Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281314/18/Kl/Pe

Linz, 03.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, xplatz x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 24.2.2011, Ge96-50-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13.4.2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Klammerausdruck „(Herr G R) zu entfallen hat, die Bauarbeiterschutzverordnung – BauV mit „BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG mit „BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ zu zitieren ist und in der Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44a Z2 VStG anstelle „Ziffer 1“ der Ausdruck „Einleitung“ zu treten hat.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 24.2.2011, Ge96-50-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) eine Geldstrafe von 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.3 BauV iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z16 ASchG verhängt, weil er als verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Ges.m.b.H. (Dachdeckergewerbe im Standort x, x) zu verantworten hat, wie anlässlich einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat Linz festgestellt wurde und wie aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates Linz vom 6.11.2009, Zl. 041-129/3-9/09, hervorgeht, dass am 21.8.2009 ein Arbeitnehmer des Betriebes (Herr x) bei der Baustelle in x, x, auf dem Dach des Gebäudes bei einer Absturzhöhe von ca. 4 bis 5 m und bei einer Dachneigung von ca. 20° bis 30° mit der Herstellung einer Dacheindeckung beschäftigt war und bei den Arbeiten keine Schutzeinrichtungen vorhanden waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,0 m geeignete Schutzeinrichtungen (Dachschutzblenden und Dachfanggerüste) vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Begründend wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Leiter vom Arbeitnehmer x an der Dachrinne angebunden worden sei und das Seil beim Herunterklettern entfernt worden sei. Es liegt in der Natur der Sache, dass nach Fertigstellung einer Arbeit die Leiter wieder entfernt werden müsse. Es sei daher die Leiter gegen Wegrutschen und Umfallen mit einem Strick gesichert gewesen. Die Leiter sei auch keine allgemeine Aufstiegshilfe auf das Dach gewesen, sondern nur kurzzeitig vom Arbeitnehmer zur Erbringung der Abschlussarbeiten genutzt worden. Während der Arbeiten auf der Dachfläche seien Schutzgitter montiert gewesen. Weil sie bei Arbeiten an der Ichsenverschneidung behinderten, wurden die Schutzgitter entfernt und mussten sich die Arbeitskollegen mit Gurt und Seil sichern. Auch läge ein Fall von § 87 Abs.5 Z1 BauV vor, weil geringfügige Arbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, durchgeführt wurden.

Die Mitarbeiter seien einmal im Jahr genau auf Sicherheitsvorschriften unterwiesen und werde dies auch schriftlich mit Bestätigung unterfertigt. Vor jedem Arbeitseinsatz werden die Arbeitnehmer auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften hingewiesen. Der Bw sei an den ersten beiden Arbeitstagen die ganze Zeit über anwesend gewesen und habe selbst mitgearbeitet. Danach sei er jeden zweiten Tag an der Baustelle gewesen, also auch am Vortag des Unfalles. Auch bekämen die Arbeiter zur Arbeitsvorbereitung einen Zettel mit Informationen zu den geplanten Arbeitsschritten und den zu verwendenden Schutzeinrichtungen. Es könne daher dem Bw kein Verschulden angelastet werden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.4.2011, zu welcher der Bw und sein Rechtsvertreter geladen wurden und erschienen sind. Die geladene belangte Behörde ist nicht erschienen. Weiters hat das zuständige Arbeitsinspektorat Linz teilgenommen. Es wurden die Zeugen x, x, x, x, x und x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Diese besitzt Gewerbeberechtigungen für das reglementierte Gewerbe Dachdecker, Zimmermeister und Spengler, deren gewerberechtlicher Geschäftsführer ebenfalls der Bw ist. Gegen den Bw liegt eine einschlägige Vorstrafe vor; er verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000 Euro und hat keine Sorgepflichten.

Der Eigentümer des Anwesens in x, x, Herr x, gab bei der Firma x GmbH in Auftrag, am Osttrakt des Anwesens das vorhandene Strohdach und die Strohlattung zu entfernen, eine neue Dachlattung zu errichten, den Dachstuhl neu auszurichten und das Dach mit Eternitplatten neu einzudecken. Es wurde mit den Arbeiten am Montag, 17.8.2009, begonnen und sollten die Arbeiten in der selben Woche, also bis 21.8.2009, fertig gestellt sein. Die Traufenhöhe betrug an der Hofseite ca. 4 m, die Dachneigung ca. 27° bis 28°.

Die ersten  zwei Tage war auch der Bw auf der Baustelle anwesend und arbeitete er mit, dann war er noch am Donnerstag auf der Baustelle. Der Bw war auch Baustellenleiter sowie Verantwortlicher für die Baustelle und er hat die Arbeitnehmer auch eingewiesen. Es wurden als Schutzeinrichtungen Dachschutzblenden verwendet. Diese sollten erst nach Fertigstellung der Arbeiten entfernt werden. Am 21.8.2009 war der Bw nicht auf der Baustelle. In Abwesenheit des Bw ist x Verantwortlicher auf der Baustelle. Er ist gelernter Dachdecker und Spengler. Er war zusammen mit den Arbeitnehmern x, x und x die ganze Woche ständig auf der Baustelle beschäftigt. Die Anweisung, die Dachschutzblenden am Freitag zu entfernen, gab der Bw nicht. Es gab aber die Anweisung, dass Arbeitnehmer die Sicherheitsgurte verwenden müssen, sobald Schutzeinrichtungen weggeräumt werden und Absturzgefahr besteht. Die Sicherheitsgeschirre und -seile sind immer im Firmenbus auf der Baustelle vorhanden.

Am Freitag, 21.8.2009, wurden an der Baustelle sowohl an der Außen- als auch an der Hofseite des Osttraktes Dacharbeiten ausgeführt. Es wurden über Anweisung des Vorarbeiters x die Dachschutzblenden an der Hofseite entfernt. Es waren noch ca. 50 % der Dachfläche auf der Hofseite nicht eingedeckt. Von den Arbeitnehmern wurde an diesem Tag sowohl an der Hof- als auch an der Außenseite auf dem Dach gearbeitet. Der Arbeitnehmer x hat am 21.8.2009 eine einfache Ausziehleiter hofseitig an der Ichse zum Nordtrakt des Anwesens aufgestellt und mit einem Seil bei einem Dachhaken der Dachrinne befestigt. Ansonsten war die Leiter nicht gesichert. Der Arbeitnehmer verwendete für sich kein Sicherheitsseil oder -gurt. Da die anderen Arbeitnehmer ebenfalls im Dachbereich arbeiteten, waren diese mit Sicherheitsseil gesichert und dieses an den Dachsparren befestigt. Es wird nicht fix an einer Stelle des Daches gearbeitet, sondern wechseln die Arbeitnehmer den Arbeitsplatz am Dach ständig.

Der Arbeitnehmer x hat zunächst mitgeholfen, die Schutzgitter zu entfernen und er hat auch am Dach den Kollegen geholfen. Dann hat er die Leiter aufgestellt, um die Rhombusplatten im Bereich der Ichse, nämlich im Bereich des angrenzenden Dachvorsprunges, zu befestigen. Da dies nicht vom Dach aus möglich war, benutzte er die Leiter. Die Leiter war so ausgezogen, dass die Dachrinne ca. auf Höhe des Bauches des Arbeitnehmers war. Als die Arbeit im Dachvorsprungbereich beendet war, öffnete der Arbeitnehmer den Strick an der Leiter und wollte hinunterklettern. Dabei rutschte die Leiter weg und der Arbeitnehmer fiel mit ihr um. Die Eindeckarbeiten wurden noch am Unfallstag nach dem Unfall von den übrigen Kollegen fertig gestellt. Dabei waren diese mit Seil und Sicherheitsgeschirr gesichert. Die Schutzblenden wurden nicht mehr montiert. Eine Sicherheitseinrichtung für die Leiter bzw. das Befestigungsseil wurden bei der Unfallsaufnahme und -erhebung nicht vorgefunden und nicht erwähnt.

Die Verwendung von Schutzeinrichtungen bestimmt grundsätzlich der Bw, der für die Baustelle verantwortlich ist. Zu Beginn der Baustelle wird ein Zettel an den Vorarbeiter ausgehändigt, auf dem das zu verwendende Material und die Schutzeinrichtungen verzeichnet sind. Auch für die gegenständliche Baustelle gab es einen solchen Zettel. Im Zuge der Baustelle und des Baufortschrittes bestimmt dann der Vorarbeiter, der vor Ort an der Baustelle verantwortlich ist, welche Schutzeinrichtungen konkret verwendet werden. Er ist für die Partie verantwortlich. Er hat am Freitag das Wegräumen der Schutzblenden bestimmt und auch die Verwendung von Sicherheitsseilen und -gurten angeordnet. Von dieser Maßnahme wurde der Bw nicht informiert.

Die Arbeitnehmer bekommen einmal jährlich eine Sicherheitsschulung in der Firma, wobei Darstellungsmaterial der AUVA an die Mitarbeiter ausgeteilt wird. Dies wird auch durch die Mitarbeiter mit Unterschrift bestätigt. Dabei ist auch Inhalt das Montieren der Dachschutzblenden sowie auch das Aufstellen und Sichern von Leitern. Es wusste daher der Arbeitnehmer, dass Leitern gegen Wegrutschen und Umfallen zu sichern sind.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich insbesondere auf die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Auch werden die Darstellungen der örtlichen Situation durch die im Akt befindlichen Fotos untermauert. Die Fotos wurden von Herrn x, der die Unfallserhebung durchführte, aufgenommen. Es besteht grundsätzlich kein Zweifel an den Aussagen der Zeugen. Jedenfalls ist als erwiesen durch einhellige Aussage festzustellen, dass am 21.8.2009 bei den Dacharbeiten Dachschutzblenden nicht vorhanden waren, sämtliche Arbeitnehmer auf dem Dach gearbeitet haben und der verunfallte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Arbeiten auf der Leiter nicht durch Sicherheitsseil und -gurt gesichert war.

Hingegen ist es unerheblich, ob zum Unfallszeitpunkt einer oder mehrere der Arbeitnehmer hofseitig oder auch auf der Hausaußenseite gearbeitet haben. Vielmehr ist eindeutig erwiesen, dass die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz auf dem Dach ständig wechseln und sowohl vor als auch nach dem Unfall ohne die Dachschutzblenden bzw. -schutzgitter gearbeitet wurde. Dabei waren die Arbeitnehmer lediglich durch Sicherheitsseil und -gurte gesichert. Jedenfalls wurde die Dacheindeckung hofseitig (ca. 50 % der Fläche) nach dem Unfall von den restlichen Arbeitnehmern fertig gestellt.

 

Aus sämtlichen Zeugenaussagen geht einhellig hervor, dass am 21.8.2008 sämtliche Arbeitnehmer gemeinsam die Schutzgitter entfernt haben, obwohl die Dacharbeiten noch nicht fertig gestellt waren. Sämtliche Arbeitnehmer haben im Anschluss auf dem Dach die Arbeiten fortgesetzt, wobei die Arbeitnehmer x, x und x angaben mittels Sicherheitsseil und Sicherheitsgeschirr gesichert gewesen zu sein. Die Arbeitnehmer arbeiteten auch nicht fix an einer Stelle auf dem Dach, sondern sie wechselten auf dem Dach hin und her. Es hat daher mit Sicherheit am 21.8.2009 ein Arbeitnehmer die Dacheindeckung vorgenommen, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden waren. Vielmehr hat das Beweisergebnis gezeigt, dass nicht nur ein Arbeitnehmer sondern mehrere Arbeitnehmer ohne die erforderlichen Schutzeinrichtungen, nur gesichert mit Seil und Sicherheitsgurt, auf dem Dach gearbeitet haben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88).

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Aufgrund der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 21.8.2009 an der Hofseite des Osttraktes Arbeitnehmer der x GmbH Dacharbeiten, nämlich die Dacheindeckung, vorgenommen haben. Es waren keine Schutzeinrichtungen wie Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden vorhanden. Schutzgitter bzw. Dachschutzblenden wurden im Zuge der Arbeiten am 21.8.2009 zur Gänze entfernt und es haben sodann die Arbeitnehmer durch Anlegen von Sicherheitsgeschirren und Sicherheitsseilen gesichert, die Dacharbeiten fortgesetzt. Der Arbeitnehmer x hat sodann Vervollständigungsarbeiten im Ichsenbereich von einer Leiter aus durchgeführt, wobei er bei diesen Arbeiten nicht gesichert war. Die Dachneigung betrug 27° bis 28° und die Traufenhöhe ca. 4 m. Auch hätte der Arbeitnehmer x nach Fertigstellung der Arbeiten die Dacharbeiten von der Leiter aus fortgesetzt, wobei er sich dann angeseilt hätte. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung jedenfalls hinsichtlich dreier Arbeitnehmer erfüllt.

Hinsichtlich des Vorbringens des Bw, dass zum Unfallszeitpunkt Herr x auf der Leiter und nicht am Dach gearbeitet hätte, ist entgegenzuhalten, dass die übrigen Arbeitnehmer der x GmbH jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auf dem Dach beschäftigt waren und Dacheindeckungsarbeiten vorgenommen  haben. Es ist im Hinblick darauf, dass es sich bei der Errichtung von Schutzeinrichtungen wie Dachschutzblenden und Dachfanggerüste um technische Sicherungsmaßnahmen handelt, unerheblich welcher namentlich genannte Arbeitnehmer sich konkret auf dem Dach befindet. Dass Dacharbeiten am 21.8.2009 auf der Hofseite durchgeführt wurden, wurde von keinem der Arbeitnehmer bestritten bzw. in Zweifel gesetzt. Auch wurde einhellig ausgeführt, dass diese Dacharbeiten nach dem Unfall des Herrn x ohne die entsprechenden Schutzeinrichtungen fortgesetzt wurden.

Dem weiteren Vorbringen des Bw, dass für den 21.8.2009 für die gegenständliche Baustelle bereits eine Bestrafung nach der Arbeitsmittelverordnung, nämlich ungesicherte Verwendung einer Leiter, erfolgt sei, verhindert eine weitere Bestrafung wegen weiterer gesonderter Verwaltungsübertretungen nach der BauV nicht.

Hinsichtlich der namentlichen Nennung des Herrn x im Spruch des Straferkenntnisses ist aber eine Spruchkorrektur dahingehend vorzunehmen, dass dieser zu streichen ist, zumal er ungesichert von der Leiter aus Dacheindeckungsarbeiten durchgeführt hat und dann infolge des Unfalles keine weiteren Arbeiten an diesem Tag mehr ausgeführt hat. Durch diese Spruchberichtigung ist der Bw auch in keinen Rechten verletzt. Vielmehr ist es auch nach dem Gesetzeswortlaut und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für den Tatvorwurf nicht erforderlich, dass ein Arbeitnehmer namentlich im Spruch genannt wird. Auch übersieht der Bw, dass der Tatvorwurf sich nicht auf eine bestimmte Uhrzeit am 21.8.2009 bezieht, sondern generell die gesamten Arbeiten an diesem Tag betrifft.

 

Die Ausnahmebestimmung des § 87 Abs.5 Z1 BauV kommt entgegen den Ausführungen des Bw nicht zum Tragen, weil es sich nicht um Reparaturarbeiten oder geringfügige Arbeiten handelt, sondern die Arbeiten Teil einer Gesamtneueindeckung des Daches waren.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus. Insbesondere reicht es nicht aus, dass die Arbeitnehmer und der Vorarbeiter jährliche allgemeine Schulungen haben und auch reicht es nicht, dass für die einzelne Baustelle zu Baustellenbeginn schriftliche Anweisungen gegeben werden. Vielmehr ist auch hinsichtlich der einzelnen Arbeitsschritte eine Anweisung hinsichtlich Arbeitssicherheit vorzunehmen und insbesondere die Einhaltung der jeweiligen Anweisung durch die Arbeitnehmer auch konkret zu kontrollieren. Dass aber durch den Bw gerade zum Tatzeitpunkt eine Kontrolle durchgeführt wird, wird nicht einmal behauptet. Auch ist dem Verfahren zu entnehmen, dass der Vorarbeiter langjährig im Betrieb tätig ist und daher selbständig auf der Baustelle tätig ist. Dieser hat hinsichtlich der Leiter keine besonderen Anweisungen gegeben. Vielmehr ist aus den Aussagen ersichtlich, dass die Vorgangsweise mit der Befestigung durch Seile in der Firma üblich ist. Konkrete andere Anweisungen wurden nicht gegeben. Auch wurde keine Kontrolle hinsichtlich der tatsächlichen Ausführung der Sicherheit durchgeführt. Es ist daher aus dem gesamten Vorbringen und dem Beweisverfahren nicht ersichtlich, welche konkreten Maßnahmen der Bw angeordnet und durchgeführt hat, die mit gutem Grund die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleisten sollen. Vielmehr hat das Beweisverfahren gezeigt, dass der Vorarbeiter die Entfernung der Schutzgitter angeordnet hat und die Entfernung gemeinsam mit den Arbeitnehmern vorgenommen hat. Es hat der Vorarbeiter auch über die Arbeiten des verunfallten Arbeitnehmers, die von der Leiter aus durchgeführt wurden, gewusst. Es waren sämtliche Arbeitnehmer auf dem Dach beschäftigt, ohne dass weitere Schutzvorkehrungen getroffen wurden. Die Arbeitnehmer auf dem Dach waren zwar mit Seilen und Gurten nach ihren Angaben angeseilt, allerdings war auch nach dem Unfall das Errichten der Schutzgitter nicht mehr vorgesehen und wurde nicht durchgeführt. Es wurde daher vom Bw kein ausreichendes Kontrollsystem eingerichtet und überwacht. Insbesondere hat das Beweisverfahren auch gezeigt, dass trotz Anordnung der Verwendung von Schutzgittern, diese noch vor Beenden der Tätigkeiten zur Gänze entfernt wurden und auch nach Ausführung der Dachplattenbefestigung im Bereich der Ichse nicht mehr wieder verwendet wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrmals, z.B. auch am 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317, ausgesprochen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier der Vorarbeiter – aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers, Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Vielmehr ist nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5, für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, u.a. aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Es ist daher nicht nachgewiesen, dass der Bw ein ausreichend lückenloses Kontrollsystem eingerichtet hat. Er ist sohin seiner erhöhten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen und liegt daher Verschulden, nämlich zumindest sorgfaltswidriges fahrlässiges Verhalten vor.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000 Euro und keine Sorgepflichten der Entscheidung zugrunde gelegt. Weiters hat sie eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe erschwerend gewertet. Dabei ist von einer beträchtlichen Verletzung des Schutzzwecks der Norm auszugehen. Diesen Ausführungen kann nicht entgegengetreten werden. Die persönlichen Verhältnisse wurden vom Bw bestätigt. Es ist vielmehr einzuwenden, dass die entsprechenden Arbeitnehmerschutzvorschriften den Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer zum Zweck haben und durch die Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften genau jenem Schutzzweck entgegengewirkt wird. Dies hat bei der Strafbemessung berücksichtigt zu werden. Im Hinblick auf sämtliche Erwägungen ist daher nicht festzustellen, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessens in gesetzwidriger Weise vorgegangen wäre. Die verhängte Geldstrafe liegt auch im untersten Bereich des gesetzlich vorgesehenen Höchstrahmens. Auch sind nachteilige Folgen eingetreten. Die Strafe ist auch erforderlich, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Auch waren generalpräventive Gründe in Erwägung zu ziehen. Es ist daher die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Bw angepasst. Milderungsgründe liegen nicht vor, sodass von der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen war. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weiter hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war auch nicht von der Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, festzusetzen.

 

7. Die Spruchkorrektur ist in den gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: keine Nennung von Namen erforderlich, keine Uhrzeit erforderlich, Kontrollsystem

 

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