Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100787/5/Bi/Fb

Linz, 27.07.1993

VwSen - 100787/5/Bi/Fb Linz, am 27. Juli 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des R B, S, N, vertreten durch RA Dr. W R, O, M, vom 4. August 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 7. Juli 1992, VerkR96/3809/1991/Li, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, und 45 Abs.1 Z2 VStG, § 15 Abs.2 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960. zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 7. Juli 1992, VerkR96/3809/1991/Li, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs.2 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er das Motorrad am 7. August 1991 um ca. 10.30 Uhr auf der B von S kommend in Richtung E gelenkt hat und bei der Kreuzung L Bundesstraße mit der Zufahrtsstraße zum Haus M im Ortsgebiet von M ein Fahrzeug, dessen Lenker die Absicht anzeigte, nach links einzubiegen, links überholt hat. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil der vom Rechtsmittelwerber dargestellte Sachverhalt der Berufungsentscheidung zugrundegelegt wird, sohin nur mehr Rechtsfragen zu lösen waren, und eine Berufungsverhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Zeuge G habe bereits angegeben, daß der Beschuldigte den linkseinbiegenden LKW nicht sehen konnte, da dieser LKW schmäler war, als der vom Zeugen gelenkte LKW. Für ihn, den Beschuldigten, sei nicht erkennbar gewesen, daß V R nach links in eine unscheinbare Hauszufahrt einbiegen wollte, da sein LKW vom nachkommenden LKW völlig verdeckt wurde, und R sich auch nicht nach links eingeordnet habe. Ein Verstoß gegen § 15 Abs.2 lit.a StVO liege aber nur dann vor, wenn ein Fahrzeug, dessen Lenker die Absicht, nach links einzubiegen, angezeigt und sich ordnungsgemäß links eingeordnet habe, links überholt werde. R habe sich aber nicht so eingeordnet, daß für einen nachfolgenden Verkehr das Blinken wahrnehmbar gewesen sei. Ein Verschulden seinerseits könne daher schon aus diesem Grund nicht vorliegen, wobei er gemäß dem Vertrauensgrundsatz damit rechnen konnte, daß ein linksabbiegender Fahrzeuglenker sich ordnungsgemäß einordne, damit auch der Nachfolgeverkehr seine Absicht erkennen könne. Er beantrage daher die Einholung eines kraftfahrtechnischen Gutachtens samt Lokalaugenschein, die Einvernahmen der Zeugen R und G sowie seine Einvernahme. Im übrigen beantrage er die ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Einholung eines Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. S H. Zugrundezulegen ist folgender Sachverhalt: Der Rechtsmittelwerber lenkte am 7. August 1991 um ca. 10.30 Uhr ein Motorrad mit dem Probefahrtkennzeichen 11 auf der B von S kommend Richtung E. Im Ortsgebiet von M wollte er nach einer unübersichtlichen Linkskurve auf einem langen und geraden Straßenabschnitt mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h bis 90 km/h eine vor ihm fahrende Kolonne überholen, die aus dem LKW (Lenker: V), einem LKW-Zug (Lenker: I G) sowie einem PKW (Lenker unbekannt) bestand. Aus dem Akteninhalt geht hervor, daß das erste Fahrzeug in der Kolonne, der von R gelenkte LKW, mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h fuhr. Der Zeuge G hat bestätigt, daß der von ihm gelenkte LKW breiter war als der vorausfahrende, wobei es den Anschein hatte, daß dieser LKW-Lenker eine Adresse suchte, weil er sehr langsam fuhr und schon eine ganze Weile den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte. Seiner Meinung nach konnte der Rechtsmittelwerber den Blinker des LKW nicht gesehen haben, da die Sonne blendete und sein LKW breiter war als der vorausfahrende. Als der LKW abbog, sei der Kraftradfahrer in die linke Seite des LKW gefahren, wobei sich dieser beim Aufprall bereits mit dem Führerhaus in der Einfahrt und nicht mehr auf der Gegenfahrbahn befand. Auch der Zeuge R hat angegeben, er habe ca. 30 m vor der Unfallstelle den linken Blinker betätigt und beabsichtigt, zu dem links neben der Fahrbahn befindlichen Haus zuzufahren, um sich nach der Ortschaft F. zu erkundigen, wo er eine Lieferung vorzunehmen hatte. Er habe eine Geschwindigkeit von ca. 25 km/h eingehalten und den Rechtsmittelwerber weder beim Betätigen des Blinkers noch beim Einbiegen im Rück- bzw Außenspiegel gesehen. Der Rechtsmittelwerber hat bei der Unfallaufnahme angegeben, er habe beim Überholen eine Geschwindigkeit von 80 km/h bis 90 km/h eingehalten. Als er schon auf Höhe des LKW-Zuges gewesen sei, habe er wahrgenommen, daß der davor fahrende LKW nach links einbog, wobei er einen Blinker nicht gesehen habe. Das Blinkzeichen dürfte kurzfristig gesetzt worden sein, wobei der LKW durch den hinten nachfahrenden LKW-Zug verdeckt gewesen sei. Der Rechtsmittelwerber erlitt beim Verkehrsunfall einen Bruch des linken Handgelenkes sowie des rechten Ellenbogens, sohin eine schwere Verletzung mit einer über 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung bzw Berufsunfähigkeit.

Unter Zugrundelegung des Akteninhaltes erstattete der Amtssachverständige Ing. Hamminger ein verkehrstechnisches Gutachten, aus dem zunächst hervorgeht, daß die Länge der Bremsspur 31,35 m betragen hat. Die Aufprallgeschwindigkeit des Motorrades auf den LKW R wurde aufgrund der Art der Verletzung und der Beschädigung des Motorrades auf ca. 25 km/h geschätzt. Unter Zugrundelegung einer Verzögerung von 7 m/sec2 ergebe sich daraus eine Fahrgeschwindigkeit von 79,4 km/h. Der Zeitbedarf für diese Bremsung betrage 2,16 sec. Zuzüglich einer Reaktionszeit von 1 sec habe der Beschuldigte das Abbiegen demnach 3,16 sec vor dem Zusammenstoß bemerkt. Der Abbiegevorgang des LKW bedurfte einer Strecke von ca. 14 m von der Fahrstreifenmitte bis zur Unfallstelle (LKW-Hinterachse auf der Bremsspur). Die Fahrgeschwindigkeit werde mit etwa 15 km/h beim Einbiegevorgang angenommen. Der Zeitbedarf für diese Strecke betrage somit 3,4 sec. Anhand der Gegenüberstellung der ermittelten Zeitwerte könne abgeleitet werden, daß der Rechtsmittelwerber zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges den eingeschalteten Fahrtrichtungsanzeiger des LKW R nicht gesehen habe, da dieser durch den LKW-Zug, der vom Zeugen G gelenkt wurde, verdeckt war. Erst durch die Fahrtrichtungsänderung des linksabbiegenden LKW habe der Beschuldigte die Absicht des Linksabbiegens erkannt.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß bei Schilderung des Vorfalls durch den Rechtsmittelwerber aus dem Akteninhalt nichts entgegenzusetzen ist, wobei auch insbesondere der Zeuge G betont hat, daß sein LKW breiter war, als der linksabbiegende LKW. Dieser weist laut Anzeige eine Breite von 2,50 m auf, die Breite des rechten Fahrstreifens der B156 beträgt ca. 3 m. Es ist daher durchaus naheliegend, daß der Zeuge R zwar schon einige Zeit vor dem Abbiegevorgang links geblinkt hat; aus dem Akteninhalt läßt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit er sich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet hat.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß sich sowohl aus dem Sachverständigengutachten als auch aus der Äußerung des Rechtsmittelwerbers ergibt, daß er das Linksabbiegemanöver des LKW erst bemerkt hat, als er sich schon auf Höhe des LKW-Zuges befand. Zum Zeitpunkt des Ansetzens zum Überholen war der Rechtsmittelwerber somit nicht in der Lage, das beabsichtigte Linksabbiegemanöver zu erkennen. Aus diesem Grund vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß ihn an der Nichteinhaltung des Gebotes des § 15 Abs.2 lit.a StVO 1960 kein Verschulden trifft. Abgesehen davon, daß der Rechtsmittelwerber bei dem Unfall schwere Verletzungen davongetragen hat, die sicher sein Verhalten im Straßenverkehr im Hinblick auf größere Vorsicht und Geduld beeinflußt haben, wäre ihm - im nachhinein betrachtet - höchstens ein Vorwurf daraus zu machen, in einer für ihn unklaren Verkehrssituation (auf einem übersichtlichen und geraden Straßenstück fährt eine Kolonne ohne erkennbaren Grund 30 km/h) überhaupt überholt zu haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Verfahrenskostenentfall ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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