Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162988/2/Bi/Se

Linz, 27.03.2008

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J P, vom 4. Februar 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 22. Jänner 2008, VerkR96-23846-2006, wegen Übertretungen der StVO 1960, des FSG und des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

I.  Im Punkt 1) wird der Berufung insofern teilweise Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt wird, die Geldstrafe jedoch auf 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Wochen herabgesetzt werden.

      Im Punkt 2) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene    Straferkenntnis hinsichtlich Schuld und Strafe mit der Maßgabe bestä­tigt, dass die Strafnorm auf § 37 Abs.4 Z1 FSG geändert wird.

     Im Punkt 3) wird der Berufung insofern teilweise Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, jedoch von der Ver­hängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

     Im Punkt 4) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene    Straf­­er­kenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbe­züglich eingestellt.  

 

II. Im Punkt 1) ermäßigt sich der erstinstanzliche Verfahrenskostenbei­trag auf 100 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren ent­fällt.

     Im Punkt 2) hat der Rechtsmittelwerber zusätzlich zu den erstin­stanz­­­lichen Verfahrens­kosten den Betrag von 100 Euro, ds 20 % der ver­häng­ten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

          In den Punkten 3) und 4) fallen keine Verfahrenskosten an.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z3, 45 Abs.1 Z3, 19 und 21 VStG

zu II.: §§ 64ff VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 99 Abs.1b iVm 5 Abs.1 StVO 1960, 2) § 37 Abs.1 und Abs.3 Z1 iVm § 1 Abs.3 FSG, 3) §§ 134 Abs.3d iVm 106 Abs.2 KFG 1967 und 4) §§ 102 Abs.5 lit.b iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 1.200 Euro (408 Stunden EFS), 2) 500 Euro (108 Stunden EFS), 3) 50 Euro (24 Stunden EFS) und 4) 30 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil er am 20. Dezember 2006, 19.55 Uhr, den Pkw  in der Gemeinde Regau, Salz­kammergut Bundesstraße 145 bei km 18.400, Postbushaltestelle auf Höhe Auto­bahn­auffahrt Regau, Fahrtrichtung Gmunden,

1) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Atemluftalkoholgehalt von 0,53 mg/l ergeben.

2) habe er das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Ver­kehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei.

3) habe er als Lenker eines Kraftfahrzeuges den Sicherheitsgurt nicht bestim­mungs­gemäß verwendet, was bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 fest­gestellt worden sei. Er habe die Bezahlung einer Organstrafverfügung verwei­gert, obwohl ihm eine solche angeboten worden sei.

4) habe er als Lenker den Zulassungsschein des Pkw nicht mitgeführt bzw es unterlassen, trotz Verlangens der Straßenaufsicht dieses Dokument zur Über­prüfung auszuhändigen.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 178 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 2 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe den Zulassungsschein nicht aus­händigen können, weil er das Fahrzeug unerlaubt gelenkt habe und dieser daher nicht in seinem Besitz gewesen sei.

Er lebe von einer Invaliditätspension von 884 Euro, davon verblieben nach Abzug für die Wohnung, Strom und Medikamente (er habe Darmkrebs) noch 70 Euro. Weiters ersuche er zu prüfen, ob nicht schon Verjährung eingetreten sei.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw am 20. Dezember 2006, 19.55 Uhr, in Regau, km 18.400 der B145, als Lenker des Pkw  angetroffen wurde, obwohl er keine gültige Lenkberechtigung besitzt, und der aufgrund des leichten Alkohol­geruchs aus dem Mund um 20.25 Uhr durchgeführte Alkotest einen geringsten Wert von 0,53 mg/l ergab. Bei der Anhaltung sei festgestellt worden, dass der Bw den Sicherheits­gurt nicht angelegt hatte, worauf ihm von Insp H K ein Organmandat angeboten worden sei, das der Bw abgelehnt habe. Den Zulas­sungs­schein für den Pkw, zugelassen auf M P, habe er nicht vorweisen können. Ihm sei zwar der Schlüssel abgenommen worden, aber den Pkw sei 20 Minuten nach der Amtshandlung nicht mehr in der Post­bus­haltestelle gestanden – möglicherweise habe der Bw ihn mit dem Reserve­schlüssel erneut in Betrieb genommen.

 

In seiner Rechtfertigung vom 5. Februar 2007 gab der Bw an, es sei richtig, dass er wieder einmal das Fahrzeug unbefugt ohne Lenkberechtigung gelenkt habe. Er habe 3 bis 4 Bier getrunken gehabt. Er wisse nicht, wo seine Frau oder seine Töchter den Zulassungsschein aufbewahrten; er habe den Pkw unberechtigt vom Mechaniker abgeholt. Er sei deshalb nicht angegurtet gewesen, weil er seit seiner Darmkrebserkrankung Stomaträger sei und der Gurt den Versorgungsbeutel zum Platzen bringen würde. Er habe den Pkw nachher nicht mehr gelenkt, sondern ein Freund habe ihn abgeholt. Weiters hat der Bw eine Mitteilung des AMS vom 30. Jänner 2007 vorgelegt, dass er bis 26.1.2008 einen Pensionsvorschuss von täglich 23,55 Euro erhalte.

 

Nach Mitteilung der Wohnsitzbehörde des Bw, der BH St. J i P, vom 3. Mai 2007 weist der Bw dort aus den letzten fünf Jahren bis zum Vorfallstag rechtskräftige Vormerkungen wegen Lenken ohne Lenkberechtigung (9.9.2004 und 2.11.2006) und Verweigerung des Alkotests (9.9.2004 und 15.11.2005) auf. Zum Vorfallszeitpunkt 20.12.2006 war er nicht im Besitz einer gültigen Lenk­berechtigung, weil ihm diese wegen Verweigerung des Atemluftalkoholunter­suchung vom 16.2.2006 bis 16.2.2008 entzogen worden war.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Verjährung ist deshalb nicht eingetreten, weil dem Bw nach dem Vorfall vom 20. Dezem­ber 2006, dem Beginn der Berechnung der Verjährungsfristen, in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Jänner 2007 (zugestellt laut Rück­schein eigenhändig am 13. Jänner 2007), mit der die gemäß § 31 Abs.2 VStG sechs Monate betragende Verfol­gungsverjährungsfrist gehemmt wurde,  seitens der Erstinstanz die im Strafer­kennt­nis enthaltenen Tatanlastungen bereits lückenlos vorgehalten wurden – die weiteren Anlastungen wegen Lenkens des Pkw nach der Amtshandlung ohne Lenkberechtigung und in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand wurden laut Aktenvermerk der Erstinstanz fallenge­lassen und das Verwaltungsstraf­verfahren diesbezüglich wegen Nichter­weisbar­keit eingestellt – im Straferkennt­nis waren sie nicht mehr enthalten. Die gemäß § 31 Abs.3 VStG dreijährige Strafbarkeitsverjährungsfrist ist noch nicht abge­laufen.

 

Der Bw hat die Tatvorwürfe grundsätzlich nicht bestritten. Zum Zulassungsschein (Punkt 4) des Straferkenntnisses) ist zu sagen, dass ein solcher vom Lenker eines Kraftfahrzeuges auf Verlangen eines Organes der Straßenaufsicht zur Über­prüfung auszuhändigen ist. Ein Alternativvorwurf, der Bw habe den Zulassungs­schein "nicht mitgeführt bzw ihn nicht ausgehändigt" ist mangels Bestimmtheit im Sinne des § 44a Z1 VStG unzu­lässig und war daher gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG das Verfahren diesbezüglich ohne Kostenvorschreibung einzustellen.  

 

Zum nicht angelegten Sicherheitsgurt (Punkt 3) des Straferkenntnisses) ist zu sagen, dass das Argument des Bw im Hinblick auf  Nichtverwendbarkeit bei Stomaträgern grundsätzlich nachvoll­zieh­bar ist. Im KFG ist daher vorgesehen, dass auf entsprechenden Antrag des Betroffenen die Unmöglichkeit des bestim­mungs­gemäßen Gebrauchs des Sicher­heits­­­gurtes wegen schwerster körperlicher Beeinträchtigung gemäß § 106 Abs.3 Z2 und Abs.9 KFG von der Behörde festzu­stellen und darüber eine Bestätigung auszustellen ist, die bei einer Kontrolle vor­zu­weisen ist – das betrifft auch den Bw als Beifahrer, sodass er einen solchen Antrag für die Zukunft überdenken sollte. Bezogen auf den ggst Vorfall vom 20. Dezember 2006 wird jedoch ein Absehen von der Strafe und die Erteilung einer Ermahnung im Sinne des § 21 Abs.1 VStG für angemessen erachtet, um den Bw diesbezüglich nicht zu benach­teiligen.

 

Die Punkte 1) (Lenken eines Pkw mit 0,53 mg/l AAG) und 2) (Lenken eines Pkw ohne gültige Lenkberechtigung) hat der Bw nicht bestritten und besteht auch kein Zweifel, dass er die ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und sein Ver­halten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal von einer Glaub­haft­machung mangelnden Verschuldens nicht die Rede sein kann.

Im Hinblick auf Punkt 2) war allerdings aufgrund der Entziehung der Lenkberech­tigung die Strafnorm auf § 37 Abs.4 Z1 FSG abzuändern - § 37 Abs.3 Z1 FSG kommt nur dann zum Tragen, wenn der Lenker überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigung besitzt.     

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.1b StVO 1960 (Lenken eines Pkw mit 0,53 mg/l AAG) von 581 bis 3.633 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von einer bis sechs Wochen Ersatzfreiheits­strafe, reicht.

Der Strafrahmen des § 37 Abs.1 und Abs.4 Z1 FSG reicht von 726 bis 2.180 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheits­strafe.

Die Erstinstanz ist laut Begründung des angefochtene Straferkenntnisses "man­gels Angaben des Bw" davon ausgegangen, dass er ein Monatseinkommen von 1.500 Euro bezieht. Tatsächlich hat er der Erst­instanz im Dezember 2007 auf Anfrage mitgeteilt, dass er 824 Euro Invaliditäts­pension bezieht und sorgepflich­tig für die Gattin ist.

Erschwerend wurden zwei Vormerkungen wegen Alkohol gewertet, mildernd kein Umstand. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind jedoch erschwerend jeweils zwei noch nicht getilgte rechtskräftige Vormer­kungen wegen Alkohol und Lenken ohne Lenkberechtigung. Im Punkt 1) war daher angesichts der zurecht straferschwerend gewerteten Vormerkungen wegen Alkohol einer­seits, aber der bislang unberücksichtigten finanziellen Verhältnisse und der Sorge­pflicht des Bw andererseits die Geldstrafe zu reduzieren, wobei die Ersatz­freiheitsstrafe im Verhältnis dazu herabzusetzen war.

 

Im Punkt 2) waren aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates straf­erschwerend die beiden Vormerkungen wegen Lenken ohne Lenkberechti­gung, so­­dass beim Strafrahmen des § 37 Abs.4 Z1 FSG (gesetzliche Mindeststrafe 726 Euro) und dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 20 VStG eine Strafher­ab­setzung auch bei ungünstigeren finanziellen Verhältnissen nicht gerechtfertigt war. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis dazu ange­messen, sodass sich eine Herab­setzung erübrigt.

Die Strafen halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollten den Bw dazu bewegen, das Lenken von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss gänzlich zu unterlassen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Lenkberechtigung des Bw mittlerweile endgültig erloschen ist. Es steht ihm frei, bei der Erstinstanz um die Möglichkeit, die Geldstrafen in Teilbeträgen zu bezahlen, anzusuchen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz bzw dessen Entfall ist gesetzlich begründet. Im Fall der Abweisung der Berufung wären jeweils 20% der Geld­strafe als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten gewesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Finanzielle Verhältnisse nicht berücksichtigt, Alternativvorwurf unzulässig; Lenken ohne (entzogene) Lenkberechtigung = § 37 Abs. 4 Z1 FSG; Sicherheitsgurt bei Stomaträgern

 

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