Linz, 09.03.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Berufung des G M, geb., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. H K, F, V, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 14.3.2011, Z Sich96-764-2009, wegen einer Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7.3.2012 zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 1 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).
Zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.
Entscheidungsgründe:
Diesem Straferkenntnis ging eine Strafverfügung der belangten Behörde vom 10.12.2009, zugestellt am 14.12.2009, die durch Eingabe des Bw vom 14.11.2009 (sic!), beeinsprucht wurde, voraus. Da der Poststempel des Einspruchs nicht lesbar ist, wurde der Einspruch seitens der belangten Behörde zu Recht als rechtzeitig befunden.
§ 38a Abs. 1 und Abs. 2 SPG:
"Wegweisung und Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen
(1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.
(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, daß der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun."
§ 84 Abs. 1 Z 2 SPG:
"Sonstige Verwaltungsübertretungen
(1) Wer
...
2. ein Betretungsverbot gemäß § 38a Abs. 2 missachtet oder
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 360 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen."
3.2. Nach § 38a Abs. 2 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; aufgrund des Verweises auf Abs. 1 leg.cit. ist dem Betroffenen zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich dieses Betretungsverbot bezieht.
3.2.1. Dem Bw wurde als vom Betretungsverbot erfasster räumlicher Schutzbereich – wie weiter oben unter 1.5. und 2.1. dargelegt – das gesamte Anwesen R, U, einschließlich des umgebenden Grundstückes genannt. Wie bereits erörtert, ist daher die an das Grundstück angrenzende Gemeindestraße von diesem Schutzbereich nicht erfasst. Dass der Bw mit dem Auto auf der an dieses Grundstück angrenzenden, öffentlichen Gemeindestraße zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt hielt, war hinsichtlich des verhängten Betretungsverbotes somit rechtlich betrachtet nicht von Bedeutung.
Wenngleich das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keinerlei Verständnis für die vom Bw selbst als solche bezeichneten "Boshaftigkeiten" aufbringt, so ist das Öffnen und Schließen des in Rede stehenden Garagentores durch den Handsender dennoch nicht als "Betreten" iSd § 38a Abs. 2 SPG zu qualifizieren. Ein Betreten iSd § 38a Abs. 2 SPG setzt vielmehr eine räumliche Veränderung der Position der Bezugsperson auf eine konkret vom Betretungsverbot erfasste Fläche hin bzw. in einen von diesem erfassten Raum voraus. Belästigungen und Boshaftigkeiten bzw. eine Kontaktaufnahme mit der geschützten Person von der Ferne (außerhalb des räumlichen Schutzbereiches) aus sind jedenfalls nicht unter diese Begrifflichkeit zu subsumieren.
3.2.2. Dass der Bw aber zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt das vom Betretungsverbot erfasste Grundstück bzw. die dort befindliche Garage betreten hat, konnte im Beweisverfahren – wie bereits unter 1.5. ausführlich dargelegt – nicht entsprechend erwiesen werden.
Da trotz umfassender Ermittlungsversuche – nicht zuletzt auch in einer mündlichen Verhandlung – und Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen in eingehender Beweiswürdigung für das erkennende Mitglied in diesem Bereich Zweifel verblieben, hat nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" die Einstellung des Verfahrens zu erfolgen. Die vorliegenden Beweise waren daher für einen Schuldspruch nicht ausreichend (z.B. VwGH 3.7.1996, 95/13/0175; 17.12.1999, 97/02/0120; 22.2.2006, 2005/17/0195).
3.3. Der Berufung war daher stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Da die dem Bw zur Last gelegte Tat (Betreten des in Rede stehenden Grundstückes und der zum Haus gehörenden Garage) nicht entsprechend erwiesen werden konnte, war auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu verfügen.
4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220,- Euro zu entrichten.
Astrid Berger