Linz, 05.08.2008
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M-F I, L, vertreten durch RAe Dr. M L, Mag. M R, F, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Mai 2008, Zl. S-40067/07-4, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 und 51e Abs.1 Z1 VStG.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 102 Abs.1 KFG iVm § 101 Abs.1 lit.a KFG u. § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 300,00 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Es wurde ihm zur Last gelegt er habe am 12.10.2007 09.30 Uhr Linz, A7 Süd v. der Auffahrt Nebingerstr. kommend bis zum Anhalteort, Ausfahrt Wankmüllerhofstr. den LKW, Kz. gelenkt und sich vor Inbetriebnahme nicht zumutbar vom vorschriftsmäßigen Zustand überzeugt, da das höchst zulässige Gesamtgewicht von 32000 kg durch die Ladung um 6560 kg überschritten wurde.
1.1. Die Behörde erster Instanz führte in der Begründung Folgendes aus:
Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."
2. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung tritt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter diesem Schuldspruch mit nachfolgenden Ausführungen entgegen:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war angesichts der bestrittenen Faktenlage gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG durchzuführen.
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des Inhaltes des vorgelegten Verfahrensaktes, der zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers GI S und des Berufungswerbers als Beschuldigten.
4. Aus dem Wiegebelegt ergibt sich im Eintrag der 1. Wägung (die hier mit der Zeitangabe 09:40 die einzige Wägung darstellt) ein angebliches Gesamtgewicht in der Höhe von 38.560 kg. Als Leergewicht ist unter 2. Wägung um 09:39 ein Gewicht von 14.920 eingetragen. Obwohl dieses Gewicht als Leergewicht aus dem Zulassungsschein entnommen worden sein dürfte, ergibt sich dieses daraus jedoch mit 14.020 kg.
Demnach weist dieser Wiegebeleg zwei Fehldarstellungen aus. Dem Akt angeschlossen findet sich demgegenüber ein Gegenschein der Betonlieferfirma, welche als Lademenge eine Kubatur von acht (8) Kubikmeter Beton ausweist. Folgt man der Angabe des Berufungswerbers, dass es sich hierbei um Flüssigbeton mit einem spezifischen Gewicht von nur 2,2 Tonnen pro Kubikmeter gehandelt hat, ergibt sich daraus eine Zuladung im Umfang von 17,600 kg. Das laut Wägung festgestellte Gewicht würde demnach ein Ladevolumen von 11 m3 bedingen, was jedoch – wie der Berufungswerber bereits gegenüber dem Meldungsleger versicherte und im Zuge seiner Verantwortung vor der Berufungsbehörde bekräftigte – technisch gar nicht möglich ist, zumal die Trommel nur etwa 8 m3 aufzunehmen in der Lage ist.
Der Meldungsleger legte zwar dar, dass auf Grund des optisch festgestellten Fahrverhaltens objektiv auf eine Überladung zu schließen gewesen sei. Abgesehen davon, dass eine solche Einschätzung nicht beweistauglich für eine Überladung gelten kann, konnte der Meldungsleger die Widersprüche im Wiegebeleg, insbesondere den Fehleintrag des Leergewichtes durch den Wägemeister, nicht erklären.
Daher können letztlich die schon von Anfang an gleichlautenden – die Tat bestreitenden - Angaben des Berufungswerber als durchaus glaubwürdig und mit den Denkgesetzen im Einklang stehend beurteilt werden. Insbesondere überzeugt auch sein Hinweis auf die Praxis, dass es wohl alleine schon aus Gründen der Rechnungslegung nur schwer vorstellbar sei, dass eine Lieferung vom Beleg um 3m3 abweichen würde. Eine solche Diskrepanz würde dazu führen, dass diese Menge dem Auftraggeber des Transportgutes nicht oder nur in einem auf Täuschung angelegten Zusammenspiel in der Lieferlogistik denkbar wäre.
Es kann demnach hier keinesfalls ein Beweis einer Überladung erbracht gelten. Vielmehr wahrscheinlich ist, dass hier ein Fehler auf Seite des Wiegemeisters unterlaufen sein muss, wobei dies nicht nur die verfehlt vermerkte Angabe des Eigengewichtes indiziert, sondern auch die offenkundig unzutreffenden Zeitangaben, weil die erste Verwiegung jedenfalls vor der zweiten gelegen sein müsste, wobei eine Zweite hier aus der Logik des Wiegezwecks nicht stattfinden konnte.
Das ein Fahrer eines Betonmischers letztlich auf den Lieferschein wohl grundsätzlich vertrauen darf, soll an dieser Stelle ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Dem Berufungswerber kann auch darin gefolgt werden, dass bei einem 410 PS starken vierachsigen Lkw eine Überladung von etwa 5,5 Tonnen nicht in jedem Fall am Fahrverhalten festzustellen ist.
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Im Sinne des § 5 VStG stellt der Sorgfaltsmaßstab auf die differenzierte Maßfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters, der in der konkreten Situation erwartet werden darf, ab (vgl. dazu näher mwN Burgstaller, Wiener Kommentar, § 6 Rz 36 und 38; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 6 Rz 6 und 12; Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, 3. A [1990], § 80 Rz 16). Die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den Umständen vernünftiger Weise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht (vgl. VwSlg 12947 A/1989; VwGH 28.10.1980, 2244/80; VwSlg 9710 A/1978). Demnach ist bei eindeutig feststehender Füllmenge am Lieferschein iVm dem Feststehen des spezifischen Gewichtes, nicht jede Füllung einer Trommel eines Betonmischers vom Lenker einer visuellen Kontrolle zu unterziehen, was nur unter erheblichen Aufwand möglich scheint.
Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.
Rechtlich ist abschließend iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG festzustellen, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r