Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401192/4/SR/Jo

Linz, 10.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X alias X, geboren am X alias X, StA von Guinea, derzeit aufhältig im X, vertreten durch X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 26. Juni 2012 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 49/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 26. Juni 2012, GZ.: Sich40-2117-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2a Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, das der Bf am 22. Mai 2012, um 08.42 Uhr, vor Beamten der Polizeiinspektion X, EASt Ost, unter den von ihm angeführten Personalien "X, geb. X, Staatsangehöriger von Guinea, einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz (im Folgenden: Asylantrag) in Österreich eingebracht habe. Weder anlässlich der Einbringung des Asylantrages noch im Rahmen des weiteren Asylverfahrens habe der Bf ein Nationalreisedokument oder ein anderweitiges Dokument welches einen Rückschluss auf seine Identität zulassen würde, den österreichischen Behörden in Vorlage bringen können.

 

Gegenüber Beamten der Polizeiinspektion X, EAST Ost, habe der Bf vorgebracht, dass er im Jänner 2010 Guinea illegal verlassen hätte und selbständig mit einem LKW in Richtung Libyen gereist sei. In Libyen sei er bis etwa April 2011 geblieben. Im April 2011 habe er die Reise mit einem Flüchtlingsboot nach Italien fortgesetzt. Während der Fahrt sei er auf offener See von der Polizei in Lampedusa aufgegriffen und an Land gebracht worden. Nach 3 Tagen habe er das Hotel selbständig verlassen. In Italien habe er nicht um Asyl angesucht, da ihm Bekannte gesagt hätten, dass es nicht gut wäre in Italien um Asyl anzusuchen. Daher habe er sich zur Weiterreise entschlossen. Am 20. Mai 2012 sei er mit einem Zug über Milano nach Genf in die Schweiz gefahren. Auch in der Schweiz habe er nicht um Asyl angesucht, da ihm jemand erzählt hätte, dass in der Schweiz die Gesetze geändert worden seien und man dort keine Papiere oder Dokumente bekommen würde. Somit sei er mit einem Zug nach Wien gefahren.

 

In Österreich oder in einem anderen EU-Staat habe er keine Familienangehörige, er sei völlig mittellos und bekomme von niemanden Unterstützung.

 

In den durchreisten Staaten (Italien und der Schweiz) habe er nicht um Asyl angesucht. Bis dato habe der Bf kein Identitätsdokument den österreichischen Behörden in Vorlage bringen können. Seine Identität sei demzufolge nicht gesichert.

 

Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 1. Juni 2012, ZI.: 12 06.268, sei dem Bf gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Asylantrag vom 22. Mai 2012 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen. Zeitgleich sei dem Bf zur Kenntnis gebracht worden, dass seit dem 31. Mai 2012 mit Italien Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen geführt würden und gleichzeitig das Ausweisungsverfahren aus dem österr. Bundesgebiet eröffnet worden sei.

 

Das entsprechende Schreiben sei dem Bf am 1. Juni 2012 in der Erstaufnahmestelle West, X nachweislich ausgefolgt worden. Ab diesem Zeitpunkt gelte das Ausweisungsverfahren formell als eingeleitet.

 

Mit Schreiben der italienischen Behörde für Migration vom 14. Juni 2012 habe Italien dem Wiederaufnahmeersuchen zugestimmt.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren führte der Bf am 31. Mai 2012 bzw. am 21. Juni 2012 vor Beamten des Bundesasylamtes, EAST-West, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Französisch im Wesentlichen Folgendes an:

F: Sind die von ihnen im Rahmen der Erstbefragung und der ersten Einvernahme vom 31.05.2012 gemachten Angaben richtig und haften Sie diese aufrecht?

A: Es gibt einige Dinge, die ich gesagt habe, die nicht der Wahrheit entsprechen.

F: Weiche Dinge sind das konkret?

A: Mein Name war in Italien X, geb. X.

F: Stimmen die Angaben, welche Ihren Aufenthalt in Italien betreffen?

A: Ja, diese Angaben stimmen. Der Rest ist korrekt.

 

[...]

 

Anlässlich der Erstbefragung und der ersten Einvernahme wurde seitens des BAA festgestellt, dass Sie sich illegal in ITALIEN aufgehalten haben. Seitens des BAA ist nunmehr geplant, dass der gegenständliche Antrag auf int. Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird und weiters Sie aus dem österr. Bundesgebiet nach ITALIEN ausgewiesen werden.

Dazu wird ihnen mitgeteilt, dass sie am 01.06.20122012 bereits eine Mitteilung gem. §

29 Abs. 3 AsylG 2005 über ihre Ausweisung nach ITALIEN erhalten haben.

F: Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

A: Ich möchte nicht nach Italien zurück, weil ich dort keine Hilfe erhalten habe, ich

musste in einem verlassen Haus leben. Die Schwarzen allgemein sind in Kalabrien, wo ich gelebt habe, nicht willkommen, man behandelt uns dort schlecht Manchmal wird man auch geschlagen und wir haben dort keine Rechte.

 

[...]

 

F: Haben Sie versucht in Italien einen Asylantrag zu stellen? A: Nein, das habe ich nicht, weil ich meine Freunde gesehen habe, die einen Asylantrag gestellt haben und vom italienischen Staat keinerlei Hilfe bekommen haben, sie mussten auf der Straße und am Bahnhof schlafen.

Dem Ast werden die aktuellen Feststellungen zu ITALIEN, insbesondere Dublin Rückkehrer, Sicherheit in Italien, Versorgung nach Asylantragstellung und Refoulement vorgehalten und von der Frau Dolmetscherin eingehend erklärt und erläutert. F: Möchten Sie sich dazu äußern?

A: Ich möchte nicht nach Italien zurückkehren, ich habe Angst dass man mich dort umbringen wird. Das was mir mit dem Auto passiert ist, wo man mich absichtlich niedergefahren und geschlagen hat, lässt mich glauben, dass man mir nach dem Leben trachtet

 

[...]

 

F: Bei der Erstbefragung gaben Sie an, dass Sie ursprünglich nach dem Aufgriff in Lampedusa aufgegriffen wurden und in einem Hotel untergebracht wurden. Sie haben das Hotel aber nach drei Tagen verlassen. Warum?

A: Die Angaben bei der Erstbefragung stimmen nicht, ich habe gelogen. Ich war

nicht in Lampedusa, sondern bin direkt von meinem Heimatland mit einem Visum eingereist. Ich habe bereits in meinem Heimatland ein „Papier" bekommen, es nennt sich „Chiamata". Mit diesem Papier sagte man mir, könne ich in Italien Arbeit bekommen. Deshalb bin ich nach Italien gereist, das war schon im Jahr 2009. Ich habe in Kalabrien auch fallweise gearbeitet, es war Feldarbeit, doch immer illegal. Jedes Mal wenn z. B. die Polizei gekommen ist, und uns kontrollieren wollte, mussten wir auf Anweisung des jeweiligen Bauern, für den wir gerade arbeiteten fliehen. Der ganze Aufenthalt war illegal, Ich musste In einem verlassen Haus schlafen, habe keinerlei Hilfe bekommen, im Gegenteil. Ich wurde sogar bedroht, was für eine Art Leben ist das?

Ich habe mich aufgrund meiner ausweglosen Situation entschlossen, nach Österreich zu gehen.

F: Wie lange war dieser Aufenthaltstitel gültig? A: Es war für ein Jahr gültig.

F: Haben Sie versucht ihren Aufenthaltstitel zu verlängern oder haben Sie sich an eine Menschenrechtsorganisation oder Hilfsorganisation gewandt? A: Ja, ich habe nach einem Jahr diese Arbeitserlaubnis erneuert, Ich erhielt dann eine Erlaubnis für weitere zwei Jahre. Nach drei Jahren habe Ich aufgrund der ausweglosen Situation, wie oben angegeben, gezwungen gesehen, das Land Italien zu verlassen. Im Jahr 2009 habe ich mich an die Caritas gewandt, ich wurde in einer Einrichtung für zwei Wochen untergebracht, dann hat man mich hinausgeworfen. F: Mit welcher Begründung wurden Sie hinausgeworfen?

A: Man hat mir gesagt, dass diese Einrichtung nur eine Übergangslösung darstellt, wo man maximal zwei Wochen bleiben kann. Wenn man dann keinen Ort hat, wo man hingehen kann, muss man die Einrichtung verlassen.

 

Der Asylantrag vom 22. Mai 2012 sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West vom 22. Juni 2012 (Zustellung durch persönliche Ausfolgung am 26. Juni 2012 in der EAST-West in X), AZ: 12 06.268, ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005 als unzulässig zurückgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass für die Prüfung des Asylantrages Italien zuständig wäre. Mit diesem Bescheid sei der Bf gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien zulässig wäre.

 

Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 komme einer Entscheidung, mit der ein Antrag
zurückgewiesen werde, eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Beschwerde gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung komme die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom Asylgerichtshof zuerkannt werde.

 

Im unmittelbaren Anschluss an die Bescheidausfolgung sei der Bf von Beamten der Polizeiinspektion X.-EAST in der Erstaufnahmestelle West, X, im Auftrag der belangten Behörde festgenommen worden.

 

Der Bf halte sich gegenwärtig - nachdem er nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sei und im Asylverfahren durchsetzbar aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen worden wäre - unberechtigt im Bundesgebiet auf. Abgesehen von einem Bargeldbetrag in der Höhe von Euro 452,26 sei der Bf mittellos.

 

Bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a FPG habe die belangte Behörde - im Gegensatz zu der Rechtsnorm des § 76 Abs. 2 FPG - kein Ermessen im Hinblick auf die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005. Es bleibe jedoch zu prüfen, ob die Sicherung der Abschiebung bzw. des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung mittels Schubhaft notwendig sei und ob in der Person des Asylwerbers gelegene, besondere Umstände der Schubhaft entgegenstehen würden.

 

Hinsichtlich der Notwendigkeit werde festgehalten, dass in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und gleichgehend eine durchsetzbare Ausweisung in den (gemäß den Bestimmungen der Dublin-II-Verordnung) für die Prüfung des Antrages zuständigen Staat verfügt werde, durch die im Fremdenrechtsänderungsgesetz (FrÄG) 2009 geänderten Rechtsbestimmungen (und bei Vorliegen einer Ausreiseunwilligkeit) eine Sicherungsnotwendigkeit bereits indiziert sei. Mit einer zeitnahen Abschiebung nach Italien sei jedenfalls zu rechnen, zumal sich das Asylverfahren im finalen Stadium befinde und selbst im Falle des Einbringens einer Beschwerde im Asyl- und Ausweisungsverfahren (verkürzte Rechtsmittelfrist von einer Woche) von einer zeitlich sehr kurzen Anhaltung in der Schubhaft auszugehen sei.

 

Durch die Gesamtheit der Handlungsweise des Bf und seiner Aussagen im Asylverfahren sei es offensichtlich, dass der Bf Italien als vollkommen ungeeignet halte um ein Asylbegehren im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens prüfen zu lassen und um sich zur Verfügung der dortigen Behörden zu halten. Der Bf habe sein Reiseziel oder zumindest sein Reisezwischenziel (Österreich) am Landweg erreicht und einen illegalen Grenzübertritt innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ganz bewusst in Kauf genommen, welcher sich jedoch (objektiv betrachtet) keinesfalls mit einer allfälligen Bedrohung oder Verfolgung im Herkunftsstaat Guinea rechtfertigen lasse.

 

Nicht nur alleine das Verhalten in Österreich zeige auf, dass der Bf keinesfalls gewillt sei, sich der Abschiebung nach Italien zu stellen, um dort das Asylbegehren prüfen zu lassen. Anstelle sich in Italien den dortigen Behörden zur Verfügung zu halten, habe es der Bf vorgezogen illegal nach Österreich auszureisen. Mit der Asylantragstellung in Österreich wollte er augenscheinlich den Aufenthalt in Österreich legalisieren, eine Abschiebung hintanhalten und das in der Dublin-VO vorgesehene Regelungsregime unterlaufen. Mehrmals habe der Bf kundgetan, unter keinen Umständen nach Italien rückkehren zu wollen, da er dort keine Hilfe erhalten werde. Weiters würde er als "Schwarzer" in Italien nicht willkommen sein. Auch habe er bei Freunden gesehen, welche in Italien um Asyl angesuchten, dass diese keine Unterstützung des Staates erhalten hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er lediglich Hilfe und Unterstützung durch einen EU-Staat begehre.

 

Des Weiteren habe er trotz mehrmaliger Belehrung, die Wahrheit sagen zu müssen, Falschangaben getätigt. So habe er weder seine wahre Identität noch die richtige Reiseroute angegeben. Diese könne mangels eines gültigen Nationalreisedokumentes nicht festgestellt werden. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, dass er eine weitere Identität benutze, um seinen Aufenthalt in Italien zu verschleiern. Hinsichtlich der Reiseroute habe er ebenso falsche Angaben gemacht. Es würde nicht den Tatsachen entsprechen, dass er in Lampedusa gewesen sei. Tatsächlich habe er sein Heimatland mit einem Visum bereits im Jahr 2009 verlassen und sei in Italien eingereist. Dieses Visum wäre für ein Jahr gültig gewesen. Nach einem Jahr habe er dieses Arbeitsvisum erneuert und eine Erlaubnis für weitere zwei Jahre erhalten. Nach diesen drei Jahren habe er sich auf Grund der ausweglosen Situation gezwungen gesehen, das Land Italien zu verlassen. Italien habe er nur verlassen, da er über keinen weiteren Aufenthaltstitel verfügte bzw. er sich in einer wirtschaftlichen schlechten Situation befunden habe. Die falschen und widersprüchlichen Angaben im Zuge der Erstbefragung sowie im Zuge der weiteren Einvernahmen machten deutlich, dass der Bf die österreichischen Behörden bewusst in die Irre führen wollte.

 

Bei der Bewertung der Wahl der Mittel zur Erreichung des Zieles des Bf sei im vorliegenden Fall von einer besonders hohen Sicherungsnotwendigkeit auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf - auf freien Fuß belassen - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden entziehen werde, um eine Außerlandesbringung von Österreich nach Italien mit Erfolg zu vereiteln oder um diese Maßnahmen zumindest wesentlich zu erschweren.

 

Ebenso komme bei der Wahl der Mittel zur Sicherung fremdenpolizeilicher Maßnahmen dem Grad der Bereitschaft des Fremden an der Mitwirkung zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes hohe Bedeutung zu.

 

In den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG 2005 sei von der Verhängung der Schubhaft lediglich in absoluten Ausnahmefällen abzusehen; konkret stünden der Schubhaft besondere Umstände in der Person des Asylwerbers entgegen. Laut Regierungsvorlage zum Fremdenrechtsänderungsgesetz (FRAG) 2009 umfasse der Begriff der besonderen Umstände, die in der Person des Asylwerbers liegen, insbesondere Alter und Gesundheitszustand. So wären beispielsweise bei minderjährigen Asylwerbern, Asylwerber hohen Alters oder in Fällen, in denen der Gesundheitszustand eines Asylwerbers gegen die Einschränkungen einer Schubhaft spricht, vorrangig gelindere Mittel anzuordnen (anstelle der Schubhaft). Derartige Umstände liegen in Ihrem Fall jedoch offenkundig nicht vor, da Sie volljährig sind und keine familiären und/oder sozialen Pflichten in Österreich zu erfüllen haben. Im Rahmen des Asyl- und Ausweisungsverfahrens seien keine Fakten hervorgekommen, die aus gesundheitlicher Sicht einer Überstellung des Bf nach Italien entgegenstünden.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf - nach Abtauchen in die Anonymität - dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnte. Da er seinen Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müsse, sei die Gefahr sehr groß, dass er dies auf illegale Art und Weise bewerkstelligen werde. Nachdem der Bf bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er keinen Wert an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung in den Gastländern lege, sei auch davon auszugehen, dass der Bf den erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in der europäischen Union notfalls durch illegale Beschäftigung oder sonstige Rechtsverstöße erwirtschaften werde. Denn für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge der Bf nicht über ausreichende Barmittel. Eine rechtmäßige Beschäftigung könne der Bf nicht ausüben, da er weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei. Es müssten daher für den weiteren Aufenthalt öffentliche Mittel aufgewendet werden bzw. sei der Schluss zulässig, dass er versuchen werde durch Begehung strafbarer Handlungen seinen Unterhalt zu fristen.

 

Darüber sei im Besonderen die Gefahr nach Abtauchen in die Anonymität sehr groß, dass letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung gemäß Dublinabkommen zuständig werden könne, sofern den Erfordernissen des Abkommens - einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat - nicht nachgekommen werde.

 

Die belangte Behörde kam abschließend zum Ergebnis, dass die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung seiner Außerlandesbringung von Österreich nach Italien verhältnismäßig sei, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen (sowie insbesondere die Einhaltung des für die Republik Österreich von nachhaltiger Wichtigkeit bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens) gegenüber.

 

2. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf, vertreten durch die X per Telefax am 4. Juli 2012 um 10.23 Uhr "Schubhaftbeschwerde" an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Begründend führte die Vertreterin zum Sachverhalt wie folgt aus:

Der Bf musste im Jahr 2009 aufgrund wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seine Heimat verlassen, nachdem seine Ehegattin bei einem Massaker ums Leben gekommen war. Er ist im Jahr 2009 mit einem Visum in Italien eingereist. Er hat in Kalabrien auf Feldern illegal gearbeitet und in einem verlassenen Bruchhaus geschlafen. Er stellte keinen Asylantrag, weil er gesehen hat, dass viele Freunde, die einen Asylantrag gestellt hatten, keine staatliche Unterstützung bekamen und auf der Straße und auf Bahnhöfen schlafen mussten. Der Bf wurde aufgrund seiner Hautfarbe öfter bedroht und einmal von zwei jungen Männern auf der Straße vom Auto angefahren und niedergeschlagen. Er musste daraufhin im Krankenhaus in Rosarno versorgt werden.

 

Am 22.05.2012 stellte er schließlich, da er keinen anderen Ausweg sah, einen Asylantrag in Österreich.

 

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Bf zur AZ 12 06.268 zurück und wies den Bf gern, § 10 AsylG nach Italien aus.

 

Der Bf reiste aufgrund seiner ausweglosen Situation von Italien über die Schweiz nach Österreich und stellte am 22.5.2012 einen Asylantrag. Der Bf führte in der Erstbefragung vor der PI X EAST aus, dass er in Italien keinen Asylantrag gestellt hat, weil er viele Asylwerber kannte, die keine staatliche Unterstützung erhielten und auf der Straße oder auf Bahnhöfen schliefen. Über den Bf wurde von der Erstbehörde mit Bescheid vom 26.06.2012, GZ: Sich40-2117-2012, gemäß § 76 Abs 2a Z 1 FPG die Schubhaft verhängt. Der Bf befindet sich seither in Schubhaft.

 

Begründend führte die Vertreterin wie folgt aus:

 

1. Zur drohenden Verletzung von in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten in Italien

 

Eine Abschiebung nach Italien wäre wegen einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zulässig, und daher auch die Erlassung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach Italien, rechtswidrig.

 

Spätestens seit dem Urteil des EUGH C-411/10 vom 21.12.2011 steht fest, dass alleine aufgrund der Tatsache, dass Italien ein EU-Mitgliedstaat ist, noch nicht auf die praktische Durchführung eines EU-Richtlinienkonformen Asylverfahrens geschlossen werden kann.

 

Die deutsche Rechtsprechung hat die Probleme in Italien bereits erkannt und richtig gedeutet, weshalb dort bereits ca. 50 % aller Ausweisungen ausgesetzt werden. Hier eine Liste positiver Eilbeschlüsse und Urteile deutscher Verwaltungsgerichte bzgl. Italien (Eilrechtsschutz bzw. Verpflichtung zum Selbsteintritt) Juni 2010 - April 2012

 

1. VG Minden, 22 June 2010, 12 L 284/10.A

2. VG Minden, 28 September 2010, 3 L 491/1O.A

3. VG Darmstadt, 9 November 2010, 4 L 1455/10.DA.A(1)

4. VG Magdeburg 3 December 2010 9 b 308/10

5. VQ Minden, 07 Decenber 2010 3 L 625/10.A

6. VG Weimar,  15 December 2010 5 E 20190/10 We

7. VG Köln,  10 January 2011   20 L 1920/10.A

5. VG Köln,  11 January 2011   16 L 1913/10.A

9. VG Darmstadt,  11 January 2011 4L 1889/10.DA.A

10. VG Kassel,   12 January 2011   7 L 1733/10.KS.A

11. VG Frankfurt,  17 January 2011  9 L 117/11.F.A

12. VG Freiburg,  24 January 2011  A 1 K 117/11

13. VG Frankfurt,  07 February 2011   7 L 329/11.F.A

14.VG Meiningen, 24 February 2011 2 E 20040/11 Me

15. VG Meiningen,  25 February 2011  5 E 20005/11 Me

16. VG Frankfurt a.M., 07 March 2011  7 L 449/11.F.A

17. VG Gießen,  10 March 2011   1 L 468/11.GI.A

18.VG Meiningen,  14 March 2011  8 E 20032/11 Me

19. VG Gießen,   16 March 2011.  1 L 198/11.G1.A

20. VG Arnsberg,  18 March 2011   8 L 92/11.A

21. VG Arnsberg, 25 March 2011   12 L 165/11.A

22. VG Magdeburg, 28 March 2011  9 B 101/11

23. VG Düsseldorf, 4 April 2011  5 L 561/11.A

24. VG Wiesbaden,  12 April 2011  7 L 303/11.WI.A

25. VG Freiburg,  18 April 2011 A 1 K 515/11

26. VG Gießen,  20 April 2011   IL 1048/11.GI.A

27. VG Darmstadt,  4 May 2011   2 L 382/11.DA.A

28. VG Köln,   5 May 2011   3 L 603/11.A

29. VG Bremen, 6 May 2011  6 V 368/11.A

30. VG Braunschweig,  09 May 2011   7 B 58/11

31. VG Hannover, 12 May 2011  1 B 1818/11

32. VG Gießen,   13 May 2011   2 L 1275/11.GlA

33. VG Darmstadt,   16 May 2011  4 L 483/11.DA.A

34. VG Lüneburg, 23 May 2011   6 B 23/11

35. VG Osnabrück,  23 May 2011  5 B 38/11

36. VG Braunschweig, 31 May 2011 1 B 103/11

37. VG Köln,  1 June 2011   14 L 564/11.A

38. VG Gelsenkirchen,  1 June 2011  5a L 576/11.A

39. VG Schleswig-Holstein, 3 June 2011  1 B 21/11

40. VG Regensburg,  14 June 2011   RN 7 E 11.30189

41. VG Schleswig-Holstein, 17 June 2011  3 B 68/11

42. VG Göttingen, 8 Juty 2011  2 B 164/11

43. VG Regensburg,  28 June 2011 - RN 7 E 11.30298 -

44. VG Köln,  11 July 2011 - 20 L 1004/11.A

45. VG Düsseldorf 19 July 2011  5 L 11096/11A

46. VG Düsseldorf,  29 July 2011 - 21 L 1127/11.A

47. VG Regensburg, 7 September 2011 - RN 9 £ 11.30436

48. VG Osnabrück    7 September 2011 Az 5 B 98/11

49. VG Arnsberg,  13 September 2011 - 12 L 550/1 LA -

50. VG Aachen,  19 September 2011 - 7 L 320/11.A

51. VG Düsseldorf, 22 September 2011 - 5 L 1410/11.A -

52. VG Minden   04 October 2011 - 3 L 503/11

53. VG Kassel,  10 October 2011 - 1 L 951/11.KS.A

54. VG Freiburg 27 October 2011  - A 5 K 2081/11

55. VQ Osnabrück 08 November 2011 - 5 B 98/11

56. VG Göttingen   11 November 2011 -   2 B 241/11

57. VG Göttingen 14 November 2011 -   2 B 240/11

58. VG Köln    14 November 2011 - 20 L 1689/11.A

59. VG Darmstadt 16 November 2011 4L 1592/11.DA.A

60. VG Magdeburg 21 November 2011 - 9 A 100/11

61. VG Frankfurt   21 November 2011    S L 4079/11.F.A

62. VG Frankfurt 21 November 2011 8 L 4057/11.F.A

63.VG Frankfurt   21 November 2011    8 L 4077/11.F.A

64. VG Göttingen   23 November 2011  - 2 B 239/11

65. VG Minden       28 December 2011 - 3 L 707/11. A

66. VG Köln 10 January 2012 - 20 L 12/12.A

67. VG Berlin      09 January 2012     VG 33 L 479/11.A

68. VG Köln     24 January 2012  16 L 49/12. A

69. VG Meiningen 25 January 2012 - 5 E 20003/12 Me

70. VG Meiningen   30 January 2012 - 5 E 20007/12 Me

71. VG Göttingen 06 February 2012      2 B 341/12

72. VG Magdeburg    14 February 2012   9 B 37/12 MD

73. VG Magdeburg    14 February 2012 9 B 38/12 MD

74. VG Magdeburg     14 February 2012   9 B 39/12 MD

75. VG Braunschweig   27 February 2012      1 B 48/12

76. VG Darmstadt   28 February 2012 4 L 31/12.DA.A

77.0VG NRW  01 March 2012   1 B 234/12

78. VG Minden 12 March 2012 3 L 141/12.A

79. VG Minden  12 March 2012 3 L 142/12. A

80. VG Minden  12 March 2012 3 L 143/12. A

81. VG Minden  12 March 2012 3 L 144/12. A

82. VG Münster 19 March 2012 3 L 111/12.A

83. VQ Arnsberg 10 April 2012   12 L 166/12.A

84. VG Darmstadt 25 April 2012, 4 L 488/12.DA.A

 

In ihren Beschlüssen gelangen die Verwaltungsgerichte zu der Einschätzung, dass die Republik Italien ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Menschenrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention nebst ihren Zusatzprotokollen gegenwärtig nicht mehr hinreichend nachkommt.

 

in dem letztgenannten Beschluss heißt es, dass davon ausgegangen werden muss, dass sich Italien schutzsuchenden Ausländern ohne jede Prüfung des Gesuches entledigen wolle und nicht mehr willens oder in der Lage sei, die europaweiten Mindeststandards zur Durchführung von Asylverfahren und zur Flüchtlingsunterbringung zu gewährleisten.

 

Bewies:

 

http://uvsvereinigung.wordpress.com/2012/05/155/deutsche-verwaltungsgerichte-erklaren-abschiebung-von-asylwerbern-nach-italien-und-ungarn-als-unzulassig/#more-3192

 

http://www.ardmediathek.de/das-erste/panorama/asylpolitik-richter-rebellieren-gegen-abschiebepraxis?documentld=9846082

 

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits zahlreiche vorläufige Maßnahmen erlassen, die ebenfalls eine Abschiebung nach Italien für derzeit unzulässig erklären, da eine Verletzung von Art 3 EMRK droht.

 

EGMR vom 12.06.2009, Az. 30815/09, D.H. v. Finland

EGMR vom 15.07.2009, Az. 37159/09, HAU. v, Finland

EGMR vom 14.01.2010, Az. 2303/10, S.I.A. v. Netherlands & Italy

EGMR vom 01.10,2010, Az. 56424/10, A.A. v. Sweden

EGMR vom 9.12.2011 Az. 73874/11, Austria

EGMR vom 6.1.2012 Az. 53852/11, Austria

 

Die Aufnahmekapazitäten sind in Italien völlig überlastet und Asylsuchende erhalten größtenteils nicht die Unterkunft und Versorgung, die ihnen eigentlich nach den italienischen Gesetzen bzw. der Aufnahmerichtlinie, Verfahrensrichtlinie und Qualifikationsrichtlinie zustehen würde.

 

Der AsylGH hat in mehreren Italien betreffenden Fällen die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zuerkannt. So hat der Asylgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.5.2012, S3 426.653-1/2012/42, ausgeführt:

„Im vorliegenden  Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde." Es gibt weitere ähnlich gelagerte Entscheidungen, es ist jedoch noch keine einheitliche Rechtsprechung des Asylgerichtshofs erkennbar.

 

Weiters sei auf die Entscheidung des UVS Wien zur Zahl U VS-01/50/5371/2012 verwiesen in der dieser in einem ähnlich gelagerten Fall die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach Ungarn für rechtswidrig erachtet hat.

 

Zur allgemeinen Lage von Asylwerbern in Italien wird auf folgende umfassende Analysen verwiesen:

- Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH (Schweiz) und The law students' legal aid Office, Juss-Buss (Norwegen):

Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlängen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende. Mai 2011. Abrufbar unter

www.fluechtllngshilfe.ch/asylrecht/eu-international/schengen-dublinund-die-schweiz/asylverfahren-und-aufnahmebedingungen-in-italien/at__download/file

 

- Norwegian Organisation for Asylum Seekers (NOAS): The Italian approach to asylum: System and core problems. April 2011. Abrufbar unter www.noas.org//file.php?

- Pro Asyl, Bericht von Dominik Bender und Maria Bethke: Zur Situation von Flüchtlingen in Italien. März 2011. Abrufbar unter

www.proasyl.de/fileadmin/fmdam/ q_PUBLlKATlONEN/2011/ltalienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf

 

- Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe; Sempre in giro - Immer unterwegs. Bericht von der 13. Europäischen Asylrechtstagung in Palermo im Oktober 2010. Abrufbar unter

www.diakonierwl.de/cms/media//pdf/arbeitsbereiche/teilhabe_und_integration/migration_und_flucht/publikationen/Asylrecht

stagung_Palermo_Doku_13_4_2011.pdf

 

- Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht: Rückschaffung in den „sicheren Drittstaat" Italien, November 2009. Abrufbar unter www.beobachtungsstelle.ch/fileadmin/user_upload/pdf_divers/Berichte/Bericht_ Dublinll-ltalien.pdf

 

Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die im Rahmen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden, erhält keine Unterkunft und sucht sich einen Platz bestenfalls in den Elendsquartieren. UNHCR Rom bezeichnete die ehemalige somalische Botschaft schon im Jahr 2004 als „Dublin House", d.h. als typische Unterkunft für aus anderen europäischen Ländern nach Italien rücküberstellte Personen.

 

Die gelegentlich behauptete bevorzugte Behandlung von Dublin-Rückkehrern gibt es praktisch nicht: Laut offiziellem Bericht des SPRAR wurden lediglich 12 % der Dublin-Rückkehrer in den Jahren 2008 und 2009 nach ihrer Ankunft in ein SPRAR-Projekt vermittelt; 88 % hingegen wurden der Obdachlosigkeit überlassen. Im Jahr 2008 wurden von insgesamt 1 308 Dublin-Rückkehrern 148 in ein SPRAR-Projekt aufgenommen, im Jahr 2009 erhielten von 2658 Überstellten ca. 314 Personen einen Platz in einer Unterkunft. (Die Statistik zu den Dublin-Überstellungen nach Italien ist abrufbar unter www.cir-onlus.org/DatI unita dublino 2007-2009.html.)

Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht hatte im Jahr 2009 eine Recherchereise nach Italien unternommen und war zu dem Schluss gekommen:

„Die große Mehrheit der Asylsuchenden ist damit ungeschützt, ohne Obdach, Integrationshilfe und gesicherten Zugang zu Nahrung. (...) Eine Sprecherin von Caritas Rom spricht von der schlimmsten Situation seit zwanzig Jahren und rät dringend davon ab, weitere Asylsuchende nach Rom zurückzuschaffen." (Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht: Rückschaffung in den sicheren Drittstaat Italien, Abrufbar unter:

www.beobachtungsstelle.ch/fileadmin/user upload/pdf divers/Berichte/Bericht DublinII-ltalien.pdf

 

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe erinnert in ihrem aktuellen Recherchebericht zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Italien an das Urteil des EGMR und äußert ernsthafte Zweifel, dass Italien den internationalen und europäischen Verpflichtungen zur Unterstützung von Flüchtlingen nachkommt:

„Die Dublin-II-Verordnung schützt bis anhin Personen nur vor Kettenabschiebung in das Land,  in dem sie verfolgt wurden, und nicht vor einem unwürdigen Leben in einem anderen Mitgliedstaat. Der EGMR hat allerdings in seinem aktuellen Entscheid M.S.S. gegen Belgien und Griechenland festgehalten, dass zwar keine generelle Verpflichtung der Staaten bestehe, Flüchtlingen einen bestimmten Lebensstandard zu sichern, es jedoch für den übernehmenden Staat eine Verpflichtung gebe - auch im Hinblick auf den EU-Asyl-Acquis - sicherzustellen, dass die betroffene Person keiner andauernden Notsituation und Ungewissheit bezüglich ihrer Lebensumstände und ihrer Sicherheit ausgesetzt sei. Die diesem Bericht zugrundeliegenden Erkenntnisse werfen zumindest grosse Zweifel auf, ob Italien seinen Verpflichtungen nach internationalem und europäischem Recht nachkommt." (SFR-Bericht, S 43)

 

Auch die SFH kommt zu dem Schluss: „Dublinrückkehrern droht in Italien eine Verletzung von Art. 3 EMRK, dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung. Deshalb sollten keine Flüchtlinge mehr nach Italien überstellt werden:

 

„Solange die meisten Personen mit Flüchtlingsstatus oder einem anderen Schutzstatus nach einer bestimmten Zeit keine staatliche Unterstützung und Betreuung mehr erhalten und gezwungen sind, in besetzten Gebäuden oder auf der Strasse unter unmenschlichen Bedingungen zu leben, sollten die Mitgliedstaaten die Verantwortung für diese Gruppe übernehmen und davon absehen, sie in unsichere und unwürdige Bedingungen zurückzuschicken, um so eine Verletzung von Artikel 3 EMRK zu verhindern. Solche Überstellungen [...] sind […] unzulässig, da Italien das konkrete Risiko, dass die betroffenen Personen in einer Situation von Not und Elend landen, nicht verhindern kann." (SFH-Bericht, S. 44)

 

Angesichts der 2011 wieder massiv gestiegenen Flüchtlingszahlen in Italien ist es illusorisch zu glauben, in Italien stünden genug Unterkunftsplätze zur Verfügung, die mit Dublin-Rückkehrern belegt werden könnten.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sprach sowohl mit NGOs, als auch mit italienischen Behörden über die Situation der Dublinrückkehrer. In ihrem Bericht kommt die SFH zu dem Schluss, dass nicht nur NGOs, sondern auch die italienischen Behörden - konkret wird Bezug auf Interviews mit der Präfektur von Rom genommen - froh wären, wenn wenigstens von der Überstellung besonders Schutebedürftiger nach Italien abgesehen würde.

 

2. Unverhältnismäßigkeit der Haft

 

Art. 1 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit lautet:

 

„(1) Jedermann hei das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehauen werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Ächtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind."

 

Art 1 Abs 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht demnach vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf §76 Abs 2a Z 1 FPG.

 

Auch wenn § 76 Abs 2a - FPG vorsieht, dass die Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber in den dort genannten Fällen die Schubhaft anzuordnen hat, hat im Sinne einer verfassungskonformen Anwendung der Bestimmung eine individuelle Prüfung der Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen.

 

Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/08, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist. Mit Erkenntnis vom 26.08.2010, 2010/21/0234 hat der VwGH bestätigt, dass sich auch im Anwendungsbereich des § 76 Abs 2a FPG die Anordnung von Schubhaft nur dann als zulässig erweist, wenn sie notwendig und verhältnismäßig im Sinne einer ultima ratio ist.

 

Von der Behörde ist daher auch bei der Anwendung des § 76 Abs 2 sowie des § 76 Abs 2a FPG zu prüfen, ob die Schubhaft notwendig ist, um eines der oben genannten Verfahren oder die Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung eines Fremden zu sichern.

 

Genau dies trifft auch im Fall des BF zu über ihn wurde ohne ausreichende Begründung die Schubhaft angeordnet. MW der konkreten Situation des BF hat sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Der angefochtene Bescheid lässt daher auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, weshalb anzunehmen sei, dass die Schubhaft notwendig sei.

 

In der Beweiswürdigung wird nicht begründet warum es im Falle des BF notwendig ist die Schubhaft zu verhängen. Der BF war in einer bundesbetreuten Unterkunft untergebracht und hat großes Interesse am Ausgang seines Asylverfahrens, welches noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Er hat fristgerecht Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, EAST West eingebracht.

Die Behörde unterließ es sich mit dem Anliegen des BF auseinander zu setzen.

 

Die belangte Behörde hat nicht erschöpfend dargelegt warum die Verhängung der Schubhaft notwendig war und von der Verhängung eines gelinderen Mittels Abstand genommen wurde.

 

Im konkreten Fall hat der BF in Österreich einen Asylantrag gestellt, weil er internationalen Schutz benötigt. Er hat fristgerecht Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes eingebracht und möchte die Entscheidung des Asylgerichtshofs abwarten. Es besteht daher keine Veranlassung anzunehmen, dass der BF sich dem Verfahren zu entziehen trachtet. Der BF hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er kein Interesse am Aufenthalt in Österreich hätte, im Gegenteil, er möchte sein Asylverfahren - sollte er zugelassen werden - hier durchführen. Darüber wurde noch nicht rechtskräftig entschieden.

 

§ 76 Abs 2 FPG spricht von "kann", dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs 2 Z 4 FPG, Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat Dies wurde im Fall des BF unterlassen.

 

Bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte, wie die von der Erstbehörde herangezogenen,   können   nicht   genügen,   um   die   Notwendigkeit   und   die Verhältnismäßigkeit eines Freiheitsentzuges im Einzelfall zu begründen (VfGH 28.09.2004, B 292/04 unter Hinweis auf VfSlg.14.981/1997).

 

Der Verfassungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis B 292/04 vom 28,9.2004 einen Bescheid des UVS aufgehoben, in dem dieser in einem ähnlich gelagerten Fall der Schubhaftbeschwerde keine Folge gegeben hatte. Der Verfassungsgerichtshof entschied sogar, dass die dort bekämpfte Entscheidung des UVS mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist und führte in seinem Erkenntnis aus:

 

„Bloß allgemeine Annahmen oder "Erfahrungswerte" genügen jedoch nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (vgl. bereits VfSlg. 14.981/1997). Der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt hat (dem Akteninhalt zufolge hat der Beschwerdeführer den in Polen gestellten Asylantrag zurückgezogen), rechtfertigt für sich nicht den Schluss, dass er "unrechtmäßig in einen anderen Schengenstaat weiterziehen" und sich so dem Verfahren entziehen werde. Mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers hat sich der UVS In seinem Bescheid aber nicht auseinandergesetzt [...]

 

2.3. Dadurch, dass der UVS die im Lichte des Art 2 Abs 1 Z 7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung unterlassen hat, hat er die Rechtslage grob verkannt und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt."

 

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02-2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden - sogar wenn der Fremde vorher in einem sicheren Drittstaat einen Asylantrag gestellt hat (VfGH 29.09.2004, B 292/04). In einem solchen Fall ist auch der Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich nach  Stellung  eines  Asylantrags  in  einem   anderen  Staat  und  die  dabei eingeschlagene Vorgangsweise zu berücksichtigen (VwGH 28,06,2007, 2006/21/0051).

 

Insbesondere kann die dem BF angelastete Ausreiseunwilligkeit alleine nicht das Sicherungserfordernis begründen (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311). Der VwGH hat in seiner ständigen Judikatur die Erforderlichkeit der Prüfung jedes individuellen Einzelfalles hervorgehoben (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). In allen Fällen der Verhängung von Schubhaft besteht die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Sicherung des Verfahrens und der Sicherung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen; Schubhaft kann immer nur als ultima ratio verstanden werden (VfGH 15.06,2007, B 1330/06). Schubhaft ist hingegen nicht als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

 

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG („um zu sichern") kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur dann hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist, um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Da es im Falle des BF offenkundig zu keiner alsbaldigen Abschiebung nach Italien kommt, Ist seine Anhaltung in Schubhaft unzulässig.

 

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt beim BF nicht vor.

 

Die Vertreterin wertet die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.

 

 

3. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, ZI. 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall unterlassen.

 

Nunmehr wurde auch die Rechtslage an die Entscheidungspraxis des VwGH angepasst Das gelindere Mittel \ml nach der neuen Regelung des § 77 Abs 1 FPG an die Stelle der Schubhaft zu treten, wenn die Gründe des § 76 vorliegen.

 

Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat die Behörde hei Vorliegen der in S 76 FPG genannten Gründe, gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen, die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Mangels ausreichender Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Situation des BF hat die Erstbehörde auch nicht hinreichend begründet, weswegen in seinem Fall der nach Ansicht der Erstbehörde gegebene Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels nicht erreicht werden könnte.

 

Die Vertreterin erachtet daher die Schubhaft als rechtswidrig.

 

4. Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003

 

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

„KAPITEL III

DURCHFÜHRUNG DER ÜBERSTELLUNG

Artikel 7

Modalitäten der Überstellung

(1) Die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Urzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird."

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung, d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden - wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.

 

Nach Abschluss des Verfahrens über die (Unzuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.

 

Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und ist daher inhaltlich rechtswidrig.

 

Abschließend stellt die Vertreterin folgende Anträge:

 

Der UVS im Land Oberösterreich möge

 

1.       die Verhängung der Schubhaft und

2.       die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären

3.       feststellen, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Bf in Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht (mehr) vorliegen sowie

4.       Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatzaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen.

 

3. Mit E-Mail vom 4. Juli 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

3.1. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde ua. aus:

 

Im Besonderen wird auf die ha. Aktenunterlagen und den bereits im Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.06.2012 ausgeführten Sachverhalt hingewiesen.

Zur vorgebrachten Schubhaftbeschwerde, bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck via dem UVS per Mail eingelangt am 04.07.2012 um 11:51 Uhr, dürfen die ha. Akten unterlagen mit nachstehender Gegenschrift zu gegenständlichen Entscheidung vorgelegt werden.

Der Beschwerdeführer X X, geb. X, alias X Xr, geb. X, StA. Guinea befindet sich mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 26.06.2012 bis laufend in Schubhaft im polizeilichen Anhaltezentrum Wien Hernals.

Seitens der BH Vöcklabruck wird auf die ha. Akten unterlagen und den festgestellten Sachverhalt im Schubhaftbescheid vom 26.06.12012 hingewiesen. Darüber hinaus wird hervorgehoben, dass im vorliegenden Fall ein konkreter Sicherungsbedarf vorliegt und ohne einer freiheitsentziehenden Sicherheitsmaßnahme berechtigt und klar im angefochtenem Schubhaftbescheid dezitiert begründet, nicht davon ausgegangen werden kann, das vorliegende Ausweisungsverfahren zu beenden und eine Vollziehung einer Ausweisung mit der Beendigung des illegalen Aufenthalts vollziehen zu können.

Die eingebrachte Beschwerdeschrift verweist zusehends auf eine unzulässige Abschiebung in den Mitgliedstaat Italien, wessen damit begründet werde, dass der Beschwerdeführer dort einen unzureichenden Zugang zu einem Asylverfahren und keine umfassende Versorgung hätte. Auch wenn diese Eingaben grundlegend hierbei verfehlt erscheinen und offenbar an den Asylgerichtshof gerichtet seien, so mag dazu seitens der belangten Behörde einerseits festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer erst gar nicht an einem Asylverfahren in Italien interessiert war und ist. Dies führte der Beschwerdeführer eigens an, wodurch es auch nicht verwunderlich scheint, dass der Fremde in der erstweiligen Aufenthaltsform der beabsichtigten Beschäftigung und der darauffolgenden Form des illegalen Aufenthaltes auch keinen besonderlichen Zugang einer staatlichen Versorgung erwarten kann. Anderseits zeigen diese Eingaben der Beschwerdeschrift neben den unmissverständlichen Anführungen im Asylverfahren, dass der Fremde alles daran setzt sich abseits von Italien aufzuhalten.

Hierzu stellt und hält der unabhängige Verwaltungssenat in seiner jüngsten Rechtsprechung vom 03.07.2012 zu ZI.: VwSen-401191/4/BP/JO auch fest:

"Die mehrfach geäußerte Weigerung des Beschwerdeführers in den zuständigen Mitgliedstaat zurückzukehren erscheint demnach unter einem besonderen Licht und ist nicht mit den Fällen zu vergleichen, in denen die Höchstgerichte die bloße Ausreiseunwilligkeit alleine als nicht ausreichend sahen, einen Sicherungsbedarf zu begründen."

Dem sei seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vollinhaltlich beizustimmen und an sich hinblickend der unabweichenden Vorbringen, wohl nicht zuletzt auch in der Beschwerdeschrift des Beschwerdeführers, jedenfalls nicht der Ausreiseverpflichtung nach Italien nachzukommen, nichts weiteres hinzuzufügen.

Dennoch sei darüber hinaus auch erwähnt, dass der Fremde hinblickend seiner Eingaben und Aussagen und nicht zuletzt auch anhand seiner Verhaltensweise kein konkretes Reiseziel hat. Der Beschwerdeführer sucht nach seinen Ausführungen auch nicht primär Schutz vor politischer Verfolgung, wie es die Genfer Flüchtlingskonvention vorsehen würde, sondern zielt lediglich auf eine Aufenthaltsbewilligung und sozialer Versorgung ab. Dazu sei Ihm auch jedes Land und jedes Mittel recht. Um dieses Ziel zu erreichen, sei er von Italien über die Schweiz, und dann in kurzfristiger Abänderung seiner Entscheidung illegal nach Österreich gereist. Der Beschwerdeführer hält auch unbestritten offen, ob Österreich nunmehr sein tatsächliches Reiseziel wäre. Gegenteilig hält er fest, dass er bei der geringsten Andeutung einer Beendigung seiner Unterbringung und negativer Entscheidung über ein Aufenthaltsrecht seine Reisebewegung weitersetzen werde. Dies zeigt der Beschwerdeführer beispielhaft mit seinen Ausführung des Aufenthalts in der Schweiz, indem er nach zwei Tagen wegen Aussagen anderer Fremder doch keinen Asylantrag stellte, sondern unmittelbar illegal nach Österreich weiterreiste.

Wie bereits im Schubhaftbescheid ausführlich begründet, konnte vorliegender Fall in einzelfallbezogener und objektiver Betrachtung nicht anders entschieden werden, als dass aus überwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber den eigenen Interessen des Beschwerdeführers die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel angeordnet werden musste. In Bedachtnahme der Sachlage ist wohl auch entscheidungsrelevant, dass bei einer derartiger örtlicher Ungebundenheit und flexibler Umsetzung spontaner Entscheidungen, die der Beschwerdeführer in dessen Art und Weise abseits herkömmlicher und allgemeiner Verhaltensweisen aufgezeigt und bewerkstelligt hat, die österreichische Rechtslage in Bedachtnahme und Umsetzung der Rückführungsrichtlinien nicht besonders förderlich ist. Denn einerseits wird, bzw. wurde der Beschwerdeführer nach den geltenden Richtlinien bereits im Bescheid des Bundesasylamtes darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Ausweisungsentscheidung in den massiv negierten Mitgliedstaat Italien durchsetzbar erlassen wurde, und der Beschwerdeführer somit unverzüglich das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen habe. Wessen der Beschwerdeführer nebenbei vermerkt, bislang weder angedacht, noch sich darüber erkundigt, geschweige dem nachgekommen ist. In zweiter und weiterer Hinsicht ist dazu auch die verpflichtende Zuweisung der Rechtsberatung nicht besonders förderlich, indem der Beschwerdeführer über die Konsequenz der durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung rechtsberaten und aufgeklärt wird. Wodurch in Bedachtnahme der gewohnten Manier des Beschwerdeführers - in dem nur eine geringe Mitteilung oder ein kleinster Hinweis darüber, dass er keinen Aufenthaltstitel und keine weitere Versorgung erlangt - zwingend ab diesen Zeitpunkt davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer ebenso wie in Italien und in der Schweiz auch in Österreich nunmehr ab sofort und jederzeit in die Anonymität abtauchen und seine Reiseaktivitäten weiter fortsetzen werde. Wie in der Beschwerdeschrift auch vorgebracht, ist der Beschwerdeführer darüber hinaus seitens der Rechtsberatung und nunmehrigen Vertretung darüber hingewiesen und belehrt worden, dass offensichtlich, wessen zwar nicht dem ha. Amtswissen aber dennoch den für den Beschwerdeführer glaubhaften Ausführungen seiner Vertretung entspricht, die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz für den Beschwerdeführer mit Dublinbezug Italien als geeigneter erscheint.

In besonderer Berücksichtigung des Art. 13 der Dublinverordnung obwiegt im vorliegenden Einzelfall jedenfalls das öffentliche Interesse gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers weswegen zwingend freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen anstelle gelinderer Mittel anzuwenden waren.

Zudem wird unterstreichend abschließend auch hervorgehoben, dass eine Anwendung gelinderer Mittel ein gewisses Ausmaß an entgegenzubringendes Vertrauen voraussetzt. In der gezeigten Handlungsweise und Absichten untermauerte der Beschwerdeführer allerdings nicht zuletzt auch mit der Verwendung mehrerer Identitäten und dem bewussten Zurücklassen oder Unterdrücken von Dokumente und Beweismittel, dass er tatsächlich an einem Mitwirken im Verfahren einerseits und an einem Vor- und Entgegenbringen eines gewissen Vertrauens erst gar nicht gewillt ist. Denn von einem unautorisiert eingereisten Fremden, welcher zudem nicht seine Identität nachzuweisen vermag, welcher darüber hinaus die im fremden Land lebenden gemeinschaftlichen Bürger um Schutz vor Verfolgung ersucht, und im Weiteren aus öffentlichen Mitteln um Unterstützung und Versorgung bittet, kann wohl als Geringstes abverlangt werden, dass der Fremde zumindest jene Unterlagen und Beweisstücke mit sich führt und vorlegt, welche er jedenfalls besitz oder erhalten hat. Sein Reisedokument und seinen Einreise- und Aufenthaltstitel von Italien zu unterdrücken, Unterlagen von Italien, möglicherweise auch von der Schweiz nicht mitzuführen und vorzulegen, welche zumindest seine angeführte Identität nachweisen oder glaubhaft belegen würde, legt die tatsächlichen Interessen des Beschwerdeführers nahe und untermauert die Tatsache, dass er in seinem Verantwortungsbewusstsein nicht soweit vertrauenswürdig ist, als dass in Bedachtnahme der gegenständliche Sachlage gelindere Mittel als Sicherungsmaßnahme angewendet werden könnten.

Im vorliegenden Fall konnte in der Gesamtschau des Sachverhaltes nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer sein Verhalten geändert und eine Tendenz dahingehend nunmehr zeigen würde, die Einhaltung der Rechtsordnung und Rechtsbestimmung zu akzeptieren. Es war nicht zu erkennen und daher auch nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr die Rechtsordnung befolgen und sich zur Verfügung der Behörde halten werde. Folglich konnte mit vorliegenden Sachverhalt kein Anhaltspunkt erkannt werden, der für den Fremden spreche und eine Sicherung des Ausweisungsverfahrens und eine Sicherung der Abschiebung abseits der Schubhaft mit einem gelinderen Mittel zulassen würde.

Mit vorliegenden Sachverhalt wird dringend die kostenpflichtige Abweisung, bzw. allenfalls die kostenpflichtige Zurückweisung beantragt, um die unmittelbar bevorstehende Rückführung in den von dem Beschwerdeführer massiv negierten Mitgliedstaat Italien auch sichern und letztlich in vorhersehbarer kurzer Zeit den illegalen Aufenthalt des Fremden mit einer Abschiebung vollziehen und ein Abtauchen in die Anonymität und neuerlichen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet verhindern und unterbinden zu können.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3.4. Das Vorbringen des Bw ist über weite Strecken nicht glaubhaft.

 

In der Beschwerdeschrift wird der "Sachverhalt" verkürzt und teilweise aktenwidrig dargestellt. Schon alleine durch die Verkürzung erscheint dieser mehrdeutig.

 

So geht die Vertreterin in der Beschwerde davon aus, dass der Bf im Jahr 2009 aufgrund wohlbegründeter Furcht seine Heimat verlassen musste, nachdem seine Ehegattin bei einem Massaker ums Leben gekommen sei.

 

Bei der Erstbefragung am 22. Mai 2012 brachte der Bf noch vor, dass seine Frau X X 2010 (!) verstorben sei. In der Folge gab der Bf an, dass diese 2010 von Soldaten ermordet worden wäre.

 

Im Zuge der Erstbefragung erstattete der Bf eine ausführliche Reisebeschreibung und machte umfassende Angaben zu seiner Person und die seiner Familienangehörigen. Bei der niederschriftlichen Befragung durch die Asylbehörde am 31. Mai 2012 bestätigte der Bf, dass es sich bei den getätigten Angaben um die Wahrheit handle. Im Zuge der Konsultationen mit Italien kam am 14. Juni 2012 hervor, dass der Bf in Italien unter dem Namen "X Xr" aufgetreten sei. Am 21. Juni 2012 wurde der Bf neuerlich niederschriftlich befragt. Nach dem Vorhalt, ob er die bisherigen Angaben aufrecht erhalte, sagte der Bf aus, dass es einige Dinge gebe, die er gesagt habe und die nicht der Wahrheit entsprechen würden. So habe er in Italien den Namen "X Xr" (geboren am X) geführt. Die Angaben den Aufenthalt betreffend würden stimmen. Nachdem der Rechtsberater dem Bf seine "Reisebewegungen" vorgehalten hatte sagte der Bf, dass "die Angaben bei der Erstbefragung nicht stimmen" würden, da er "gelogen" habe. Er sei nicht in Lampedusa gewesen sondern "direkt von seinem Heimatland mit einem Visum [in Italien] eingereist". Dieses "Papier" habe er bereits im Heimatland bekommen und sei mit "Chiamata" bezeichnet worden (gemeint wohl: "permesso di chiamata di" – Besuchserlaubnis). Ihm sei gesagt worden, dass man damit in Italien arbeiten könne. Deshalb sei er nach Italien gereist. Die Einreise sei im Jahr 2009 erfolgt. Fallweise habe er in Kalabrien gearbeitet. Aufgrund der ausweglosen Situation (keine legale Beschäftigung, anstelle einer Hilfeleistung eine Bedrohung, illegaler Aufenthalt) habe er beschlossen nach Österreich zu gehen. Erst bei neuerliche Nachfrage gestand der Bf ein, dass sein "Aufenthaltstitel" verlängert worden sei und er die Erlaubnis für zwei weitere Jahre erhalten habe. Insgesamt habe er sich drei Jahre in Italien aufgehalten und aus den genannten Gründen Italien verlassen.

 

Der Bf hat während des bisherigen Verfahren behauptet, über keine Identitätsdokumente und auch über keinen Reisepass zu verfügen, darüber hinaus nie welche besessen zu haben. Trotzdem will er ausschließlich mit einer Besuchserlaubnis direkt in Italien eingereist sein. Dass eine Verlängerung der Besuchserlaubnis in Italien ohne Identitätsnachweis stattgefunden hat, ist ebenso wenig glaubhaft wie die undokumentiert vorgebrachte Anzeigeerstattung (vorerst nur Körperverletzung danach Fahrerflucht und Körperverletzung) und die Einweisung in ein Krankenhaus. Warum er sich in Italien einer anderen Identität als bei der Asylantragstellung in Österreich bediente, fand der Bf zu keinem Zeitpunkt erwähnenswert. In Kenntnis des Wissenstandes der Asylbehörde gab der Bf die in Italien verwendeten Namen bekannt.

 

Wie den einzelnen Niederschriften und der Beschwerdeschrift entnommen werden kann, hat der Bf anlassbezogen seine Darstellungen angepasst.

 

Unbestritten ist, dass der Bf unter keinen Umständen nach Italien zurückkehren möchte, weder in der Schweiz noch in Italien einen Asylantrag gestellt hat, seine Identität nicht geklärt ist, er sich verschiedener Personalien bedient und unterschiedliche Reisewege, Reisezeiten und Aufenthaltsdauern angegeben hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 49/2012, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 26. Juni 2012 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1.       gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5        AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2.       eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der      Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3.       der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4.       der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5.       der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach
§ 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

4.3. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 22. Mai 2012 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat. Nachdem die behördlichen Ermittlungen ergaben, dass sich der Bf bereits in Italien aufgehalten hat, wurde der Asylantrag mit Bescheid des Bundesasylamtes EAST-West vom 22. Juni 2012, AZ 12 06.268, gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen, gleichzeitig die Ausweisung gemäß § 10 AsylG nach Italien verfügt und für zulässig erachtet.

 

Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einer Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Beschwerde gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom Asylgerichtshof zuerkannt wird.

 

Laut Mitteilung des Asylgerichtshofes sind die Beschwerde und der Asylakt eingelangt (Eintragung im AI/DGA am 5. Juli 2012). Bis dato erkannte der Asylgerichtshof der Beschwerde nicht die aufschiebende Wirkung zu. Es ist daher völlig unbestritten, dass im in Rede stehenden Fall eine durchsetzbare Ausweisung vorliegt und dem Bf im Übrigen auch kein faktischer Abschiebeschutz zukommt.

 

Es liegen somit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG vor.

 

4.4.1. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg. cit., der mit der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 introduziert wurde, grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten 5 Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer Alternativen des     § 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Ein Vergleich mit den Materialien zeigt zudem, dass durch diese Norm das Institut des gelinderen Mittels nach § 77 FPG unberührt bleibt und somit in die Erörterung miteinzubeziehen ist.

 

4.4.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich betreffend den Sicherungsbedarf ein eindeutiges Bild:

 

Die Identität des Bf ist nicht geklärt. Aus der Aktenlage ist nicht abzuleiten, dass der Bf bereit wäre, an der Identitätsklärung mitzuwirken. Wie der der Beschwerde beigelegten Vollmacht zu entnehmen ist, tritt der Bf unter den im Asylverfahren angegebenen Personaldaten auf. In der Beschwerdeschrift ist der Bf auf die unterschiedlichen Datensätze nicht eingegangen, obwohl die Vertreterin vorbringt, dass der Bf mit einem (unverfälschten) Visum (ausgestellt auf den in Italien verwendeten Namen) in Italien eingereist ist. Da auch der Bf von einer direkten Einreise in Italien im Jahr 2009 gesprochen hat, wird davon auszugehen sein, dass er mit einem auf seinen Namen lautenden Reisedokument samt Visum (Besuchserlaubnis) gereist ist. Im Verfahren hat der Bf aber durchgehend bestritten, über ein Reisedokument zu verfügen bzw. Identitätspapiere zu besitzen. Diese Vorgangsweise deutet darauf hin, dass der Bf mit aller Macht eine Identifizierung seiner Personen verhindern möchte. Die Verwendung der Aliasdaten gestand der Bf erst ein, als er von der Antwort der italienischen Behörden im Konsultationsverfahren Kenntnis erlangte. Sollte die letzte Version (Aufenthalt in Italien) zutreffen, dann wäre davon auszugehen, dass der Name Xr X den Tatsachen entspricht. Unter diesem Namen gelangte der Bf nach Italien. Es ist daher naheliegend, dass er nach Vorlage von Identitätspapieren die Besuchserlaubnis verlängert erhalten hat und auch die Anzeige wegen der Körperverletzung / Fahrerflucht und die Einweisung in das Krankenhaus einer Identifizierung bedurfte.

 

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der Bf bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in der Folge vor dem Bundesasylamt ausschließlich wirtschaftliche Gründe für den Aufenthalt in Italien vorgebracht. Nicht die nunmehr vorgebrachten Umstände im Herkunftsstaat sondern die Arbeitsaufnahme in Italien haben den Bf veranlasst seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Dass er aus "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seine Heimat verlassen habe", wurde erstmals in der Beschwerdeschrift geäußert und musste als nicht glaubhaft gewertet werden. Wie sich eindeutig allen Protokollen entnehmen lässt, beabsichtigte der Bf erst nach seiner Einreise in Österreich die Stellung eines Asylantrages. Eine Asylantragstellung in Italien war zu keinem Zeitpunkt geplant. Der Bf hielt sich in Italien nicht auf, weil er Schutz vor Verfolgung suchte, sondern weil er arbeiten und Geld verdienen wollte. Wie bereits ausgeführt, versucht die Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde ein anderes Bild zu zeichnen. Die Einsichtnahme in die Protokolle lässt dies nicht zu. Die Fragen nach einer allfälligen Stellung eines Asylantrages in Italien beantwortete der Bf damit, dass er in Italien als Erntehelfer gearbeitet und Geld verdient habe (Erstbefragung Seite 4; Befragung durch das Bundesasylamt am 31. Mai 2012). Nachdem der Bf in der weiteren Befragung am 22. Juni 2012 Kenntnis von der Mitteilung der italienischen Behörde erlangte (wahre Identität [?], Aufenthaltsdauer) behauptete er entgegen dem bisherigen Vorbringen einen Asylantrag wegen der mangelnden staatlichen Unterstützung nicht gestellt zu haben. Um eine Abschiebung nach Italien mittels vorgeschobener Gründe zu verhindern, veränderte der Bf sein bisheriges Vorbringen und konstruierte ein seine Person betreffendes Gefährdungspotential. War ursprünglich (Erstbefragung) keine Bedrohungssituation gegeben (fehlende Papiere als Ausreisegrund), brachte der Bf, nachdem er auch bei Niederschrift am 31. Mai 2012 kein ihn treffendes Gefahrenpotential geäußert hatte, bei der ergänzenden Befragung am 22. Juni 2012 vor, dass er nicht nach Italien zurück möchte, da man (!) dort keine Hilfe erhalten und man (!) auch geschlagen werde. Im Hinblick auf diese allgemein gehaltenen Ausführungen brachte der Bf erst nach dezitierter Frage vor, dass er von zwei Männern, die mit dem Auto gekommen seien, angegriffen und geschlagen worden wäre. Im Zusammenhang mit der wiederholten Frage nach einer Asylantragstellung in Italien steigerte der Bf nochmals sein Vorbringen. Um eine Rückkehr nach Italien hintan zu halten sagte der Bf, dass er mit dem Auto "niedergefahren und geschlagen" worden sei. Da man (!) ihm nach dem Leben trachte, könne er keinesfalls nach Italien zurückkehren.

 

Das bisherige Verhalten und die angepasste, situationsbedingte Verantwortung des Bf zeigen deutlich auf, dass er eine Rückkehr nach Italien mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern trachtet. Die Gründe sind nicht auf eine allfällige Bedrohungssituation in Italien zurückzuführen. Zutreffender ist, dass sich die wirtschaftliche Lage für den Bf derart verschlechtert hatte, dass er sein Fortkommen nicht mehr als gesichert angesehen hat. Nur so ist auch zu verstehen, dass der Bf "keinen anderen Ausweg sah, einen Asylantrag in Österreich" zu stellen (siehe Beschwerdeschrift Seite 2). Dieser sollte  ausschließlich der Aufenthaltssicherung dienen.

 

Aus dem Verhalten des Bf ist abzuleiten, dass er keinesfalls gewillt ist, sich den Rechtsvorschriften des Gastlandes unterzuordnen. Obwohl ihm Italien jahrelang ein Aufenthaltsrecht zugebilligt hat, lebte er fast ausschließlich im Untergrund, ging illegalen Beschäftigungen nach und vermied Behördenkontakte. Nachdem die wirtschaftliche Lage für den Bf in Italien unerträglich wurde, suchte er vorerst einen Ausweg in der Schweiz. Den Aufenthalt und die Asylverfahrensführung in Österreich hatte der Bf ursprünglich nicht angestrebt. Ohne sich hier in allgemeine Unterstellungen zu verlieren erweckt der Bf ganz konkret den Eindruck, dass es ihm jedenfalls auf die Erlangung des Verbleibs in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Land der Europäischen Union – völlig losgelöst von einer allfälligen asylrelevanten Bedrohungssituation - ankommt.

 

Der belangten Behörde folgend ist festzuhalten, dass der mittellose Bf geradezu darauf angewiesen ist, der drohenden Abschiebung nach Italien, wo er bei unveränderter Sachlage mit hoher Wahrscheinlichkeit in sein Heimatland abgeschoben werden wird, durch ein Untertauchen in die Illegalität zu entgehen. Dabei aber kann er seinen Lebensunterhalt – wie bisher in Italien - nur entgegen den arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen bestreiten, weshalb die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde aufrecht erhalten werden kann.

 

Der Bf verfügt laut seinen eigenen Angaben zudem über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet und auch über keine Verwandten innerhalb des Gebietes der Europäischen Union.

 

Die mehrfach geäußerte Weigerung des Bf nach Italien zurückzukehren erscheint demnach unter einem besonderen Licht und ist nicht mit den Fällen zu vergleichen, in denen die Höchstgerichte die bloße Ausreiseunwilligkeit allein als nicht ausreichend sahen, einen Sicherungsbedarf zu begründen.

 

Der Bf hat in der Vergangenheit sehr wohl bewiesen, dass er bereit ist fremdenpolizeiliche Maßnahmen zu unterlaufen, um sein Ziel der Sicherung des von ihm angestrebten Lebensstandards in einem für ihn attraktiven Staat zu erreichen. Dabei ist sein Vorgehen als durchaus strategisch orientiert zu bewerten. Da nun aber die Abschiebung nach Italien (die Zustimmung zur Führung des Asylverfahrens wurde bereits erteilt) unmittelbar bevorsteht, verdichtet sich der ab der negativen Asylentscheidung am 26. Juni 2012 massiv gegebene Sicherungsbedarf noch weiter.

 

4.4.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – spätestens ab dem Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlich negativen Asylbescheides am 26. Juni 2012  fraglos dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen. Diese bestand aber schon zweifellos zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme.

 

4.5. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

4.6. Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf schon in der Vergangenheit bewies, dass er nicht bereit ist, rechtlichen Vorgaben zu entsprechen.

 

4.7. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt.

 

4.8.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden,  bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.       zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.       vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

4.8.2. Der Bf wird gegenwärtig seit 14 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch längere Zeit andauern werde, zumal die Abschiebung des Bf nach Italien in absehbarer Zeit erfolgen soll.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Italien, ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung sprechen würden.

 

Der Bf hat zwar in der Beschwerdeschrift eine Abschiebung nach Italien wegen einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK für nicht zulässig erachtet, diesbezüglich zahlreiche Judikate zitiert, jedoch nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwieweit ihm eine derartige Rechtsverletzung in Italien drohe. Wie der Bf selbst ausführt, sind die angeführten Entscheidungen einzelfallbezogen ergangen (ca. 50 % aller Ausweisungen in Deutschland werden ausgesetzt; Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Asylgerichtshof in mehreren Fällen, jedoch "noch keine einheitliche Rechtsprechung des Asylgerichtshofes").

 

4.9. Es sind zudem derzeit keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 4. Juli 2012 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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