Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523051/2/Fra/Rei

Linz, 17.01.2012

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. X – Dr. X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 21. Dezember 2011, VerkR21-156-2011, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, amtsärztliches Gutachten und verkehrspsychologische Stellungnahme, zu Recht erkannt:

 

 

Betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung wird der Berufung insofern stattgegeben, als die Entziehungsdauer auf drei Monate – vom
10. Oktober 2011 (= Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides) bis einschließlich 10. Jänner 2012 – herab- bzw. festgesetzt wird.

 

Betreffend die Beibringung

-         eines amtsärztlichen Gutachtens und

-         einer verkehrspsychologischen Stellungnahme

wird der Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3 iVm §§ 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.2, 7 Abs.3 Z3 7 Abs.4 und 24 Abs.3 FSG, in der zur Tatzeit (= 19.03.2011) geltenden Fassung, BGBl. I Nr.120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.117/2010

 


Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit

-         die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E und F für die Dauer
von vier Monaten – gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides (= 10. Oktober 2011) – entzogen  und

-         verpflichtet, bis zum Ablauf der Entziehungsdauer

·            ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten

       über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG sowie

·            eine verkehrspsychologische Stellungnahme

beizubringen.

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 22.12.2011 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 23.12.2011 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Das Amtsgericht Deggendorf hat mit Strafbefehl vom 29. Juli 2011, Cs 6 Js 2675/11, über den Bw wegen der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §§ 315 Abs.1 Nr. 2b, 69, 69b StGB

-         eine Geldstrafe von 1.500 Euro  sowie

-         ein Fahrverbot von sechs Monaten

verhängt und

folgenden Sachverhalt ausgeführt:

 

Der Bw lenkte am 19.03.2011 gegen 07.35 Uhr ein dem Kennzeichen nach
näher bestimmtes Sattelkraftfahrzeug (Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger)
in Deutschland auf der BAB 3, Abschnitt 1300, Kilometer 8,200 in D-94547 Iggensbach auf der rechten Spur.

Auf der linken Spur versuchte Herr A. M. mit seinem Sattelkraftfahrzeug ordnungswidrig das vom Bw gelenkte Sattelkraftfahrzeug zu überholen.

Bereits zuvor haben sich sowohl der Bw, als auch Herr A. M. mehrfach ordnungswidrig überholt.

Um Herrn A. M. am Überholen zu hindern, zog der Bw das von ihm gelenkte Sattelkraftfahrzeug absichtlich nach links, sodass Herr A. M. zur Vermeidung einer Kollision mit dem linken Reifen auf den Mittelstreifen ausweichen musste.

Am Mittelstreifen und der Mittelleitplanke entstand hierdurch ein Sachschaden in der Höhe von ca. 1.400 Euro.

Dass es zu keinem Unfall mit Personenschaden kam, stellte nur einen glücklichen Umstand dar.

 

Dieser Strafbefehl ist am 20. August 2011 in Rechtskraft erwachsen.

 

Der UVS als Behörde II. Instanz in Angelegenheiten der Entziehung der
Lenkberechtigung ist an diese rechtskräftige Entscheidung gebunden;   

VwGH vom 25.11.2003, 2003/11/0200; vom 6.7.2004, 2004/11/0046 uva

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie aufgrund ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 zu gelten,
wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat.

 

Handelt es sich bei den in § 7 Abs.3 FSG angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße, die im Ausland begangen wurden, so sind diese gemäß
§ 7 Abs.2 FSG nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

 

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108;

vom 23.4.2002, 2000/11/0184; vom 22.2.2000, 99/11/0341 mit Vorjudikatur vom 6.4.2006, 2005/11/0214.

 

Aufgrund der Rechtskraft des Strafbefehls des Amtsgerichtes Deggendorf ist – wie dargelegt – der UVS an die darin enthaltenen Feststellungen gebunden.

 

Das in diesem Strafbefehl dargelegte Verhalten des Bw ist als "besondere Rücksichtslosigkeit" gegenüber einem anderen Verkehrsteilnehmer (Herrn A. M.) zu werten; vgl. VwGH vom 12.05.1964, 1406/63 –

zitiert in Pürstl, StVO, 13. Auflage, E 104 zu § 99 StVO (Seite 1210).

 

Der Bw hat dadurch eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG verwirklicht.

 

Bei der Wertung iSd § 7 Abs.4 FSG ist zu berücksichtigen,

-     zum Nachteil des Bw:

    dass er diese "besondere Rücksichtslosigkeit" als Lenker eines

    Sattelkraftfahrzeuges (somit eines "Schwerfahrzeuges") begangen hat

-     zu Gunsten des Bw: dass er – siehe den im erstinstanzlichen Verfahrensakt enthaltenen Auszug aus dem Führerscheinregister – seit zumindest 20 Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung ist und ihm diese bislang nicht entzogen wurde bzw. er erstmals ein derartiges Delikt begangen hat.

     vom 6.4.2006, 2005/11/0214 uva.

 

Gemäß § 24 Abs.3 FSG kann in derartigen Fällen die Behörde die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anordnen.

 

Da der ca. 50-jährige Bw bislang unbescholten war und sein Verhalten beim Vorfall vom 19.03.2011 im Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten steht

(vgl. VwGH vom 11.07.2000, 2000/11/0092), ist es gerechtfertigt und vertretbar, betreffend die

 

-     Entziehungsdauer das in § 25 Abs.3 FSG vorgesehene Mindestmaß

    von drei Monaten festzusetzen und

-     Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens sowie

                      einer verkehrspsychologischen Stellungnahme

   der Berufung stattzugeben und den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben.

 

Die aberkennende aufschiebende Wirkung einer Berufung wird als rechtmäßig bestätigt;  siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E24 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten zahlreichen VwGH-Entscheidungen;

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

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