Linz, 03.07.2009
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 14. Mai und am 25. Juni 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des A R, W, D, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29. August 2008, Zl. BZ-Pol-76054-2008, wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Höhe von vier Mal je 400 Euro (insgesamt: 1.600 Euro) zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF;
zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber (Bw) Geldstrafen in der Höhe von viermal 2.000 Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafen von viermal 34 Stunden verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma I H GmbH, W, B, zu verantworten habe, dass die ungarischen Staatsbürgerinnen
1) G A, geb. ,
in der Zeit von 7.5.2008 bis zumindest 16.5.2008,
2) K M, geb. ,
in der Zeit von 8.5.2008 bis zumindest 16.5.2008,
3) H N, geb. ,
in der Zeit von 8.5.2008 bis zumindest 16.5.2008 und
4) S R G, geb. ,
in der Zeit von 8.5.2008 bis 16.5.2008
im Nachtclub "G-W", W, G, als Tänzerinnen beschäftigt worden seien, obwohl für diese Ausländerinnen weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder Niederlassungsnachweis ausgestellt worden sei.
In der Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis auf den Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 28. August (richtig wohl: Juli) 2008 und auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. August 2008.
Beweiswürdigend führt das angefochtene Straferkenntnis aus, dass die objektive Tatseite der im Spruch beschriebenen Verwaltungsübertretung aufgrund der Angaben in der Anzeige und den von den Tänzerinnen ausgefüllten Personenblättern als erwiesen anzusehen sei.
Zur Strafbemessung sei als Strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit zu werten. Erschwerungsgründe seien keine vorgelegen. Die von der Behörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung angenommenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien – mangels Angaben des Bw – berücksichtigt worden.
2. In der Berufung vom 16. September 2008 brachte der Bw vor, dass er während der Aufforderung zur Rechtfertigung auf Urlaub gewesen sei. Die Ausländerinnen hätten als selbständige Unternehmer gearbeitet. Vor Lokaleröffnung habe der Bw mit Herrn W T von der KIAB ausführlich die Situation besprochen, zusätzlich habe er Herrn G von der Kripo Wels konsultiert, um "eine für beide Seiten zufriedenstellende Situation zu schaffen".
Als Beilage sind die Engagementverträge mit den vier Ausländerinnen in Kopie angeschlossen.
Der Berufung beigelegt sind "Engagementverträge" mit folgendem Inhalt:
Zeitraum von: 07.05.2008 bis: 25.05.08
Laut Strafantrag des Finanzamtes G W vom 28. Juli 2008 sei am 16. Mai 2008 um 23.15 Uhr durch Erhebungs- und Kontrollorgane des Finanzamtes mit Unterstützung von Polizeibeamten der Polizeidirektion W im Nachtclub "G-W", W, G, eine Kontrolle nach dem AuslBG und ASVG durchgeführt worden. Mit den angetroffenen (5) weiblichen Personen, welche in typischer Clubbekleidung angetroffen worden seien, seien Personenblätter aufgenommen worden. Darin sei von den Damen angegeben worden, als Tänzerinnen tätig zu sein und ein Fixum von 20 bzw. 50 Euro pro Tag zu erhalten. Von 3 Tänzerinnen sei angegeben worden, dass die Wohnung vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werde. Als Arbeitszeit seien 8 Stunden täglich angegeben worden. Die gegenständlichen vier Ausländerinnen hätten über keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen verfügt und seien nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Aufgrund der starken wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfungen (Wohnmöglichkeit, Bindung an die Öffnungszeiten, festgelegtes Entgelt) sei von einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen.
Einer Niederschrift mit H R (Bruder des Bw) ist zu entnehmen, dass dieser angegeben habe, dass die Tänzerinnen seit 7.5.2008 im Lokal "G-W" aufgrund eines Werkvertrages tätig seien. Montag und Dienstag sei Ruhetag. Die tägliche Arbeitszeit der Tänzerinnen betrage 8 Stunden. Die Losungsaufzeichnungen würden derzeit noch als Stricherlliste erfolgen. Eine Registrierkasse werde derzeit programmiert.
In den Personenblättern finden sich folgende Einträge:
Familien- und Vorname: S R
Staatsbürgerschaft: keine Eintragung
Wohnadresse: G, V
Ich arbeite derzeit für: R S
Beschäftigt als/seit: "Tancos" 2008.05.08
Ich erhalte: € 20 pro Tag
Wohnung: ist angekreuzt
Tägliche Arbeitszeit: 8 Stunden
Mein Chef heißt: A
Zusätzliche amtliche Vermerke: Bikini
Familien- und Vorname: K M
Staatsbürgerschaft: Ungar
Wohnadresse: G, V
Ich arbeite derzeit für: Wels rest
Beschäftigt als/seit: "T" seit 2008.05.08
Ich erhalte: € 20 pro Tag
Wohnung: ist angekreuzt
Tägliche Arbeitszeit: 8 Stunden
Mein Chef heißt: A
Zusätzliche amtliche Vermerke: Bikini
Familien- und Vorname: H N
Staatsbürgerschaft: Ungarn
Wohnadresse: E B; G, V
Ich arbeite derzeit für: Wels rest
Beschäftigt als/seit: "T" seit 2008.05.08
Ich erhalte: € 20
Wohnung: ist angekreuzt
Tägliche Arbeitszeit: 8 Stunden
Mein Chef heißt: A
Zusätzliche amtliche Vermerke: Bikini
Familien- und Vorname: G A
Staatsbürgerschaft: Ungarn
Wohnadresse: K J; T, W
Ich arbeite derzeit für: A
Beschäftigt als/seit: "T" seit 2008.05.07
Ich erhalte: € 20 pro Tag
Tägliche Arbeitszeit: 8 Stunden
Mein Chef heißt: A
Zusätzliche amtliche Vermerke: schwarzer Hosenanzug
Der Anzeige liegen ferner die "Engagementverträge" bei.
Der Anzeige sind weiters noch Kopien eines Personenblatts von A W, von vier Engagementverträgen und diverser Reisedokumente angeschlossen.
Zur Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. August 2008 ist im Akt keine Antwort des Bw enthalten.
"ca.
Picollo 15 min
½ Flasche 30 min
große Flasche 60 min
Tanzen-große Bühne 3 Songs
Tabledance 2 Songs **
KEINEN intimen Kontakt zum Gast!
* Rauchverbot in den Tabledance Kabinen
* Jetons für Tabledance bekommt der Gast
bei der/dem Kellner/in
* Wenn dein Gast geht, Tisch abräumen
* Den Gast vorher informieren,
dass im V.I.P. andere Preise sind
* Nur in Absprache mit der/dem Kellner/in in den V.I.P.
* Barbereich nur für Kellner/in
* Handys bleiben im Aufenthaltsraum
* Im Aufenthaltsraum Ordnung halten
* Essen nur im Aufenthaltsraum
Bestellungen Pizza Semo bis 22:00 Uhr!
Abrechnung Mittwoch nach Dienst
Getränke 1 Longdrink welcome
2 – 3 Alkoholfrei / Schank Cola, Wasser, Sprite 0,-"
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:
Das angefochtene Straferkenntnis stützt den entscheidungswesentlichen Sachverhalt auf die Anzeige und die Personenblätter. Der Bw hält dem die "Selbstständigkeit" der Ausländerinnen und Erkundigungen zur Rechtslage entgegen.
Was das Argument der Selbstständigkeit der Ausländerinnen betrifft, so sind nicht formelle Verträge sondern die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit der Ausländerinnen maßgebend (§ 2 Abs.2 AuslBG – "wahrer wirtschaftlicher Gehalt").
Unter Heranziehung der Personenblätter und der Auskunft des H R anlässlich der Kontrolle ist davon auszugehen, dass die Ausländerinnen bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden eine Entlohnung von 20 Euro pro Tag erhielten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Ausländerinnen verpflichtet waren, im Lokal anwesend zu sein und Tanzdarbietungen zu leisten. Letzteres ergibt sich nicht nur aus dem Charakter des Lokals sondern auch aus dem Engagementvertrag, in welchem sogar eine Konventionalstrafe festgelegt ist. Das Verhalten der Ausländerinnen während der Arbeitszeit war durch eine Betriebsordnung geregelt. Eine Einbindung in die Betriebsorganisation ergibt sich auch aus der (entgeltlichen) Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit und der Infrastruktur des Lokals (Umkleideraum, Barbetrieb).
In rechtlicher Hinsicht ist von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auszugehen, nach der gilt: "Wenn aber ein ausländischer Staatsangehöriger bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei der Tätigkeit unter anderem auch bei einer sog. "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb der Fall ist), dann ist die Behörde – unabhängig von der weiteren Feststellung einer Beteiligung am Umsatz – berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen" (Erkenntnis vom 6.11.2006, Zl. 2005/09/0128). Weiters sei beispielshaft auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.4.2005, Zl. 2003/01/0489 hingewiesen, wonach "die... Betätigung als Tänzerin... in einem Barbetrieb oder einem vergleichbaren Etablissement... nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs.2 AuslBG zu beurteilen" ist (unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.1.2004, Zl. 2001/09/0131).
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung und unter Beachtung der Bindung der Ausländerinnen an eine Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag, eine nach Zeit bemessene Entlohnung (20 Euro pro Tag), die Bindung an eine als Weisung zu qualifizierende Betriebsordnung und die sonstigen Momente der Eingliederung in die Betriebsorganisation ist – nicht von Selbstständigkeit der Ausländerinnen sondern – von einer Beschäftigung im Sinne des AuslBG auszugehen. Dem steht (wegen des Grundsatzes des "wahren wirtschaftlichen Gehalts") auch nicht entgegen, dass die Ausländerinnen gegebenenfalls "eigene Steuernummern" hatten (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2004, Zl. 2004/09/0026) oder ein auf Selbstständigkeit hindeutender Aufenthaltstitel vorlag (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.9.2004, Zl. 2001/09/0202). Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt: Sollte der Bw, was nicht der Fall war, versuchen zu argumentieren, dass die Ausländerinnen die Entlohnung (oder einen Teil derselben) von Seiten der Gäste bezogen, so wäre dem abermals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.11.2006, Zl. 2005/09/0128 entgegenzuhalten, wo es in Fortsetzung des obigen Zitates heißt: "Durfte die Behörde daher von einem solchen Dienstverhältnis ausgehen, dann ergibt sich der Entgeltanspruch im Zweifel aus § 1152 ABGB... (Es) vermöchte (nichts)... am Charakter von Zahlungen als Entgelt zu ändern, wenn dieses – oder wesentliche Teile desselben – faktisch unmittelbar durch Dritte (z.B. unmittelbar durch die konsumierenden Gäste) geleistet würde)..." Auch im Erkenntnis vom 9.10.2006, Zl. 2005/09/0086 hebt der Verwaltungsgerichtshof hervor, dass die Entgeltleistung durch Dritte nicht gegen die Qualifikation als Arbeitnehmerähnlichkeit eingewendet werden kann.
Die Taten sind daher dem Bw in objektiver und, da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigt sind die Taten durch die Rechtsunkenntnis des Bw. Wenn sich der Bw auf Vorsprachen bei der Polizei und dem Finanzamt beruft, so sind solche Rechtsauskünfte schon deshalb unerheblich, weil sie nicht – was zur Entlastung erforderlich wäre – von der zuständigen Behörde (also dem örtlich zuständigen AMS) stammen. Darüber hinaus wurde gar nicht behauptet, dass die Rechtsauskünfte konkret bezogen auf das vom Bw letztlich gewählte Modell eingeholt worden waren, ist es doch "ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur im Falle der Erteilung einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft der zuständigen Behörde, im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden könnten; hingegen ist es aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, dass die Beschäftigung eines Ausländers grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf" (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.9.2008, Zl. 2008/09/0187).
Zur Bemessung der Strafhöhe ist festzuhalten, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzlich vorgesehene Mindestgeldstrafe und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde. Eine Unterschreitung dieser Grenze unter dem Titel schlechter finanzieller Verhältnisse ist rechtlich nicht möglich. Mildernd wirkt die Unbescholtenheit des Bw. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht hervorgekommen. Die Taten bleiben auch nicht soweit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass an eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG zu denken wäre. Insbesondere ist das im Unterlassen geeigneter Rechtsinformation gelegene Verschulden nicht als geringfügig einzustufen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten gesetzlichen Grundlage.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Ewald Langeder