Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-150640/8/Lg/Hue

Linz, 08.04.2008

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 3. April 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Be­rufung des C W, L, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 22. Jänner 2008, GZ BauR96, zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 34 Stunden herabgesetzt. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist dahingehend zu korrigieren, dass als verletzte Verwaltungsvorschrift § 11 Abs. 1 BStMG zu ergänzen ist.  

II.              Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen  verhängt, weil er als Lenker des Kfz mit dem polizeilichen Kennzeichen am 9. Juli 2005, 10.32 Uhr, die mautpflichtige A8 Innkreisautobahn bei Strkm 75,150 in Fahrtrichtung Passau benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Es sei am Kfz lediglich eine abgelaufene Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass in der Strafverfügung vom 15. Juli 2005 als Tatort die Straße "8" angegeben sei. Daraus gehe nicht hervor, dass es sich um die A8 Innkreisautobahn gehandelt habe. Weiters werde bei Straßenkilometer, wobei dieses Wort fehle, km 75.150 angegeben. Diese Zahl bedeute fünfundsiebzigtausendeinhundertundfünfzig, was beinahe den zweifachen Erdumfang bedeuten würde. Laut Österreichischem Wörterbuch trenne der Beistrich (Komma) in Dezimalzahlen die Dezimalen von den Ganzen. Sowohl der Beistrich bei dieser Zahl als auch die Innkreisautobahn A8 als solche werde erst im Spruch des bekämpften Bescheides angeführt. Die belangte Behörde habe es innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht geschafft, eine Konkretisierung des Tatortes iSd § 44a VStG zu Papier zu bringen. Verfolgungsverjährung sei auch deshalb eingetreten, da die Entsendung eines Schreibens (gemeint wohl: der Strafverfügung) an eine Adresse, an der der Bw zum erfolglosen Zustellzeitpunkt nachweislich längst nicht gewohnt habe und auch nicht mehr gemeldet gewesen sei, ernsthaft als Verfolgungshandlung gewertet werden könne. Dies umso mehr, da auch der belangten Behörde das Zentrale Melderegister zur Verfügung stehe. Ein zweiter Zustellversuch (der Strafverfügung) nach einem Zeitraum von etwa 2 Jahren könne doch auch nicht wirklich ernst genommen werden. Zudem sei die belangte Behörde sachlich (gemeint wohl: örtlich) unzuständig, da diese das Verwaltungsstrafverfahren spätestens nach dem Einspruch gegen die Strafverfügung gem. § 29a VStG an die Wohnsitzbehörde des Bw abtreten hätte müssen.    

 

Beantragt wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die zeugenschaftliche Einvernahme des Sachbearbeiters der Erstbehörde.   

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 9. Juli 2005 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz lediglich eine abgelaufene Mautvignette angebracht gewesen. In der Anzeige findet sich u.a. auch als Wohnadresse des Bw die Anschrift L, S.

 

Bei der daraufhin gegen den Bw an die Adresse L, S, ergangenen Strafverfügung vom 15. Juli 2005 erfolgte lt. Postrückschein am 24. August 2005 der erste Zustellversuch mit einer Ankündigung des zweiten Zustellversuches, welcher schließlich am 25. August 2005 erfolgt ist. Daraufhin wurde die Strafverfügung am 26. August 2005 hinterlegt.

Da dieses Schriftstück nicht behoben wurde, wurde dieses an die belangte Behörde, eingelangt am 15. September 2005, zurückgeschickt.

 

Aus einer Abfrage der belangten Behörde beim Zentralen Melderegister vom 14. Juni 2007 ist als Hauptwohnsitz des Bw L, L, ersichtlich. An diese Adresse erfolgte am selben Tag eine nochmalige Absendung dieser Strafverfügung, welche schlussendlich am 20. Juni 2007 hinterlegt wurde.

 

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw Einspruch. 

 

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Juni 2007 wurde der Bw darauf hingewiesen, dass die späte Zustellung der Strafverfügung vom 15. Juli 2005 in den Wohnsitzverhältnissen des Bw begründet sei. Erst im Vollstreckungsverfahren seien die aktuellen Wohnsitzverhältnisse des Bw geprüft und die Strafverfügung neuerlich übersendet worden.

 

Ein Antwortschreiben (Rechtfertigung) des Bw ist im erstbehördlichen Akt nicht enthalten.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Verhandlungsleiter zunächst fest, dass der Bw trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Angabe von Gründen nicht zur (von ihm selbst beantragten!) Verhandlung erschienen ist. Weiters wurde festgestellt, dass der auf Begehren des Bw als Zeuge geladene Sachbearbeiter der belangten Behörde nicht einvernommen zu werden braucht, da der Sachverhalt hinsichtlich des Berufungsvorbringens feststeht und sohin nur Rechtsfragen zur Diskussion stehen. 

 

 5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 300 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 ist der Lenker mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Der Aufforderung wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die entsprechende Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinigung auszustellen (Abs. 2).

 

5.2. Zunächst ist dem Argument eines iSd § 44a VStG relevanten Spruchmangels entgegenzutreten. Zum Einwand des Bw bezüglich der – durchaus gebräuchlichen – Formulierung "bei km 75.150" im Spruch der Strafverfügung ist festzustellen, dass schon der groteske Charakter der vom Bw ins Auge gefassten Alternativinterpretation mehr als deutlich zeigt, dass nur km 75 und nicht km 75000 der Autobahn gemeint sein kann, wobei auch die Bezeichnung der Örtlichkeit mit "Strkm" oder "km" keinen Zweifel am Gemeinten aufkommen lässt. Wenn der Bw weiters vermeint, die Bezeichnung der Straße mit der Ziffer "8" (im Zusammenhang mit der Formulierung "bei km 75.150") in der Strafverfügung lasse nicht erkennen, dass es sich beim Tatort um die Innkreisautobahn A8 handelt, ist zu erwidern, dass nach dem Regelungsgehalt des zur Anwendung gelangten BStMG für den durchschnittlichen Normunterworfenen (als Maßstabsfigur) klar ist, dass damit die Autobahn (nicht irgend eine sonstige Örtlichkeit) gemeint sein kann. Dazu kommt, dass (als Ort der Beanstandung) in der Strafverfügung "A8 Grenze Suben Ri Passau" beigefügt ist, sodass es nur eines sehr kleinen gedanklichen Schrittes bedarf, um "8" in der Zeile darüber als "A8" zu interpretieren.

Die "Standardformel" der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besagt, dass der Bestrafte mit der Formulierung des Tatvorwurfes in die Lage versetzt werden muss, um auf diesen konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anbieten zu können und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Anforderungen werden gegenständlich erfüllt, da sowohl der Spruch der verfolgungsverjährungsunterbrechenden Strafverfügung als auch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses im Hinblick auf § 44a VStG alle Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Strafnorm, nämlich des § 20 Abs. 1 BStMG, anspricht und ausreichend konkretisiert. Die diesbezüglichen Einwände des Bw gehen deshalb ins Leere.

 

 

 

Der Bw geht von der Auffassung aus, dass die belangte Behörde sachlich (gemeint wohl: örtlich) unzuständig ist, da eine Abtretung des Verfahrens gem.

§ 29a VStG an die Wohnsitzbehörde des Bw erfolgen hätte müssen. Dem ist dahingehend entgegen zu treten, dass gem. § 27 Abs. 1 VStG jene Behörde örtlich zuständig ist, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen wurde. Der gegenständliche Tatort befindet sich im Sprengel der belangten Behörde, weshalb sowohl deren örtliche und im Hinblick auf § 26 Abs. 1 VStG auch deren sachliche Zuständigkeit begründet ist. § 29a VStG besagt, dass die zuständige Behörde das Strafverfahren an die sachlich zuständige Behörde, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz oder Aufenthalt hat, übertragen kann, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird. Auf die Ausübung dieser Ermächtigung steht jedoch niemandem eine Rechtsanspruch zu (vgl. zB Walter – Thienel, Verwaltungs­verfahren, 2. Auflage, S. 557), weshalb selbst bei Zutreffen der Voraussetzungen der Bw durch den Ermessensgebrauch nicht in seinen Rechten verletzt sein kann.       

  

Der Bw bringt vor, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Strafverfügung vom 15. Juli 2005 (als Verfolgungshandlung) ursprünglich an seine damals längst nicht mehr aktuelle Wohnanschrift geschickt wurde und ihn dieser Strafbescheid deshalb erst zwei Jahre später erreicht habe. Dazu ist zunächst zu erwidern, dass lt. dem im Akt befindlichen Postrückschein der erste Zustellversuch und die Ankündigung des zweiten Zustellversuches am 24. August 2005, also noch zu einem Zeitpunkt, als er an dieser Zustelladresse behördlich gemeldet war, erfolgt ist, wobei schlussendlich am 26. August 2005 eine Hinterlegung der Strafverfügung vorgenommen wurde. Ein Abmeldung von dieser Wohnanschrift ist durch den Bw erst am 25. August 2005 erfolgt. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht – im Zweifel – davon aus, dass der Bw aufgrund der damals erfolgten Verlegung des Wohnsitzes tatsächlich keine Kenntnis von den Zustellversuchen bzw. von der Strafverfügung erlangt hat.

Für die Qualifikation als Verfolgungshandlung genügt nicht das Vorliegen eines behördeninternen Vorganges, sondern muss dieser noch innerhalb des Ablaufes der Verjährungsfrist in irgendeiner Weise nach außen hin in Erscheinung getreten sein. Eine Verfolgungshandlung schließt somit die Verfolgungsverjährung schon dann aus, wenn sie innerhalb der Verjährungsfrist abgefertigt (zB zur Post gegeben) worden ist (vgl. neben vielen VwGH 90/09/0089 v. 17.1.1991 und VwGH 97/02/0041 v. 18.2.1997). Es ist nicht von Bedeutung, ob die Verfolgungshandlung dem Täter zur Kenntnis gelangt ist (vgl. neben anderen VwGH 195/74 v. 26.6.1974 und VwGH 2001/02/0179 v. 17.5.2002). Da die gegenständliche Verfolgungshandlung in Gestalt der Strafverfügung vom 15. Juli 2005 am 23. August 2005 innerhalb der Strafbarkeitsverjährung zur Post gegeben worden ist, ist Verfolgungsverjährung nicht eingetreten.      

 

Zum Sachverhalt: Unbestritten ist, dass der Bw der Lenker war und am Kfz zum Zeitpunkt der Kontrolle – mithin zur vorgeworfenen Tatzeit – keine gültige Mautvignette aufgeklebt war.

 

§ 11 Abs. 1 BStMG normiert, dass vor der Benützung einer Mautstrecke die Maut durch Anbringen einer Mautvignette zu entrichten ist. Zum Zeitpunkt der Benützung einer Mautstrecke war – unbestritten – eine gültige Vignette am Kfz nicht aufgeklebt, weshalb der Bw das vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht hat.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver – und da keine Entschuldigungs­gründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Es ist von Fahrlässigkeit auszugehen, nämlich in dem Sinne, dass sich der Bw nicht ausreichend über die Rechtslage informiert bzw. ihm das Fehlen einer gültigen Vignette auf dem Kfz entgangen war.  

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe verhängt wurde.  Mildernd wirken lediglich die Unbescholtenheit und das Tatsachengeständnis. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre. Insbesondere ist der Schuldgehalt als nicht geringfügig anzusehen, da der Bw vor Benützung einer Mautstrecke für eine ordnungsgemäße Mautentrichtung (iSd Aufklebens einer gültigen Mautvignette) zu Sorgen gehabt hätte. Bei Anwendung der selben Strafbemessungsgründe war die Ersatzfreiheitsstrafe auf 34 Stunden herabzusetzen; dadurch entfällt die Vorschreibung der Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Ewald Langeder

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum