Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101140/27/Weg/Ri

Linz, 01.02.1994

VwSen-101140/27/Weg/Ri Linz, am 1. Februar 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter M, vom 11. März 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. Februar 1993, VerkR-442/1992, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Schuld abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Aus Anlaß der Berufung wird die Geldstrafe auf 3.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Tage reduziert.

III. Demgemäß verringert sich der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz auf 300 S.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1 sowie hinsichtlich der Kosten §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe von 5.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt, weil dieser am 9. Mai 1992 gegen 21.20 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der W (E) in B in Richtung P gelenkt hat, wobei er auf Höhe des Hauses Bad I, S an einem Verkehrsunfall beteiligt war, bei welchem erheblicher Sachschaden entstanden ist - er stieß gegen einen vor ihm verkehrsbedingt angehaltenen PKW, wodurch dieser PKW gegen ein davor aus einer Parklücke ausfahrendes Fahrzeug gestoßen wurde - , und hat es unterlassen, vom angeführten Verkehrsunfall bzw. von den Beschädigungen ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeioder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl er den Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen hat.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 500 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die belangte Behörde stützt dieses Straferkenntnis auf ein umfangreiches Ermittlungsverfahren und - auf die verfahrensgegenständliche Problematik bezogen - insbesondere auf ein amtsärztliches Gutachten des Dr. H, wonach ein schuldausschließender posttraumatischer Dämmerzustand auszuschließen sei.

3. Dagegen wendet der Berufungswerber in seiner fristgerecht eingebrachten und zulässigen Berufung sinngemäß ein, er habe sich nach dem Verkehrsunfall bis nächsten Tag in einem die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand befunden und legt als Beweis hiefür ein als "nervenfachärzticher Befund" bezeichnetes Schreiben des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Herrn Dr. Martin W , datiert mit 10. März 1993, vor. In der Zusammenfassung und Beurteilung dieses nervenfachärztlichen Befundes ist festgehalten, daß von nervenfachärztlicher Seite davon auszugehen sei, daß es sich bei dem Patienten nach dem Unfall um eine sogenannte abnorme Erlebnisreaktion gehandelt hat, somit um eine krankhafte Reaktion auf das Erleben eines Unfalles, wobei Bewußtseinsstörungen und eine Amnesie auftreten, weiters vasomotorische Labilität, Zittern, situationsinadäquates Verhalten und unsinnige Handlungen. Im konkreten Fall habe dieser Zustand eine Nacht lang gedauert und es habe in dieser Zeit eine erhebliche Einschränkung der Dispositionsund Diskretionsfähigkeit bestanden, sodaß der Patient nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Bei dieser Beurteilung ist der Nervenfacharzt Dr. W von der Aktenlage, von den Angaben des Patienten und von den Angaben der Zeugen ausgegangen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch zeugenschaftliche Vernehmung der Unfallsgegnerin Irene Z sowie durch zeugenschaftliche Vernehmung des Thomas P anläßlich der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 1993, der auch ein von der Behörde beigezogener nichtamtlicher Sachverständiger, nämlich Herr Hofrat Prim. Dr. H S, gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie, beigezogen wurde.

Ferner wurde Beweis aufgenommen durch Verwertung des schließlich schriftlich erstatteten Gutachtens des Dr.

S. Hinsichtlich der letzteren Beweisaufnahme wurde von den Parteien auf die Fortsetzung des Beweisverfahrens in Form einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Parteien waren ausdrücklich damit einverstanden, daß dieses Gutachten schriftlich nachgeholt und dann im Wege des Parteiengehörs zugesendet wird. Dieses Parteiengehör ist gewahrt worden und trafen zum neurologisch psychiatrischen Gutachten des Dr.S vom 21. Dezember 1993 sowohl von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Schreiben vom 19. Jänner 1994 als auch vom Beschuldigten mit Schreiben vom 18. Jänner 1994 Stellungnahmen ein.

Auf Grund der angeführten Beweismittel ist nachstehender Sachverhalt als erwiesen anzunehmen:

Der Berufungswerber, ein Gendarmeriebeamter, verursachte am 9. Mai 1992, um ca. 21.20 Uhr, auf Höhe des Hauses, Bad I, S 4, einen Verkehrsunfall. Er stieß dabei mit seinem PKW gegen einen vor ihm verkehrsbedingt angehaltenen PKW. Durch diesen Verkehrsunfall entstand erheblicher Sachschaden, nicht nur am PKW des Beschuldigten sondern auch an zwei weiteren PKW's, die von Günter E und Irene Z gelenkt wurden. Die Unfallbeteiligten haben ihre Fahrzeuge nach diesem Verkehrsunfall auch sofort angehalten. Ein gegenseitiger Nachweis der Namen und der Anschriften der Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, hat nicht stattgefunden. Der Berufungswerber hat diesen Verkehrsunfall nicht bzw. nicht ohne unnötigen Aufschub (worauf noch einzugehen sein wird) bei der nächsten Gendarmeriedienststelle gemeldet. Die Kontaktaufnahme mit der Gendarmerie erfolgte telefonisch etwa 12 Stunden nach dem Unfall, an den sich der Beschuldigte nicht mehr erinnern könne. Bei diesem Telefonat, etwa 12 Stunden nach dem Verkehrsunfall erfuhr er, daß die Angelegenheit schon von der Gendarmerie aufgenommen worden sei. Erst am Montag um ca. 7.00 Uhr (der Unfall fand am Samstag statt) versuchte der Beschuldigte den Postenkommandanten des Postens Bad I zu erreichen, traf jedoch diesen nicht an. Darauf hat sich der Beschuldigte - ohne daß bis dahin ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wurde - zu seinem Hausarzt Dr.

B begeben und ihm berichtet, daß er nach einem Verkehrsunfall ca. 36 Stunden vorher noch Kopfschmerzen verspüre. Der Arzt wollte ihn in den Krankenstand schicken, der Beschuldigte hat jedoch in den Nachmittagsstunden des Montags seinen Dienst bei seinem Gendarmerieposten angetreten. Der Beschuldigte hatte nach seinen eigenen Aussagen keine blutenden Wunden. Ob er sonstige Plessuren bei diesem Unfall erlitt, wußte er bei der mündlichen Verhandlung nicht mehr. Jedenfalls hat ihn der Arzt untersucht und äußerlich sichtbare Verletzungen nicht feststellen können.

Über Befragung durch den Sachverständigen führt der Beschuldigte aus, daß er bis zum Unfall weder an Epilepsie gelitten habe, noch eine Geisteskrankheit bestanden habe, noch mit dem Kopf bzw. Gehirn Krankhaftes zu tun gehabt habe.

Die vor dem O.ö. Verwaltungssenat vernommene Zeugin Irene Z führte aus, daß sie ihren PKW wegen eines anderen ausparkenden Fahrzeuges anhalten mußte. Nach dem Anhalten hat sie einen heftigen Ruck von hinten verspürt und wurde nach vorne geschoben, nämlich auf das ausparkende Fahrzeug.

Sie wurde von einem anderen PKW-Lenker, nämlich den Beschuldigten, von hinten gerammt. Darauf stieg sie aus dem Fahrzeug aus und ging zum Lenker des auffahrenden Fahrzeuges zurück. Dieser saß noch im PKW, murmelte etwas vor sich hin, beteuerte, daß ihm das passiert sei und stieg letztlich auch aus. Der Beschuldigte, der sich an dieses Geschehen angeblich nicht erinnern kann, hat in der Folge zum Ausdruck gebracht, daß die Autos weggeräumt werden müßten und bot an, die Sache im benachbarten B (ein Gasthaus) zu regeln. In diesem Gespräch hat er die Schuld auf sich genommen und, obwohl er etwas aufgeregt war, durchaus sinnvolle Antworten gegeben. Der Zeugin Z war die Sache nicht ganz geheuer, vor allem wegen der ständigen Drängerei des Beschuldigten und auch, weil er aus dem Munde nach Alkohol gerochen habe. Deshalb rief sie ihren Vater an, ein anderer Bekannter hat die Gendarmerie verständigt. Dabei hat sie den Beschuldigten noch gebeten bzw. ist dies besprochen worden, die Fahrzeuge an Ort und Stelle zu belassen. Der Beschuldigte allerdings hat sein Fahrzeug weggefahren und zwar in eine benachbarte Einfahrt beim B Hof. In der weiteren Folge ist der Beschuldigte - obwohl ein Nachweis des Namens und der Wohnanschrift nicht erfolgte - nicht mehr anzutreffen gewesen, vor allem nicht im B Hof, wo das Fahrzeug abgestellt war.

Über Befragung durch den medizinischen Sachverständigen, ob sie (die Zeugin) irgendwelche Verletzungen am Beschuldigten habe feststellen können, ob er ein Auge zugekniffen habe oder ob er über Schmerzen geklagt habe, führt die Zeugin aus, nichts derartiges wahrgenommen zu haben, im Gegenteil, es ist sogar besprochen worden, daß soweit nichts passiert sei und keine Verletzungen vorlägen.

Über Befragen des Rechtsfreundes des Berufungswerbers führt die Zeugin aus, daß der Berufungswerber ziemlich betroffen gewesen sei, er mit dem Ausdruck "Ich habe Schuld, um Gottes Willen", die Schuld auf sich genommen habe und in der weiteren Folge immer wieder zum Ausdruck gebracht habe, daß die Fahrzeuge möglichst schnell weggebracht werden sollten. Dabei habe der Berufungswerber deutlich gesprochen.

Ohne eine Würdigung der Aussagen der Zeugin bzw. des Beschuldigten vorwegzunehmen, steht zumindest fest, daß der Beschuldigte nach dem Unfall durchaus zielgerichtet und bewußt sein Fahrzeug von der Unfallstelle wegfuhr und zu dieser Zeit trotz seiner Aufregung durchaus Sinnvolles von sich gab.

Wie dann der Berufungswerber vom B Hof nach Hause (Bad ) kam, war nicht mehr zu eruieren, vor allem wußte dies auch der Berufungswerber selbst nicht.

Jedenfalls hat der Beschuldigte am nächsten Tag um ca. 9.00 Uhr, nachdem er auf einem Tisch Schadensformulare liegen sah und bemerkt hat, daß sein Fahrzeug nicht vor dem Haus abgestellt ist, Herrn P, einen guten Bekannten, angerufen. Dieser hat sich dann auf die Suche nach dem PKW gemacht und diesen auch beschädigt beim B Hof vorgefunden. Der Zeuge P führte dazu aus, er habe bei diesem Telefonat tatsächlich den Eindruck gehabt, daß der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt nicht gewußt habe, wo sein PKW abgestellt sei bzw. daß er einen Unfall gehabt habe. In der Folge hat der Zeuge P den Beschuldigten von zu Hause abgeholt und mit ihm und noch anderen Personen den Nachmittag verbracht. Dabei hat der Beschuldigte über Kopfschmerzen geklagt und davon gesprochen, daß ihm schlecht sei. Der Beschuldigte selbst hat in den Abendstunden des Sonntags den PKW noch vom B Hof weggebracht und zwar in eine in der Nähe befindliche Werkstätte. Der Beschuldigte führte über Befragen noch aus, daß sein Telefonat mit dem Gendarmeriebeamten M in den Vormittagsstunden des Sonntags eher eine Erkundigung über nähere Umstände gewesen sei und er, nachdem die Identität usw. schon festgestellt worden sei, keine Veranlassung mehr gesehen hat, wenigstens dann sofort zur Gendarmerie zu fahren.

Ärztliche Hilfe nahm der Beschuldigte - wie schon erwähnt erst am darauffolgenden Montag in Anspruch, indem er seinen Hausarzt aufsuchte, der sichtbare Verletzungen nicht feststellen konnte, immerhin jedoch schriftlich kundtat, daß auf Grund der Angaben des Patienten ein posttraumatischer Dämmerzustand vorgelegen haben dürfte. An Nachmittag des Montags begab sich der Beschuldigte wieder zu seiner Dienststelle, um die Arbeit als Gendarmerieorgan zu verrichten.

Der gerichtlich beeidete Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie wurde nach der Verhandlung schließlich ersucht, zu folgendem Beweisthema ein schriftliches Gutachten abzugeben: "War Herr Paul N aus fachärztlicher Sicht nach dem stattgehabten Verkehrsunfall, bei welchem dieser keine sichtbaren Verletzungen erlitten hat, nach welchem er (und zwar unmittelbar nachher) durchaus zielgerichtet gehandelt hat (z.B. auf gezielte Fragen sinnvolle Antworten gegeben bzw. das beschädigte Fahrzeug weggestellt hat) für die Nichtmeldung des Verkehrsunfalles innerhalb der dem Unfall folgenden 12 Stunden in einem Zustand der Bewußtseinsstörung (posttraumatischer Zustand?), wonach er iSd § 3 VStG nicht strafbar wäre. Ist also aus medizinischer Sicht unter Zugrundelegung der eben angeführten Fakten durch die beim Verkehrsunfall angeblich erlittenen Verletzungen durch 12 Stunden hinweg eine Diskretions- bzw.

Dispositionsunfähigkeit gegeben gewesen?" Zu dieser Fragestellung führt der genannte Sachverständige mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 zusammenfassend aus:

"Herr N war an einem Verkehrsunfall am 9. Mai 1992 um etwa 21.20 Uhr in B beteiligt, er fuhr mit seinem PKW auf den der Frau Z auf, die wegen eines aus einer Parklücke fahrenden Wagens davor, anhalten mußte.

Soweit aus den Zeugenaussagen und aus den Berichten des Herrn N selbst hervorgeht, war Herr N nicht bewußtlos, sondern eher in einem Schockzustand, in welchem er leicht erregt wirkte. Ob eine Alkoholisierung vorgelegen hat, kann hier nicht festgestellt werden, da der Geruch aus dem Mund nach Alkohol allein keine Bestätigung hiefür liefert.

Unmittelbar nach dem Unfall wirkte ansonsten Herr N für die Zeugen vollkommen geordnet und voll ansprechbar und hat auch sofort seine Schuld bekundet, wollte aber die ganze Angelegenheit so geregelt haben, daß dies ohne Beiziehung der Gendarmerie erfolgt.

Er gibt eine Erinnerungslücke bis am nächsten Morgen an, in der Nacht hat er zu Hause offenbar geschlafen, kann sich aber nicht erinnern, wie er nach Hause gekommen ist, ihm sei am nächsten Tag nur schlecht und übel gewesen und war darüber verwundert, daß sein Auto nicht zu Hause stand.

Seitens des ihn behandelnden Arztes, Dr.B, und seitens des Neurologen Dr. Martin W wird ein posttraumatischer Dämmerzustand aufgrund der Angaben des Herrn N bestätigt, diese Aussagen bzw. diese Diagnose stützt sich jedoch nicht auf eine objektive Wahrnehmung, was auch der Amtsarzt des Bezirkes V bemängelte.

Nachdem weder eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) vorgelegen hat, noch bei Herrn N andere Krankheitsvorgänge (wie Epilepsie, Alkoholismus, Geisteskrankheit) vorliegen, ist die von Herrn N angegegebene Erinnerungslücke vom neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet bzw. medizinisch überhaupt nicht begründet.

Im neurologisch-psychiatrischen Bereich kennt man noch das sogenannte Ganser-Syndrom (benannt nach S 1853-1931), er definiert dies so, daß es sich hier um eine Vortäuschung einer psychischen Störung durch Vorbeireden, falsches Handeln und scheinbares Nichtwissen (Pseudodemenz) mit dem Zweck handelt, sich einer forensischen Beurteilung bzw. Bestrafung zu entziehen.

Eine Diskretions- bzw. Dispositionsunfähigkeit kann Herrn N unter Einwirkung des Unfallschocks lediglich nur für kurze Zeit ev. bis zu einer Stunde zugesprochen werden, jedoch nicht für die ganze Nacht bzw. zum nächsten Morgen.

Wie bereits angeführt, leidet Herr Neuhuber ansonsten an keiner Erkrankung des zentralen Nervensystems und auch ein Trauma im Sinne einer Commotio cerebri kann aufgrund der Aktenlage nicht angenommen werden." Dieser gutächtlichen Zusammenfassung ging eine ausführliche Befunderstellung voraus, wobei er sich auch mit den im Akt befindlichen drei ärztlichen Gutachten bzw. Attesten (Dr. B, Dr. H und Dr.W) auseinandersetzte.

In den schließlich ergangenen Stellungnahmen zu diesen Gutachten, die schriftlich eingeholt wurden, führt der Berufungswerber aus, daß auf Grund des heftigen Anpralles und auf Grund der Aussagen der Zeugin Z ein Unfallschock bzw. eine Gehirnerschütterung vorgelegen sei und das Gutachten somit von falschen Prämissen ausgehe. Er stellt abschließend den Antrag, dem Sachverständigen aufzutragen, sein Gutachten zu ergänzen und zwar insbesondere zu folgenden Punkten Stellung zu nehmen:

"a) Ist es von neurologisch-psychiatrischer Sicht aus denkbar, daß der Beschuldigte durch den heftigen Anprall auf das vor ihm stehende Fahrzeug eine Gehirnerschütterung erlitten hat, welche die von ihm angegebenen Erinnerungslücken erklärt? b) Sind die vom Beschuldigten angegebenen Gesundheitsstörungen, nämlich Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindelgefühle usw. mit dem Vorliegen einer Gehirnerschütterung vereinbar? c) Ist die vom Beschuldigten geschilderte Amnesie - eine Gehirnerschütterung vorausgesetzt - nachvollziehbar? d) Ist es richtig, daß man unter einem posttraumatischen Dämmerzustand einen oft nach einem eher geringen Kopftrauma auftretenden Zustand veränderten Bewußtseins mit eingehender Denkstörung versteht, welcher eine vollständige Erinnerungslücke hinterlassen kann, obwohl die Personen dabei meist handlungsfähig bleiben und kaum bewußtseinsgetrübt sind? e) Gibt es vom medizinischen Standpunkt aus klare Eingrenzungen betreffend die zeitliche Diskretions- bzw. Dispositonsunfähigkeit unter Einwirkung eines Unfallschocks oder sind auch Fälle bekannt, in welchem dieser Zustand länger angedauert hat? f) Ist die von Dr. Martin W angenommene abnorme Erlebnisreaktion aus medizinischer Sicht ausgeschlossen bzw.

können mit derartigen abnormen Erlebnisreaktionen Bewußtseinsstörungen wie Amnesie verbunden sein?" Diesen Anträgen wird nicht stattgegeben, da es sich um Erkundungsbeweise handelt und im wesentlichen darauf abzielen, ob bei Vorliegen einer Gehirnerschütterung nicht doch ein posttraumatischer Zustand vorgelegen sein könnte. Eine Gehirnerschütterung hat jedoch Dr. S in seinem Gutachten ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde tritt mit Schreiben vom 19.Jänner 1994 der Argumentation des Dr. S vollinhaltlich bei und sieht darin ihre Annahme, die sich auf das ärztliche Gutachten des Dr. H stützte, als bestätigt an.

Die im Akt aufscheinenden allseitigen Verhältnisse (Hausbesitz, monatliches Nettoeinkommen 15.000 S und Sorgepflicht für einen 22-jährigen Studenten) blieben unwidersprochen und werden deshalb auch dieser Entscheidung zugrundegelegt. Dies trifft auch auf die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu.

Neben den iSd § 19 Abs.2 VStG eben genannten für die Strafbemessung relevanten Tatbestandselementen gilt sohin als erwiesen, daß der Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall unter Einwirkung des Unfallschocks lediglich für kurze Zeit - bis zu einer Stunde - in einem die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausschließenden Zustand sich befunden hat, jedoch keinesfalls für die gesamte Nacht bzw. bis zum Morgen des nächsten Tages. Er ist sohin für sein Verhalten, nämlich es unterlassen zu haben, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen im Sinne des § 3 VStG voll verantwortlich. Hiezu wird noch angemerkt, daß - selbst wenn der behauptete posttraumatische Zustand 12 Stunden gedauert hätte - was nicht als erwiesen angenommen wird - , auch die letztlich erst am Montag erstattete Unfallmeldung (wenn diese überhaupt als eine solche zu qualifizieren ist) den Beschuldigten nicht exkulpieren würde, weil er zumindest ab 9.00 Uhr morgens des dem Unfall folgenden Tages der Meldeverpflichtung hätte nachkommen müssen, was jedoch ebenfalls nicht geschah, weil ein privates Telefongespräch mit einem Kollegen der Gendarmerie nicht als eine ordnungsgemäße Meldung angesehen wird.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 99 Abs. 3 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der im Abs.2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet .....

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben alle an einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die genannten Personen einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der oben dargestellte und nach einem umfangreichen Ermittlungsverfahren als erwiesen angenommene Sachverhalt läßt sich unschwer unter die eben zitierten Gesetzesnormen subsumieren, womit feststeht, daß der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht begangen hat.

Die Herabsetzung der Strafe erfolgte deshalb, weil es sich beim Berufungswerber um einen völlig unbescholtenen Bürger handelt und dieser Milderungsgrund von der belangten Behörde nicht ausreichend gewertet wurde. Nach Meinung der Berufungsbehörde ist die Ausschöpfung des Strafrahmens zur Hälfte in Anbetracht dieses besonders gravierenden Milderungsgrundes etwas überzogen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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