Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251942/2/Gf/Mu/Se

Linz, 07.11.2008

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde der M D, vertreten durch RA Dr. B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 24. September 2008, Zl. SV96-5-1-2008, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

I.            Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

II.        Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 9. Juni 2008, Zl. SV96-5-1-2008, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Stunden) verhängt, weil sie vom 10. bis zum 28. Jänner 2008 in ihrem Hotel einen Dritten beschäftigt gehabt habe, ohne diesen zuvor beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb sie gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 18. Juli 2008, Zl. VwSen-251857/Gf/Mu/Ga, stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG und i.V.m. § 27 VStG nicht der Bezirkshauptmann von Schärding, sondern der Bürgermeister der Stadt Linz örtlich zuständig ist.

1.3. In der Folge hat der Bürgermeister der Stadt Linz mit Schreiben vom 16. September 2008, Zl. 43293/2008, die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens dem Bezirkshauptmann von Schärding „nach § 29a VStG abgetreten, da der Wohnsitz der Beschuldigten ..... in T ist“.

1.4. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 24. September 2008, Zl. SV96-5-1-2008, wurde über die Rechtsmittelwerberin neuerlich eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Stunden) verhängt, weil sie von 10. bis zum 28. Jänner 2008 in ihrem Hotel einen Dritten beschäftigt gehabt habe, ohne diesen zuvor beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben, sodass sie dadurch eine Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG begangen habe, weshalb sie gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

1.5. Gegen dieses der Rechtsmittelwerberin am 2. Oktober 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. Oktober 2008 – und damit rechtzeitig – per Telefax bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

2. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 51c und § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG erwogen:

3.1. Nach § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG begeht jener Dienstgeber eine Verwaltungsübertretung und ist dieser hiefür mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der eine von ihm beschäftigte und nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person nicht vor deren Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

„Zuständiger Krankenversicherungsträger“ i.S.d. § 33 Abs. 1 ASVG ist für sämtliche im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangene Verwaltungsübertretungen die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz. Somit ist – wie sich aus dem bereits oben unter 1.2. angeführten Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 18. Juli 2008 ergibt – der Bürgermeister der Stadt Linz grundsätzlich die für die Erledigung sämtlicher aus Anlass einer im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangenen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständige Behörde i.S.d. § 27 Abs. 1 VStG.

§ 29a VStG ermöglicht es jedoch der örtlich zuständigen Behörde, das Strafverfahren an jene sachlich zuständige Behörde zu übertragen, in deren Sprengel der Beschuldige seinen Hauptwohnsitz hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird.

3.2. Im gegenständlichen Fall hat die örtlich zuständige Behörde nicht einmal ansatzweise zu begründen versucht, weshalb sie hier das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29a VStG für gegeben erachtete, sondern lediglich angeführt, dass „der Wohnsitz der Beschuldigten ..... in T“, also im Sprengel der belangten Behörde gelegen ist.

Damit ist jedoch noch nicht dargetan, dass durch eine entsprechende Übertragung auch das Verwaltungsstrafverfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt würde.

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen, insbesondere Übertretungen der Straßenverkehrsordnung betreffenden Erkenntnissen ausgesprochen, dass eine Übertragung des Strafverfahrens an die für den Wohnsitz des Beschuldigten zuständige Behörde „grundsätzlich“ eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung erwarten lässt (vgl. z.B. VwGH v. 23. September 1987, Zl. 87/03/0119, und vom 28. Mai 1993, Zl. 93/02/0032). Allerdings handelt es sich im gegenständlichen Fall nicht – wie dort – bloß um ein Ein-, sondern schon ex lege um ein Mehrparteienverfahren: Denn nach § 111a ASVG hat jene Abgabenbehörde des Bundes, deren Prüforgane die Person betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 ASVG nicht vor ihrem Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurde, nach § 111 Parteistellung. Verzichtet die Abgabenbehörde auf ihre Parteistellung, so tritt der Sozialversicherungsträger in diese Parteistellung ein. Ein derartiger Verzicht ist gegenüber der Bezirksverwaltungsbehörde (= gegenüber der gemäß § 27 Abs. 1 ASVG örtlich zuständigen Verwaltungsstrafbehörde) ausdrücklich zu erklären; diese hat den Versicherungsträger davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Ein solcher Verzicht bewirkt zudem – in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise – die Unterbrechung aller in Betracht kommenden Verfahrensfristen.

Im Hinblick auf die den Legalparteien gemäß § 111a ASVG eingeräumten Möglichkeiten kann daher nicht schon a priori und ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die in § 29a VStG normierte Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens stets dann eintritt, wenn dieses der Wohnsitzbehörde des Beschuldigten übertragen wird. Abgesehen davon, dass damit unter bestimmten Umständen auch eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) einhergehen könnte, muss sohin in den Fällen einer Übertretung gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG eine Übertragung des Strafverfahrens nach § 29a VStG stets entsprechend begründet werden, wobei hier – weil ja in der Regel bereits im erstbehördlichen Verfahren eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen unerlässlich sein wird – die konkreten Anfahrtswege, Erreichbarkeiten u.ä. der Zeugen einerseits und jene des Beschuldigten und der übrigen Verfahrenspartei(en) andererseits jeweils entsprechend sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind.

3.3. Eine diesen Anforderungen entsprechende Begründung lässt sich jedoch – worauf bereits oben unter 1.3. hingewiesen wurde – weder dem Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16. September 2008, Zl. 43293/2008, entnehmen noch ergibt sich eine solche (erst recht nicht) offenkundig aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.

Insgesamt resultiert sohin, dass das Verwaltungsstrafverfahren von der unzuständigen Behörde durchgeführt wurde.

3.4. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hatte hingegen nicht zu erfolgen; vielmehr hat die zuständige Behörde aus eigenem zu beurteilen, ob eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung vorliegt und darauf aufbauend zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Verwaltungsstrafverfahren von dieser fortgeführt wird oder nicht.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

§ 33 Abs. 1 ASVG, § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG, § 111a ASVG; § 29a VStG

 

Im Falle eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG kann eine Übertragung nach § 29a VStG im Hinblick auf die Legalparteistellung der Abgabenbehörde bzw. des Sozialversicherungsträgers gemäß § 111a ASVG nicht allein mit dem Hinweis auf den Hauptwohnsitz des Beschuldigten begründet werden; vielmehr ist eine solche Übertragung im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens stets entsprechend konkret zu begründen, wobei in diesem Zusammenhang – weil ja in der Regel bereits im erstbehördlichen Verfahren eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen unerlässlich sein wird – die konkreten Anfahrtswege, Erreichbarkeiten u.ä. der Zeugen einerseits und jene des Beschuldigten und der übrigen Verfahrenspartei(en) andererseits jeweils entsprechend sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind.

 

 

 

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