Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252524/2/Gf/Mu

Linz, 28.07.2010

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des Finanzamtes Kirchdorf-Perg-Steyr gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 5. Juli 2010, GZ SV96-26-2010 (mitbeteiligte Partei: x, vertreten durch die RAe x), wegen Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben wird.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 5. Juli 2010, GZ SV96-26-2010, wurde das gegen die mitbeteiligte Partei wegen einer Übertretung des § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl.Nr. I 83/2009 (im Folgenden: ASVG), eingeleitete Strafverfahren eingestellt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die beiden am 24. September 2009 auf einer Baustelle der mitbeteiligten Partei in Salzburg angetroffenen Personen dort nicht als deren Dienstnehmer, sondern vielmehr jeweils auf Grund einer eigenständigen Gewerbeberechtigung tätig geworden seien. Als auf Grund freier Dienstverträge arbeitende und (bereits) nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz pflichtversicherte Personen hätte für diese aber nach § 4 Abs. 4 Z. 1 lit. a ASVG keine (zusätzliche) Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz bestanden, weshalb sie sohin auch nicht von der mitbeteiligten Partei bei der Oö. Gebietskrankenkasse gemeldet werden mussten.

1.2. Gegen diesen der Amtspartei am 8. Juli 2010 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, bei der belangten Behörde am 16. Juli 2010 – und damit rechtzeitig – eingebrachte Berufung, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Darin wird vorgebracht, dass die Tätigkeit der Beschäftigten nicht nach formalen Kriterien, sondern stets nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu beurteilen sei. Davon ausgehend hätten aber bei den im gegenständlichen Fall angetroffenen Personen die Merkmale persönlicher und wirtschaftlichen Abhängigkeit jene der Selbständigkeit deutlich überwogen, denn beide Beschäftigte seien zu ihrer Tätigkeit von Bediensteten der mitbeteiligten Partei eingeteilt worden und hätten deren Anweisungen uneingeschränkt zu befolgen gehabt; außerdem sei ihnen auch das nötige Werkzeug in vollem Umfang von den Arbeitern der mitbeteiligten Partei zugeteilt worden und von diesen die geleisteten Stunden aufgezeichnet und abgerechnet worden.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Perg zu GZ SV96-26-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 und 4 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG die erforderlichen Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Für eine (nur) in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit.a ASVG bzw. eine nur in der Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversicherte Person trifft § 33 Abs. 2 ASVG eine insoweit modifizierte Regelung, als die nach § 33 Abs. 1 ASVG erforderlichen Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind (wobei hier offen bleiben kann, ob der in § 33 Abs. 1a ASVG vorgesehene Modus auch für Meldungen nach § 33 Abs. 2 ASVG maßgeblich ist).

 

Nach § 4 Abs.1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern
beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in
einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit über­wiegen.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall bringt die Beschwerde führende Amtspartei im Ergebnis zu Recht vor, dass es nach ständiger Judikatur zur Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG nicht auf formale Kriterien, sondern nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der tätig gewordenen Personen ankommt (vgl. dazu z.B. VwSen-251259 vom 21. Jänner 2010 und 252108 vom 18. Dezember 2009, jeweils m.w.N.).

 

Da die zum Tatzeitpunkt auf der Baustelle Angetroffenen sowohl nach ihren eigenen Angaben aus auch nach der Aussage des Angestellten der mitbeteiligten Partei den von ihm in seiner Funktion als Haupt-Partieführer erteilten Anweisungen in vollem Umfang Folge zu leisten hatten; kein eigenes Werkzeug verwendeten; nicht nach dem Inhalt ihrer Tätigkeit, sondern nur nach deren Dauer entlohnt wurden; im Krankheitsfall keinen Ersatz beizustellen hatten; und auch ein Werkvertrag weder tatsächlich vorlag noch Derartiges behauptet wurde; etc.; ist es insgesamt besehen offenkundig, dass die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von der mitbeteiligten Partei jene einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit überwogen haben.

 

Damit  wären aber die zum Tatzeitpunkt auf der Baustelle der mitbeteiligten Partei angetroffenen Personen als deren Dienstnehmer i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizieren und dementsprechend von dieser grundsätzlich entweder gemäß § 33 Abs. 1 oder Abs. 2 ASVG beim zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden gewesen.

 

3.3. Insoweit, als der gegenständliche Bescheid von einer fehlenden Dienstnehmereigenschaft ausgeht, erweist sich dieser sohin als rechtswidrig; durch weitergehende Ermittlungen dahin, ob hier auch die übrigen Tatbestandselemente des § 111 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 oder 2 ASVG – insbesondere hinsichtlich Voll- oder bloß Teilversicherung – sowie die Voraussetzungen des Verschuldens erfüllt sind, würde der Oö. Verwaltungssenat jedoch seine von Verfassungs wegen auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. Art. 129 ff B-VG) beschränkte Zuständigkeit verlassen und stattdessen zu einer ausschließlichen Strafverfolgungsbehörde mutieren (bzw. allgemein: die Verwaltung nicht mehr bloß kontrollieren, sondern diese vielmehr selbst "führen" oder "besorgen").

 

Daher war der gegenständlichen Berufung nach § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs.4 AVG antragsgemäß auch nur insoweit stattzugeben, als der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

Im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist war hingegen eine Einstellung des Strafverfahrens nicht zu verfügen; ob und in welchem Umfang dieses allenfalls weiterzuführen ist, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f


Rechtssatz:

 

VwSen-252524/2/Gf/Mu vom 28. Juli 2010

 

Art. 129 ff B-VG; § 33 Abs. 1 und 2 VStG

 

Wie VwSen-232473/2/Gf/Mu vom 12. Mai 2010

 

 

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