Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400961/5/Ste/Wb

Linz, 07.08.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Be­schwerde des D (alias D) K, wegen Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Steyr durch den Bezirkshauptmann/die Bezirkshauptfrau des Bezirks Steyr-Land, zu Recht erkannt:

I.                  Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft wird für rechtswidrig erklärt; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.

 

II.              Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptfrau des Bezirks Steyr-Land) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 677,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm. §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 


Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Steyr-Land vom 29. Juli 2008, Sich 41-36-2007, wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 1 FPG iVm. § 57 AVG über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Schubhaftbescheid lediglich aus, dass gegen den Bf von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein mit Bescheid vom 29. Dezember 2006 ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Dieser Bescheid sei rechtskräftig und somit durchsetzbar.

Da bei dem Bf die Gefahr bestünde, dass sich dieser den zu treffenden Maßnahmen entziehen könnte, sei, um die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes zu sichern, der Bf in Schubhaft zu nehmen.

Aufgrund des geschilderten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne.

2.1. In der vorliegenden Beschwerde vom 4. August 2008, eingebracht beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax am selben Tag, stellt der Bf die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat möge 1. den Schubhaftbescheid, 2. die Festnahme und 3. die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, sowie 4. die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Begründend führt der Bf diesbezüglich insbesondere aus, dass mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck vom 19. November 2003 sein Asylantrag vom 28. Juli 2003 zu Zahl 03 22.654 – BAI gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gem. § 8 leg. cit. für zulässig erklärt worden sei.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Februar 2006, Zl. 245.034/0-IX/27/03 sei seine Berufung gegen den genannten Bescheid abgewiesen worden.

Am 24. Jänner 2008 habe der Bf erneut einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Februar 2008, AZ: 08 00.899 – EAST WEST gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Seine dagegen erhobene Berufung vom 27. Februar 2008 sei mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. März 2008 abgewiesen worden.

Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes habe der Bf am 17. März 2008 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Bundesasylamt Außenstelle Innsbruck gestellt. Bis dato sei über diesen Antrag nicht entschieden worden.

Die Verhängung der Schubhaft sei im konkreten Fall aufgrund des Gesundheitszustandes, welcher auch durch eine psychiatrische Stellungnahme belegt sei, unverhältnismäßig. Ebenso sei jegliche individuelle Prüfung seines Falles unterlassen worden. Der Zweck der Schubhaft hätte auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden können. Die Behörde habe jedoch die Prüfung eines konkreten Sicherungsbedarfes unterlassen.

2.2. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat den bezughabenden Verwaltungsakt am 7. August 2008 übermittelt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

2.3. Der Bf wurde am 4. August 2008 vom Polizeianhaltezentrum Steyr in das Landeskrankenhaus Steyr eingewiesen. Am 5. August 2008 wurde er in das Polizeianhaltezentrum zurück überstellt. Die Schubhaft wurde während dieses Zeitraumes nicht aufgehoben.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, der zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen ist (§ 83 Abs 2 FPG) hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt und unstrittig ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs 2 Z 1 FPG abgesehen werden.

 

2.5. Da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Wesentlichen widerspruchsfrei aus den vorliegenden Dokumenten und den vorgelegten Schriftsätzen – insbesondere aus dem Bescheid der belangten Behörde - ergibt, verweist das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates auf die diesbezüglichen Ausführungen (vgl. unter Punkt 1.1.).

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach § 83 Abs 4 FPG jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Der Bf ist Fremder und wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit 29. Juli 2008 in Schubhaft angehalten. Seine am 4. August 2008 eingelangte Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

3.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

3.3. Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur ist im Rahmen vor der Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1 FPG auch auf § 77 Abs. 1 FPG Bedacht zu nehmen und es darf Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf nach einer entsprechenden Einzelfallprüfung – hinsichtlich Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – angeordnet werden (vgl. z.B. VfSlg. 17.288/2004, m.w.N.).

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich nämlich dann als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können. Insoweit ist das in dieser Bestimmung von ihrem Wortlaut her vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Ein Hinweis auf bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte genügt dabei nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (vgl. bereits VfSlg. 14.981/1997).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde jedoch nicht begründet, inwiefern die Verhängung der Schubhaft erforderlich gewesen sei und die Anwendung gelinderer Mittel nicht zum Tragen hätte kommen können. Die alleinige Feststellung des Vorliegens dieses Erfordernisses ohne konkretem Eingehen auf den Einzelfall ist – auch unter Berücksichtigung des § 57 AVG – als nicht ausreichend zu betrachten (vgl. u.a. Erkenntnis des VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0107).

Die seitens der belangten Behörde aufgestellten Vermutungen zum drohenden Abtauchen des Bf in die Illegalität vermögen – mangels konkreter Anhaltspunkte im Sachverhalt – das Risiko des Untertauchens nicht schlüssig zu begründen.

Im konkreten Fall war im Ergebnis die Verhängung der Schubhaft unverhältnismäßig. Für die Erreichung des von der Behörde angestrebten Ziels wären auch die im Gesetz vorgesehenen gelinderen Mittel, etwa die Auferlegung der Verpflichtung zur Unterkunftnahme an einem bestimmten Ort und zur periodischen Meldung bei einem bestimmten Polizeikommando, denkbar gewesen. Gegenteiliges konnte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Verwaltungssenats unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts von der belangten Behörde nicht ausreichend dargelegt werden.

Jedenfalls hätte zur Sicherung des Verfahrens – nach Abwägung aller Aspekte und vor dem Hintergrund der betroffenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte – aus derzeitiger Sicht auch mit der Verhängung gelinderer Mittel das angestrebte Ziel erreicht werden können.

3.4. Die Verhängung der Schubhaft wie auch die folgende Anhaltung waren somit im Ergebnis nicht verhältnismäßig, da nicht festgestellt werden kann, dass dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit ein dieses überwiegendes Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber steht. Es sind – wie schon ausgeführt – vom Verhalten des Bf diese Interessen nicht konkret sondern allenfalls auf Grund genereller Prognosen beeinträchtigt.

3.5. Die Verhängung der Schubhaft war auch unter Bedachtnahme auf die Alternativen des § 77 FPG und die – von der belangten Behörde nicht ausreichend vorgenommene – Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erforderlich und somit rechtswidrig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist der Bf als obsiegende Partei anzusehen und es waren ihm nach § 79a AVG iVm. der UVS-Aufwandersatzverordnung Kosten von insgesamt 677,60 Euro zuzusprechen.

5. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 16,80 Euro (13,20 Euro für den Schriftsatz und 3,60 für eine Beilage) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei. Diese Gebühren sind im zugesprochenen Aufwandersatz (vgl. 4.) bereits enthalten. Auf § 79a Abs. 4 Z. 1 AVG wird hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

 

Rechtssatz:

 

VwSen-400961/5/Ste/Wb

 

Schubhaft

 

FPG 76 Abs. 1

 

keine Prüfung des gelinderen Mittels durch die belangte Behörde - ständige Rechtsprechung

 

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