Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401019/5/WEI/Se

Linz, 16.07.2009

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des B J, geb.     , Staatsangehöriger von Gambia, dzt. im Polizeianhaltezentrum (PAZ) 1090 Wien, Rossauer Lände, vertreten durch Mag. N J, p.A. Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, W, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Wels zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Beschwerde wird Folge gegeben, der Schubhaftbescheid vom 4. Dezeber 2008 und die darauf beruhende Anhaltung seit 5. Dezember 2008 für rechtswidrig erklärt und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

II.              Der Bund (Verfahrenspartei Bundespolizeidirektion Wels) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 764 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 29/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Gang des Verfahrens und S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden Bf), ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste am 23. Juli 2004 von Italien kommend mit dem Zug illegal in Österreich ein. Er beantragte erstmals am 23. Juli 2004 beim Bundeasylamt, Aussenstelle Wien, zu Zl. 04 15.017 Asyl. Sein Asylantrag wurde in erster Instanz abgewiesen, die Abschiebung nach Gambia für zulässig erklärt und die Ausweisung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 16. September 2008, Zl. A2 268.007-0/2008/15E, gemäß §§ 7, 8 Abs 1 und 2 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen, wobei die Rechtskraft am 17. September 2008 eintrat.

 

Der Bf war laut Asylwerberinformationsdatei nach anfänglicher Bundesbetreuung in Traiskirchen im Rahmen der Grundversorgung in verschiedenen Quartieren in Wien, zuletzt im Flüchtlingshaus der Diakonie , Glasergasse 27, 1090 Wien, bis 17. Jänner 2008 untergebracht. Er kam dann wegen Suchtmitteldelikten ab 15. Jänner 2008 in Gerichtshaft. Er wurde zuletzt mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu Zl. 152 Hv 22/08g vom 23. April 2008 rechtskräftig wegen § 28a Abs 1 SMG, 15 StGB und § 27 Abs 1 Z 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Er wurde laut Vollzugsinformation der JA Wels schon am 24. Oktober 2005 wegen Suchtmittelvergehen nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 1. Fall SMG vom Landesgericht für Strafsachen Wien Zl. 162 Hv 154/05p, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten und vom Bezirksgericht Leopoldstadt am 2. Februar 2006, Zl. 39 U 33/05z, wegen § 27 Abs 1 SMG zu 3 Wochen Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Mit 5. Dezember 2008 um 08:30 Uhr wurde der Bf aus der Strafhaft entlassen. Die belangten Behörde beauftragte das Stadtpolizeikommando Wels aus diesem Anlass den Bf aus der Justizanstalt Wels abzuholen, ihm einen vorbereiteten Schubhaftbescheid auszufolgen und ihn ins PAZ Wels einzuliefern.

 

1.2. Mit Mandatsbescheid vom 4. Dezember 2008, Zl. 1-1025684/FP/08, ordnete die belangte Behörde gegen den Bf auf Basis des § 76 Abs 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Den Bescheid übernahm der Bf am 5. Dezember 2008 um 08:30 Uhr. Er wurde in weiterer Folge ins PAZ Wien zum Vollzug der Schubhaft überstellt.

 

Zur Begründung wird im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

 

"Für die Anordnung der Schubhaft war folgender Sachverhalt maßgebend:

 

Sie haben folgende Aufenthaltsverbots- bzw. Ausweisungstatbestände erfüllt:

 

Sie wurden von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt: Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 23.04.2008, GZ: 152Hv22/08g wegen §§ 28/1, 27/1/1 SMG und 15 StGB zu 10 Monaten Freiheitsstrafe (§ 60 Abs. 2 Zi. 1 FPG);

Die Bundespolizeidirektion Wien hat gegen Sie zur AZ: III-1193649/FrB/06 ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen

 

Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des bzw. der fremdenpolizeilichen Verfahren war notwendig, da zu befürchten war, dass Sie sich dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werden.

 

Die Verhängung der Schubhaft ist im Hinblick auf das zu erreichende Ziel angemessen und verhältnismäßig.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit erreicht werden kann.

 

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG kam nicht in Betracht, da die Behörde keinen Grund zur Annahme hatte, dass der Zweck der Schubhaft auch durch dessen Anwendung erreicht werden kann, da ihr Asylverfahren in zweiter Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde und aus Ihrem bisherigen Verhalten geschlossen werden kann, dass Sie das österreichische Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen werden."

 

1.3. Am 15. Dezember 2008 stellte der Bf noch während seiner Anhaltung im PAZ Wels einen weiteren Asylantrag. Bei der Erstbefragung durch ein Organ der öffentlichen Sicherheit gab er an, Österreich seit seinem Erstantrag vom 23. Juli 2004 nie verlassen zu haben. Er habe keine neuen Gründe ,wolle aber trotzdem Asyl. An seinem letzten Wohnsitz in Wien hätte er Freunde getroffen, die ihm sagten, dass sich in Gambia nichts geändert hätte. In den letzten 11 Monaten sei er in Haft gewesen, davon 3 Monate in Wien und 8 Monate in Wels. Die im ersten Asylantrag vorgebrachten Gründe halte er aufrecht.

 

Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 vom 19. Dezember 2008 gab das BAA EASt West dem Bf und der belangten Behörde bekannt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache im Sinne des 3 68 AVG zurückzuweisen.

 

Mit Bescheid des BAA EASt West vom 2. Jänner 2009, Zl. 08 12.635, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 15. Dezember 2008 im Spruchpunkt I gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und im Spruchpunkt II die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Gambia gemäß § 10 Abs 1 AsylG angeordnet.

 

Mit dem am 3. Februar 2009 zugestellten Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29. Jänner 2009, Zl. A1 268.007-2/2009/2E, wurde die gegen den zitierten Bescheid des BAA erhoben Beschwerde gemäß § 68 AVG und § 10 Abs 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

 

1.4. Am 7. Jänner 2009 wurde der Bf von der belangten Behörde fremdenpolizeilich einvernommen. Er gab an ledig und für niemanden sorgepflichtig zu sein. Seine Mutter und zwei Geschwister wären in Gambia. Er habe in Österreich keine Angehörigen. Er besitze keine Dokumente, um seine Herkunft zu beweisen. Seine Mutter könnte ihm keine Dokumente besorgen, er hätte auch keinen Kontakt zu seiner Familie. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er in Schubhaft bleiben müsse und diese auch verlängert werde, wenn er nicht beiträgt, seine Identität zu beweisen.

 

Zu seiner Heimatadresse befragt, erklärte der Bf, dass er seit 2004 von zu Hause weg wäre und nicht schreiben könnte, weil er nicht in der Schule gewesen wäre. Er sei gambischer Staatsangehöriger und sein Heimatort sei Krandaba. Er könne nicht angeben, in welchem Teil von Gambia dieser Ort liegt. Als er Gambia verließ, wäre er 15 Jahre alt gewesen. Er wäre schon so oft gefragt worden, warum er Gambia verlassen habe und wolle keine Angaben mehr machen.

 

Dem Bf wurde vorgehalten, dass "laut Verein Menschenrechte" freiwillige Rückkehrende nach Gambia keine Probleme gehabt hätten. Der Bf erklärte dazu, dass ihn das nicht interessiere.

 

1.5. Mit Schreiben vom 13. Jänner 2009 wendete sich die belangte Behörde an die Abteilung II/3 des Bundesministerium für Inneres (BMI) wegen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf. Sie teilte dem BMI die ihr bekannten Daten mit und übersendete die notwendigen Unterlagen (2 Lichtbilder, 10-Finger Abdruckblatt, Formblatt). Die belangte Behörde berichtete auch, dass der Bf nicht gewillt wäre, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken, und dass er eine freiwillige Rückkehr durch den Verein "Menschenrechte" abgelehnt hätte.

 

Im E-Mail des BMI, Referat II/3/c (Heimreisezertifikate), vom 8. Mai 2009 an die belangte Behörde heißt es:

 

"In der Anlage wird die Zustimmung der gambischen Botschaft vom 05.02.2009 zur Kenntnisnahme und weiteren selbständigen Veranlassung insbesondere Kontaktaufnahme mit dem HGK Dr. H wegen Ausstellung des Heimreisezertifikates übermittelt."

 

Dabei befindet sich im vorgelegten Aktenkonvolut ein Schreiben vom 5. Februar 2009 in englischer Sprache von "The Gambia High Comission, 57 Kensington Court, London W8 5DG" zu Zl. GHC/L/164/GS(85). Dieses Schreiben ist an Dr. S G. H, Hon. C G, V, adressiert und bezieht sich auf insgesamt 6 Personen, wobei an 5. Stelle der Bf mit Geburtsdatum genannt wird. Inhaltlich geht daraus sinngemäß hervor, dass das Innenministerium, Department für Fremdenpolizei und Grenzkontrolle, Notreisedokumente für die genannten Personen versendet hat, um deren Rückkehr nach Gambia zu ermöglichen.

 

Aus einen handschriftlich vermerkten Telefonat vom 12. Mai 2009 mit Frau F ergibt sich, dass das auszustellende Heimreisezertifikat nur kurze Zeit Gültigkeit habe, weshalb die direkte Kontaktaufnahme mit Honorargeneralkonsul (HGK) Dr. H erforderlich sei.

 

Mit E-Mail vom 14. Mai 2009 antwortete der HGK Dr. H der belangten Behörde auf ihre Anfrage zum Heimreisezertifikat vom 12. Mai 2009, dass für den Bf die Unterlagen für das Heimreisezertifikat in seinem Büro seien. Für eine weitere angefragte Person hätte er keine Unterlagen.

 

1.6. Mit E-Mail vom 28. Mai 2009 ersuchte die belangte Behörde das BMI unter Anschluss des Abschiebeauftrags zum organisierten Schubtermin am 11. Juni 2009, 06:55 Uhr, um begleitete Abschiebung des Bf auf dem Luftweg (Flüge von Wien über Brüssel nach Gambia). Zur Begründung führte sie aus, dass der Fremde das Bundesgebiet nicht verlassen wolle, weshalb damit gerechnet werden müsse, dass er sich der Abschiebung widersetzten werde. Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 gab das BMI die für die Flugbegleitung vorgesehenen drei Beamten des LPK Oberösterreich bekannt, die ihn vom PAZ Wien abholen werden. Das Heimreisezertifikat war kurzfristig vorher beim HGK Dr. H anzuholen.

 

Nach dem Bericht der Begleitbeamten des Stadtpolizeikommandos Linz vom 11. Juni 2009 habe sich der Bf am 10. Juni 2009 von 13:00 bis 14:00 Uhr beim Informationsgespräch mit Herrn S, Schubhaftbetreuer vom Verein "Menschenrechte Österreich", einsichtig und ausreisewillig gezeigt und angegeben, keinen Widerstand leisten zu wollen. Beim Eintreffen des Abschiebeteams habe der diensthabende Wachkommandant des PAZ Wien mitgeteilt, dass seit 23:30 Uhr drei Personen des MigrantInnenvereins St. Marx ("Verein Ute Bock") anwesend wären, das der Bf ihres Wissens einen Asylfolgeantrag gestellt habe. Die drei Frauen (Fr. A, Fr. K und Fr. D) hätten sich im Warteraum zum PAZ Eingang befunden und beim Eintreffen des Abschiebeteams sofort vehement den Kontakt zum Bf verlangt. Dieser sei geweckt und zu dem im Hof abgestellten Dienstfahrzeug gebracht worden. Er habe sich ausgesprochen kooperativ verhalten. Als er um 03.45 Uhr schon im Dienstfahrzeug sitzend Kontakt mit den Vertreterinnen des MigrantInnenvereins hatte, stellte er nach Zuruf einen neuerlichen Asylantrag, der vom Wachkommandanten entgegen genommen worden sei (Näheres in der Meldung des AI W D vom PAZ Wien). Der Einsatz wurde daraufhin abgebrochen und der Bf wieder in die Räume des PAZ gebracht.

 

1.7. Mit der Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 vom 16. Juni 2009 gab das BAA EASt Ost dem Bf und der belangten Behörde bekannt, dass beabsichtigt sei, den neuerlichen Asylantrag zurückzuweisen, weil entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass die Mitteilung auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gelte.

 

Aus der Asylwerberinformationsdatei zum Asylverfahren  09 06.923 ergibt sich, dass das BAA EASt Ost einen Zurückweisungsbescheid gemäß § 68 AVG am 1. Juli 2009 erlassen hat. Weitere Schritte sind dem vorgelegten Akt nicht zu entnehmen.

 

Im Vorlageschreiben der belangten Behörde vom 13. Juli 2009 wird dazu noch ausgeführt, dass auf Grund der Mitteilung des BAA EASt Ost gemäß § 29 Abs 3 AsylG eine Entlassung aus der Schubhaft nicht in Erwägung gezogen worden sei, zumal der Bf niemals erwähnt hätte, dass er eventuell ein Unterkunft hätte.

 

Die Fremdenpolizei Wels sei zur Zeit wieder in Koordinierungsvorbereitungen zwecks neuerlicher Abschiebung und ersuche, die Schubhaft aufrecht erhalten zu dürfen. In zwei dis drei Wochen müsste alles gebucht sein. Für den Fall der Entlassung aus der Schubhaft sei davon auszugehen, dass sich der Bf absetzte, zumal er nun wisse, das ihn Gambia zurücknimmt. Dadurch wären die aufwändigen Vorbereitungsarbeiten vergeblich gewesen.

 

1.8. Mit der per Telefax am 10. Juli 2009 um 17:23 Uhr außerhalb der Amtsstunden (Wiederbeginn am 13.07.2009) eingebrachten Eingabe, hat der Bf vertreten durch Frau Mag. N J von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien, Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 FPG mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit ihrem Beginn am 5. Dezember 2008 eingebracht und die kostenpflichtige Rechtswidrigkeitserklärung beantragt.

 

2.1. Die Schubhaftbeschwerde bringt zum Sachverhalt vor, dass sich der Bf seit dem Jahr 2004 in Österreich weder einem fremdenpolizeilichen noch einem Strafverfahren entzogen habe. Es sei bis auf Unterbrechungen durch Haftzeiten ständig in Quartieren der Grundversorgung, zuletzt im Flüchtlingshaus Glasergasse 27, 1090 Wien, untergebracht gewesen, wo er nach der Haft wieder zurückkehren hätte können.

 

Zur Verhängung der Schubhaft wird ausgeführt, dass der Bescheid die im BVG zum Schutze der persönlichen Freiheit vorausgesetzte Begründung nicht erfülle, da keinerlei Verdachtsmomente im Hinblick auf ein etwaiges "Untertauchen" vorlagen. Dem Schubhaftbescheid sei nicht zu entnehmen, warum die belangte Behörde meinte, der Bf könnte sich einer fremdenpolizeilichen Maßnahme entziehen.

 

Die Begründung durch Aufenthaltsverbots- bzw. Ausweisungstatbestände sei für die Verhängung der Schubhaft irrelevant. Relevante Voraussetzung sei, dass im Entscheidungszeitpunkt mit Recht angenommen werden können müsse, der Fremde werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren (Hinweis auf VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0100). Der Bescheid, bestehend aus aneinandergereihten Textbausteinen, lasse ein Eingehen auf den Einzelfall nicht erkennen. Der Bf habe auch kein Möglichkeit zur Stellungnahme, geschweige denn zum Zeigen seines Wohlverhaltens gehabt. Die Schubhaftverhängung und die andauernde Anhaltung wären weder notwendig noch verhältnismäßig.

 

Auch ein gelinderes Mittel hätte ohne weiteres angewandt werden können. In Betracht käme die Anordnung der Unterkunftnahme in behördlich bestimmten Räumen oder der Bekanntgabe einer Meldeadresse oder eines Zustellbevollmächtigten. Die Schubhaft wäre verhängt worden, ohne Alternativen auszuschöpfen. Warum nicht mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden hätte werden können habe die belangte Behörde ebenfalls nicht adäquat erklärt. Im konkreten Fall spreche dafür, dass der Bf jederzeit wieder im Grundversorgungsquartier hätte leben können.

 

2.2. Die belangte Behörde hat ihm Vorlageschreiben den Sachverhalt rudimentär geschildert und hat die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Die belangten Behörde hat dem Bf den Schubhaftbescheid am 5. Dezember 2008 um 08:30 Uhr  in der Justizanstalt Wels zugestellt und ihn seither in Schubhaft angehalten. Die eingebrachte Schubhaftbeschwerde ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof hat es erst jüngst für zulässig angesehen, den in Vollzug gesetzten Schubhaftbescheid und damit die Verhängung der Schubhaft auch noch Monate später zu bekämpfen, wenn nur die Sechswochenfrist nach Beendigung der Schubhaft eingehalten wurde (vgl VwGH 30.4.2009; Zl. 2006/21/0135).

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Nach § 76 Abs 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Nach § 76 Abs 6 FPG kann die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft nach Abs 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist bei Eingriffen in das Recht auf persönliche Freiheit stets das unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl Erk. des VfGH vom 24.6.2006, B 362/06). Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist stets dazu verpflichtet, die einzelnen Schubhafttatbestände verfassungskonform auszulegen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (vgl Erk. des VfGH vom 15.6.2007, B 1330 und 1331/06).

 

Dementsprechend judiziert der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile in ständiger Judikatur, dass auch die Gründe, aus denen über einen Asylwerber gemäß § 76 Abs 2 FPG Schubhaft angeordnet werden kann, im Lichte des Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen sind, wobei eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist. Hieraus folge die Verpflichtung der die Schubhaft anordnenden Behörde nachvollziehbar darzulegen, inwiefern die Anordnung der Schubhaft erforderlich ist, um den Sicherungszweck zu erreichen. In diesem Sinn seien auch Überlegungen anzustellen, ob dem Sicherungszweck bereits durch die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG entsprochen werden kann (vgl je mwN VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051 unter Hinweis auf Erk. des VfGH 24.6.2006, Zl. B 362/06; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0027). Im Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgeführt, dass dies im Ergebnis bedeute, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch judiziert, dass die Schubhaft keinesfalls dazu dienen dürfe, den Fremden von der Begehung weiterer Straftaten bis zur Abschiebung abzuhalten (vgl VwGH 7.2.2008; Zl. 2007/21/0446, VwGH 28.3.2006, Zl. 2004/21/0039). Die Annahme einer Schubhaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit stellt nämlich keinen tauglichen Schubhaftzweck dar (vgl VwGH 22.5.2007, Zl. 2006/21/0052, VwGH 31.8.2006, Zl. 2006/21/0087).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. Im Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0107, hat der Verwaltungsgerichthof die Rechtsansicht vertreten, dass bei fehlenden Ausführungen im Schubhaftbescheid zum Sicherungsbedarf und bei gänzlichem Fehlen nachvollziehbarer Begründungselemente von der Rechtswidrigkeit des angeordneten Freiheitsentzuges auszugehen sei.

 

Im gegenständlichen Schubhaftbescheid wird zum Sachverhalt lediglich ganz allgemein auf erfüllte Aufenthaltsverbots- und Ausweisungstatbestände hingewiesen und dazu eine strafgerichtliche Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 23. April 2004, Zl. 152 Hv 22/08g wegen Suchtmitteldelikten zu 10 Monaten Freiheitsstrafe mit Hinweis auf § 60 Abs 2 Z 1 FPG angeführt. Außerdem wird noch ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Wien zu Zl. III-1193649/FrB/06 ohne Datum und weitere Erläuterungen erwähnt. Andere Umstände hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

 

Die weitere Begründung (vgl die wörtliche Wiedergabe unter Punkt 1.2.) besteht aus einer schablonenhaften Aneinanderreihung von Textbausteinen, die argumentativer Überlegungen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entbehren und damit nicht als nachvollziehbare Begründungselemente angesehen werden können. Der Beschwerde ist beizupflichten, dass der Bescheid ein Eingehen auf den Einzelfall nicht erkennen lässt. Eine Auseinandersetzung mit der entscheidungswesentlichen Frage des Sicherungsbedarfs fehlt vollständig.

 

Die belangte Behörde war wahrscheinlich der verfehlten Ansicht, dass allein durch den Hinweis auf einen Aufenthaltverbotsgrund in Form einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Bf und ein bestehendes Aufenthaltsverbot der BPD Wien die Anordnung der Schubhaft gerechtfertigt werden könne. Wie die Beschwerde zutreffend rügt, ist eine solche Begründung für die Verhängung der Schubhaft irrelevant. Wesentlich sind nur solche, im Schubhaftbescheid aber fehlenden Umstände, aus denen geschlossen werden könnte, der Fremde werde sich den fremdenbehördlichen Maßnahmen entziehen oder diese wesentlich erschweren.

 

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Bf seit 2004 in Österreich ohne Angehörige lebt. Er ist durch seinen langen Aufenthalt in Österreich, wenn auch mit Einschränkungen wegen Verbüßung von 11 Monaten Strafhaft, in gewisser Weise integriert. Er spricht Englisch und ein bisschen Deutsch. Nach seinen Angaben bei der asylrechtlichen Einvernahme vom 26. Juni 2009 zu Zl. 09 06.923 hat er in Österreich einen Deutschkurs in der Dauer von 4 Wochen besucht. Wie sich aus den Betreuungsdaten der Asylwerberinformationsdatei zu Zl. 04 15.017 ergibt, war der Bf seit 23. Juli 2004 bis zum 17. Jänner 2008 als hilfsbedürftiger Asylwerber in verschiedenen Quartieren in der Grundversorgung untergebracht. Zuletzt hatte er seinen Wohnsitz in der D in W.

 

Er hätte nach dem Vorbringen der Beschwerde nach seiner Strafhaft wieder ins Flüchtlingshaus Glasergasse 27, 1090 Wien, zurückkehren können und dort Wohnsitz nehmen können. Dies erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat vor allem im Hinblick auf den Art 2 Abs 1 der Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Art 15a B-VG (BGBl I Nr. 80/2004) plausibel. Diese Bestimmung listet die Fälle von Fremden, die schutzbedürftig sind, in insgesamt 6 Ziffern auf. Danach können unter die Zielgruppe der hilfs- und schutzbedürftigen Fremde auch fallen:

 

"2. Fremde ohne Aufenthaltsrecht, über deren Asylantrag rechtskräftig negativ abgesprochen wurde, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind,"

 

Der Bf hätte demnach, solange seine Außerlandesschaffung nicht möglich ist, somit also bis zu seiner tatsächlichen Abschiebung nach Vorliegen eines Heimreisezertifikates aus Gambia, in einer Grundversorgungseinrichtung in Wien oder auch in Oberösterreich wohnen können. Nach geltender Rechtslage hat das Land Oberösterreich die Grundversorgung zu leisten, solange nicht rechtskräftig über den Asylantrag des Bf abgesprochen oder dieser aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann (vgl näher §§ 1 und 2 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 iVm Art 2 und 4 Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG).

 

Die belangte Behörde hat offenbar die konkreten Situation nicht analysiert. Im Vorlageschreiben vom 13. Juli 2009 führt sie nur an, dass eine Entlassung aus der Schubhaft nicht in Erwägung gezogen wurde, weil der Bf nie erwähnt hätte, dass er eine Unterkunft hätte. Der Umstand einer möglichen Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung ergibt sich aus den Betreuungsdaten der Asylwerberinformationsdatei und der geltenden Rechtslage. Er wäre daher von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen.

 

Die belangte Behörde hätte sich neben dem Hinweis auf die Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien bei Verhängung der Schubhaft nur auf die Nichtbefolgung der Ausreisepflicht (eine ausdrückliche Begründung fehlt auch insofern im Bescheid) berufen können, weil seit 17. September 2008 eine rechtskräftige Ausweisung des Bf durch den Asylgerichtshofs vorlag. Diese Umstände reichen nach der oben unter Punkt 4.4. dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aber noch nicht aus, um einen Sicherungsbedarf zu begründen. Bereits die Verhängung der gegenständliche Schubhaft erscheint damit rechtswidrig.

 

Selbst wenn man anderer Ansicht ist, wäre dennoch keine Schubhaft erforderlich gewesen, weil der Zweck der Schubhaft auch durch gelindere Mittel hätte erreicht werden können. Nach der Aktenlage und aus den dargelegten Gründen erscheint es dem Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, wieso die belangte Behörde nicht zumindest mit der Anwendung eines gelinderen Mittels iSd § 77 Abs 3 FPG das Auslangen gefunden hat. Die Beschwerde hat darauf hingewiesen, dass sich der Bf noch nie einem Verfahren entzogen hatte. Die trifft nach dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt offenbar zu, weil keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennbar sind. Die belangte Behörde hat auch keine schlüssige Erklärung für das Absehen von gelinderen Mitteln gegeben. Die pauschale Begründung beschränkt sich auf abstrakte Behauptungen auf Basis des Gesetzestexts des § 77 Abs 1 FPG und auf den untauglichen Hinweis, dass das Asylverfahren in zweiter Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Abermals triff die Rüge der Beschwerde zu, dass keine individuelle Begründung gegeben wurde und dass gerade der Umstand des möglichen Wohnens in einem Grundversorgungsquartier für das gelindere Mittel, in bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden gesprochen hätte.

 

Schließlich hält der erkennende Verwaltungssenat auch die Kritik der Beschwerde für berechtigt, dass der Bf durch die gegenständliche Verhängung der Schubhaft mit Mandatsbescheid gar keine Gelegenheit hatte, sein Wohlverhalten der Behörde gegenüber zu zeigen. Wie er bei seiner Erstbefragung nach dem AsylG 2005 am 15. Dezember 2008 angab, war er in den letzten 11 Monaten in Haft, davon 8 Monate in Wels. Die belangte Behörde hätte demnach doch einige Monate Zeit gehabt, ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen und die zur Abschiebung des Bf erforderlichen fremdenpolizeilichen Maßnahmen wie seine Einvernahme und die Beischaffung eines Heimreisezertifikates zu ergreifen. Denn bereits seit 17. September 2008 war die asylrechtliche Ausweisung rechtskräftig und vollstreckbar. Es ist für den erkennenden Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, warum die längere Strafhaft des Bf in der JA Wels nicht für fremdenpolizeiliche Zwecke genutzt wurde. Es entspricht wohl nicht dem rechtsstaatlichen Anliegen, eine Schubhaft nur bei Verhältnismäßigkeit und als ultima ratio zuzulassen, wenn die Fremdenpolizeibehörde untätig bis zur Entlassung aus der Strafhaft zuwartet und dann "wegen Gefahr im Verzug" die Schubhaft mit Mandatsbescheid ohne weitere Ermittlungen anordnet. Mag diese Vorgangsweise bei formaler Betrachtung noch durch § 76 Abs 3 FPG, welcher nur auf die aus anderem Grund bestehende nicht bloß kurzfristige Haft im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens abstellt, gedeckt sein, dem Sinn des Gesetzes entspricht sie nicht.

 

4.6. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, kann der Oö. Verwaltungssenat auf der Grundlage der vorgelegten Aktenteile auch nicht finden, dass nach dem Verhalten des Bf mit einer Problemabschiebung zu rechnen war. Bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme am 7. Jänner 2009 konnte er keine Dokumente zum Beweis seiner Herkunft vorweisen oder beschaffen, weile er auch keinen Kontakt zu seiner Familie hatte und im jugendlichen Alter von 15 Jahren sein Land verlassen hatte . Er gab allerdings die Daten zu seiner Identität sowie den Herkunftsort in Gambia an. Nur weil ihn eine freiwillige Rückkehr nach Gambia und die entsprechende Beratung des Vereins "Menschenrechte" dazu nicht interessierte, kann noch nicht von einem zu erwartendem Widerstand gegen die Abschiebung ausgegangen werden. Von der fehlenden Ausreisewilligkeit kann noch nicht automatisch auf Widerstand geschlossen werden. Der mangelnde Wille zur Ausreise ist ohnehin Voraussetzung für die Überwachung seiner Ausreise durch Abschiebung, weil diese bei Freiwilligkeit gar nicht notwendig wäre.

 

Dass der Bf nicht gewillt gewesen sei, an der Festsstellung seiner Identität mitzuwirken, hat sich ebenfalls als unzutreffende Annahme der belangten Behörde erwiesen. Denn die von ihm gemachten Angaben waren offenbar für "The Gambia High Commission" in London ausreichend, um ihn als Staatsangehörigen von Gambia zu identifizieren. Bereits mit Schreiben dieser gambischen Behörde vom 5. Februar 2009 wurde eine positive Erledigung der Rückkehr des Bf nach Gambia in Aussicht gestellt und die Versendung des Reisedokuments (Heimreisezertifikat) an den Honorargeneralkonsul Dr. H in Österreich angekündigt. So gesehen kann die von der belangten Behörde behauptete, fehlende Mitwirkung des Bf an der Feststellung seiner Identität nicht nachvollzogen werden.

 

Auffällig ist die überlange Dauer des weiteren fremdenbehördlichen Verfahrens. Es bleibt offen, warum die belangte Behörde erst mit E-Mail vom 8. Mai 2009 durch das Referat des BMI für Heimreisezertifikate von der "Zustimmung der gambischen Botschaft vom 05.02.2009" verständigt wurde. Keine ausreichende Erklärung aus den vorgelegten Aktenteilen kann der erkennende Verwaltungssenat auch dafür erkennen, dass der später abgebrochene Schubtermin auf dem Luftweg von Wien über Brüssel nach Gambia erst für den 16. Juni 2009 organisiert werden konnte. Das Heimreisezertifikat konnte jederzeit kurzfristig nach Bekanntgabe der Flugdaten vom Generalhonorarkonsul abgeholt werden.

 

Die belangte Behörde hat auch gegen eindeutige Verfahrensvorschriften zum Schutze des Schubhäftlings verstoßen. Sie hat es entgegen § 80 Abs 7 FPG unterlassen, den Bf, den sie ausschließlich aus den Gründen des § 80 Abs 4 FPG glaubte anhalten zu müssen, hievon nicht nur nicht unverzüglich, sondern überhaupt nicht schriftlich in Kenntnis gesetzt.

 

Außerdem hat die belangte Behörde entgegen dem § 80 Abs 6 FPG die vom Gesetz vorgesehene amtswegige Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nach dem Tag der Überschreitung der Dauer der Schubhaft von sechs Monaten nicht ermöglicht und dem unabhängigen Verwaltungssenat die Verwaltungsakten nicht zur Prüfung vorgelegt. Der von der belangten Behörde vorgesehene Termin zur Abschiebung des Bf war bereits nach dem Tag, an dem die andauernde Anhaltung in Schubhaft von Amts wegen zu überprüfen gewesen wäre. Mit 5. Juni 2009 befand sich der Bf nämlich bereist sechs Monate in Schubhaft.

 

Nach der Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats lagen auch die Voraussetzungen des § 80 Abs 4 FPG für eine Verlängerung der Schubhaft spätestens seit der Zustimmung des Staates Gambia zur Rücknahme des Bf und der Möglichkeit kurzfristig das Heimreisezertifikat beim Generalhonorarkonsul abzuholen, nicht mehr vor. Die Verlängerungstatbestände der Z 1 (Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit)) und der Z 2 (Nichtvorliegen der Bewilligung eines anderen Staates für die Einreise) waren damit jedenfalls wegfallen. Der Verlängerungstatbestand der Z 3 (weil er die Abschiebung vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt) kam innerhalb der Sechsmonatefrist schon deshalb nicht in Betracht, weil die erste Abschiebung erst nach Ablauf dieser Frist am 16. Juni 2009 tatsächlich versucht wurde.

 

Dadurch dass der Bf am 16. Juni2009 auf Zuruf bzw Anraten von Vertreterinnen des MigrantInnenvereins St. Marx einen Asylfolgeantrag gegenüber dem Wachkommandanten des PAZ Wien trotz entschiedener Sache äußerte, erwarb er abermals die Stellung eines Asylwerbers (vgl Begriffsbestimmung im § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005), wodurch ihm wieder der faktische Abschiebeschutz nach § 12 Abs 1 AsylG 2005 bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung darüber zukam. Auf Grund des geltenden Asylverfahrensrechts durften damit sogar rechtskräftige Entscheidungen über die Ausweisung nach Gambia nicht umgesetzt werden. Auch die Durchsetzung einer fremdenpolizeilichen Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots ist nach dem vorletzten Satz des § 1 Abs 2 FPG erst zulässig, wenn die asylrechtliche Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 durchgesetzt werden kann.

 

Die Stellung eines Asylfolgeantrags kann aber in tatsächlicher Hinsicht nicht als Fall nach § 80 Abs 4 Z 3 FPG des sich der Zwangsgewalt Widersetzens angesehen werden. Auch wenn der Bf damit seine Abschiebung verhindern will, nimmt er nur ein Antragsrecht wahr, das ihm das geltende Asylverfahrensrecht mit den aufgezeigten Konsequenzen einräumt. Es handelt sich dabei um eine legale Möglichkeit, sich der Abschiebung zu widersetzen. Man kann daraus nicht den Schluss ziehen, dass der Bf auch den Weg in die Illegalität nicht scheuen und sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff entziehen würde, wenn er auf freiem Fuß wäre.

 

4.7. Im Ergebnis ist zusammenfassend festzustellen, das die belangten Behörde die Verhängung der Schubhaft am 4. bzw 5. Dezember 2008 aus den oben dargelegten Gründen zum fehlenden Sicherungsbedarf unter bloßem Hinweis auf "Aufenthaltsverbots- bzw Ausweisungstatbestände" nicht rechtens auf den § 76 Abs 1 FPG stützen konnte. Durch die Asylantragstellung am 15. Dezember 2008 während der Anhaltung in Schubhaft konnte diese auch nicht gemäß § 76 Abs 6 Satz 1 FPG aufrecht erhalten werden, weil diese Bestimmung eine rechtmäßig verhängte Schubhaft im Grund des § 76 Abs 1 FPG voraussetzt (vgl VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582 unter Hinweis auf die RV 952 BlgNR 22. GP, 104). Auch durch die späteren Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 konnte die Schubhaft nicht nach § 76 Abs 2 FPG als rechtmäßig verhängt gelten – ein entsprechender Aktenvermerk der belangten Behörde nach § 76 Abs 6 Satz 2 FPG fehlt ohnehin - , weil auch die Einleitung von weiteren asylrechtlichen Ausweisungsverfahren nichts an der von vornherein mangels Sicherungsbedarfs unnötigen und damit unverhältnismäßigen Schubhaft zu ändern vermag.

 

Abgesehen davon hat die belangte Behörde das Verfahren auch nicht zügig geführt und wesentliche Verfahrensbestimmungen nicht beachtet. Wenn sie in ihrem Vorlageschreiben befürchtet, dass sich der Bf auf freiem Fuß absetzten werde, weil er nunmehr wisse, dass ihn Gambia zurücknimmt, so handelt es sich dabei um eine bloße Vermutung, die nicht durch konkrete Umstände belegt werden kann. Außerdem hat sich die belangte Behörde die heutige Situation selbst zuzuschreiben. Sie hätte schon während der Strafhaft des Bf tätig werden und dass fremdenpolizeiliche Verfahren zügig führen können. Dann hätte sie wahrscheinlich keine Schubhaft zur Besorgung des Heimreisezertifikates benötigt.

 

Es war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben, der Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft von Beginn an für rechtswidrig zu erklären und beim derzeitigen Sachstand für die Zukunft iSd § 83 Abs 4 FPG festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß § 79a Abs 2 AVG der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist gemäß dem § 79a Abs 3 AVG die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Ein solchen allgemeinen Antrag hat der Bf gestellt.

 

Nach der am 1. Jänner 2009 in Kraft getretenen UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr.456/2008) beträgt der Ersatz für Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei 737,60 Euro. Der Bund hat daher als Rechtsträger, für den die belangten Behörde tätig geworden ist, den Schriftsatzaufwand von 737,60 Euro und die Stempelgebühren von 26,40 Euro, für die der Bf aufzukommen hat ( vgl § 79a Abs 4 Z 1 AVG), insgesamt daher 764 Euro zu ersetzen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 Blg NR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde (§ 14 TP 6 Abs 1 GebG : 13,20 Euro) und für 1 Vollmacht (§ 14 TP 13 Abs 1 GebG : 13,20 Euro), insgesamt daher von 26,40 Euro angefallen.

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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