Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164902/10/Br/Th

Linz, 21.05.2010

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Dr. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.2010, Zl. VerkR96-63669-2009-Kub, nach der am 20. Mai 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben; dem Antrag vom 03.02.2010 statt gegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt;

Der gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag gegen die Strafverfügung vom 14.12.2010 (gleiche Aktenzahl) eingebrachte Einspruch gilt demnach als rechtzeitig erhoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm  § 71 Abs.1 Z1  Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr.51, idF BGBl. I Nr. 135/2009 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1, § 71 Abs.1 Z1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. I Nr. 135/2009 - VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Behörde erster Instanz hat dem Berufungswerber, dessen von seinem Rechtsvertreter gestellten  Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 03.02.2010, betreffend die Strafverfügung vom 14.12.2009 ([Zl.: VerkR96-63669-2009-Kub] – mit dem wider den Berufungswerber wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldstrafe von 145 Euro verhängt wurde), gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG iVm. § 71 Abs.2 bis 4 AVG iVm § 24 VStG als unbegründet abgewiesen.

 

In der Bescheidpräambel wurde festgestellt, dass mit der Strafverfügung vom 14.12.2009, Zl. VerkR96-63669-2009, gegen den Berufungswerber wegen einer Geschwindigkeitsübertretung eine Geldstrafe von 245 Euro im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 108 Stunden verhängt wurden.

Mit Schreiben vom 03.02.2010 habe der Berufungswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht und begründeten diesen im Ergebnis mit der Tatsache, dass der Wiedereinsetzungswerber ohne sein Verschulden keine (frühere) Kenntnis von der Hinterlegungsanzeige und somit von der Strafverfügung und der damit verbundenen Einspruchsfrist hatte, da die Hinterlegungsanzeige unter Werbematerial durch ein Versehen vorübergehend in Verstoß geriet. Allenfalls sei von einem minderen Grad des Versehens auszugehen, weshalb die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis, minder Grad des Versehens) gemäß § 71 AVG vorliegen würden.

 

 

2. Begründend wurde ausgeführt:

„Gemäß § 71 Abs. 1 AVG. 1991 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

 

a) die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden trifft, oder

 

b) die Partei die Einspruchsfrist versäumt hat, weil die Rechtsmittelbelehrung fälschlich die Angaben enthält, dass kein Einspruch zulässig ist.

 

Die Strafverfügung gegen Sie wurde am 18.12.2009 beim Zustellamt X hinterlegt. Von dieser Hinterlegungsanzeige erlangten Sie erst durch Zufall - nämlich bei der routinemäßigen Durchsicht von Werbematerial für das Unternehmen - Kenntnis. Eine Nachschau des Einschreiters noch am selben Tag beim zuständigen Postamt hat ergeben, dass das gegenständliche Schriftstück bereits wieder an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zurückgesendet wurde.

 

Aufgrund einer telefonischen Anfrage an des Beschuldigten wurde eine Kopie der Strafverfügung an den Beschuldigten übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 03.02.2010 wurde seitens des Beschuldigten um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angesucht und diesen auszugsweise wie folgt begründet:

 

Sämtliche an den Wiedereinsetzungswerber adressierte Privat- und Geschäftspost wird durch einen Mitarbeiter des Gashofs X oder durch den volljährigen Sohn des Einschreiters, X, in Empfang genommen und in eine Postmappe einsortiert. Am Tag der Hinterlegung wurden die vorgeschilderten Tätigkeiten aufgrund der vorweihnachtlichen Überlastung des Gasthofes sowie des Unternehmens vom Sohn des Wiedereinsetzungswerbers durchgeführt und wie sich erst später, nämlich am 20.01.2010, herausstelle - die gegenständliche Hinterlegungsverständigung durch den volljährigen Sohn des Einschreiters, X, in die Mappe 'Werbeaussendungen" an Stelle der Mappe "Privat- bzw. Geschäftspost" abgelegt wurde.

 

Dieses Versehen des Sohnes des Wiedereinsetzungswerbers war kausal für die Versäumung der Einspruchsfrist, da der Wiedereinsetzungswerber bei richtiger Einordnung der gegenständlichen Hinterlegungsanzeige durch seinen Sohn - nämlich die Mappe "Privat- und Geschäftspost" X jedenfalls vor Ablauf der Einspruchsfrist von der Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangt und den Einspruch somit fristgerecht an die zuständige Behörde erheben hätte können.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur dann stattzugeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzubringen.

 

Die Begründung Ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richteten Sie dahingehend, dass laut Ihren Angaben dieser Antrag auf Unwissenheit über die Hinterlegung beruht habe, da die Hinterlegungsverständigung irrtümlich durch Ihren Sohn X in die Mappe "Werbesendungen" an Stelle der Mappe "Privattbzw. Geschäftspost" abgelegt wurde und Sie erstmals am 20.01.2010 durch Zufall - nämlich die routinemäßige Durchsicht von Werbematerial für Ihr Unternehmen - von dieser Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangten.

 

Dazu ist anzuführen, dass ein Irrtum bzw. ein Versehen einer Partei über die Möglichkeit einer Berufung keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet. Die irrtümliche Ablage der Hinterlegungsverständigung beim Werbematerial stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar und es ist nicht relevant, ob dieser Irrtum durch den Wiedereinsetzungswerber oder durch eine dritte Person erfolgte, da der Wiedereinsetzungswerber allein die Sorgfaltspflicht zur Einhaltung gesetzlicher Fristen trägt und diese nicht formlos an dritte Personen übertragen werden kann.

 

In der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung wurde jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Einspruch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung (Hinterlegung) zu erfolgen hat. Es war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzulehnen.“

 

 

 

2.1. Der Berufungswerber erhob durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen diesen Bescheid binnen offener Frist Berufung, welche er wie folgt  begründet:

In außen bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Einschreiter durch seinen ausgewiesenen Vertreter gegen den Bescheid der BH Vöcklabruck VOm 10.02.2010 VerkR96-63669.2009-Kub, zugestellt am 18.02.2010 innerhalb offener Frist nachstehende

 

B E RU F U N G.

 

Der Einschreiter gibt die Erklärung ab, dass das oben näher bezeichnete Straferkenntnis seinem ganzen Inhalt nach angefochten wird.

 

Geltend gemacht werden die Berufungsgründe der AIdenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wird auf Seite 2 unten in der Begründung angeführt, „dass ein Irrtum bzw. ein Versehen einer Partei über die Möglichkeit einer Berufung keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet.“

 

Es stellt eine eklatante Aktenwidrigkeit dar, wenn die Behörde zum Ausdruck bringt, dass sich der Einschreiter bei seinem Vorbringen auf einen "Irrtum bzw. ein Versehen“ über pie Möglichkeit einer Berufung bezieht.

 

Abgesehen davon, dass es gegenständlich um die Möglichkeit eines Einspruches und nicht um die Möglichkeit einer Berufung geht, ist hervorzuheben, dass sich der Einschreiter niemals auf einen derartigen Irrtum oder ein derartiges Versehen berufen hat.

 

Die Berufung auf einen Irrtum bzw. ein Versehen über die Möglichkeit eines Einspruchs ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil es aktenkundig ist, ·dass die StrafverfOgung vom 14.12.2009 eine ausreichende Rechtsmittelbelehrung enthält.

 

Es wäre daher unverständlich, wenn sich der Einschreiter auf einen Irrtum oder ein Versehen über die Möglichkeit des Einspruches berufen hätte, was auch - aktenkundig leicht erkennbar - nicht geschehen ist.

 

Der Einschreiter hat in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebracht. dass er ohne sein Verschulden erstmals am 20.01.2010 durch Zufall - nämlich bei der routinemäßigen Durchsicht von Werbematerial für sein Unternehmen - von der Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangt hat.

 

Im übrigen liegt eine grobe Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens vor, weil die Behörde in 1. Instanz überhaupt kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, obwohl Beweisanträge des Berufungswerbers gestellt wurden.

 

Darüber hinaus hat die Behörde 1. Instanz nicht einmal zum Ausdruck gebracht und auch nicht begründet, warum sie von der Durchführung der beantragten Beweise Abstand nimmt.

 

Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens - wie im Gesetz vorgesehen - hätte die Behörde 1. Instanz zum Ergebnis kommen müssen, dass der Berufungswerber ohne sein Verschulden von der Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt hat.

 

Als der Berufungsweber erstmals am 20.01.2010 durch Zufall von der Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangt hat, hat er sofort Nachforschungen angestellt und sowohl mit dem zuständigen Postamt als auch mit der Behörde 1. Instanz Kontakt aufgenommen.

 

 

Es wurde dem Berufungswerber am 22.01.2010 die verfahrensgegenständliche Strafverfügung neuerlich zugestellt, offenbar deshalb, weil auch die Behörde 1. Instanz der Auffassung war, dass der Berufungswerber ohne sein Verschulden von der Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt hat; wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, wäre die neuerliche Zustellung der Strafverfügung mit 22.01.2010 unverständlich und nicht nachvollziehbar.

 

Im Rahmen des Schriftsatzes vom 03.02.2010 hat der Berufungswerber den Einspruch ausgehend von der Zustellung der Strafverfügung am 22.01.2010 fristgerecht eingebracht.

 

Beweis:      X, Beamtin, c/o Bezirkshauptmannschaft 4840 Vöcklabruck, als Zeugin.

 

Im Schriftsatz vom 03.02.2010 hat der Berufungswerber auch vorgebracht und unter Beweis gestellt, dass die ursprüngliche Hinterlegungsanzeige in Verstoß geraten ist, ohne dass daran den Berufungswerber ein Verschulden trifft, weil vom Sohn des Berufungswerbers die gegenständliche Hinterlegungsanzeige versehentlich in die Mappe "Werbesendungen" abgelegt wurde.

 

Beweis: X, als Zeuge.

 

Der Berufungswerber hat diesen Zeugen zum vorangeführten Beweisthema bereits in erster Instanz geführt, doch wurde dieser Zeuge in Folge einer groben Mangelhaftigkeit im Rahmen des nicht durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht vernommen, wobei im angefochtenen Bescheid dieser Beweisantrag unerwähnt bleibt und nicht begründet wird, warum die Behörde 1. Instanz die Einvernahme des Zeugen für nicht notwendig erachtet hat.

 

Hätte die Behörde 1. Instanz diesen Zeugen geladen und einvernommen,so hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, dass dem Berufungswerber ohne sein Verschulden die Hinterlegungsanzeige nicht zur Kenntnis gelangt ist und I daher ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 I AVG für den Berufungswerber vorliegt.

 

Der Berufungswerber bezieht sich auf die umfangreich im Schriftsatz zitierte Rechtssprechung des VwGH und wiederholt sein dortiges Vorbringen samt Hinweisen auf Judikatur und Literatur.

 

Bemerkt wird, dass es auch ständige Rechtssprechung der Gerichte ist, wonach die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 146 Abs. 1 ZPO gegeben sind, wenn Hinterlegungsanzeigen mit Werbematerial versehentlich vermengt oder versehentlich entsorgt werden.

 

Auch die Gerichte gehen hier vom Nichtvorliegen eines Verschuldens oder zumindest von einem minderen Grad des Versehens aus, sodass die

 

Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sind (vergl. 30 Cga 180/08 d, LG Klagenfurt u.a.m.)

 

Soweit die Behörde 1. Instanz im angefochtenen Straferkenntnis den entscheidungswesentlichen Sachverhalt - undeutlich - dahingehend feststellt, dass die Hinterlegungsverständigung irrtümlich durch den Zeugen X in die Mappe "Werbesendungen" abgelegt wurde, sodass der Berufungswerber erstmal am 20.01.2010 durch Zufall von dieser Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangt hat, wird dieser Sachverhalts durch die Behörde 1. Instanz rechtlich unrichtig beurteilt.

 

Ein Versehen des Sohnes des Berufungswerbers kann dem Berufungswerber nicht angelastet werden, zumal ihn grundsätzlich kein Organisationsverschulden oder sonstiges Verschulden daran trifft, dass er von der Hinterlegungsanzeige erst am 20.01.2010 Kenntnis erlangt hat.

 

Daran ändert auch der Hinweis im Straferkenntnis (Seite 2 unten) auf die Rechtsmittelbelehrung in der Strafverfügung nichts, weil eben die Strafverfügung und damit die Rechtsmittelbelehrung dem Einschreiter erst nach Hinterlegung zur Kenntnis gelangt ist.

 

Bei rechtlich richtiger Beurteilung hätte die Behörde 1. Instanz zum Ergebnis kommen müssen, dass den Berufungswerber kein Verschulden daran trifft, dass ihm die Hinterlegungsanzeige erst am 20.01.2010 zu Kenntnis gelangt ist.

 

Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG sind daher gegeben.

 

Der Einschreiter stellt den

ANTRAG

 

den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Folge gegeben und das ordentliche Verfahren eingeleitet wird.

 

Klagenfurt, 02.03.2010                                                  X

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

Beweis erhoben wurde durch Anfrage beim zuständigen Postamt zum damaligen Zustellvorgang. Ferner wurde eine notariell beglaubigte eidesstättigen Erklärung (Beurkundungsregisterzahl: 1358/2010) vom Sohn des Berufungswerbers vorgelegt und verlesen. Ebenso wurde der Berufungswerber im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.5.2010 als Partei zur Sache befragt. Die Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil. Auch mit der als Zeugin beantragten Sachbearbeiterin wurde betreffend die Zuleitung der Strafverfügung nach deren bewirkten Zustellung Rücksprache gehalten (AV v. 18.5.2010).

 

 

3.1. Sachverhalt:

Die für den Berufungswerber durch Hinterlegung am 18.1.2010 zugestellte Strafverfügung wurde nicht behoben und langte am Postweg wieder an die Behörde erster Instanz zurück.

Der Postzusteller gab über h. Anfrage vom 15.3.2010 am 20.3.2010 schriftlich bekannt, dass es sich bei der genannten Adresse um ein Restaurant handle welches weder über ein Hausbrieffach noch über einen Briefkasten verfüge. Wenn das Restaurant geschlossen sei würde die Post vor der versperrten Eingangstür abgelegt, wenn es geöffnet ist erfolge eine Zustellung im Restaurant.

Der Berufungswerber erfuhr von diesem ihm glaubhaft nicht evident gewordenen Hinterlegungsvorgang erst über die vermutlich versuchte Eintreibung der Geldstrafe. Fernmündlich  wurde ihm seitens der Sachbearbeiterin der Inhalt der Strafverfügung durch Zusendung mit gewöhnlicher Postsendung zugänglich gemacht.

Der Hinweis auf eine zugesagte neuerliche Zustellung ist in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar, weil dem einerseits bereits der Antrag auf Wiedereinsetzung  in den vorigen Stand widerspricht. Dass eine rechtsgültige Zustellung durch Hinterlegung vorliegt bestreitet ja der Berufungswerber nicht einmal selbst. Die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges hängt jedenfalls nicht davon ab, ob dem Zustellempfänger die nach Ablauf der Hinterlegungsfrist zur Behörde rücklangende Sendung – auf welchem Weg auch immer – noch- oder erstmals zur Kenntnis gelangt (s. VwGH 24.3.2004, 2004/04/0033).

Im Falle einer tatsächlich neuen Zustellung hätte es nicht des Wiedereinsetzungsantrages bedurft, es hätte der bloße Einspruch genügt um den Schuldspruch (vorläufig) zu eliminieren.

Durch seinen Rechtsvertreter wurde am 3.2.2010 der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Akteneinsicht gestellt, sowie der Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben.

Die Behörde erster Instanz wies demnach den Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis mit der Begründung ab, dass hier von keinem bloß geringen Verschulden auszugehen wäre.

 

 

3.2. Im Rahmen des Berufungsverfahrens erklärte der Berufungswerbervertreter nochmals die bereits im Antrag dargestellte Situation die zu dem von seinem Sohn irrtümlich herbeigeführten und zum vorübergehenden Verstoß der Hinterlegungsanzeige führte.

Demnach hat zur Weihnachtszeit der Sohn X, im Gastbetrieb des Berufungswerbers ausgeholfen. Dabei wurden von ihm auch organisatorische Belange erledigt, wie etwa auch die Post. Dabei unterlief ihm der Fehler, dass er die Hinterlegungsanzeige versehentlich zu den Werbungen anstatt in die Mappe für die „persönliche Post“ legte.

Dadurch erlangte der Berufungswerber letztlich nicht fristgerecht von der hinterlegten Postsendung Kenntnis.

 

 

3.2.1. Der persönlich mit seinem Rechtsvertreter zur Berufungsverhandlung aus Kärnten anreisende Berufungswerber legte im Einklang mit der vorgelegten eidesstättigen Erklärung die bereits vorgetragenen Umstände nochmals dar.

Es gibt keinen sachlichen Grund ihm darin nicht zu folgen, wobei ihm auch der hinter dem mit seinem Antrag verbundenen Verfahren (durch Radarmessung festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung) und dessen Erfolgsaussichten durchaus evident schienen. Seine Darstellung wie es zu diesem Übersehen der Hinterlegungsanzeige gekommen ist, sind lebensnah und belegten illustrativ eine in der Realität mögliche Fehlleistung.

Es kann als allgemeine Erfahrungstatsache gelten, dass immer mehr und bunteres Werbematerial in Post- und Zeitungskästen vorfindet, welches es von der erwünschten Post zu sortieren und letzteres zu entsorgen gilt. Da kann selbst bei Wahrung der üblichen Sorgfalt ein Fehler passieren, dass eine gelbfarbige Hinterlegungsanzeige im A5-Format beim Werbematerial verbleibt.

Die hier geschilderten Umstände werden daher – entgegen der Sichtweise der Bearbeiterin der Behörde erster Instanz – als unvorhersehbares Ereignis welches eine Weidereinsetzung rechtfertigt beurteilt.

Auch eine derartige Fehlleistung einer Vertrauensperson, der sich hier der Berufungswerber in sozial- u. verkehrstypischer Weise bediente, lässt gerade die Ausgangslage für den dadurch rechtsnachteilig Betroffenen Adressaten dieses für ihn tatsächlich unabwendbaren Ereignisses nicht anderes beurteilen.

Dieses im Rahmen des geführten Beweisverfahrens dargestellte Versehen kann nach Auffassung der Berufungsbehörde durchaus jedem Menschen einmal unterlaufen. Es handelt sich demnach um einen Fall den die Rechtsordnung mit dem hier anzuwendenden Rechtsinstitut zu korrigieren vorgesehen hat.

Wie bereits in der Berufung so auch anlässlich der Berufungsverhandlung wurde lebensnah und nachvollziehbar aufgezeigt, dass hier dem Sohn des Berufungswerbers, der die Hinterlegungsanzeige irrtümlich mit dem Werbematerial ablegte, nur ein minderer Grade des Versehens unterlaufen ist, welcher – wie schon gesagt – jeden auch noch so sorgfältigen Menschen ebenfalls passieren kann und wohl jedem auch irgendwann mal widerfährt.

Das letztlich der Berufungswerber das Werbematerial erst verspätet gesichtet hat vermag ihm jedenfalls nicht als Sorgfaltsverstoß zur Last fallen, welcher dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung entgegen stünde. Dies belegt vielmehr dessen Sorgfaltshaltung.

 

 

4. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hiezu erwogen:

Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (§ 71 Abs.1 AVG):

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder......

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden (§ 71 Abs.2 AVG).

Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (§ 71 Abs.3 AVG).

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (§ 71 Abs.4 AVG).

 

 

4.1. Laut Judikatur kann die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt (jüngst VwGH v. 16.12.2009, 2009/12/0031 mit Hinweis auf VwGH 21.12.1999, Zlen. 97/19/0217 bis 0219, 0231 bis 0239 mwN).

Diese dem Sohn des Berufungswerbers im engeren Sinn zuzurechnende Handlung ist in diesem Zusammenhang im Ergebnis auch nur auf die Verkettung widriger Umstände zurückzuführen, welche letztlich jeder von einem Menschen erwartbaren Sorgfalt entzogen bleibt.  Vor diesem Hintergrund kann daher der Behörde erster Instanz nicht gefolgt werden; diese würde letztlich  einen der menschlichen Disposition entzogenen Sorgfaltsmaßstab zu Grunde legen und damit just dieses Rechtsinstitut der sachlichen Grundlage entledigen.

Da letztlich im Zweifel zu Gunsten des Rechtsschutzes und nicht im Sinne dessen Verhinderung als Grundsatz gelten sollte, soll an dieser Stelle ebenfalls nicht verschwiegen werden. Im Zweifel sollte der Ermöglichung und nicht die Verhinderung einer Sachentscheidung der Vorrang zukommen.

Bei bloß automatischer und ohne wirkliche Würdigung des entsprechenden Vorbringens getätigter Verneinung der Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung würde dieses Rechtsinstitut im Ergebnis bloß als "leere Hülse" existieren und dem primären Zweck eines inhaltlichen Rechtsschutzes nicht gerecht werden können. Dem Vorbringen des Rechtsvertreters des Berufungswerbers war daher Recht zu geben.

 

 

4. 2. Der Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben, wobei hinzuweisen ist, dass gemäß des vorliegenden – als rechtzeitig zu wertenden – Einspruches, im Rahmen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens das Verwaltungsstrafverfahren in erster Instanz durchzuführen sein wird.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten. 

 

 

Dr. B l e i e r

 

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