Linz, 08.03.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des H-W H, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & P, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 29. November 2010, Ge96-1237/09, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.
zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.
zu II: § 66 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 29. November 2010, Ge96-1237/09, wurden über den Berufungswerber nachstehend angeführte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 26 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z3 und Abs.8 AZG (Fakten A)1. bis A)5.) und § 11 Abs.1 iVm § 28 Abs.2 Z2 AZG (Fakten B)1. bis B)5.) verhängt.
Nachstehender Tatvorwurf wurde dem Berufungswerber im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt:
2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
Begründend wurde hiezu Nachstehendes ausgeführt:
"1. Gegen die H H und mich bzw. (zweimal) R H sind gesamt fünf Verwaltungsstrafverfahren (Ge-1295/09, Ge-1237/09, Ge-1268/09, Ge-1250/09, Ge-1167-09 jeweils des Magistrat Steyr) anhängig. Der Strafvorwurf erschöpft sich in dem Vorwurf, dass unser Arbeitszeiterfassungssystem auf Grund der Differenzierung zwischen Arbeitszeit und Anwesenheitszeit angeblich falsch sei. Sämtliche Anwesenheitszeit sei immer Arbeitszeit. Selbst wenn man davon ausginge (was ausdrücklich bestritten wird), würde es sich dabei nicht um zahlreiche Einzeldelikte handeln. Zudem seien auch nicht fünf Verwaltungsstrafverfahren zu führen. Das mir vorgeworfene Vergehen würde sich darin erschöpfen, dass ich am Sitz der Unternehmensleitung, wo ich die Dispositionen und Anweisungen für das gesamte Unternehmen treffe, eine falsche Anweisung, nämlich die Anordnung eines falschen Arbeitszeiterfassungssystems vorgenommen hätte. Sämtliche vorgeworfenen Verstöße gegen das AZG würden sich aus der falschen Aufzeichnung ergeben. Es würde daher eine einheitliche Tat vorliegen.
Es sind daher die Strafverfahren zu verbinden und über die Strafvorwürfe in einem einheitlichen Erkenntnis zu entscheiden. Im Gegensatz zur Erstbehörde wird sich der unabhängige Verwaltungssenat mit meinem Vorbringen auseinandersetzen müssen. Es sind alle Zeugen zu hören und nicht wie von der Erstbehörde Strafen auszusprechen, für Mitarbeiter, welche beispielsweise nicht einmal in der gegenständlichen Filiale gearbeitet haben oder auf Urlaub waren usw. (vgl. Punkt 6.). Die Erstbehörde hat dies nicht überprüft, obwohl jeder Mitarbeiter als Zeuge geführt wurde und ich in jedem Schriftsatz auf die besonderen Gegebenheiten der einzelnen Filiale und der Strafvorwürfe hingewiesen habe. Die Berufungsbehörde wird sich nicht wie die Erstbehörde darauf beschränken können, die Bescheide im „Strg + C - Strg + V-Verfahren" zu erstellen.
2. Befangenheit der Anzeigerin Frau R H:
Alle diese Strafverfahren sind anhängig auf Grund
3. Rechtliche Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung (insbesondere § 26 AZG):
Gem. § 26 AZG dient die Aufzeichnungspflicht primär der Überwachung der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist für die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen verantwortlich (Schrank,
Die Modalitäten der Aufzeichnungen sind im Gesetz nicht näher festgelegt und daher auch nicht in die eine oder andere Richtung eingeschränkt.
Wenn die geleisteten Arbeitszeiten mit der fixierten Arbeitszeiteinteilung uhrzeitmäßig übereinstimmen, reicht es aus, wenn die Arbeitszeitaufzeichnungen die Information enthält, dass ein bestimmter Arbeitnehmer an einem bestimmten Tag eine festgelegte Arbeitszeit eingehalten hat. Zusatzinformationen sind nur dann erforderlich, wenn Mehrarbeit oder Überstunden geleistet wurden
Arbeitszeit
4. richtige Arbeitszeiterfassung durch unser Arbeitszeiterfassungssystem:
Unsere Arbeitszeiterfassungen entsprechen daher § 26 AZG. Die tatsächlich geleisteten Arbeitzeiten werden aufgezeichnet. Es sind für jeden Tag die individuellen Arbeitszeiten nachvollziehbar (es findet in keinster Weise ein bloßer Hinweis auf generelle Arbeitszeiteinteilungen statt, sondern werden tatsächlich Arbeitszeitaufzeichnungen jeder Betriebsstätte geführt). Die geleisteten Arbeitszeiten stimmen idR mit der fixierten Arbeitszeiteinteilung überein. Sämtliche „Vorbereitungsarbeiten" werden erst nach der Öffnung des Geschäftes durchgeführt. Gleiches gilt für mögliche „Abschlussarbeiten". So wird etwa die Zeit für den Kassenabschluss selbstverständlich gutgeschrieben. Zusatzinformationen, z.B. für Mehrarbeit oder Überstunden, werden auch in die Arbeitszeitaufzeichnungen aufgenommen. Die Arbeitsaufzeichnungen werden durch Frau B verwaltet, aktualisiert und notwendigenfalls abgeändert. Allfällige Vorbereitungs- und/oder Abschlussarbeiten, außergewöhnliche Tätigkeiten usw. sind lediglich Frau B oder dem zuständigen Vorgesetzen mitzuteilen und stets in der aktuellen Arbeitszeitaufzeichnungen in der jeweiligen Filiale sichtbar. Diese sind mit einen (*) gekennzeichnet und werden auch deutlich als Überstunden ausgewiesen (vgl. die in der vorliegenden Beilage./3 mit * markierten manuellen Buchungen und die ausgewiesenen Überstunden). Es gibt daher für jeden Arbeitstag individuelle Arbeitsaufzeichnungen, welche die Ist-Arbeitszeit nach Kalendertagen und Uhrzeiten einschließlich Beginn und Ende der Ruhepausen erfassen. Die Aufzeichnungen werden jedem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt und können nötigenfalls korrigiert werden.
Parallel dazu wird mittels Mitarbeiterkarte die Anwesenheit der Mitarbeiter aufgezeichnet. Die Anwesenheitszeit der Mitarbeiter ist aber mit der Arbeitszeit nicht ident. Die Arbeitsaufnahme und das zur Verfügung stehen für den Arbeitgeber ist ausschließlich für die Geschäftszeiten vereinbart, sodass ausschließlich diese Aufzeichnungen Arbeitzeiten im Sinn der §§ 2 iVm 26 AZG darstellen (ausgenommen selbstverständlich die manuell aufgezeichneten Änderungen dieser Zeiten). Außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten sind keine Vor- oder Abschlussarbeiten notwendig, außer gesondert angeordnete, wie beispielsweise im Fall einer Inventur oder der tägliche Kassenabschluss, welche Zeiten danach manuell erfasst werden. Wir ermöglichen es selbstverständlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten sich in der Filiale und den Gemeinschaftsräumen aufzuhalten, so z.B. vor Arbeitsbeginn einen Kaffee zu trinken oder die Mittagspause in der Filiale zu verbringen. Selbstverständlich wird während dieser Zeit die Anwesenheitszeit der Mitarbeiter, welche im Anwesenheitssystem eingestempelt sind, erfasst, welche aber nicht in den Arbeitszeiterfassungen, die nur Arbeitszeit im Sinn der §§ 2 iVm 26 AZG zu beinhalten haben, aufscheinen. Sollte in diesen Zeiten tatsächlich Arbeitszeit anfallen, wird diese manuell erfasst, wobei ich sämtliche Mitarbeiter regelmäßig zur genauen Protokollierung von Arbeitszeiten anhalte und dies von mir kontrolliert wird. Da aber außerhalb der Geschäftszeiten ohnehin die Arbeitsaufnahme nur über gesonderte Weisung vereinbart ist, entsteht idR außerhalb der Öffnungszeiten keine Arbeitszeit.
Weiters ist festzuhalten, dass ein Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten nicht einmal dann vorliegen kann, wenn man davon ausginge (was ausdrücklich bestritten wird), dass auch die bloße Anwesenheitszeit Arbeitszeit im Sinn des AZG darstellen würde. Die gesamte Anwesenheitszeit wird in der Betriebsstätte aufgezeichnet. Nach dem AZG gibt es keine Verpflichtung, dass die Arbeitszeitaufzeichnungen in Papierform geführt werden müssen. Es reicht daher selbst in diesem Fall, dass die Anwesenheitszeiten in jeder Betriebsstätte elektronisch aufgezeichnet werden. Diese können von jedem einzelnen Arbeitnehmer ausgedruckt werden und ist daher der Aufzeichnungspflicht nach § 26 AZG selbst dann Genüge getan, wenn die bloße Anwesenheitszeit (als vermeintliche Arbeitszeit) aufzuzeichnen wäre (vgl. Schwarz in Czerny/Klein/Schwarz, Arbeitszeitgesetz, Seite 307; Schrank aaO RZ 36 zu § 27). Zu diesen Arbeitszeitaufzeichnungen hat jeder Mitarbeiter und das Arbeitsinspektorat Zugang und können diese jeweils sofort ausgedruckt werden, wie sich dies
5. Fehler im festgestellten Sachverhalt bzw. in der Sachverhaltsdarstellung:
Die Anwesenheitszeit darf nicht mit der Arbeitszeit im Sinn der §§ 2 iVm 26 AZG verwechselt bzw. gleichgesetzt werden. Dem Straferkenntnis liegt die „Buchungs-Info" der jeweiligen Mitarbeiter zu Grunde und wurde diese als Arbeitszeit bewertet. Da diese Buchungsinfo lediglich die
Es liegt dem gesamten Verfahren kein Beweis zu Grunde, welcher tauglich dazu wäre nachzuweisen, dass außerhalb der Filialöffnungszeiten aufzuzeichnende Arbeitszeiten erbracht wurden.
Beweis
R B, pA H H, S, S;
Dir. Prok. Ing. G P, pA H H, S, S;
vorliegende Arbeitszeitaufzeichnungen;
PV;
6. Konkrete Filiale
Für die Filiale E, bedeutet dies, dass die Öffnungszeiten Montag bis Freitag 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr und 13.30 Uhr bis 18.00 sind. Am Samstag ist von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr geöffnet. Im Zeitraum 5.8.2009 bis 26.8.2009 (= vorgeworfener Tatzeitraum) wurde sämtliche Arbeitszeit ordnungsgemäß aufgezeichnet, sämtliche Ruhepausen eingehalten und wurde die Tagesarbeitszeit von keinem der Mitarbeiter überschritten. Weder M H, M M, H N, L S noch J W haben an den angegebenen Tagen gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen. Keiner dieser Mitarbeiter hat im Tatzeitraum vor 8.30 Uhr zu arbeiten begonnen.
M H hat am 18.8.2009, 19.8.2009, 20.8.2009, 24.8.2009 die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause zumindest von einer halben Stunde eingehalten. M H hat am 18.8.2009, 19.8.2009, 20.8.2009 und am 24.8.2009 nicht vor 8.30 Uhr und am 21.8.2009 nicht vor 8.45 Uhr (aufgrund eines Arztbesuches) zu arbeiten begonnen.
M M hat am 5.8.2009, 6.8.2009, 10.8.2009, 11.8.2009, 12.8.2009, 13.8.2009 und 14.8.2009 die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause zumindest von einer halben Stunde eingehalten. M M hat am 5.8.2009, 6.8.2009, 10.8.2009, 11.8.2009, 13.8.2009 und am 14.8.2009 nicht vor 8.30 Uhr zu arbeiten begonnen.
H N hat am 17.8.2009, 18.8.2009, 19.8.2009, 20.8.2009, 24.8.2009 und 26.8.2009 die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause zumindest von einer halben Stunde eingehalten. H N hat am 18.8.2009, 19.8.2009, 20.8.2009, 21.8.2009, 24.8.2009, 25.8.2009 und am 26.8.2009 nicht vor 8.30 Uhr zu arbeiten begonnen.
L S hat am 11.8.2009, 12.8.2009, 13.8.2009, 14.8.2009, 17.8.2009, 18.8.2009, 19.8.2009 und 20.8.2009 die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause zumindest von einer halben Stunde eingehalten. L S hat am 21.8.2009 und 25.8.2009 nicht gearbeitet. L S hat am 18.8.2009 und am 19.8.2009 nicht vor 8.30 Uhr zu arbeiten begonnen.
J W ist nicht bei der H H angestellt, sondern im Rahmen eines Praktikums der (Arbeits-)Stiftung Gesellschaft für Aus- und Weiterbildung in der Filiale tätig (vgl. § 1 Abs.2 Z1 AZG). Es liegt kein entgeltliches Arbeitsverhältnis iSd § 1 AZG vor. J W hat am 19.8.2009 die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause zumindest von einer halben Stunde eingehalten. J W hat am 8.8.2009 und am 25.8.2009 nicht vor 8.30 Uhr zu arbeiten begonnen.
Beweis
R B, pA H H, S, S;
vorliegende Arbeitszeitaufzeichnungen betreffend die Filiale E;
M H, pA H H, Filiale O, H Top 7, O;
M M, K, L;
H N, pA H H, Filiale E, S, E;
L S, pA H H, Filiale T, B, T;
J W, pA H H, Filiale E, S, E;
PV.
Es wird ersucht, vor der zeugenschaftlichen Einvernahme mit meinem Rechtsvertreter zur Terminvereinbarung Rücksprache zu halten, um den Filialbetrieb sicherstellen zu können.
7. Keine Anwendung des AZG auf leitende Angestellte:
Leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, sind vom Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen (§ 1 Abs. 2 Z 8 AZG). L S unterliegt daher als Filialleiter nicht dem AZG. Dem Filialleiter sind maßgebende Führungsaufgaben übertragen. Der Filialleiter ist zuständig für die Arbeitszeiteinteilung aller Filialmitarbeiter. Die Mitarbeiter sind an alle Weisungen des Filialleiters gebunden. Dem Filialleiter kommt ein Mitspracherecht in Zusammenhang mit der Einstellung, der Kündigung und der Entlassung von ihm unterstehenden Mitarbeitern zu und obliegt dem Filialleiter insbesondere auch die Disposition darüber, wie viele Mitarbeiter in der Filiale täglich, wöchentlich und überhaupt zur richtigen Besetzung notwendig sind. Der Filialleiter ist für den Umsatz, die Gestaltung der Filiale, die Werbegestaltung, die Betreuung der Kunden usw. in der Filiale zuständig. Weiters obliegt dem Filialleiter die Einleitung allfälliger arbeitsrechtlicher (disziplinärer) Maßnahmen gegenüber Mitarbeitern. Der Filialleiter hat auch die Verantwortung für die Einhaltung sämtlicher Auflagen der Betriebsanlage, Datenschutzbestimmungen, Genehmigungsbescheide, des AZGs, die Handhabung von Reklamationsfällen durch die Kunden usw. Das AZG ist daher auf den Filialleiter nicht anzuwenden.
Beweis
L S, pA H H Filiale B A, B, B A.
PV.
8. fortgesetztes Delikt/keine Anwendung des § 28 Abs. 8 AZG/einheitliche Tat:
Selbst wenn man von der Strafbarkeit der mir vorgeworfenen Handlungen ausginge, würde es sich bei den jeweiligen Mitarbeitern um ein fortgesetztes Delikt handeln.
§ 28 Abs. 8 AZG ist auf gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden. Gemäß § 28
Nicht zu vernachlässigen ist bei dieser ausnahmsweisen Bürokratie-Delikte-Kumulation, das
Dies ist aber gerade nicht der Fall. Bei Unterstellung der (fehlerhaften) Ansicht der Erstbehörde bzw. von Frau H ergibt sich aus den vorliegenden Urkunden deutlich, die Arbeitszeit im Rechtssinn und die Anwesenheitszeit, sodass die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit,
Richtigerweise hätte daher - wenn überhaupt - nur eine einmalige Bestrafung für sämtliche falschen Aufzeichnungen (sämtliche Fakten A der Strafverfahren Ge-1295/09, Ge-1237/09, Ge-1268/09, Ge-1250/09, Ge-1176/09) stattfinden dürfen. Für sämtliche Arbeitszeitüberschreitungen (unabhängig ob tägliche, wöchentliche oder in Zusammenhang mit Ruhepausen), hätte je Arbeitnehmer nur eine Strafe ausgesprochen werden dürfen.
Beweis
R B;
Dir. Prok. Ing. G P;
vorliegende Zeitaufzeichnungen;
Wiedergabe der „vermeintlichen Arbeitszeit" im Strafvorwurf und im Straferkenntnis;
PV."
3. Der Magistrat der Stadt Steyr als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat Wels wurde am Verfahren beteiligt. In der Stellungnahme vom 21.9.2011 wurde hinsichtlich der Thematik "Einheitliche Tat/Betriebsdelikt/fortgesetztes Delikt" im Wesentlichen ausgeführt, dass Tatbestandsmerkmale die fünf Betriebsstätten, die unterschiedlichen Tatzeiten und die verschiedenen betroffenen Arbeitnehmer/innen seien, sodass keinesfalls von einer einheitlichen Tat gesprochen werden könne. Zudem würden Übertretungen unterschiedlicher Bestimmungen des AZG vorliegen. Zum Vorhalt des fortgesetzten Deliktes im AZG-Bereich verweist das AI auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wo ausgesprochen wurde, dass die Übertretung mehrerer Bestimmungen auch mehrere verschiedene Delikte bedeute (zB Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit und Unterschreitung der Mindestruhezeit). Weiters sei eine Strafe pro Arbeitnehmer/in zu verhängen, weil die Gesundheit mehrerer Arbeitnehmer/innen durch die Übertretung des AZG betroffen seien. Bei Übertretungen betreffend die Aufzeichnungspflichten des § 26 Abs.1 AZG gehe der VwGH davon aus, dass nur eine Übertretung vorliege (vgl. VwGH 91/19/0176), auch wenn für mehrere Arbeitnehmer/innen keine oder mangelhafte Arbeitszeitaufzeichnungen geführt werden. Diesbezüglich lege § 28 Abs.8 AZG fest, dass auch Verstöße gegen Aufzeichnungspflichten des § 26 Abs.1 bis 5 hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers gesondert zu bestrafen seien, wenn durch das Fehlen der Aufzeichnungen die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unmöglich oder unzumutbar wird. Dadurch, dass die Arbeitszeitaufzeichnungen der H GmbH grundsätzlich nicht die tatsächlichen Arbeitszeiten aufzeichnen, sondern die Öffnungszeiten, sei die Feststellung der tatsächlichen Arbeitszeiten für die Arbeitsinspektion nur durch besonderen Aufwand zu erreichen und somit unzumutbar.
Bezüglich der Befangenheit der Anzeigerin Frau R H äußerte sich das AI dahingehend, dass die Arbeitsinspektorin gemäß § 9 Abs.1 ArbIG verpflichtet sei, bei Feststellung einer Übertretung den Arbeitgeber schriftlich aufzufordern und innerhalb einer angemessenen Frist den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen. Die Arbeitsinspektorin sei daher verpflichtet gewesen, nachdem innerhalb der festgelegten Frist der Aufforderung zur Herstellung des entsprechenden Zustandes nicht entsprochen worden sei, Anzeige bei der Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten. Zudem war sie auch gemäß § 78 StPO verpflichtet, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Dem Vorwurf, wonach die Arbeitsinspektorin Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt habe, werde entschieden widersprochen, zumal gemäß § 7 ArbIG die Organe der Arbeitsinspektion befugt seien, bei Besichtigungen Arbeitnehmer/innen und beauftragte Personen über alle Umstände zu vernehmen, die den Aufgabenbereich der Arbeitsinspektion berühren. Die Arbeitsinspektion sei für die Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer/innen zuständig und würde mit Sicherheit keinen Druck auf Arbeitnehmer/innen ausüben.
Zu den Arbeitsaufzeichnungen der H GmbH wurde ausgeführt, dass es nicht relevant sei, welches Arbeitszeiterfassungssystem verwendet werde, so lange die im AZG geregelten Angelegenheiten daraus ablesbar seien. Zu dieser Verpflichtung wurde vom VwGH mit Erkenntnissen vom 4.2.1993, Zl. 91/19/0093 und vom 25.11.1991, 92/19/0286)) ausgesprochen, dass Dienstpläne die Arbeitszeitaufzeichnungen nicht ersetzen können, auch wenn der Dienstplan eingehalten werde und dass Arbeitszeitaufzeichnungen auch bei fixen Bürostunden zu führen seien.
Was die Qualifikation der aufgezeichneten und der Anzeige zu Grunde liegenden Arbeitszeiten als "echte" Arbeitszeiten oder nur als "Anwesenheitszeiten" ohne diesbezügliche Anordnung des Arbeitgebers betreffe, so handle es sich dabei um eine Beweisfrage. Es werde im Allgemeinen jene Zeit darunter verstanden, in der die Arbeitnehmer/innen Arbeiten für den/die Arbeitgeber/in durchführen bzw für die Arbeitsaufnahme zur Verfügung stehen und über die sie nicht frei verfügen können. Vor- und Abschlussarbeiten zählen jedenfalls zur Arbeitszeit und sei es für das AI nicht glaubhaft, dass die außerhalb der reinen Öffnungszeiten der Filialen aufgezeichneten Zeiten nicht mit Arbeiten für den Arbeitgeber zugebracht worden seien. Zu diesen Tätigkeiten würden das Auf- und Zusperren der Filiale, Bedienen einer allfälligen Alarmanlage, Besprechungen mit dienstlichem Inhalt, Vertrautmachen mit neuen Produkten, abschließende Kundenbetreuung und Kassaabschluss, gehören.
Hinsichtlich des leitenden Angestellten und des Filialleiters verweist das AI auf die zahlreiche Judikatur des VwGH. Nach Ansicht des AI würden die Angaben zu den Kompetenzen des Arbeitnehmers L S nicht ausreichen, um diesen als leitenden Angestellten iSd § 1 Abs.2 Z8 AZG von den Vorschriften des AZG auszunehmen.
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Für den 20.1.2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt, zu welcher die Verfahrensparteien eingeladen wurden. Der Berufungswerber war anwesend. Weiters wurden die Zeugen Ing. G P, R H, R B, M F, C F, S H, M K, D G, P L, B K, P F, L S, M H, J W, W Z, P K und J S geladen und zeugenschaftlich einvernommen. Vom AI Wels nahmen W W und DI H M teil.
4.1. Eingangs ist zu bemerken, dass beim Oö. Verwaltungssenat weitere gleichgelagerte Berufungsverfahren betreffend H W H (VwSen-281303 und VwSen-281305) und betreffend R H (VwSen-281301 und VwSen-281302) anhängig sind. Die Sachverhalte wurden im Rahmen der am 20.1.2012 abgehaltenen öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs.7 VStG mit abgehandelt.
4.2. Folgender Sachverhalt wurde festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit:
R H ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H H mit dem Sitz in S, S.
H W H wurde mit 11.7.1996 für alle damaligen H Filialen zum verantwortlichen Beauftragten gem. § 7 Abs2 VStG bestellt. Am 1.6.2010 erfolgte eine Aktualisierung der Bestellung.
H W H ist verantwortlicher Beauftragter gemäß § 23 Abs.1 ArbIG für die Filialen E, K und W.
Arbeitsaufzeichnungsliste und Buchungsmöglichkeiten der Mitarbeiter:
In den H-Filialen gab es zu den jeweiligen Tatzeiträumen zwei Aufzeichnungsvarianten, und zwar eine Anwesenheitsliste, welche ausschließlich der generellen Übersicht über die Anwesenheit der Mitarbeiter in der Filiale diente. Diese Anwesenheitsliste beinhaltet neben dem Namen des Mitarbeiters, das Datum, die Uhrzeit (von /bis), in diesem Zusammenhang auch das Kürzel "M" für manuelle Buchung und die Art (anwesend, ZA), jedoch keine Aufzeichnungen von Ruhepausen. Zudem gab es eine Arbeitszeitaufzeichnungsliste (im Folgenden: "Öffnungszeitenliste"), die grundsätzlich mit den Öffnungszeiten der jeweiligen Filialen ident ist. Diese Öffnungszeitenliste beinhaltet sämtliche Arbeitszeitaufzeichnungen der Arbeitnehmer, wie den Beginn der Arbeitszeit der jeweiligen Filiale, Mittagspausen, Zeitausgleich, Urlaub, Krankenstand und Arztbesuche. Des weiteren befindet sich bei den Eintragungen das Kürzel "k", welches für Kassaabschluss und Korrekturbuchungen steht. Für den Kassaabschluss werden vom System automatisch 10 Minuten dem Arbeitnehmer gutgeschrieben und mit einem "k" bei der entsprechenden Buchung versehen.
Die Mitarbeiter können vor Beginn der Öffnungszeiten das Geschäftslokal bereits betreten, wobei sie sich anschließend am Computer mit der Verkäufernummer einloggen. In der Zeit vom Betreten des Geschäftslokals bis zur Filialöffnung werden von den Mitarbeitern keine Vorbereitungsarbeiten verrichtet und wurden auch in dieser Zeit keine Arbeiten vom Unternehmen verlangt. Diese Zeit kann von den Mitarbeitern individuell genützt werden, wobei ihnen die – soweit vorhandenen – Aufenthaltsräume zur Verfügung stehen. Arbeiten der Arbeitnehmer vor Öffnungszeit und/oder nach Ende der Öffnungszeit können dem Filialleiter gemeldet werden, welcher die Korrektur an die Lohnverrechnung in der Zentrale in Steyr weiterleitet. Die Korrekturen werden von der Lohnverrechnung in der Öffnungszeitenliste entsprechend durchgeführt. Die von der Lohnverrechnung durchgeführten Korrekturen werden dem Arbeitnehmer nochmals zur Kontrolle vorgelegt. Beantragte Zeitkorrekturen wurden grundsätzlich nicht abgelehnt. Seitens der Geschäftsleitung gibt es eine Weisung, wonach der Arbeitnehmer seine Mittagspause am Computer auszubuchen hat. Erfolgt keine Ausbuchung des Mitarbeiters, wird der Mitarbeiter vom System - für die jeweilige Filiale definierte Mittagspause - automatisch ausgebucht. Diese automatische Ausbuchung ist in der Öffnungszeitenliste mit einem "K" gekennzeichnet. Konnte die Mittagspause aufgrund eines Verkaufsgespräches nicht zeitgerecht angetreten werden, so wurde diese Überzeit intern geregelt, indem die Mittagspause einfach um diese Überzeit nach hinten verlängert wurde. Diese internen Regelungen scheinen in der Öffnungszeitenliste nicht auf. Bei länger dauernden Verkaufsgesprächen in der Mittagspause konnte die Überzeit dem Filialleiter gemeldet werden und wurde die Korrektur durch den Filialleiter veranlasst.
Die Öffnungszeitenliste ist die für das Arbeitszeitgesetz relevante Aufzeichnungsliste der tatsächlich vom jeweiligen Arbeitnehmer geleisteten Arbeitszeiten.
Stiftungsmitarbeiter (Aktenvermerke vom 13.1.2012):
Bei den Arbeitnehmern J W und A R handelt es sich um Personen, die über die Stiftung (Gesellschaft für Aus- und Weiterbildung GmbH) beschäftigt wurden. Die beiden waren keine Arbeitnehmer der H H und besaßen auch keine entgeltlichen Arbeitsverträge mit der Firma H. Vielmehr handelte es sich um ein Ausbildungsverhältnis zur Weiterbildung und Beschäftigung von Arbeitslosen. Auf diese beiden Personen sind die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes nicht anzuwenden. Der Inhalt dieser Beurteilung wird von den Verfahrensparteien zur Gänze und zustimmend zur Kenntnis genommen.
Leitende Angestellte:
Die Aufgaben des Filialleiters teilen sich zu 60% Verkauf, 30% Mitarbeiterführung und 10% Buchhaltung auf. Hinsichtlich der Einstellung bzw Kündigung von Mitarbeitern erfolgt dies mit Rücksprache der Filialleiter und Regionalleiter. Die Anzahl wie viele Mitarbeiter täglich/wöchentlich in der Filiale gebraucht werden, wird vom Filialleiter festgelegt. Eingriffsmöglichkeiten von Filialleitern in andere Filialen gibt es nicht. Die grundsätzliche Preisgestaltung erfolgt über die Zentrale. Eine Preisgestaltung hinsichtlich Restposten und Abverkauf ist jedoch möglich; diesbezüglich steht dem Filialleiter ein eigenes Jahresbudget zur Verfügung. Werbemaßnahmen, wie zB Material wird von der Zentrale zur Verfügung gestellt. Für behördliche Angelegenheiten, wie zB gewerbebehördliche Genehmigungen und die Einhaltung von Auflagen, ist der Filialleiter zuständig, aber nicht verantwortlich. Für die Reklamationsabwicklung ist der Filialleiter zuständig.
4.3. Diese Feststellungen gründen sich einerseits auf die in den Akten befindlichen Schriftstücke und andererseits auf die Aussagen der bei der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen sowie auf die Ausführungen des Berufungswerbers H H. Sämtliche Arbeitnehmer wirkten glaubwürdig und widersprachen sich nicht. Es traten daher keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussagen auf. Es können daher diese Feststellungen als erwiesen zugrunde gelegt werden.
Lediglich die Aussage von M K unterscheidet sich zum Teil von jenen der anderen Arbeitnehmer. So wurde von M K ausgesagt, dass er vor der Öffnungszeit zu arbeiten begonnen hat, ihm diese Arbeitszeit jedoch nicht angerechnet worden sei. Von seinen Mitarbeitern habe er nicht verlangt, vor der Öffnungszeit zu arbeiten. Korrekturen seien nur eingeschränkt möglich gewesen. Eingangs sei ihm nicht bekannt gewesen, dass Überzeiten durch den Filialleiter korrigiert werden können. Im weiteren Verlauf der Einvernahme wurde dann von ihm ausgesagt, dass Korrekturen der Arbeitszeit möglich waren, jedoch nur hinsichtlich falscher Buchungen, nicht aber in Bezug auf Überzeiten. Die Mittagspause wurde von ihm nicht gebucht, weshalb in der Anwesenheitsliste eine durchgehende Anwesenheit, in der Öffnungszeitenliste jedoch die Mittagspause ausgewiesen ist. Er habe keine Erinnerung mehr daran, weshalb er die Mittagspause nicht weisungsgemäß gebucht hat. Weiters wurde von ihm angegeben, dass er nicht gewusst habe, dass – wenn ein Kunde nach Ende der Öffnungszeit eine Viertel- oder Halbestunde länger bedient wurde – diese Zeit nachgebucht werden konnte. Er habe diese Nachbuchung auch nie versucht. Weiters wurde von ihm ausgesagt, dass er die Zeit nicht angerechnet bekommen habe, wenn Kunden während der Mittagspause gekommen und bedient worden sind. Auch diese Nachbuchung wurde von ihm nicht versucht einzufordern.
5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß § 9 Abs.1 AZG, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, darf die Tagesarbeitszeit zehn Stunden und die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten, sofern die Abs.2 bis 4 nicht anderes bestimmen. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch beim Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.
Gemäß § 11 Abs.1 AZG ist die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden beträgt. Wenn es im Interesse der Arbeitnehmer des Betriebes gelegen oder aus betrieblichen Gründen notwendig ist, können anstelle einer halbstündigen Ruhepause zwei Ruhepausen von je einer Viertelstunde oder drei Ruhepausen von je zehn Minuten gewährt werden. Eine andere Teilung der Ruhepause kann aus diesen Gründen durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, durch das Arbeitsinspektorat, zugelassen werden. Ein Teil der Ruhepause muss mindestens zehn Minuten betragen.
Gemäß § 26 Abs.1 AZG hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Der Beginn und die Dauer eines Durchrechnungszeitraumes sind festzuhalten.
Gemäß § 28 Abs.1 Z3 AZG sind Arbeitgeber, die die Meldepflichten an das Arbeitsinspektorat gemäß § 7 Abs.4, § 11 Abs.8 oder 10 oder § 20 Abs.2, die Auskunfts- und Einsichtspflichten gemäß § 26 Abs.6 verletzen, oder die Aufzeichnungen gemäß § 18b Abs.2, § 18c Abs.2 sowie § 26 Abs.1 bis 5 mangelhaft führen, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 20 Euro bis 436 Euro zu bestrafen.
Gemäß § 28 Abs. 8 AZG sind auch Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten gemäß § 18b Abs.2, § 18c Abs.2 sowie § 26 Abs.1 bis 5 hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers gesondert zu bestrafen, wenn durch das Fehlen der Aufzeichnungen die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unmöglich oder unzumutbar wird.
Gemäß § 28 Abs.2 AZG sind Arbeitgeber, die
Z1: Arbeitnehmer über die Höchstgrenzen der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 2 Abs.2, § 7, § 8 Abs.1, 2 oder 4, § 9, § 12a Abs.5, § 18 Abs.2 oder 3, § 19a Abs.2 oder 6 oder § 20a Abs.2 Z1 hinaus einsetzen;
Z2: Ruhepausen oder Kurzpausen gemäß § 11 Abs.1, 3, 4 oder 5, § 18 Abs.4, § 18d oder § 19a Abs.4 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1.815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1.815 Euro, zu bestrafen.
5.2. Der Berufungswerber ist verantwortlicher Beauftragter für die Filiale E, S, E, der H H mit dem Sitz in S, S, und somit verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.
5.2.1. Zu den Verwaltungsübertretungen gemäß § 26 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z3 und Abs.8 AZG (Fakten A)1 bis A)5) ist Nachstehendes auszuführen:
Dem Berufungswerber wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, dass betreffend die Arbeitnehmer M H, M M, H N, L S und J W zu den im Spruch näher angeführten Tatzeitpunkten die Arbeitsaufzeichnungen mangelhaft geführt wurden, zumal die firmeneigenen Arbeitsaufzeichnungen nicht mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entsprochen haben. Die belangte Behörde verhängte dabei – in Heranziehung des § 28 Abs.8 AZG - für jeden einzelnen Arbeitnehmer und für jeden einzelnen Tattag gesonderte Geldstrafen.
Diesbezüglich ist zu bemerken, dass § 28 Abs.8 AZG normiert, dass Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten gemäß § 18b Abs.2, § 18c Abs.2 sowie § 26 Abs.1 bis 5 hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers gesondert zu bestrafen sind, wenn durch das Fehlen der Aufzeichnungen die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unmöglich oder unzumutbar wird.
Der Passus "der unmöglichen oder unzumutbaren Feststellung" im Sinne eines notwendigen Tatbestandselementes ist dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses und auch den sonstigen Verfolgungshandlungen nicht zu entnehmen und ist sohin die Bestrafung jedes einzelnen Arbeitnehmers schon aus diesem Grunde zu verneinen.
Wie in der Berufungsverhandlung überdies von den zeugenschaftlich einvernommenen Arbeitnehmern übereinstimmend ausgesagt wurde, handelt es sich bei der Öffnungszeitenliste um jene Liste, die die tatsächlich geleistete Arbeitszeit dokumentiert, zumal diese den tatsächlichen Arbeitsbeginn, das Arbeitsende sowie Buchungen der Mittagspausen, sämtliche Korrekturbuchungen und Abwesenheiten der Arbeitnehmer beinhaltet. Die ebenfalls in Rede stehende Anwesenheitsliste diente ausschließlich der täglichen Information des jeweiligen Filialleiters, welcher seiner Mitarbeiter überhaupt in der Filiale anwesend ist. Aus der Anwesenheitsliste ist somit nicht die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu entnehmen. Die Öffnungszeitenliste hingegen erfüllt die Anforderungen der Bestimmung des § 26 Abs.1 AZG und war daher - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - diese als maßgebliche Arbeitsaufzeichnungsliste zu qualifizieren.
In der Berufungsverhandlung wurde von Herrn H zeugenschaftlich ausgesagt, dass in Fällen, in denen die Ruhepause aufgrund eines Verkäufsgesprächs erst nach 12.30 Uhr angetreten werden kann, eine interne Regelung getroffen wurde, wonach diese Überzeit einfach an die Ruhezeit hinten angehängt wird und dieser Vorgang auch nicht in der Arbeitszeitaufzeichnungsliste aufscheint. Daraus kann zwar grundsätzlich eine mangelhafte Arbeitszeitenaufzeichnung abgeleitet werden; gegenständlich war es aber nicht zu verifizieren, ob dies an den konkreten Tattagen der Fall gewesen ist oder nicht. Es war daher in dubio pro reo davon auszugehen, dass die Arbeitszeitaufzeichnungen gesetzeskonform geführt wurden.
Es hat daher der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen, zumal eine Arbeitsaufzeichnungsliste geführt wurde und anhand dieser Feststellungen der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit möglich waren. Aus diesem Grunde war das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.
5.2.2. Zu der Verwaltungsübertretung gemäß § 11 Abs.1 iVm § 28 Abs.2 Z2 AZG (Faktum B)1 bis B)5) ist Nachstehendes auszuführen:
Dem Berufungswerber wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, dass betreffend die Arbeitnehmer M H, M M, H N und L S zu der im Spruch näher angeführten Tatzeit die Tagesarbeitszeit, welche mehr als 6 Stunden betragen habe, nicht von einer Ruhepause von mindestens einer halben Stunde unterbrochen worden sei.
Vorweg ist anzumerken, dass dem Berufungswerber sowohl in Faktum B)4.h) als auch in Faktum B)5.b) betreffend L S der Tattag 20.8.2009 vorgehalten wurde und sohin vom Vorliegen einer Doppelbestrafung auszugehen war. Schon aus diesem Grunde, wäre der Tatvorwurf in Faktum B)5.b) aufzuheben. Überdies wurde dem Berufungswerber angelastet, dass L S sowohl am 21.8. als auch am 25.8.2009 - trotz Vorliegens einer mehr als 6stündigen Tagesarbeitszeit - keine Ruhepause gewährt wurde. Aus der Arbeitsaufzeichnungsliste ist aber ersichtlich, dass L S am 21.8.2009 Zeitausgleich konsumierte und sich am 25.8.2009 auf Urlaub befunden hat. Es konnten daher die beiden letztgenannten Tattage bereits aus diesem Grund dem Berufungswerber nicht angelasteten werden.
Wie bereits unter Pkt. 5.2.1. ausgeführt wurde, ist die "Öffnungszeitenliste" als maßgebliche Arbeitsaufzeichnungsliste anzusehen. Aus der im Akt einliegenden Öffnungszeitenliste ist zu entnehmen, dass die Arbeitnehmer M H, M M, H N und L S an den im Spruch des Straferkenntnisses näher angeführten Tattagen bei einer mehr als sechsstündigen Tagesarbeitszeit eine Ruhepause, und zwar von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr konsumiert haben, wobei von einem Arbeitsbeginn um 8.30 Uhr auszugehen ist.
Es hat daher der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen und war das angefochtene Straferkenntnis in diesen Punkten aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.
5.2.3. Unbeschadet dessen wird hinsichtlich der Fakten A)1 bis A)5 noch ausgeführt, dass es sich hier – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – jeweils um ein fortgesetztes Delikt gehandelt hat. Dabei ist zu bemerken, dass auch dann, wenn hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen geführt werden, dem Arbeitgeber nur eine Übertretung nach § 26 Abs.1 AZG zur Last gelegt werden kann (vgl. VwGH vom 29.7.1993, 91/19/0176). Eine Einzelabstrafung war aber auch deshalb nicht möglich, weil § 28 Abs.8 AZG zwar in der Strafnorm formal, aber im Spruch als Tatbestandsmerkmal in Form der verunmöglichten oder unzumutbaren Feststellung der geleisteten Arbeitszeit nicht angeführt wurde. Sohin waren die Voraussetzungen für eine Bestrafung pro Arbeitnehmer und pro strafbarer Handlung nicht gegeben.
5.2.4.Hinsichtlich des im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmers J W ist auszuführen, dass es sich dabei um keinen Arbeitnehmer der H Hhandelt, zumal kein entgeltlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Vielmehr stand Herr J W in einem Ausbildungsverhältnis zur Stiftung Gesellschaft für Aus- und Weiterbildung GmbH. Aus diesem Grund waren die Bestimmungen des AZG nicht auf Herrn J W anzuwenden.
Insgesamt war daher jedenfalls auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
6. Der Ausspruch über die Kosten ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Reichenberger