Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166625/4/Br/Th

Linz, 21.02.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X & Partner Rechtsanwälte GmbH, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, vom 11. Jänner 2012, Zl. VerkR96-2858-2011, nach der am 21. Februar 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I.     Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der Hinweis auf den Abzug der Messtoleranz hat im Spruch zu entfallen.

 

II.   Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 32 Euro auferlegt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:      § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 20, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e    Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.

Zu II.:     § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Wider den Berufungswerber wurde mit dem o. a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, wegen der Übertretung nach  § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2d StVO eine Geldstrafe von 160 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 69 Stunden verhängt. 

Sinngemäß wurde ihm zur Last gelegt, am  16.11.2011, 13:44 Uhr, in Kollerschlag auf der Böhmerwald Straße B38 bei km 172.351, als Lenker des Audi A4 mit dem Kennzeichen X die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 39 km/h überschritten zu haben.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz war von nachfolgenden Erwägungen geleitet:

„§ 20 Abs. 2 StVO lautet: "Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren."

 

Die angeführte Verwaltungsübertretung wird durch die Aktenlage und der Anzeige der Polizeiinspektion Lembach als erwiesen angenommen.

 

Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte in nicht unerheblichem Maße das an der Verkehrssicherheit bestehende Interesse, dem die Strafdrohung dient.

Die Geschwindigkeitsbeschränkung des § 20 Abs 2 StVO dient der Verringerung aller im Ortsgebiet vorhandenen Gefahren im Straßenverkehr. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden.

 

Dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund besonderer Tatumstände anzunehmen und kann daher ihr Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden.

 

Ihren Beweisanträgen und zwar  Einvernahme des Beschuldigten im Rechtshilfeweg sowie

die Durchführung eines Ortsaugenscheines wurde unter anderem aus folgenden Gründen keine Folge gegeben:

Ihre Einvernahme würde kein anderes Ergebnis als die Angaben der Polizeibeamten bringen. Die Durchführung eines Ortsaugenscheines braucht nicht durchgeführt werden, da die Örtlichkeit dem unterzeichnenden Beamten aus verkehrstechnischen und straßenpolizeilichen Überprüfungen bestens bekannt ist und keine neuen Erkenntnisse gewonnen würden. Abschließend hält die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach fest, dass Ihren Beweisanträge vermutlich nur dazu dienen sollen, das gegenständliche Strafverfahren möglichst lange hinauszuzögern, um argumentieren zu können, dass sie sich seit der gegenständlichen Verwaltungsübertretung wohlverhalten haben.

 

Die von Ihnen ins Treffen geführten Gründe stellen jedoch keinen Schuldausschließungsgrund dar.

 

Bei der Strafbemessung wurde berücksichtigt, dass ihnen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zukommt, erschwerend war das beträchtliche Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zu werten.

 

Wie bereits dargelegt wurde, liegt dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren die Anzeige eines Polizeibeamten zugrunde, diese Anzeige wurde von dem Beamten im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens zeugenschaftlich bestätigt. Auch, der die Lasermessungen durchführende Beamte gab nachvollziehbare Sachen an. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vertritt die Auffassung, dass die Angaben der Meldungsleger schlüssig sind und der Wahrheit entsprechen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge bei sonstiger strafrechtlicher und dienstrechtlicher Sanktion zur Wahrheit verpflichtet ist, es besteht auch kein Hinweis, dass die Zeugen einem Irrtum unterlegen wären, wobei darauf hinzuweisen ist, dass von einem Polizeibeamten erwartet werden kann, dass er einen Sachverhalt entsprechend feststellt. Es bestehen sohin keine Bedenken, die Anzeige bzw. die zeugenschaftlichen Aussagen der Polizeibeamten der Entscheidung zugrunde zu legen.

 

Zur zeugenschaftlichen Aussage des Polizeibeamten ist folgendes festzustellen: Aus den Bestimmungen des § 50 AVG im Zusammenhalt mit § 289 StGB (strafbarer Tatbestand der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde) ergibt sich, dass jedermann, der Beweisaussagen vor einer Behörde, sohin auch vor der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, tätigt, zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet ist. Die Strafdrohung des § 289 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, ist so gravierend, dass es wohl gewichtiger Interessen an einem bestimmten Verfahrensausgang bedarf, um sich durch eine falsche Aussage der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Liegen keine Anhaltspunkte für derartige Interessen vor, so kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Anzeigers und Zeugen den Tatsachen entsprechen und - in Abwägung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sowie mit allen übrigen Beweismitteln - im Rahmen der Rechtsfindung heranzuziehen sind. Eine allenfalls - wie im gegenständlichen Verfahren - gegebene Beamtenstellung desjenigen, der die Beweisaussage tätigt, bedeutet zwar keinesfalls von vornherein eine besondere Qualifikation seiner Beweisaussage, es besteht jedoch die Möglichkeit, dass ein Beamter in bestimmter Funktion aufgrund seiner Ausbildung und Diensterfahrung Geschehnisse und Sachverhaltsabläufe genauer wiedergeben kann, als eine andere Person. Auch diese Erwägungen wurden von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach bei ihrer Beweiswürdigung beachtet.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gelangte daher zur Ansicht, dass die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen objektiv als erwiesen angesehen werden müssen und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, weiche Sie in subjektiver Hinsicht (§ 5 VStG) entlasten würden.

 

Sie haben daher die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht zu vertreten.

 

§ 99 Abs. 2d StVO 1960 sieht für die gegenständliche Verwaltungsübertretung die Verhängung einer Geldstrafe von 70,- bis 2.180,- Euro vor.

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 78 % erscheint die verhängte Geldstrafe als gerechtfertigt. Ihnen ist im Hinblick auf das hohe Ausmaß der festgestellten und als erwiesen anzusehenden Geschwindigkeitsüberschreitung von 39 km/h vorsätzliches Verhalten anzulasten.

 

Als Inhaber einer Lenkerberechtigung ist ihnen nicht nur die Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, sondern auch ein demgemäßes Verhalten zuzumuten.

 

Gleichzeitig war auf ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse Bedacht zu nehmen. Von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach wurden als monatliches Einkommen 1.400 Euro, keine Sorgepflichten und durchschnittliches Vermögen angenommen. Diese Schätzung wurde von Ihnen nicht widersprochen.

 

Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und Ihrem Verschulden ist die verhängte Strafe als angemessen anzusehen.

 

Eine Strafe muß geeignet sein, Sie von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

1.2. In diesen Ausführungen war der Behörde erster Instanz zu Folgen!

 

 

2. Der Berufungswerber tritt dem angefochtenen Straferkenntnis mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen und führt folgendes aus:

In umseits näher bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 11.1.2012, Zahl: VerkR96-2858-2011, zugestellt am 11.1.2012, sohin innerhalb offener Frist nachstehende

 

BERUFUNG:

 

Der genannte Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten und seine Abänderung dahingehend beantragt, dass das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wird.

 

Zur Begründung wird vorgebracht:

 

Im angefochtenen Bescheid wird dem Beschuldigten folgender Vorwurf gemacht:

„Sie haben die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 39 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Kollerschlag, Böhmerwald Straße B38 bei km 172.351 Tatzeit: 16.11.2011, 13:44 Uhr"

 

Dadurch habe der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung gemäß

 

§ 20 Abs. 2 StVO

begangen.

 

Zur Begründung ihrer Entscheidung führt die Behörde erster Instanz lediglich aus, dass der Beschuldigte laut Anzeige der Polizeiinspektion Lembach vom 21.11.2011, A1/8065/2011, die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen habe. Er habe bei der anschließenden Anhaltung zu der am Display angezeigten Geschwindig­keitsüberschreitung keine Angaben gemacht. Die angeführte Verwaltungsübertretung sei durch die Aktenlage und der Anzeige der Polizeiinspektion Lembach als erwiesen angenommen worden. Dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren liege die Anzeige eines Polizeibeamten zugrunde. Diese Anzeige sei von dem Beamten im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens zeugenschaftlich bestätigt worden. Auch der die Lasermes­sung durchführende Beamte habe nachvollziehbare Sachen angegeben. Die Bezirks­hauptmannschaft Rohrbach vertrete die Auffassung, dass die Angaben der Meldungsleger schlüssig seien und der Wahrheit entsprechen würden. Schließlich sei zu berücksichten, dass der Beschuldigte bei sonstiger strafrechtlicher und dienstrechtlicher Sanktion zur Wahrheit verpflichtet sei. Es bestehe auch kein Hinweis, dass die Zeugen einem Irrtum unterlegen wären, wobei darauf hinzuweisen sei, dass von einem Polizei­beamten erwartet werden könne, dass er einen Sachverhalt entsprechend feststelle. Es bestünden sohin keine Bedenken, die Anzeige bzw. die zeugenschaftlichen Aussagen der Polizeibeamten der Entscheidung zugrunde zu legen.

 

Da keine gewichtigen Interessen an einem bestimmten Verfahrensausgang bestünden, könne davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Anzeigers und Zeugen den Tatsachen entsprechen und - in Abwägung mit dem Vorbringen des Beschuldigten so­wie mit allen übrigen Beweismitteln - im Rahmen der Rechtsfindung heranzuziehen seien. Eine allenfalls - wie im gegenständlichen Verfahren - gegebene Beamtenstel­lung desjenigen, der Beweisaussage tätige, bedeute zwar keinesfalls von vornherein eine besondere Qualifikation seiner Beweisaussage, es bestehe jedoch die Möglichkeit, dass ein Beamter in bestimmten Funktionen aufgrund seiner Ausbildung und Dienster­fahrungen Geschehnisse und Sachverhaltsabläufe genauer wiedergeben könne, als eine andere Person. Diese Erwägungen seien von der Bezirkshauptmannschaft Rohr­bach bei ihrer Beweiswürdigung beachtet worden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach sei daher zur Ansicht gelangt, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Verwaltungsübertretung objektiv als erwiesen angesehen werden müsse und es seien auch keine Umstände hervorgekommen, welche ihn in subjektiver Hinsicht (§ 5 VStG) entlasten würden.

 

Diese Begründung hält einer näheren Überprüfung zweifelsohne nicht stand. Der ange­fochtene Bescheid ist sowohl materiell als auch verfahrensrechtlich verfehlt.

1.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist folgendes festzuhalten:

 

1.1.

Gemäß § 24 VStG 1991 gelten auch im Verwaltungsstrafverfahren die Vorschriften des AVG, sofern sie durch den letzten Satz des § 24 VStG nicht ausdrücklich ausgenom­men sind.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1991 sind Bescheide dann zu begründen, wenn dem Stand­punkt der Partei (hier also der Beschuldigte) nicht voll inhaltlich Rechnung getragen wurde.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (VwSlg NF 8619A), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen (VwSlg NF 2372a; VwSlg NF 606A; 2411A; VwGH 17.6.1993 ZI 92/06/0228) und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach gesicherter Judikatur (VwSlg 1977A.) und herrschender Lehre (z.B. Männlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren I, 8. Auflage (1975), 318; Walter/Mayer, Verwaltungsverfah­rensrecht, 7. Auflage (1999), Rz 418 ff) ist die Pflicht zur Begründung eines der wich­tigsten Erfordernisse des rechtsstaatlichen Verfahrens. Jede strittige Sach- und Rechts­frage von Relevanz soll in der Begründung eines Bescheides ausreichend beantwortet sein. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen (ygl.VwSlg, NF79Q9A; VwGH 19.5.1994, ZI 90/07/0121). Eine Begründung, die sich auf die Wiedergabe eines" gesetzlichen Tatbestandes beschränkt, aber die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht im einzelnen darlegt und der daher sich nicht entnehmen lässt aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen die Behörde zu ihrer Erkenntnis gelangt, ist unzulänglich (VwGH, 24.1.1948, Slg 285A).

Schon diese Ausführungen zeigen, dass der angefochtene Bescheid den verfahrens­rechtlichen Mindesterfordernissen nicht gerecht wird. Die Behörde erster Instanz hat nämlich keine Feststellung dahingehend getroffen, wo sich der die Messung durchfüh­rende Polizeibeamte zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung befand, wie weit diese Stelle vom vermeintlichen Deliktsort entfernt war und wie der Straßenverlauf war. Weiters fehlt die Feststellung, in welchem Winkel die Messung im Verhältnis zum Fahr­zeug des Beschuldigten erfolgte. Hätte die Behörde entsprechende Feststellungen ge­troffen, so hätte sie ohne weiteres erkennen müssen, dass von einem deliktischen Ver­halten des Beschuldigten keine Rede sein kann.

 

1.2.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch - wenn er nicht auf Einstellung lautet - zumindest zu enthalten:

a.) Die als erwiesen angenommene Tat

b.) Die Verwaltungsvorschrift die durch die Tat verletzt worden ist

c.) Die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung.

 

Demnach ist also im Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu konkretisieren, eine Umschreibung des Tatbildes in der Begründung allein widerspricht der zwingenden Norm des § 44a VStG (VwGH 25.5.1972, 2237/71; 29.1.1982, 81/0292). Wesentlich bei der Bezeichnung der Tat ist die Angabe der Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens, ansonsten ist keine ausreichende Konkretisierung gegeben (VwGH, 24.4.1997, 511/78). Die als erwiesen angenommene Tat muss im Spruch also so eindeutig beschrieben sein, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter be­straft worden ist. Der Spruch muss dazu geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich da­vor zu schützen, wegen desselben Verhaltens noch einmal zu Verantwortung gezogen zu werden.

 

Im Gegensatz zu diesen gesetzlichen Bestimmungen und der zitierten Judikatur ist im gegenständlichen Fall das angeblich deliktische Verhalten des Beschuldigten nicht aus­reichend konkretisiert.

 

1.3.

Der Behörde erster Instanz sind aber auch bei der Beweiswürdigung schwerwiegende Fehler unterlaufen. Die Behörde erster Instanz übersieht offensichtlich, dass sie gemäß § 25 Abs. 2 VStG verpflichtet ist, die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Um­stände in gleicherweise zu berücksichtigen sind, wie die belastenden.

Die Behörde erster Instanz hat sich darauf beschränkt, die Meldungsleger einzuvernehmen. Sie hat aber - entgegen den Anträgen des Beschuldigten - weder seine Ein­vernahme noch einen Ortsaugenschein durchgeführt. Auch aus diesem Grund ist das erstinstanzliche Verfahren mangelhaft geblieben.

 

1.4.  

Die mangelnde Objektivität und Oberflächlichkeit der Behörde zeigt sich aber auch bei der Strafbemessung:

 

Die Behörde erster Instanz begründet ihre Strafbemessung damit, dass bei einer Ge­schwindigkeitsüberschreitung von 78 % die verhängte Geldstrafe als gerechtfertigt er­scheine. Dem Beschuldigten sei im Hinblick auf das hohe Ausmaß der festgestellten und als erwiesen anzusehenden Geschwindigkeitsübertretung von 39 km/h vorsätzli­ches Verhalten anzulasten. Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und dem Verschulden des Beschuldigten sei die verhängte Stra­fe als angemessen anzusehen. Eine Strafe müsse geeignet sein, den Beschuldigten von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.

 

Feststeht allerdings, dass die Behörde allfällige general- oder spezialpräventive Grün­de, die eine Bestrafung des Beschuldigten erfordern würden, weder erhoben noch fest­gestellt hat. Es bleibt auch die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Be­schuldigten unberücksichtigt.

 

2.

Es erweist sich der somit angefochtene Bescheid in wesentlichen Punkten als den ver­fahrensrechtlichen Mindesterfordernissen nicht entsprechend, verfehlt und mangelhaft. Ein ausführliches meritorisches Eingehen auf die materiell-rechtliche Beurteilung ist derzeit gar nicht möglich: Dem angefochtenen Bescheid ist weder eindeutig zu entneh­men, von welchem genauen Sachverhalt die Behörde erster Instanz ausgeht, noch wel­che rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat. Es wäre Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen, den zu Grunde liegenden Sachverhalt in einem mängelfreien Verfah­ren festzustellen, die Gründe für die Beweiswürdigung übersichtlich darzulegen und danach dem festgestellten Sachverhalt einer eingehenden und richtigen rechtlichen Be­urteilung zu unterziehen. Dies alles hat die Behörde erster Instanz unterlassen.

 

Nur kursorisch sei Folgendes noch ausgeführt:

 

2.1.

Der Beschuldigte bringt neuerlich vor, dass aus seiner Sicht auszuschließen, dass er die in der Anzeige genannte Geschwindigkeit im Ortsgebiet gefahren sein soll. Er muss davon ausgehen, dass er sich zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung nicht mehr im Ortsgebiet befunden hat und der Strafvorwurf daher auf einem Missverständnis be­ruht.

 

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der hohen Entfernung zwischen dem Messpunkt und dem angeblichen Tatort sowie des kurvigen Stra­ßenverlaufes die richtige Einschätzung der Position des Fahrzeuges des Beschuldigten nur schwer möglich war, womit davon auszugehen ist, dass Gl X einem Irrtum unterlag.

 

Weiters wird darauf verwiesen, dass sich aus dem im Akt erliegenden DORIS-Auszug ergibt, dass die Messung im Verhältnis zum Fahrzeug des Beschuldigten in einem schrägen Winkel erfolgte. Auch dieser Umstand macht die Messung fehlerträchtig. Der Beschuldigte bleibt jedenfalls dabei, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hat.

 

2.2.

Schließlich wird darauf verwiesen, dass sich die Behörde I. Instanz auch nicht mit der Verschuldensfrage auseinandergesetzt hat. Der Beschuldigte bleibt jedenfalls bei seiner Ansicht, dass, selbst wenn die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung tatbildmä­ßig gegeben sein sollte, was er ausdrücklich und aufs Schärfste bestreitet, ihm diese subjektiv nicht vorwerfbar ist.

 

Zum Beweis hiefür wird ausdrücklich

Ø      die Einvernahme des Beschuldigten

Ø      sowie die Durchführung eines Ortsaugenscheines

beantragt.

 

3.

Aus all diesen Gründen stellt der Beschuldigte den

 

ANTRAG

 

auf Abänderung des angefochtenen Bescheides - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - dahingehend, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschul­digten eingestellt und seine ausgewiesene Rechtsvertreterin von der Einstellung be­nachrichtigt wird.

 

Wegscheid, am 19.1.2012                                                                                                     X.“

 

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentlichen mündliche Berufungsverhandlung war angesichts des dem Inhalt nach bestrittenen Sachverhaltes insbesondere in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Dem angeschlossen findet sich der Eichschein, die Verordnung des Ortsgebietes, ein Luftbild aus dem System DORIS, worauf die Straßenkilometrierung des fraglichen Streckenabschnittes sowie der Messort ersichtlich ist.

Beweis erhoben wurde ferner durch abgesonderte Einvernahme des GrInsp. X und GrInsp. X anlässlich der Berufungsverhandlung. Vom Meldungsleger wurde noch eine Kopie des Messprotokolls vorgelegt und als Beilage 3 zum Akt genommen. Vom Zeugen X wurden zwei Übersichtsaufnahme in Messrichtung und in Fahrtrichtung des Berufungswerbers vom Bereich des Tatortes übermittelt (Beilagen 1 u. 2).

Der Berufungswerber nahm trotz des ausdrücklichen Antrages auf seine Vernehmung und seiner persönlichen Ladung aus angeblich beruflichen Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

 

4. Zum Sachverhalt:

Unbestritten ist, dass der Berufungswerber zu den oben angeführten Zeit und Örtlichkeiten mit seinem Pkw auf der B38 unterwegs war. Im Ortsgebiet von Hanging wurde seine Fahrgeschwindigkeit vom Meldungslegers GrInsp. X mittels geeichtem Lasermessgerät aus einer Entfernung von 309 m, im Ausmaß von 92 km/h festgestellt. Der Messpunkt lag fast noch 200 m  im Orts- bzw. verbauten Gebiet.

Anlässlich der unmittelbar darauf erfolgten Anhaltung wurde vom Berufungswerber die Geschwindigkeitsüberschreitung auch gar nicht bestritten. Er ersuchte um Begleichung im Wege eines Organmandates, was jedoch mit Blick auf das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung um (verkehrsfehlerberichtigt) 39 km/h nicht möglich war.

 

 

4.1. Auf Grund der erhobenen Beweise, insbesondere der Luft- u. Lichtbilder besteht an der Richtigkeit der Bezeichnung des Tatortes, der Messentfernung, der Verordnung des Ortsgebietes keine Zweifel. Die Messung wurde von beiden Beamten auch gegenüber der Berufungsbehörde schlüssig und nachvollziehbar beschrieben. Es fanden sich kein Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Darstellungen der Polizeibeamten.  Die erforderlichen Gerätefunktionskontrollen wurden vom Zeugen GrInsp. X beschrieben. Der Eichschein befindet sich im Akt, was auch die rechtsgültige Eignung des Gerätes belegt.

Die Sicht vom Standort des Meldungslegers in das den Ortschaftsbereich von Hanging zu Strkm 172,371 war offenkundig hindernisfrei gegeben. Eine Fehlfunktion wurde vom Messbeamten nicht festgestellt.

Im Gegensatz dazu reduziert sich das weitwendige und letztlich nur in formelhaft anmutenden Textbausteine gehaltene Berufungsvorbringen ohne erkennbaren Sachbezug, sodass diesem lediglich der Charakter einer Schutzbehauptung zuzuordnen ist. Hätte der Berufungswerber ernsthafte Zweifel an der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung gehabt, wäre er wohl der Verhandlung trotz des ausdrücklichen Antrages seines Rechtsvertreters auf seine Anhörung und der an ihn persönlich ergangenen Ladung  nicht fern geblieben.

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

In Vermeidung von Wiederholungen kann auf die oben zitierten zutreffenden rechtlichen Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen werden.

Da hier die Frage der Zielerfassung im Rahmen der Beweiswürdigung zu beurteilen ist, vermag - wie bereits dargelegt - mit der bloßen Behauptung einer Fehlmessung die Richtigkeit derselben auf sachlicher Ebene nicht erschüttert werden. Damit kann keinesfalls ein mit dem Stand der Technik in Einklang stehendes und behördlich anerkanntes Messverfahren nicht generell in Frage gestellt werden.

Grundsätzlich lässt sich kein derartiger Messvorgang mit einem anderen gleichsetzen. Es ist immer auf den Einzelfall abzustellen und zu beurteilen, ob ein vorliegendes Messergebnis eine taugliche Grundlage für einen Tatbeweis bildet.

Auch der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner als gesichert anzusehenden Rechtssprechung davon aus, dass ein Laserverkehrsgeschwindigkeitsmesser grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit ist und dass einem mit der Geschwindigkeitsmessung betrauten Beamten auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Gerätes zuzumuten ist (VwGH 8. September 1998, 98/03/0144 u.v.a.).

Ein Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser der Bauart LTI 20.20TS/KM ist als  taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit anerkannt (VwGH 28.06.2001, ZI. 99/11/0261). Dies gilt ebenso für das neuere Modell TruSpeed.

Den noch in der Berufung gestellten Beweisanträgen bzw. die darin zum Ausdruck gebrachten Verfahrensrügen wurde durch das beigeschaffte Bildmaterial und den im Rahmen des Berufungsverfahrens ergänzend geführten Beweisen nachgekommen. Anlässlich der Berufungsverhandlung wurden keine weiteren Beweisanträge gestellt.

Da es sich beim sogenannten Verkehrsfehler um kein Tatbestandselement handelt, sondern dies vielmehr den Gegenstand einer Beweisbeurteilung bildet, war diesbezüglich der Spruch iSd. § 44a VStG durch Entfernung dieses Hinweises auf dessen Berücksichtigung zu korrigieren.

 

 

6.1. Zum Strafausspruch

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

6.2. Die nachteiligen Folgen einer derart in einem Ortsgebiet als eklatant zu bezeichnenden Geschwindigkeitsüberschreitung finden sich empirisch darin begründet, dass bei Einhaltung der hier erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h der Anhalteweg mit ~ 28 m anzunehmen ist, während er bei der hier zur Last gelegten Fahrgeschwindigkeit bei über 71,64 m liegt. Dieser Schlussfolgerung wird eine realistische Bremsverzögerung von 7,5 m/sek2 und eine Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden zu Grunde gelegt. Die Stelle an der das Fahrzeug aus 50 km/h zum Stillstand gelangen würde, wird bei der vom Berufungswerber eingehaltenen Geschwindigkeit noch ungebremst durchfahren (Berechnung mittels Analyzer Pro 4.5). Da jedermann darauf vertrauen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer die Vorschriften des Straßenverkehrs einhalten (Vertrauens­grundsatz) wird damit die  im Konfliktfall zu Buche schlagende Gefahrenpotenzierung evident.  Dies trifft insbesondere bei eingeschränkten Gefahrensichtweiten im verbauten Gebieten zu.

Selbst bei der eher geringen Einkommensannahme von 1.400 Euro und dem Strafmilderungsgrund der Unbescholtenheit ist die hier ausgesprochene Geldstrafe immer als noch sehr milde bemessen zu beurteilen. Daher musste der Berufung auch im Strafausspruch ein Erfolg versagt bleiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

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