Linz, 11.01.2010
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding am Inn, vom 19.9.2009, Zl. VerkR96-4995-2007/ltz, nach der am 11.01.2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird dem Berufungswerber für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 10 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – VStG.
Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding am Inn wegen der Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 16 Stunden verhängt, weil er es als nach außen vertretungsbefugtes Organ der Firma X GmbH in X, welche Zulassungsbesitzerin des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen X ist, trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 06.09.2007, VerkR96-4995-2007, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 16.08.2007 um 08.42 Uhr in der Gemeinde Suben, A8 Innkreis Autobahn bei km 75,520 beim Grenzübergang Suben, Ausreise, auf Höhe S-Gebäude abgestellt hat und haben auch keine Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.
1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses führt die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet.“
2. In der dagegen fristgerecht durch den ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung wird folgendes ausgeführt:
2.1. Mit diesem Vorbringen vermag er jedoch vor dem Hintergrund der hier anzuwendenden Rechtslage weder formal noch inhaltlich dem Schuldspruch nicht mit Erfolg entgegen treten.
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war antragsgemäß durchzuführen.
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der am 11.01.2010 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung. Der Berufungswerber nahm daran unentschuldigt nicht teil. Dies wurde aus nachvollziehbaren Gründen mit ökonomischen Gründen der weiten Anreise begründet. Die Behörde erster Instanz entschuldigte sich mit Schreiben vom 4.1.2010.
4. Folgender Sachverhalt steht unbestritten fest:
Der Berufungswerber ist Geschäftsführer der Fahrzeughalterin (der X GmbH). Dies ist durch den im Akt befindlichen Handelsregisterauszug des Amtsgerichtes Oldenburg v. 28.9.2009 belegt. Inwiefern dies der Rechtsvertreter des Berufungswerbers mit dem Antrag auf die Beischaffung eines Firmenbuchauszuges als vermeintlich unzutreffend darzustellen versucht bleibt unerfindlich. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde dieser Auszug eingesehen und deren Echtheit und inhaltliche Richtigkeit nicht mehr bestritten. Letztlich wurde die dem Berufungswerber am 16.10.2009 zugestellte Aufforderung der Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers verlesen. Der Hinweis im dritten Absatz, dass den Grund der Anfrage eine dem Lenker zur Last zu legende Verwaltungsübertretung bilde, kann dennoch nicht als unzulässige Verknüpfung mit der Lenkeranfrage beurteilt werden. Vielmehr erklärt dies nur den Grund der Anfrage.
Der Berufungswerber vermochte auch nicht nachvollziehbar darzulegen, warum er durch die abweichende Rechtslage in Deutschland schuldbefreiend gegen die österreichischen Rechtsordnung verstoßen dürfte, indem er einen Lenker den Behörden nicht bekannt gibt.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:
Grundsätzlich kann den umfassenden rechtlichen Erwägungen der Behörde erster Instanz nur gefolgt werden. Deren Ausführungen wäre an sich nichts mehr hinzu zu fügen. Die Behörde erster Instanz weist zutreffend darauf hin, dass die Behörde Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe – oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gemäß der dem Gesetz beigefügten sogenannten Verfassungsbestimmung treten gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und (derzeit) nicht im Widerspruch zu Art. 6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.). Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).
Der Hinweis des Berufungswerbers auf das Erk. des VwGH vom 15.09.1999, 99/03/0090 geht schon deshalb ins Leere, weil darin die Anfrage textlich in der Form verkünpft war, dass diese lautete: .... Es sei „gemäß § 103 Abs.2 KFG dahin mitzuteilen, WER DAS OBEN BEZEICHNETE FAHRZEUG AM...UM...AUF DER...GELENKT UND DIE HÖCHSTZULÄSSIGE GESCHWINDIGKEIT UM 26 KM/H ÜBERSCHRITTEN HAT; damit war die Frage so unlösbar mit dem Tatvorwurf verbunden, dass diese nicht mit § 103 Abs.2 KFG vereinbar war. Im Gegenständlichen Fall traf dies mit dem im gesonderten Absatz beschriebenen Anfragerund nicht zu. Dieser Hinweis kann wohl nur als sinnvolle Hilfe für das verlangte Auskunftsbegehren verstanden werden.
Da ferner im Stadium der Lenkererhebung mit der Namhaftmachung eines Lenkers zumindest noch keine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren zumindest noch nicht erfolgt, wird ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen eine durch diese Anfrage namhaft zu machende (gemachte) Person jedenfalls (noch) nicht unmittelbar präjudiziert, sodass damit offenbar auch keine Konventionswidrigkeit gegeben ist.
In diesem Sinne ist auch das Urteil des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 – WEH gegen Österreich – begründet worden. Danach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbundenen Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden.
Kein Widerspruch zur EMRK wurde bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – VfGH v. 29.09.1988, Zl. G72/88, zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht, erblickt.
Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.
In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen – hier ist keine Ausnahme gegeben – nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER – zum Tatbestand gehörende – ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt – anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) – nicht der Ort, an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern – als Tatort gilt – der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156).
5.1.2. Wenngleich dem Berufungswerber in seinem Vorbringen durchaus gefolgt werden kann, dass der deutschen Rechtslage eine solche Pflicht nicht nur fremd, sondern diese darüber hinaus dort mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht, gewinnt er damit nichts angesichts der hier anzuwendenden österreichischen Rechtslage. Wegen des Hinweises der Strafbarkeit bereits im Auskunftsbegehren könnte sich der Berufungswerber ebenfalls nicht auf § 52 und § 55 d StPO – wonach ein Zeugenentschlagungsrecht auch bei bloßen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten besteht, falls mit einer solchen Zeugenaussage die Gefahr wegen eines solchen Deliktes belangt zu werden einherginge – auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum oder ein mangelndes Verschulden mit Erfolg berufen.
Ebenso könnte ein Einwand auf eine Einschränkung des staatlichen Gebotsbereiches (Territorialitätsprinzip) dem Berufungswerber nicht zum Erfolg verhelfen (VwGH 26.5.1999, 99/03/0074).
Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig zumindest vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung des Firmenlastkraftwagen im Bundesgebiet der Republik Österreich. Aus dieser Verwendung leiten sich jedenfalls Ingerenzpflichten gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ab (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Ausgelöst wurde die Lenkeranfrage durch die mit dem Abstellen eines Schwertransportes auf einer als Autobahn zu qualifizierenden Verkehrsfläche und einem damit einhergehenden Verstoß gegen eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist einerseits gemäß der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88) bindend, andererseits ergibt sich mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, was wiederum einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund begründet. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.
Der Berufungswerber vermag sich angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe bereits in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht iSd § 6 VStG entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.
6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
Mit der hier verhängten Geldstrafe in Höhe von nur 50 Euro hat die Behörde erster Instanz die Tatschuld offenbar sehr niedrig bemessen. Auf den Milderungsgrund des langen Zurückliegens dieses Fehlverhaltens zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dabei wohl besonders bedacht genommen. Selbst wenn in Deutschland eine solche Anfrage dem dortigen Grundrecht widerspricht muss insbesondere einem mit Transporten auch in Österreich tätigen Unternehmen nicht nur die spezifische Rechtskenntnis sonderen auch dessen Verbundenheit mit einer spezifischen (abweichenden) Rechtsvorschrift im Nachbarland erwartet werden.
Immerhin reicht der Strafrahmen für eine Auskunftsverweigerung bis 5.000 Euro. Eine Orientierung am Strafrahmen des den Anfragegrund darstellenden Grunddeliktes ist nicht zwingend.
Der Berufung musste daher ein Erfolg sowohl in der Schuld- als auch in der Straffrage versagt bleiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r