten sowie die durchgeführten Zeugeneinvernahmen. Die Zeugen verwickelten sich nicht in Widersprüche und erschienen glaubwürdig. Auch sind die vorgelegten Gutachten schlüssig und können der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Es hat daher auch der Vertreter des Arbeitsinspektorates in seinen Schlussäußerungen bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass „von einer Verkettung unglücklicher Umstände auszugehen“ ist.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 85 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV muss bei der Ausführung von Montagearbeiten die Tragfähigkeit und die Standsicherheit des Bauwerkes während der einzelnen Montagezustände gewährleistet sein. Wenn bei der Montage besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind oder für die Montage die Kenntnis besonderer sicherheitstechnischer Angaben erforderlich ist, sind von einer fachkundigen Person schriftliche Montageanweisungen und Zeichnungen zu erstellen. Dabei sind die für die Durchführung der Montagearbeiten erforderlichen Standplätze, die Absturzsicherungen, die Schutzeinrichtungen und die Befestigungseinrichtungen für die persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsgeschirr) festzulegen.

 

Gemäß § 86 Abs.1 BauV gilt für das Bauen mit Fertigteilen § 85. Die Montageanweisungen gemäß § 85 Abs.1 müssen die erforderlichen Angaben für den Transport und die Montage enthalten, insbesondere Herstellerangaben betreffend.

5.    den Einbau der zur Montage der Fertigteile erforderlichen Hilfskonstruktionen,

7.    erforderliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Tragfähigkeit und der Tragsicherheit des Bauwerkes und der Fertigteile auch während der einzelnen Montagezustände (§ 86 Abs.3 BauV).

 

Gemäß § 86 Abs.5 BauV müssen Fertigteile so gelagert, transportiert und eingebaut werden, dass sich ihre Lage nicht unbeabsichtigt verändern kann. Sie sind möglichst in der vorgesehenen Einbaulage unter Berücksichtigung der statischen Erfordernisse und der Anweisungen des Herstellers zu transportieren.

 

Gemäß § 161 BauV sind Übertretungen dieser Verordnung nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG zu bestrafen.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

5.2. Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist erwiesen, dass für das Verlegen der Fertigteil-Hohldielendeckenelemente eine Montageanweisung zur Verwendung von Hilfskonstruktionen nicht bestand. Es gab nur einen Verlegeplan hinsichtlich der einzelnen Elemente. Die Fertigteil-Hohldielendeckenelemente waren laut Herstellerangaben unterstellungsfrei zu verlegen. Es gab daher hinsichtlich des „Gewerkes“ Verlegen der Betonfertigteilelemente kein Versäumnis hinsichtlich Montageanweisungen, insbesondere hinsichtlich Hilfskonstruktionen und Maßnahmen zur Gewährleistung der Tragfähigkeit und der Standsicherheit des Bauwerkes.

Vielmehr haben die Sachverhaltsfeststellungen gezeigt, dass sich beim Verlegen der Hohldielendeckenelemente ein Stahlträger, nämlich ein Randträger, verdreht hat. Es hat aber auch der Hersteller des Stahlbaues die Tragfähigkeit und die Standsicherheit des Bauwerkes während der einzelnen Montagezustände zu gewährleisten und wenn bei der Montage besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind oder für die Montage die Kenntnis besonderer sicherheitstechnischer Angaben erforderlich ist, von einer fachkundigen Person schriftliche Montageanweisungen und Zeichnungen zu erstellen (§ 85 Abs.1 BauV). Solche Montageanweisungen, nämlich Unterstellungen bzw. Hilfskonstruktionen für den Stahlbau, enthalten die Montageanweisungen nicht. Vielmehr wurde gezeigt, dass das Stahlbauunternehmen als Generalunternehmer bei der Ausschreibung Hilfskonstruktionen nicht gesondert ausgepreist hat, sondern die Kosten in den Einheitspreisen mitzuberücksichtigen sind, dass aber konkrete Anweisungen weder vom Stahlbauunternehmen noch von statischer Seite vorgenommen wurden. Diesbezüglich ist auch besonders zu bemerken, dass der Verlegeplan für die Fertigteil-Hohldielendecken vom Stahlbauunternehmen mitgezeichnet und freigegeben wurde, aber auch hier keine gesonderten Anweisungen betreffend Absicherung der Stahlträger erfolgten.

Es hat sich daher erwiesen, dass die verlegten Fertigteile nicht beim Transport oder Einbau durch nicht fachgerechte Behandlung ihre Lage verändert haben, sondern erst durch die Verformung der Stahlteile ihre Lage unbeabsichtigt verändern konnten. Dies ist hingegen nicht dem Verleger der Fertigteile zuzurechnen, sondern dem Verursacher für die Veränderung der Stahlbauteile. So bestimmt nämlich auch § 86 Abs.5 zweiter Satz BauV, dass die Fertigteile „möglichst in der vorgesehenen Einbaulage unter Berücksichtigung der statischen Erfordernisse und der Anweisungen des Herstellers zu transportieren“ sind. Gleiches muss wohl auch in weiterer Folge für die Verlegung gelten, nämlich dass auch hier die statischen Erfordernisse und Anweisungen des Herstellers zu berücksichtigen sind. Anweisungen des Herstellers gab es nicht, sondern war von einem unterstellungsfreien Verlegen auszugehen. Es sind aber auch die statischen Erfordernisse zu berücksichtigen. Diese haben entsprechende Anweisungen anlässlich des Bauens mit Fertigteilen unterlassen. Mangels solcher Anweisungen hinsichtlich der statischen Erfordernisse war daher das Geschehen dem Berufungswerber als Verantwortlichen der Ing. H W GmbH nicht zurechenbar und ist daher der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nicht erfüllt.

Insbesondere ist aber auch zur Schuld auszuführen, dass objektiv jene Sorgfalt anzuwenden ist, zu der der Täter nach den Umständen des einzelnen Falles verpflichtet ist. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Andererseits muss man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumnis bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus. Nach heute auch in Österreich herrschender Meinung gehört die objektive Sorgfaltswidrigkeit (als das Unrechtselement der Fahrlässigkeit) bereits zum Tatbestand jedes Fahrlässigkeitsdeliktes. Verhaltensweisen, die objektiv sorgfaltsgemäß sind, sind nicht tatbestandsmäßig. Der Tatbestand eines jeden Fahrlässigkeitsdeliktes ist erst (und nur) dann erfüllt, wenn der Täter die objektiv gebotene Sorgfaltspflicht zur Vermeidung der Tatbestanderfüllung verletzt hat (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1.215f). Im Sinne dieser Ausführungen ist aber von einer objektiven Sorgfaltsverletzung nicht auszugehen. Vielmehr hat das Beweisverfahren gezeigt, dass weder konkrete Montageanweisungen die Unterstellungen bzw. Hilfskonstruktionen für die Stahlträger während des Verlegens der Hohldielendeckenelemente verlangte, noch in einem Gespräch dem verantwortlichen Baupolier und dem Bauleiter durch den Bauleiter der Stahlbaufirma zu erkennen gegeben wurde, dass entsprechende Abstützungen der Stahlträger während des Verlegens der Elemente erforderlich wären. Vielmehr wurden die Stahlträgerkonstruktionen jeweils nach Baufortschritt für die Verlegung der Hohldielendecken freigegeben und keine weiteren Anweisungen getroffen.

 

Es hat daher der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen und war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 erste Alternative VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Montageanweisung je Gewerk, kein Fehlverhalten, keine Zurechenbarkeit, keine objektive Sorgfaltsverletzung, kein tatbestandsmäßiges Verhalten

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum