Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401151/5/AB/Sta

Linz, 15.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Beschwerde des K M O, geb. , StA von Nigeria, derzeit angehalten im Polizeilichen Anhaltezentrum Wien, vertreten durch Rechtsanwalt E W. D, L G ,  W, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft seit 16. November 2011 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 16. November 2011, Z  Sich40-1026-2010, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Grundlage des § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG "zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG)" die Schubhaft angeordnet und durch Überstellung in das PAZ Wien vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen zum Sachverhalt – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:

 

Am 16.11.2011 sei die belangte Behörde wegen einer Anzeige des Bf wegen nicht Leistens einer Taxirechnung über den Aufenthalt und die Anwesenheit des Bf bei der Polizeiinspektion A fernmündlich verständigt worden. In weiterer Folge sei festgestellt worden, dass sich der Bf zuletzt nach vollzogener Haftstrafe für die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 07.01.2010 bis 02.04.2010 und vom 03.09.2010 bis 03.12.2010 in Schubhaft im PAZ der BPD Wels befunden habe. Der diesbezügliche Schubhaftbescheid vom 07.01.2010 sei mittels Schubhaftbeschwerde angefochten worden. Diese Schubhaftbeschwerde sei mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 02.02.2010, VwSen-401043, als unbegründet abgewiesen worden und sei in diesem Zusammenhang festgestellt worden, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien.

 

Unter Verweis auf die Verhängung der letztmaligen Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Ried hält die belangte Behörde fest, dass der Bf nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Der Bf sei nach eigenen Angaben am 01.12.1973 in N, O, geboren und ledig. Am 16.12.2002 sei der Bf von Italien kommend illegal ohne Papiere nach Österreich eingereist und habe als "O K M", Staatsangehöriger von N einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.04.2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden. Gleichzeitig habe die Asylbehörde die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 festgestellt und die Ausweisung des Bf nach N gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 04.11.2009 abgewiesen (rechtskräftig seit 24.11.2009), womit der Abschiebeschutz erloschen sei. Der Bf sei seither ausreisepflichtig und sein Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechtmäßig.

 

Bereits mit Bescheid der BPD Wien vom 06.08.2003 sei gegen den Bf wegen rechtskräftiger Verurteilungen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für Österreich verhängt worden. Die dagegen eingebrachte Berufung habe der Sicherheitsdirektor von Wien mit Bescheid vom 03.12.2003 abgewiesen (rechtskräftig seit 04.12.2003).

 

Am 06.01.2010 sei der Bf um ca. 23.50 Uhr als Insasse eines Linienbusses der Firma E auf der A8 Innkreisautobahn, Fahrtrichtung Deutschland, im Gemeindegebiet von Ort im Innkreis, von Organen der API R einer Fahndungskontrolle unterzogen worden. Die Polizeibeamten hätten dabei festgestellt, dass der vom Bf vorgewiesene nigerianische Reisepass lautend auf O N, sowie der vorgewiesene österreichische Aufenthaltstitel, ebenfalls lautend auf O N, nicht dem Bf gehöre. Diese Dokumente hätte der Bf von einem Bekannten ausgeborgt. Die weitere Überprüfung habe ergeben, dass der Bf persönlich kein gültiges Reisedokument und keinen Sichtvermerk besitze. Anlässlich der Vorführung des Bf am 07.01.2010 zur Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis als Fremdenpolizeibehörde habe der Bf einen Asylfolgeantrag gestellt. In der Folge sei der Bf in Schubhaft genommen worden.

Der Asylfolgeantrag des Bf vom 07.01.2010 sei mit Bescheid des Bundesasylamts, Erstaufnahmestelle West, vom 15.01.2010 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Nigeria gemäß § 10 AsylG 2005 verbunden worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.02.2010 abgewiesen worden (rechtskräftig seit 04.02.2010).

 

Wegen des oben angeführten Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 StGB habe das Bezirksgericht Ried im Innkreis den Bf im März 2010 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt (rechtskräftig seit 23.03.2010). Darüber hinaus sei mittels Beschluss des Landesgerichtes Linz die bedingt gewährte Strafnachsicht widerrufen worden.

Weiters würden gegen den Bf in Österreich noch folgende rechtskräftige Verurteilungen aufscheinen:

 - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.05.2003 wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 SMG und § 15 StGB: Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren (rechtskräftig seit 20.05.2003);

 - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.11.2003 wegen § 27 Abs. 1 (6. Fall) und Abs. 2 Ziffer 2, § 27 Abs. 1 (1. und 2. Fall) SMG: Freiheitsstrafe von 9 Monaten (rechtskräftig seit 07.11.2003);

 - Urteil des Landesgerichtes Linz vom 06.07.2009 wegen § 15 und § 224 (1. Fall) StGB: Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt nachgesehen, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren (rechtskräftig seit 10.07.2009);

 - Urteil des Landesgerichtes Linz vom 01.12.2009 wegen §§ 105 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 125 StGB: 3 Monate Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen (rechtskräftig seit 05.12.2009). Diesbezüglich sei der Bf der Nötigung und der Körperverletzung zum Nachteil seiner früheren Lebensgefährtin und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen worden.

 

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 09.02.2010 und vom 26.02.2010 sei der Bf gemäß § 67 Abs. 3 FPG über die Verpflichtung zur Ausreise informiert worden.

 

Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Bf sei festzustellen, dass dieser zuletzt von 28.10.2009 bis 26.02.2010 mit Hauptwohnsitz unter einer näher konkretisierten Adresse in  L gemeldet gewesen sei; an dieser Adresse habe seine frühere Lebensgefährtin gewohnt. Nach erfolgter Abmeldung von dieser Adresse hätte der Bf keinen aufrecht gemeldeten ordentlichen Wohnsitz in Österreich gehabt. Der Aktenlage nach habe die frühere Lebensgefährtin die Lebensgemeinschaft zum Bf beendet gehabt, wobei der Bf selbst dazu befragt angegeben hätte, dass dies seine Privatsache sei und die Behörde nichts angehe. Die Frage nach einem Kind habe der Bf ebenfalls nicht beantworten wollen. Der Bf sei seit Ende August 2009 arbeitslos gewesen und hätte zunächst Arbeitslosengeld in Höhe von ca. EUR 700,00 monatlich bezogen. Außerdem habe eigenen Angaben zufolge eine Kreditbelastung von ca. EUR 5000,00 bestanden.

 

Der Bf sei mehrmals aufgefordert worden, Beweismittel zur Feststellung seiner Identität beizuschaffen, sei dem aber nicht nachgekommen. Weiters habe der Bf die Vornahme einer Sprachanalyse in Englisch abgelehnt.

 

Auch habe sich der Bf gegen die Verhängung der Schubhaft und die Abschiebung ausgesprochen, da er nicht zurück nach N könne. Dort fühle sich der katholische Bf von den Moslems verfolgt. Seine Eltern wären in N umgebracht worden.

 

Eine maßgebliche berufliche und soziale Verankerung im Inland bestehe nicht. Der Bf habe behauptet, in Österreich einen kleinen Sohn zu haben, wobei er weder die Schreibweise des Kindsnamens, das Geburtsdatum oder die Wohnadresse angeben hätte können (oder wollen).

 

Von 02.04.2010 bis 03.09.2010 habe sich der Bf in der Justizanstalt Ried im Innkreis in Strafhaft befunden. Am 12.03.2010 sei der Bf im Rahmen der Identitätsfeststellung einer nigerianischen Botschaftsdelegation vorgeführt worden. Anlässlich der Identitätsprüfung habe der Bf – nach Angaben des Bundesministeriums für Inneres – die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (vorerst) vereiteln können, indem er vorgegeben hätte, nur spanisch und portugiesisch zu sprechen. In diesem Zusammenhang habe der Bf anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 17.06.2010 angegeben, dass er mit diesen Botschaftsvertretern nichts zu tun haben wolle. In den bisherigen Asylverfahren habe der Bf angegeben, die Sprachen I, K, H, Englisch und Deutsch zu sprechen. Die Vernehmung vor dem Bundesasylamt sei jeweils in der Sprache Englisch erfolgt, wobei der Bf den Dolmetscher einwandfrei verstanden hätte.

 

Da eine neuerliche Einvernahme seitens der nigerianischen Botschaft verweigert worden sei, sei der Bf mangels Erlangung eines Ersatzreisedokumentes am 03.12.2010 aus der Schubhaft entlassen worden. Daraufhin sei er in die Anonymität abgetaucht.

 

Zwischenzeitlich habe das Bundesministerium für Inneres eine neuerliche Anhörung des Bf vor der nigerianischen Vertretungsbehörde für den 05.08.2011 erwirken können. Diese konnte jedoch nicht stattfinden, da der Ladungsbescheid dem Bf mangels bekannten Aufenthaltsortes nicht zugestellt werden habe können. Auf Anfrage habe das Bundesministerium für Inneres die belangte Behörde darüber informiert, dass ein neuerlicher Vorführungstermin vor die nigerianische Delegation für den 02.12.2011 erwirkt werden habe können.

 

Zwischenzeitig sei dem Bf am 27.09.2011 eine landesbetreute Unterkunft der Volkshilfe in A zugewiesen worden.

 

Schließlich sei der Bf durch die Polizeiinspektion A im Auftrag der belangten Behörde am 16.11.2011 um 11:45 Uhr nach dem FPG festgenommen und der belangten Behörde vorgeführt worden, wobei ihm der neuerliche Vorführungstermin vor die nigerianische Delegation für den 02.12.2011 mitgeteilt worden sei.

 

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass aufgrund der bisherigen Verhaltensweise des Bf und seinen unmissverständlichen Angaben und Aussagen vor dem Konsulat nicht erscheinen zu wollen/werden, am Verfahren nicht mitzuwirken und alles daran zu setzen um dieser Vorführung zu entgehen, im Rahmen der durchgeführten Einzelfallprüfung jegliche Möglichkeit einer Sicherungsmaßnahme abseits einer Freiheitsentziehung entfalle. Die Anwendung gelinderer Mittel könne im gegenständlichen Fall nicht getroffen werden, da mit einem gelinderen Mittel das laufende Verfahren der Identitätsfeststellung und der dafür erforderlichen Vorführung vor die nigerianische Vertretungsbehörde am 02.12.2011 und die darauffolgende Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht gesichert werden könne.

 

Ein gelinderes Mittel würde nach Auffassung der belangten Behörde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem erneuten Abtauchen in die Anonymität – abermals dem Vorführungstermin vor die nigerianische Delegation entgehen werde und damit letztlich – im Lichte der monatelangen Ersuchen an die nigerianische Vertretungsbehörde – auch die Glaubwürdigkeit der österreichischen Behörden gegenüber der nigerianischen Vertretungsbehörde verloren ginge. Zudem bestehe die berechtigte Gefahr bei einem neuerlichen Abtauchen in die Anonymität, dass der Bf dem österreichischen Staat weiterhin finanziell zur Last fallen könnte. Nachdem der Bf bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er keinen Wert an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung in seinem Gastland lege, sei davon auszugehen, dass er seinen erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in der Europäischen Union notfalls durch illegale Beschäftigung oder anderwärtige strafrechtliche Begehen erwirtschaften werde, da der Bf über keine ausreichenden Barmittel verfüge und eine rechtmäßige Beschäftigung nicht ausüben könne, sei er doch weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch aufenthaltsrechtlichen Bewilligung.

 

Durch sein Verhalten, insbesondere Abtauchen in die Anonymität und die bewusste Verwendung nicht eigener besonders geschützter Urkunden bzw. der Verwendung mehrerer Identitäten, sowie den Asylmissbrauch habe der Bf nach Auffassung der belangten Behörde bereits mehrfach unter Beweis gestellt, jederzeit dazu bereit zu sein, sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch Abtauchen in die Anonymität zu entziehen. Dem Bf käme es darauf an, in einem wirtschaftlich attraktiven Staat seiner Wahl zu leben, was schon aus seinen versuchten illegalen Grenzübertritten ersichtlich sei. Auch sei die Tatsache, von der Möglichkeit einer Deklaration einer Schutzsuche (Asylfolgeantrag) erst dann Gebrauch zu machen, wenn es der Zeitpunkt erfordere, um einer Umsetzung von Rechtsakten des Gastlandes zu entgehen, bemerkenswert.

 

Die belangte Behörde geht weiters davon aus, dass eine Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft im konkreten Fall vorliege. Denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten, sei der Eingriff in das Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich.

 

Die Behörde konstatiert schließlich, dass die Verhängung der Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehe und im Interesse des öffentlichen Wohles dringend erforderlich und geboten sei, weshalb die Verhängung der Schubhaft anstelle von gelinderen Mitteln zu verhängen sei.

 

1.2. Gegen die Festnahme am 16.11.2011, Verhängung und Anhaltung in Schubhaft durch Bescheid vom 16.11.2011 erhob der Bf durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schreiben vom 8.2.2012 Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte, die Feststellung der "Rechtswidrigkeit [der] Festnahme, des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Haft ab Beginn" sowie, "dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen". Auch ein entsprechender Antrag auf Kostenersatz wird gestellt.

 

Der Bf bringt vor, im Dezember 2002 nach Österreich gekommen zu sein. Nach Darstellung der asylrechtlichen Verfahrensgenese (negative Asylgerichtshofentscheidung vom 4.11.2009, Zurückweisung des Asylfolgeantrags mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2.2.2010) führt der Bf aus, dass er am 16.11.2011 wegen Nichtzahlens einer Taxirechnung durch Beamte der PI A fest- und mit Bescheid der belangten Behörde vom selben Tage in noch andauernde Schubhaft genommen worden sei.

 

Der Bf begründet seine Beschwerde im Wesentlichen damit, dass der bekämpfte Schubhaftbescheid insofern falsch begründet sei, als die Begründung der Begründung des zu einem früheren Zeitpunkt durch die Bezirkshauptmannschaft Ried erlassenen Schubhaftbescheides entspreche. Diese Begründung passe daher in Wesentlichen Teilen nicht zu den nunmehrigen Umständen des Jahres 2011.

 

Der Bf führt in der Folge aus, dass er sich vor der nunmehrigen Inschubhaftnahme nicht in Haft befunden hätte, sondern im Grundversorgungsquartier der Volkshilfe in A untergebracht gewesen sei. Dort habe er der Behörde jederzeit zur Verfügung gestanden. Es hätte demnach nicht die Befürchtung bestanden, dass er untertauchen hätte wollen. Dazu käme, dass der Bf schon auf Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft Ried am 12.3.2010 der nigerianischen Botschaft vorgeführt worden sei und ein Heimreisezertifikat bis dato noch nicht ausgestellt worden sei. Die belangte Behörde hätte daher zwingend davon ausgehen müssen, dass auch bei neuerlicher Inschubhaftnahme ein Heimreisezertifikat nicht ausgestellt werden würde und damit die Schubhaft gar nicht dem Zweck der Abschiebung dienen könne. Auch wäre eine weitere Vorführung vor die nigerianische Botschaft gar nicht mehr notwendig gewesen, da diese bereits einmal die Ausstellung eines Heimreisezertifikates abgelehnt hätte.

 

Im Übrigen hätte die belangte Behörde den Bf auch zur Mitwirkung im Fremdenverfahren laden können und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wohl auch müssen. Eine nichtbezahlte Taxirechnung könne eine Schubhaft über annähernd drei Monate nicht rechtfertigen. Auch die Begründung der Schubhaft mit der "Glaubwürdigkeit der österreichischen Behörden" gegenüber der nigerianischen Vertretungsbehörde sei nicht geeignet.

 

Unverständlich sei im Lichte des Gemeinschaftsrechts auch, aus welchem Grund die Behörde nicht spätestens nach dem ersten Termin mit der Botschaft die Haft beendet habe und den Bf wieder in das Grundversorgungsquartier in A rückkehren habe lassen. Die Behörde habe außerdem – ebenfalls unter Bezugnahme auf gemeinschaftsrechtliche sowie nationale Vorgaben – nicht beachtet, dass unbefristete Aufenthaltsverbote von Amts wegen aufzuheben seien. Aufgrund eines amtswegig aufzuhebenden Aufenthaltsverbotes könne weder eine Abschiebung noch eine Schubhaft begründet werden. In Bezug auf die Ausweisung der Asylbehörde sei weiters auf die lange Aufenthaltsdauer des Bf, den in Bezug auf den gefährlichen Drogenhandel nunmehr schon sehr lange andauernden Wohlverhaltenszeitraum, die mittlerweile guten Deutschkenntnisse und die familiäre Verankerung durch den österreichischen leiblichen Sohn des Bf sowie die österreichische "Stieftochter" hinzuweisen, weswegen auch die Gründe der Ausweisung weggefallen wären.

 

2.1. Mit Schreiben vom 10.2.2012 übermittelte die belangte Behörde eine Kopie des Fremdenpolizeiaktes, da sich der Originalakt aufgrund eines beim Verwaltungssenat des Landes Wien anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens befände.

 

In einer kurzen Gegenschrift führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass eine Überstellung nach Nigeria in kürzester Zeit nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates beabsichtigt sei.

 

Grundsätzlich wird auf die Aktenlage und die Ausführungen im bekämpften Schubhaftbescheid verwiesen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich der Bf nach wie vor in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Wien zur Verfügung der belangten Behörde befände.

 

Des Weiteren wird ausgeführt, dass gegen den Bf ein unbefristetes rechtskräftiges Aufenthaltsverbot wegen rechtskräftiger Verurteilungen vorliege. Dieses Aufenthaltsverbot sei von der BPD Wien am 06.08.2003 erlassen worden und seit dem 04.12.2003 rechtskräftig. Eine etwaige Aufhebung des Aufenthaltsverbotes hätte vom Bf beantragt werden müssen und nicht – wie in der Schubhaftbeschwerde angeführt – von Amts wegen behoben werden müssen. Eine amtswegige Aufhebung hätte nur dann durchgeführt werden müssen, wenn die maßgeblichen Sachverhalte, die zu diesem Aufenthaltsverbot geführt haben, weggefallen wären. Es sei jedoch das Gegenteil der Fall. Der Beschwerdeführer sei während seines 9-jährigen Gastaufenthaltes in Österreich bereits fünf mal strafrechtlicher Natur verurteilt worden – dies auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

 

Der Bf verfüge in Österreich weder über eine polizeiliche Anmeldung, noch über einen für den Aufenthalt ansonsten erforderlichen gültigen Reisepass. Während seines längjährigen Aufenthaltes in Österreich habe er es verabsäumt, seine Identität anhand von Dokumenten in Österreich unter Beweis zu stellen.

 

Am 30.12.2010 habe der Bf vor dem Magistrat der Stadt Linz einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung gem. § 43 Abs. 4 NAG" gestellt, welcher mit Bescheid der belangten Behörde als NAG-Behörde mit Wirkung vom 13.12.2011 – rechtskräftig seit 29.12.2011 – abgewiesen worden sei.

 

In der Folge wird vorgebracht, dass der Bf bei seiner ersten Vorsprache vor einer nigerianischen Delegation bewusst seine nigerianische Herkunft verschleiert hätte, indem er die englische Landessprache in Abrede gestellt hätte. Bei einem von der belangten Behörde organisierten weiteren Termin vor der nigerianischen Botschaft am 02.12.2011, habe er nun angegeben, nigerianischer Staatsbürger zu sein, weshalb eine Erwirkung eines Heimreisezertifikates keinesfalls – so wie in der Beschwerdeschrift behauptet – aussichtslos erscheine. Die lange Dauer des Identitätsfeststellungsverfahrens sei dem Bf zur Last zu legen, da er wissentlich seine nigerianische Herkunft verschleiert bzw. seine Mitwirkung an der Feststellung des relevanten Sachverhaltes verweigert habe. Die belangte Behörde sei bestrebt, die Schubhaftdauer so kurz als möglich zu halten. Dies gehe auch aus dem Fremdenakt hervor - das Heimreisezertifikat sei bereits mehrmals via dem zuständigen Bundesministerium bei der nigerianischen Botschaft urgiert worden. Ebenso komme bei der Wahl der Mittel zur Sicherung fremdenpolizeilicher Maßnahmen dem Grad der Bereitschaft des Fremden an der Mitwirkung zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes hohe Bedeutung zu.

 

Weiters habe der Bf bei seiner Antragstellung nach dem NAG angegeben, ledig zu sein und keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Zu seinem "leiblichen Sohn" sei anzuführen, dass zwar ein M M der Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin, M A M, sei, jedoch der Bf auf der Geburtsurkunde nicht als Vater aufscheine.

 

Auf Grund der vergangenen und nach wie vor aufrechten Intoleranz des Bf gegenüber der bestehenden Rechtsordnung in Österreich im Bereich der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen und der oben angeführten Gründe sei von einer erheblichen Fluchtgefahr – nach wie vor – auszugehen.

 

Es bestehe gegen den Bf mit Wirkung vom 04.02.2010 eine – inzwischen in II. Instanz – rechtskräftige Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach N. Seiner Ausreiseverpflichtung nach der negativen Finalisierung seiner Asylanträge sei der Bf nachhaltig nicht nachgekommen.

 

Es sei beabsichtigt, den Bf unmittelbar nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft von N in den Herkunftsstaat N abzuschieben. Dass der Beschwerdeführer nicht nach N zurückkehren wolle, stehe nicht nur auf Grund seiner Handlungsweise, sondern auch auf Grund seiner letztlich nunmehr eingebrachten Schubhaftbeschwerde außer Zweifel.

 

Abschließend wird – zur Sicherstellung der Vollstreckung der vorliegenden rechtskräftigen Ausweisung und der damit verbundenen Abschiebung in den Herkunftsstaat N – die kostenpflichtige Abweisung vorliegender Beschwerde beantragt.  

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der – im Übrigen durch den rechtsfreundlich vertretenen Bf auch nicht ausdrücklich beantragten – Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, der im Übrigen hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Punkte auch vom Bf nicht bestritten wird.

 

Dabei ist hinsichtlich des Vorbringens, dass der Bf einen "österreichischen leiblichen Sohn" und eine "Stieftochter" hätte, festzuhalten, dass der Rechtsanwalt des Bf nach Rücksprache mit seinem Mandanten dem erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates mitteilte, dass nähere Angaben bzgl. konkretem Geburtsdatum und Wohnort nicht gemacht werden könnten. Der Sohn sei ca. 7 Jahre alt und der Bf hätte seit dessen Geburt an sich keinen Kontakt mit ihm. Mit der Mutter namens Frau "S M", der früheren Lebensgefährtin des Bf, bestehe kein gutes Einvernehmen und im Übrigen auch kein Kontakt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 126 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011) BGBl. I Nr. 38/2011 (ausgegeben am 23. Mai 2011), treten ua. die Bestimmungen des § 76, § 77 Abs. 1, 3, 6 und 7 sowie § 80 in der Fassung des genannten Bundesgesetzes (BGBl. I Nr. 38/2011) mit 1. Juli 2011 in Kraft. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist demnach die aktuelle Rechtslage anzuwenden. Die Änderungen durch BGBl. I 112/2011 dienten lediglich der Bereinigung von Redaktionsversehen und sind für den gegenständlichen Fall ohne Entscheidungsrelevanz.

 

 Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 16. November 2011, Z Sich40-1026-2010, seit 16. November 2011 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat gem. § 83 Abs. 1 FPG zur Entscheidung berufen ist. Die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich dabei aus  § 6 Abs. 4a FPG, richtet sich diese doch nach dem Aufenthalt des Bf. Der Bf war am 16. November 2011 im Sprengel der belangten Behörde aufhältig (siehe u.a. die im Akt einliegende Zeugenvernehmung bei der Polizeiinspektion Vöcklamarkt vom 16.11.2011).

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 leg.cit. genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Ein gelinderes Mittel ist gem. Abs. 3 leg.cit. insbesondere die Anordnung

1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

3.4. Zu den Schubhaftgründen:

3.4.1. Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass über den Bf, der im Dezember 2002 illegal nach Österreich gekommen ist, durch Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. August 2003 ein durchsetzbares unbefristetes Aufenthaltsverbot wegen der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (zufolge rechtskräftiger Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz) erlassen wurde, das seit 4.12.2003 rechtskräftig ist.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.4.2005 wurde der Asylantrag des Bf vom Dezember 2012 gemäß § 7 und § 8 Asylgesetz 1997 abgewiesen und dessen Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Na ausgesprochen. Diese Entscheidung wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes im November 2009 bestätigt.

Der Asylfolgeantrag des Bf vom 7.1.2010 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.1.2010 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach N gemäß § 10 Abs 1 Asylgesetz 2005 ausgesprochen, was mit rechtskräftiger Entscheidung des Asylgerichtshofes im Februar 2010 bestätigt wurde.

 

Nach Vollzug einer Haftstrafe von 18.10.2003 bis 17.3.2005 befand sich der Bf aufgrund von Schubhaftbescheiden der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis von 7.1.2010 bis 2.4.2010 und – erneut nach vollzogener Haftstrafe (von 2.4.2010 bis 3.9.2010) – von 3.9.2010 bis 3.12.2010 in Schubhaft. Im unmittelbaren Anschluss an diese Schubhaft tauchte der Bf in die Anonymität unter.

 

Aufgrund des nunmehr bekämpften Schubhaftbescheides der belangten Behörde vom 16.11.2011 befindet sich der Bf seit diesem Tag bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum der BPD Wien.  

 

3.4.2. Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates dem angefochtenen Schubhaftbescheid vom 16.11.2011 zu Recht § 76 Abs. 1 FPG zugrunde. Nach dieser Bestimmung können Fremde u.a. festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Bereits im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (16.11.2011) lagen rechtskräftige negative Asylentscheidungen/Ausweisungen des Asylgerichtshofes betreffend den Bf vor. Auch ein durchsetzbares unbefristetes Aufenthaltsverbot lag bereits in diesem Zeitpunkt vor. Die belangte Behörde gründete ihren Schubhaftbescheid daher zu Recht auf die Bestimmung des § 76 Abs. 1 FPG.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" sowohl des Abs. 1 als auch des Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 bzw. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.1. Vorweg ist anzumerken, dass die belangte Behörde eine hinreichend fundierte einzelfallbezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf – unter Hinweis auf die bisherige Verhaltensweise des Bf, sein Abtauchen in die Anonymität, seine kriminelle Neigung und seine unmissverständlich negativen Angaben und Aussagen bzgl. seiner Abschiebung bzw. der Mitwirkung an dieser – durchgeführt hat, der aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates durchaus zu folgen ist. Dabei ist anzumerken, dass die belangte Behörde im in Rede stehenden Schubhaftbescheid im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung auf die Ausführungen im Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried (wörtlich) verweist. Dies ist freilich nicht zu beanstanden, kann sich der verfahrensrechtliche Ablauf doch naturgemäß nicht verändern; hinsichtlich der erst nach dem bezogenen Schubhaftbescheid relevanten Entwicklungen (insbes. hinsichtlich der Vorführung vor die nigerianische Botschaft zur Erwirkung eines Heimreisezertifikates) trifft die belangte Behörde aber sehr wohl eigene konkrete Ausführungen (S. 6 ff des bekämpften Bescheides).

 

3.5.2. Der Bf, der im Dezember 2002 illegal ohne Papiere ins Bundesgebiet eingereist ist, ist mittellos, verfügt in Österreich über keinen eigenen Wohnsitz (letzter gemeldeter Wohnsitz war laut ZMR-Abfrage eine Flüchtlingsbetreuungseinrichtung der Volkshilfe) und ist in Österreich weder sozial noch sonstig in besonderem Maß integriert; diesbezüglich bringt der Bf selbst nichts anderes vor. Hinsichtlich der familiären Verankerung in Österreich – insbesondere, dass der Bf einen leiblichen Sohn hätte – ist darauf hinzuweisen, dass sich der Bf diesbezüglich im Laufe des Verfahrens bereits mehrmals widersprüchlich äußerte: So benennt er die von ihm bezogene Lebensgefährtin Frau M/M im Laufe des Verfahrens immer wieder mit unterschiedlichen Vornamen; im Übrigen konnte er weder im Laufe des bisherigen Verfahrens seit 2002 noch im gegenständlichen Verfahren auf ausdrückliche Anfrage des Oö. Verwaltungssenates konkrete Angaben zu Geburtsdatum und Wohnanschrift seines Sohnes geben.

Der Bf ist demzufolge zusammengefasst weder im sozialen noch im familiären Bereich in besonders bemerkenswerter Weise integriert.

 

3.5.3. Besonders ist in diesem Zusammenhang zu würdigen, dass der Bf offensichtlich keinesfalls dazu bereit ist, in seine Heimat N zurückzukehren. Wie aus dem Akt ersichtlich ist und auch von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wird, will der Bf unter keinen Umständen nach N zurück. Bemerkenswert ist auch, dass der Bf im Rahmen seiner ersten Vorführung vor die nigerianische Botschaft am 12.3.2010 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch seine Behauptung, nur Spanisch und Portugiesisch zu sprechen, vereitelte, weshalb in der Folge einer neuerlichen Anhörung seitens der nigerianischen Botschaft nicht zugestimmt wurde.

Dass es ihm dabei nicht um die Erlangung von Schutz vor politischer Verfolgung geht, sondern um ein klares wirtschaftliches und persönliches Kalkül, dokumentieren die bereits abgeschlossenen Asylverfahren. Das Motiv ist klar: Der Bf will auf diese Weise einer Abschiebung in sein Heimatland entgehen. Dies indiziert nicht zuletzt auch sein Asylfolgeantrag, sein NAG-Antrag, der Versuch der illegalen Ausreise (mit fremden Dokumenten) und insbesondere auch sein Abtauchen in die Anonymität bzw. die Verwendung fremder Ausweis-Dokumente. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ist auch im weiteren Verfahren nichts hervorgekommen, was eine diesbezüglich abweichende Auffassung rechtfertigen könnte. Durch diese geschilderte Verhaltensweise gibt der Bf ein Beispiel dafür, dass er alles daran setzt, einer Abschiebung in sein Heimatland zu entgehen. Auch die vielzähligen strafrechtlichen Verurteilungen des Bf und die damit verbundenen langjährigen Inhaftierungen zeigen deutlich, dass der Bf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch den Weg in die Illegalität nicht scheute, nur um einer Abschiebung zu entgehen.

 

3.5.4. In diesem Zusammenhang ist auch auf das seit 2003 rechtskräftige unbefristete Aufenthaltsverbot (nach § 39 Abs. 1 Fremdengesetz) gegenüber dem Bf aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit wegen strafrechtlicher Verurteilungen hinzuweisen. Wenn auch – wie vom Bf in der Beschwerde richtig erkannt – ein Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs. 2 FPG auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind, so ist für die Beurteilung des vorliegenden Schubhaftbescheides damit freilich nichts gewonnen.

 

Denn die gegenständlich bekämpfte Schubhaft wurde zur "Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG)" verhängt. Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66, § 10 Asylgesetz 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, unter bestimmten näher genannten Voraussetzungen von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung).

Da im ggst. Fall eine durchsetzbare Ausweisung nach N gemäß § 10 AsylG 2005 vorliegt (Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.1.2010, Asylgerichtshofentscheidung vom 2.2.2010), diente die verhängte Schubhaft jedenfalls der Sicherung der auf dieser asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung gründenden Abschiebung. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Aufenthaltsverbotes ist daher schon aus diesem Grund nicht von Entscheidungsrelevanz, liegt doch jedenfalls und auch vom Bf nicht bestritten eine rechtskräftige asylrechtliche Ausweisungsentscheidung vor.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Oö. Verwaltungssenat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die diesbezüglichen vollstreckbaren Entscheidungen der Asylbehörden gebunden ist.

 

Nichts anderes gilt ferner auch für rechtskräftige Aufenthaltsverbote, verhängt durch die Fremdenpolizeibehörden. Gegenständlich liegt – neben der rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 – zusätzlich auch ein rechtskräftiges und somit durchsetzbares Aufenthaltsverbot vor.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem Bf nach § 69 Abs. 2 FPG ein Antragsrecht auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zukommt; nicht zuletzt im Lichte des Legalitätsprinzips würde daher selbst ein rechtswidriges Aufenthaltsverbot bis zu seiner Aufhebung gelten.

 

Im Übrigen scheidet aber auch eine amtswegige Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nach § 69 Abs. 2 FPG mangels geänderter "Gründe" aus: So räumt der Bf selbst in seiner Beschwerdeschrift ein, dass ein "Wohlverhalten" (nur) im Hinblick auf den "gefährlichen Drogenhandel" bestehe (arg.: "der jedenfalls in Bezug auf den 'gefährlichen' Drogenhandel nunmehr schon sehr lange Wohlverhaltenszeitraum" auf S. 3 der Beschwerde). Damit dürften nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates aber wohl die Gründe für die Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes keineswegs weggefallen (iSd § 69 Abs. 2 FPG) sein. Denn wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt, ist der Bf bereits fünf Mal – auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes – strafgerichtlich verurteilt worden (zwei Mal im Jahr 2003, zwei Mal 2009, zuletzt im Jahr 2010) und war im Übrigen zuletzt von 2.4.2010 bis 3.9.2010 in (Straf-)Haft. Ein Wohlverhalten des Bf ist demnach keineswegs gegeben. Der für die Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes im Jahr 2003 maßgebliche Grund, "nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" (vgl. den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6.8.2003), ist daher – wie auch der Bf selbst durch sein eigenes jüngstes strafrechtlich sanktioniertes Verhalten erwiesenermaßen dargelegt hat – jedenfalls nicht weggefallen iSd § 69 Abs. 2 FPG.   

Diese zahlreichen Straffälligkeiten indizieren im Übrigen deutlich die grundsätzliche Haltung des Bf, mit allen Mitteln eine Ausreise zu verhindern.

 

3.5.5. Wenn auch eine fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann, so ergibt sich im Rahmen einer Gesamtschau des konkreten Einzelfalles doch eindeutig, dass – der belangten Behörde folgend – im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen ist. Der Bf hätte sich – auf freiem Fuß belassen – ab dem Zeitpunkt, in dem er von dem beabsichtigten Vorführtermin vor eine nigerianische Delegation im Dezember 2011 erfahren hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörde entzogen, wurde dem Bf dadurch doch fraglos die Unmittelbarkeit der Gefahr einer Außerlandesschaffung, die aufgrund der Erwirkung eines Heimreisezertifikates aktuell drohte, ab diesem Zeitpunkt in ihrer vollen Tragweite bewusst. Denn bis zu diesem Zeitpunkt rechnete der Bf ganz offensichtlich damit, dass eine weitere Vorführung gar nicht stattfinden würde (– dies ergibt sich schon aus den Ausführungen des Bf in der Beschwerde selbst, legt er doch dort ausführlich dar, dass seines Erachtens ein weiterer Vorführungstermin aufgrund der bereits erfolgten Vorführung gar nicht mehr zulässig gewesen sei).

 

Der Bf wäre daher in dem Zeitpunkt, in dem ihm bewusst wurde, dass eine neuerliche Vorführung vor die nigerianische Botschaft entgegen seiner Annahme doch geplant sei, fraglos – wie schon in der Vergangenheit bewiesen – in die Anonymität abgetaucht und weder für einen weiteren Vorführtermin vor eine nigerianische Delegation zur Erlangung eines Heimreisezertifikates noch für eine darauf gründende Abschiebung für die Behörde greifbar gewesen. So ist der Bf bereits von 3.12.2010 bis 27.9.2011 in unmittelbarem Anschluss an die vorhergehende Schubhaft untergetaucht und war eine weitere – nach mehrmaligen erfolglosen Urgenzen bei der zuständigen nigerianischen Stelle schließlich vereinbarte – Vorführung vor die nigerianische Delegation im August 2011 allein durch sein Untertauchen unmöglich. Der Bf hat nicht zuletzt auch dadurch eindrucksvoll gezeigt, dass er sich unter allen Umständen einer Außerlandesbringung zu entziehen suchen würde.

 

Wie aus dem Akt ersichtlich ist und auch von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wird, will der Bf unter keinen Umständen in seine Heimat zurück: Seiner Ausreiseverpflichtung ist der Bf trotz zweier rechtskräftig abgeschlossener Asylverfahren und entsprechenden behördlichen Aufforderungen auszureisen sowie einem durchsetzbaren Aufenthaltsverbot nicht nachgekommen. Im Zusammenhang mit der Ausreiseunwilligkeit des Bf nach N ist erneut die vom Bf mehrmals deutlich veranschaulichte kriminelle Neigung und sein häufiges Abgleiten in die Illegalität – im Besonderen auch seine illegalen Versuche, unter Vorlage falscher Dokumente und Angabe falscher Personalien unerkannt zu bleiben bzw. ins Ausland abzutauchen – von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung des weiterhin bestehenden ausgeprägten Sicherungsbedarfs, der allerdings zweifellos auch schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme in entsprechendem Ausmaß bestand. Dabei ist das Motiv des Bf klar: Der Bf will auf diese Weise einer Abschiebung in sein Heimatland entgehen. Seine wiederholten fremden- und asylrechtlichen Antragstellungen (Asylanträge, NAG-Antrag) sind dabei ebenfalls im Lichte der Verhinderung seiner Abschiebung zu sehen.

 

3.5.6. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein erheblicher Sicherungsbedarf daher seit Verhängung der Schubhaft am 7. Juni 2011 bis dato jedenfalls zu bejahen war und ist.

 

3.5.7. Dass die Verhängung der Schubhaft auch im Entscheidungszeitpunkt nach wie vor (noch) von einem erheblichen Sicherungsbedarf getragen wird, ergibt sich insbesondere auch aus den Angaben des Bf vor der nigerianischen Delegation im Zuge der zuletzt erfolgten Vorführung: So gab der Bf (erstmals) an, nigerianischer Staatsbürger zu sein. Die Erwirkung eines Heimreisezertifikates und die daran geknüpfte Abschiebung des Bf scheint demnach – anders, als in der Beschwerde behauptet und wie von der belangten Behörde zu Recht angenommen – keinesfalls aussichtslos. Insbesondere dürfte – nach derzeitiger Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates im Rahmen seiner Prognoseentscheidung – die Ausstellung eines entsprechenden Heimreisedokuments seitens der nigerianischen Delegation nicht zuletzt aufgrund ständiger Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres (vgl. das Schreiben des BMI vom 17.1.2012) in nächster Zeit erfolgen und in weiterer Folge eine Abschiebung rasch durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung ist die lange Dauer des Identitätsfeststellungsverfahrens durch die nigerianische Delegation – wie von der belangten Behörde zu Recht ausgeführt – dem Bf entsprechend zuzuschreiben, da er wissentlich seine Herkunft verschleierte und seine Mitwirkung am Verfahren verweigerte.

 

3.5.8. Wenn der Bf in seiner Beschwerde im Übrigen ausführt, dass ein weiterer Vorführtermin vor die nigerianische Delegation gar nicht mehr zulässig gewesen wäre, weil aufgrund des Scheiterns des ersten Vorführungstermins die Verweigerung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates erwiesen sei, so ist er damit nicht im Recht: Schon allein die Tatsache, dass die nigerianische Botschaft weitere Vorführtermine ermöglichte, indiziert die grundsätzliche Bereitschaft, unter den erforderlichen Voraussetzungen ein entsprechendes Heimreisedokument auszustellen. Weiters zeigt der Umstand, dass der Bf selbst im Rahmen der letzten Vorführung – anders als noch beim ersten Vorführtermin – bekannt gab, Staatsangehöriger von N zu sein, dass diese neue Vorführung eindeutig zweckmäßig war. Denn allein aufgrund dieser Aussage des Bf selbst ist die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die nigerianische Delegation naheliegend.

 

3.5.9. Schließlich ist zu bemerken, dass je weiter das asyl- und fremdenrechtliche Verfahren des Bf fortschreitet, desto höher war und ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen; insbesondere ist auch die negative Erledigung des Antrags des Bf auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, die erst jüngst – bereits in aufrechter Schubhaft des Bf – ergangen ist (Bescheid vom 13.12.2011), von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung des weiterhin bestehenden ausgeprägten Sicherungsbedarfes, der allerdings zweifellos auch schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme in entsprechendem Ausmaß bestand. Denn dadurch schwindet beim Bf die Hoffnung auf eine doch noch positive fremdenrechtliche Erledigung und die damit verbundene Möglichkeit, nicht in den Heimatstaat zurückkehren zu müssen, mehr und mehr.

 

3.6. Damit scheidet auch die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise im konkreten Fall grundsätzlich aus. Eine tägliche Meldepflicht etwa würde den Zweck der Schubhaft aufgrund der erheblichen Gefahr, dass der Bf auf freiem Fuß belassen in die Anonymität untertaucht oder das Bundesgebiet mit allen Mitteln zu verlassen versuchte, nicht gewährleisten können. Dass er im bisherigen Verfahren in hohem Maße kriminell auftrat und im Übrigen auch zeitweilig in die Anonymität abgetaucht war, indiziert dabei die eindeutige Grundhaltung des Bf, dass er sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörden unter keinen Umständen zur Verfügung halten würde. Diese Annahme ist durch das bisherige Verhalten des Bf im Bundesgebiet seit 2002 – wie bereits dargelegt – ausreichend dokumentiert.

 

Wenn der Bf daher auch am 16.11.2011 in einer Flüchtlingsbetreuungs­einrichtung der Volkshilfe gemeldet gewesen ist, so hätte auch eine weitere Unterkunftnahme an dieser Adresse kein geeignetes gelinderes Mittel iSd § 77 FPG dargestellt, bestand doch kein Grund zur Annahme, dass auch dadurch eine Abschiebung des Bf in seinen Heimatstaat entsprechend gesichert gewesen wäre: Der Bf ging tatsächlich davon aus, dass eine weitere Vorführung (und damit verbunden die Undurchführbarkeit einer Abschiebung) nicht stattfinden würde – dies ergibt sich schon aus den Ausführungen des Bf in der Beschwerde selbst, legt er doch dort ausführlich dar, dass seines Erachtens ein weiterer Vorführungstermin aufgrund der bereits erfolgten Vorführung gar nicht mehr zulässig gewesen sei. Nicht zuletzt deswegen war daher ab dem Zeitpunkt, ab dem dem Bf bewusst war, dass eine neuerliche Vorführung vor die nigerianische Botschaft entgegen seiner Annahme doch geplant sei, aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf klar damit zu rechnen, dass dieser sich – erneut – durch Abtauchen in die Anonymität und Illegalität dem Zugriff durch die Behörden entziehen werde. Das Bewusstsein des Bf über die unmittelbar drohende Gefahr der Außerlandesbringung verdichtete sich dabei freilich zusätzlich durch die aufgrund der polizeilichen Anzeige wegen Nichtbezahlens einer Taxirechnung am Tag der Inschubhaftnahme drohende neuerliche gerichtliche Verurteilung; dass in weiterer Folge das NAG-Verfahren des Bf mit Bescheid vom 13.12.2011 negativ erledigt wurde, verdeutlichte dem Bf die Unmittelbarkeit der drohenden Außerlandesschaffung freilich noch intensiver. Je höher der Bf aber die Gefahr einer unmittelbaren Abschiebung in den Herkunftsstaat einschätzte, umso größer war auch die Wahrscheinlichkeit, dass er erneut in die Anonymität und Illegalität abtauchte.

 

Sowohl die belangte Behörde als auch das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates hatte bzw. hat im Rahmen einer Prognoseentscheidung daher keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft auch durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann. Dies umso mehr, als durch die weitere Verfahrensgenese in aufrechter Schubhaft (negativer NAG-Bescheid, Wahrscheinlichkeit einer baldigen Ausstellung des Heimreisezertifikates und damit verbunden eine rasche Abschiebung) dem Bf die Unmittelbarkeit der drohenden Abschiebung noch deutlicher bewusst wurde.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft und die weitere Anhaltung ist demnach zweifellos auch weiterhin (noch) verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war und ist der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Auch geht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt eindeutig hervor, dass die belangte Behörde regelmäßig bemüht war, die Erwirkung eines für eine Außerlandesbringung erforderlichen Heimreisedokuments entsprechend voranzutreiben.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls weiterhin nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf in Österreich keinerlei familiäre Bezugspunkte hat. Dabei handelt es sich hinsichtlich des Vorbringens, dass der Bf einen "österreichischen leiblichen Sohn" hätte – wie bereits unter Punkt 2.3. und 3.5.2. ausführlich dargelegt – nicht zuletzt aufgrund der vielzähligen widersprüchlichen Angaben bloß um eine allgemein gehaltene, unsubstantiierte Behauptung. Selbst aber für den Fall, dass er tatsächlich Kinder in Österreich hätte, besteht zu diesen – wie der Bf selbst erklären ließ – überhaupt kein Kontakt. Auch zu seiner früheren Lebensgefährtin besteht überhaupt kein Kontakt; die Lebensgemeinschaft ist vielmehr nach eigenen Angaben dem entscheidenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates gegenüber seit längerem – in sehr schlechtem Einvernehmen zwischen den Beteiligten – aufgelöst worden (vgl. dazu auch die im Akt einliegende polizeiliche Anzeige wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung vom 24.9.2009). Andere Familienmitglieder oder Bekannte gibt der Bf aber selbst nicht an.

Abschließend ist hinsichtlich der Integration des Bf noch auf die lange Inhaftierung des Bf hinzuweisen (18.10.2003 bis 17.3.2005 und 2.4.2010 bis 3.9.2010); trotz seines an sich langjährigen Aufenthalts in Österreich schließt schon allein diese Zeit in Haft sowie die Zeit des Abtauchens in die Anonymität aus, dass eine entsprechende soziale Integration des Bf erfolgt ist.

 

Der Bf ist demzufolge zusammengefasst weder im sozialen noch im familiären Bereich in besonders bemerkenswerter Weise integriert.

 

3.8.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Gemäß Abs. 2 leg.cit. darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 FPG noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft gem. Abs 3 leg.cit. bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

 

Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,

1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder

2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder

3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt

kann die Schubhaft gemäß Abs. 4 leg.cit. wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monate nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrechterhalten werden.

 

Gemäß Abs. 5 leg.cit. kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 oder 2a leg.cit. verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von zehn Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

3.8.2. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG kann die Schubhaft dann, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt, wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Wie sich aus dem Akt ergibt, scheiterte die bisherige Abschiebung aufgrund des Nichtvorliegens eines entsprechenden Heimreisezertifikates der nigerianischen Delegation.

Da die konkreten Zeiten einer Anhaltung des Bf in Schubhaft gerechnet auf einen Zeitraum von einem Jahr auch im Entscheidungszeitpunkt zusammengerechnet unter sechs Monaten liegen, ist schon diese zulässige Dauer der Schubhaft von sechs Monaten jedenfalls nicht überschritten; eine Prüfung eines allfälligen Vorliegens weiterer Tatbestände des § 80 Abs. 4 leg.cit., die eine über sechs Monate hinausgehende Anhaltung einräumen könnten, – so insbesondere die Tatsache, dass die Nichtausstellung eines entsprechenden Heimreisedokuments dem Bf zuzurechnen ist, oder auch, dass der Bf sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat (3.12.2010 bis 27.9.2011) – erübrigt sich daher im gegenständlichen Verfahren.

 

Auch ist das Ziel der Schubhaft, die Sicherung der Abschiebung nach Nigeria, zum Entscheidungszeitpunkt durchaus in naher Zeit erreichbar, da eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen, im Akt einliegenden Korrespondenzen und Dokumentationen durchaus nahelegt, dass der zeitnahen Ausstellung eines entsprechenden Heimreisezertifikates – die im Übrigen seitens der österreichischen Behörden in regelmäßigen Abständen urgiert wird – durch die nigerianische Delegation nunmehr nichts entgegenstehen dürfte und eine Abschiebung unmittelbar nach Vorlage des Dokuments durchgeführt wird.

 

3.9. Derzeit sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden. Daher war die Beschwerde vom 8.2.2012 (eingelangt beim Oö. UVS am 9.2.2012) als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt weiterhin vorliegen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Astrid Berger

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 2. August 2013, Zl.: 2012/21/0039-8

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