Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-162656/9/Br/Ps

Linz, 06.12.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A V, geb., H, H, vertreten durch Dr. F L, Rechtsanwalt, S, B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10. Oktober 2007, Zl. VerkR96-5638-2007, nach der am 7.12.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 und 51e Abs.1 Z1 VStG.

 

II.    Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen der Übertretungen

1.) nach § 102 Abs.1 iVm § 36 lit.a KFG 1967 und 2.) § 37 Abs.1 iVm § 1 Abs.3 FSG Geldstrafen von 1.) 110,-- Euro und 2.) 200,-- Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 1.) 72 Stunden und 2.) 24 Stunden an Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

 

Wider ihn wurden folgende Tatvorwürfe formuliert:

"Anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle des einspurigen Kleinkraftrades L 1, Kennzeichen, am 26.06.2007, um 15.30 Uhr, im Ortsgebiet von Braunau am Inn, nächst dem Anwesen Auf der Halden Nr. 42, wurde festgestellt, dass

1. Sie als Zulassungsbesitzer des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen haben, dass der Zustand des genannten Kraftfahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von S V gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass mit dem Motorfahrrad eine Geschwindigkeit von 70 km/h erreicht werden konnte. Die Geschwindigkeit wurde mittels Rolltester festgestellt.

Die entsprechende Messtoleranz wurde bereits abgezogen. Gegenständliches Fahrzeug gilt daher nicht mehr als Motorfahrrad, sondern als Kleinmotorrad und

a) ist daher nicht richtig zum Verkehr zugelassen;

b) bestand keine vorgeschriebene Haftpflichtversicherung;

 

2. Sie als Besitzer des als Motorfahrrad zugelassenen Kleinmotorrades, dieses dem S V zum Lenken überlassen haben, obwohl mit diesem Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 70 km/h erreicht werden konnte. Die Geschwindigkeit wurde mittels Rolltester festgestellt. Gegenständliches Fahrzeug gilt daher nicht mehr als Motorfahrrad, sondern als Leichtmotorrad. Der Genannte hat das Kleinmotorrad zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer Lenkberechtigung für Motorräder war."

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte in der Begründung Folgendes aus:

"Die Ihnen umseits zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sind aufgrund der Anzeige der Polizeiinspektion A vom 27.06.2007, GZ: Al/0000011132/01/2007, festgestellt und als erwiesen anzusehen.

 

Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 23.07.2007 erhoben Sie mit Ihrem Schreiben vom 09.08.2007 rechtzeitig Einspruch und führten darin im wesentlichen aus, zwar der Besitzer dieses Kleinkraftrades zu sein, benützt würde es jedoch ausschließlich von Ihrem Sohn S V, ohne dass Sie selbst jemals mit dem Fahrzeug gefahren wären. Ihnen war daher bis zum Erhalt der Strafverfügung nicht bekannt, dass das Fahrzeug Geschwindigkeiten von mehr als 40 km/h ermöglicht. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass Sie vorsätzlich Ihrem Sohn dieses Fahrzeug überlassen hätten.

 

Überdies sind Sie der Meinung, dass es sich bei den Punkten 1. und 2. um eine doppelte Bestrafung desselben Verhaltens handelt.

Weil Sie als Zulassungsbesitzer mangels Kenntnis der technischen Gegebenheiten gar nicht dafür Sorge tragen konnten, dass das Kraftfahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, hätten Sie die Verwaltungsübertretungen nicht begangen und ersuchten sie die Strafverfügung aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen bzw. gegebenenfalls die Strafe herabzusetzen.

 

Ihren Rechtfertigungsangaben ist nun folgendes entgegenzuhalten:

 

Gemäß § 36 lit. a KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger, außer Anhänger, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind und gemäß § 36 lit. d KFG 1967 für sie die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 14 ist ein Motorfahrrad ein Kraftrad mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h, dessen Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von nicht mehr als 50 cm3 hat (Kleinkraftrad im Sinne der Richtlinie 2002/24/EG).

 

Aufgrund der Überprüfung der Bauartgeschwindigkeit des Kraftrades mittels Rolltester wurde festgestellt, dass das gegenständliche Motorfahrrad nach Abzug einer Messtoleranz von 4 km/h eine Geschwindigkeit von 70 km/h erreichen kann. Gegenständliches Fahrzeug gilt daher nicht mehr als Motorfahrrad, sondern als Kleinmotorrad und war zum Tatzeitpunkt nicht richtig zum Verkehr zugelassen und bestand keine vorgeschriebene Haftpflichtversicherung. Da das gegenständliche Fahrzeug aufgrund der erreichbaren Geschwindigkeit kein Motorfahrrad sondern ein Kleinmotorrad darstellte, wäre für das Lenken dieses Fahrzeuges eine Lenkberechtigung für Motorräder (Gruppe A) nötig gewesen. Ihre Sohn S V besitzt jedoch keine derartige Lenkberechtigung.

 

Gemäß § 103 Abs.1 Ziff. 3 lit. a KFG 1967 darf der Zulassungsbesitzer das Lenken eines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen, die die erforderliche Lenkberechtigung besitzen.

 

Ihren Rechtfertigungsangaben, nicht gewusst zu haben, dass das gegenständliche Fahrzeug schneller als die gesetzlich erlaubten 45 km/h fährt, ist entgegenzuhalten, dass Sie gemäß § 103 Abs.1 Z. 1 KFG 1967 als Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen haben, dass das Fahrzeug den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung entspricht.

 

Bei § 103 Abs.1 Z. 1 KFG 1967 handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG 1991, bei dem Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die im § 103 Abs.1 Z. 1 KFG 1967 normierte Sorgfaltspflicht verlangt nicht, dass der Zulassungsbesitzer sein Fahrzeug ständig auf bestehende Mängel überprüft, er hat aber nach dieser Gesetzesstelle jene Vorkehrungen zu treffen, die mit Grund erwarten lassen, dass derartige Mängel hintangehalten werden. Ihre Rechtfertigung, dass das Kleinkraftrad ausschließlich von Ihrem Sohn S V gelenkt wird reicht dafür nicht aus. Im Gegenteil. Der Zulassungsbesitzer hat vielmehr den Zustand des Fahrzeuges gehörig zu überwachen und gegebenenfalls stichprobenartig zu kontrollieren. Derartige Kontrollen wurden von Ihnen nicht behauptet. Vielmehr wurde in Ihrem Einspruch deutlich, dass Sie das Fahrzeug gänzlich Ihrem Sohn überlassen haben und sich nicht weiter darum kümmerten.

 

Sie haben somit fahrlässig gehandelt und die Verwaltungsübertretungen begangen und zu verantworten.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass Grundlage hiefür gemäß § 19 VStG 1991 stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefahrdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Weiters sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens und die Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen.

 

Da Sie Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse trotz Aufforderung vom 07.12.2006 nicht bekannt gegeben haben wurde bei der Bemessung der Strafe von der Ihnen mitgeteilten Schätzung (monatliches Nettoeinkommen ca. € 1.300,—, kein Vermögen, Sorgepflichten) ausgegangen.

 

Beim vorgegebenen Strafrahmen - bei § 134 Abs. 1 KFG 1967 bis zu € 5.000,- - sind die verhängten Strafen auch dem Unrechtsgehalt der Taten angepasst und schuldangemessen. Ihre bisherige Unbescholtenheit wurde strafmildernd gewertet.

 

Eine niedrigere Straffestsetzung war jedoch sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Gründen nicht mehr möglich, liegen doch die vordringlichen Ziele der StVO in der Gewährleistung der Leichtigkeit und Flüssigkeit und insbesondere der Sicherung des Straßenverkehrs; gerade die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit und der Lenkberechtigungen dienen der Sicherung des Straßenverkehrs. Geschwindigkeitsüberschreitungen stellen potenzielle Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit von Menschen dar und sind eine der häufigsten Ursachen für schwere und schwerste Unfälle besonders in Verbindung mit einer unzureichenden Fahrausbildung. Bedenkt man noch die Folgen die aus einer nicht entsprechenden Haftpflichtversicherung entstehen können, ist ersichtlich, dass zur Hintanhaltung derartiger Verwaltungsübertretungen und den sich hieraus ergebenden Gefahren, sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Überlegung, mit einschneidenden Geldstrafen vorzugehen ist.

 

Die Voraussetzungen zur Anwendung des § 20 bzw. § 21 Abs. 1 VStG 1991 liegen nicht vor.

 

Die Vorschreibung des Verfahrenskostenbeitrages gründet in der bezogenen Gesetzesstelle. Es war spruchgemäß zu entscheiden."

 

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung tritt der Berufungswerber den Schuldsprüchen entgegen, indem er nochmals darauf hinweist, dass ihm die technische Ausstattung des gegenständlichen Fahrzeuges nicht bekannt war. Er selbst sei mit dem Moped nicht gefahren und habe daher darauf vertrauen dürfen, dass das Fahrzeug keine höhere, als die zulässige Bauartgeschwindigkeit zu entwickeln in der Lage gewesen sei. Da ihm auch von seinem Sohn, dem er das Fahrzeug zum Lenken überlassen habe, keine entsprechenden Mitteilungen gemacht worden seien, habe er davon ausgehen dürfen, dass mit dem Fahrzeug keine Geschwindigkeit von 70 km/h zu erreichen gewesen wäre.

Ferner verwies der Berufungswerber auf sein Einspruchsvorbringen, worin er die Auffassung vertrat, dass es sich bei den Punkten 1. und 2. (§ 103 Abs.1 Z3 lit.a KFG und § 7 VStG) um eine doppelte Bestrafung desselben Verhaltens handle. In beiden Fällen würde ihm vorgeworfen das Kleinmotorrad seinem Sohn S V überlassen zu haben. Im Übrigen könne von einer vorsätzlichen Überlassung im Hinblick auf den Umstand, dass ihm die Fahreigenschaften des Fahrzeuges nicht bekannt gewesen seien, keinesfalls gesprochen werden.

Aus diesen Gründen stelle er den Antrag seiner Berufung Folge zu gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war angesichts des Berufungsvorbringens, insbesondere mit Blick auf die Verschuldensfrage, gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG erforderlich.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Beischaffung eines Gutachtens im Wege der Abteilung Verkehrstechnik über den Einfluss des Fahrtwindes auf die unter realen Fahrverhältnissen erreichbare Fahrgeschwindigkeit. Anlässlich der Berufungsverhandlung wurde der Berufungswerber als Beschuldigter und der in diesem Zusammenhang bereits rechtskräftig bestrafte Lenker S V als Zeuge einvernommen.

Einschau gehalten wurde in den vorgelegten Typen- u. Zulassungsschein, sowie in das Protokoll über die nach diesem Vorfall gemäß § 56 KFG angeordnete gesonderte Überprüfung durch die Prüfstelle des Landes Oö.

Eine Vertreterin der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ebenfalls teil.

 

4. Der Berufungswerber hat dieses im Jahr 2004 erstmals zugelassene Fahrzeug von einem Mitarbeiter der G Ü über Information seiner dort als L tätigen Ehegattin, vor etwa zwei Jahren, für seinen Sohn erworben. Es wurde damit eine Probefahrt unternommen und seitens des Verkäufers bestätigt, dass sich dieses  Fahrzeug im Originalzustand befindet, dh. keine Veränderungen vorgenommen wurden. Bei der Probefahrt und folglich bei den vom Zeugen S V gefahrenen 8.000 bis 10.000 Kilometer haben sich laut Zeugen keine höheren Tachoanzeigen als 50 km/h, bergab oder mit Rückenwind maximal 55 km/h, ergeben.

Der Berufungswerber selbst hat das Fahrzeug nie gelenkt. Er gab an von seinem Sohn nie eine Information erhalten zu haben, dass mit diesem Fahrzeug schneller als erlaubt gefahren werden könnte.

 

Aus dem für das Berufungsverfahren beigeschafften technischen Gutachten folgt, dass auf Grund des Rollentestergebnisses der letztlich vorwerfbare Geschwindigkeitswert unter Berücksichtigung aller Toleranzen nur zwischen 53 u. 54 km/h angenommen werden könne. Der Sachverständige verweist auf das Körpergewicht des Lenkers, was am Rollentester kaum als Widerstand Relevanz erlangt. Ebenfalls verweist das Gutachten auf das Ergebnis von Fahrversuchen, wonach am Rollenprüfstand erreichte Geschwindigkeiten in Höhe von 70 km/h in der Realität nur von 50 bis 51 km/h erbrachten. Diese Angaben decken sich demnach mit den Angaben des Berufungswerbers und des mit diesem Fahrzeug zumindest 8.000 km zurücklegenden Zeugen. Daher kann hier gesichert gelten, dass einerseits von keiner nennenswerten Überschreitung ausgegangen werden kann, wobei dies keinesfalls dem Berufungswerber als Zulassungsbesitzer als Sorgfaltswidrigkeit angelastet zu werden vermag.

Abschließend vermeinte der Sachverständige, dass nicht veränderte und den Herstellerangaben entsprechende Mopeds am Rollenprüfstand keine höheren Anzeigewerte als 61 bis 65 km/h erreichen sollten.

Dieses Gutachten wurde den Parteien bereits am 27.11.2007 übermittelt. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde dieses verlesen und insbesondere die Frage erörtert, inwieweit hier von einer Veränderung des Fahrzeuges auszugehen ist.

Gemäß der sich bloß im Gesetzestext und auf das Ergebnis des Rollentesters erschöpfenden Anzeige der Polizeiinspektion A vom 27.6.2007, GZ A1/11132/01/2007-1, wurde bei einer Überprüfung des Motorfahrrades mit dem Kennzeichen am 26.6.2007 eine mögliche Höchstgeschwindigkeit mittels nicht näher bezeichnetem Moped-Geschwindigkeitsprüfstand (lt. techn. Gutachten, der Marke "S") von 70 km/h ermittelt. Anhaltspunkte für eine vorgenommene Veränderung am Fahrzeug, die zur unzulässigen Erhöhung der Bauartgeschwindigkeit führten, fanden sich hier nicht. Letztlich bleibt offen, worin die im Umfang von 5 km/h höhere Geschwindigkeit gründet und in wessen Sphäre, wenn überhaupt, dieser Umstand zugerechnet werden könnte. Anzumerken ist, dass erfahrungsgemäß wohl für viele derartige, als sogenannte Mopeds zugelassene Fahrzeuge, eine in diesem Umfang mögliche Geschwindigkeit erreichbar scheint.

Der Lenker, der über einen Mopedausweis verfügte, gab zeugenschaftlich glaubhaft an, dass er dieses Motorfahrrad nicht verändert habe und dies wohl auch der Vorbesitzer nicht getan hat, weil dies bei den jährlichen Nachprüfungen schon aufgefallen wäre. Dies tat ebenso der Berufungswerber, der das Fahrzeug für seinen Sohn erwarb, er es selbst aber nie lenkte.

 

4.1. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus glaubwürdig, dass hier tatsächlich keine im Rahmen eines Verschuldens vorwerfbare Normabweichung vorgelegen hat und daher insbesondere auch vom Käufer und Zulassungsbesitzer diese um wenige km/h höhere Geschwindigkeit nicht erkennbar gewesen ist. Dass ferner keine Veränderungen vorgenommen wurden, scheint nicht bloß in den Käuferangaben, sondern auch im Gutachten nach § 56 KFG der Prüfstelle belegt, welches wohl einige schwere – aber behobene – Mängel zu Tage gebracht hat, aber von einer Veränderung offenbar dort nichts festgestellt wurde.

Das Rollentestergebnis ließ daher keinen Rückschluss auf eine Veränderung des typengenehmigten Fahrzeuges zu, sodass dieses nicht als führerscheinpflichtiges und entsprechend zu versicherndes  Motorrad zu qualifizieren wäre.

Der Berufungswerber ist daher mit seinen Ausführungen im Recht!

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 103 Abs.1 Z1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger     Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;

Abs.3 lit.a KFG normiert, das der Zulassungsbesitzer das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen darf, die die erforderliche Lenkerberechtigung ………….. besitzen.

 

Nach § 2 Abs.1 Z14 KFG ist eine Motorfahrrad ein Kraftrad mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h, dessen Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von  nicht mehr als 50 cm³ hat. Nach § 2 Abs.1 Z15 leg. cit. ist ein Motorrad ein nicht unter Z14 fallendes einspuriges Kraftrad.

 

Die Bauartgeschwindigkeit ist nach § 2 Abs.1 Z37a KFG die Geschwindigkeit, hinsichtlich der auf Grund der Bauart des Fahrzeuges dauernd gewährleistet ist, dass sie auf gerader, waagrechter Fahrbahn bei Windstille nicht überschritten werden kann.

 

6. Wenn mittels Mopedprüfgerät ein Fahrzeug kontrolliert wurde und dabei festgestellt wurde, dass es eine Höchstgeschwindigkeit von 66 km/h erreichen konnte, gelangte etwa der Unabhängige Verwaltungssenat vom Burgenland zum Ergebnis, dass nicht mit der für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit angenommen werden könne, dass der Berufungswerber – folglich umso mehr der Zulassungsbesitzer – erkennen hätte müssen und können, dass es sich bei dem gegenständlichen Kraftfahrzeug nicht um ein Motorfahrrad handelt (UVS-Bgld v.28.3.2007, 003/14/07038).

Auch hier ist von keiner Vornahme einer technischen Veränderung auszugehen, sodass es alleine schon deshalb rechtsstaatlich problematisch wäre, den Begriff "sodass die Bauartgeschwindigkeit nicht überschritten werden kann", ohne Ansehung der vielfach zutreffenden realen Gegebenheiten, wonach dies bereits im Originalzustand oft möglich scheint, in abstrakter Schuldvermutung auf dem Rücken eines Normunterworfenen (Zulassungsbesitzers u. Lenkers) auszutragen!

Auch hier basiert die vorgehaltene Verwaltungsübertretung lediglich auf dem Umstand, dass anlässlich der Betretung eine erreichbare Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h mittels Mopedprüfgerät festgestellt werden konnte. Diese wurde aber vom Sachverständigen bereits auf 50 bis 51 km/h als empirisch vorwerfbar reduziert.

 

6.1. Hiezu wurde im zuletzt genannten Erkenntnis ergänzend ausgeführt, dass diese Geschwindigkeit dem mit Erlass des Bundesministers für Verkehr,  Innovation und Technologie vom 25.04.2001 bei der Messung mit  gegenständlichem Prüfgerät festgelegten Mindestwert von 66 km/h entspricht, der als Grundlage für eine Anzeige hinsichtlich der Übertretung der Bauartgeschwindigkeit gilt. Dafür, dass es dem Berufungswerber als Zulassungsbesitzer hätte auffallen müssen, dass es sich bei gegenständlichem Fahrzeug nicht um ein Motorfahrrad handle, fehlten auch dort die Anhaltspunkte. Das Kraftfahrzeug vermittelte gemäß dem äußeren Erscheinungsbild den Eindruck eines Motorfahrrades und war gemäß dem Zulassungsschein als solches zugelassen. Das Kraftfahrzeug, welches dort erst etwa einen Monat vor der Anhaltung vom Berufungswerber erworben wurde und ebenso dem Sohn des Zulassungsbesitzers zum Lenken überlassen worden war. Dass der Berufungswerber wusste oder wissen hätte müssen, dass eine Geschwindigkeit von 66 km/h erreicht werden kann, war auch in diesem mit dem gegenständlichen Verfahren durchaus vergleichbaren Fall nicht ersichtlich, sodass nicht mit der für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit angenommen werden konnte, dass der Berufungswerber erkennen hätte müssen und können, dass es sich bei dem gegenständlichen Kraftfahrzeug nicht um ein Motorfahrradgehandelt hätte. Umso mehr muss dies bei einem Geschwindigkeitsbereich knapp über 50 km/h zutreffen.

 

6.2. Gemäß § 5 VStG genügt wohl, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der  Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation führt dies aber dennoch nicht zu einer völligen Beweislastumkehr. Der Verfassungsgerichtshof geht nämlich vielmehr davon aus, dass der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.

Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens, hier in Form einer glaubhaften Kenntnis eines Mangels, nicht glaubhaft ist.

Das h. Berufungsverfahren brachte folglich nicht nur keinen Anhaltspunkt für eine Schuld, sondern ist es dem Berufungswerber im Einklang mit dem Sachverständigengutachten vielmehr in überzeugender Weise gelungen darzutun, dass ausgehend von einer deutlich geringeren „Bauartgeschwindigkeit“ ihn offenkundig ein Verschulden nicht trifft.

Hier muss letztlich auf sich bewenden, ob ein Umfang einer möglichen Fahrgeschwindigkeit im Ausmaß von 5 km/h, insbesondere mit Blick auf die evident geltende Tachoabweichung nicht generell bereits auf der Sach- insbesondere aber auf der Schuldebene aus dem Blickwinkel der Verkehrspraxis (Erzeuger u. Genehmigungsbehörde) toleriert gilt.

Rechtlich war daher abschließend iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG festzustellen,  dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

Beschlagwortung:

Rollentester, Verschulden, Bauartgeschwindigkeit, Moped

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum