Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167039/2/Bi/Kr

Linz, 13.07.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, X, X, vertreten durch Herrn RA Mag. X, X, X, vom 15. Juni 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Grieskirchen vom 21. Mai 2012, VerkR96-5691-2012, wegen Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 16 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 80 Euro (16 Stunden EFS) verhängt, weil er als Zulassungs­­besitzer des Kraftfahrzeuges X (D) trotz schriftlicher Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 Kraftfahrgesetz 1967 der BH Grieskirchen vom 2. April 2012, VerkR96-3452-2012, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt habe, wer das genannte Kraftfahrzeug am 23. Februar 2012 um 7.24 Uhr verwendet habe oder wer diese Auskunft erteilen könne. Er habe diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen gesetzliche Frist von zwei Wochen erteilt und auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können, zumal er mit Schreiben vom 17. April 2012 mitgeteilt habe, dass er nicht mehr zuordnen könne, wer das Kraftfahrzeug zum Tatzeit­punkt gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 8 Euro auferlegt.

     

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe fristgerecht Auskunft erteilt, nämlich dass er nicht sagen könne, wer das Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Es handle sich um ein Familienfahrzeug, das regelmäßig von mehreren Familienmitgliedern benutzt werde. Deshalb sei Akteneinsicht beantragt worden, um den Lenker verifizieren zu  können. Auch die Aktenein­sicht­nahme habe diesbezüglich nichts ergeben, weil das Lichtbild von hinten aufgenommen sei. Es handle sich um ein deutsches Fahrzeug und in seinem Heimatstaat bestehe keine Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen. Ein konkretes überraschend rückwirkendes Auskunftsverlangen bezogen auf einen mehrere Monate zurückliegenden Zeitpunkt sei rechtswidrig und auf eine tat­sächliche wie rechtliche Unmöglichkeit gerichtet. Beantragt wird Verfahrens­einstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus der Anzeige geht hervor, dass der Bw Zulassungsbesitzer des Pkw X ist. Dieser wurde mittels stationärem Radar MUVR 6FA 3064, Nr.04, am
23. Februar 2012 um 7.24 Uhr auf der A8 Innkreisautobahn im Gemeindegebiet Weibern bei km 38.295 in Fahrtrichtung Wels im Bereich der auf Autobahnen erlaubten Höchstgeschwindig­keit von 130 km/h mit 153 km/h gemessen – abzüglich der vom Hersteller vorgeschriebenen Toleranzen von 5% aufgerundet (das sind 8 km/h) ergibt das eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von
145 km/h, dh eine Überschreitung um 15 km/h.

 

Die diesbezügliche Strafverfügung der Erstinstanz vom 6. März 2012 hat der Bw fristgerecht ohne Begründung beeinsprucht, worauf das Radarfoto – naturgemäß bei Dunkelheit und von hinten aufgenommen, aber mit eindeutig ablesbarem Kennzeichen – angefordert und der Bw zu Handen seines (österreichischen) Rechtsvertreters mit Schreiben der Erstinstanz als Tatortbehörde vom 2. April 2012 gemäß § 103 Abs.2 KFG als Zulassungsbesitzer des genannten Kraftfahr­zeuges aufgefordert wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens mitzuteilen, wer den Pkw am 23. Februar 2012 um 7.24 Uhr gelenkt habe, oder die Person zu benennen, die die verlangte Auskunft erteilen könne. Dem Bw wurde der Grund für die Anfrage mitgeteilt und er darauf hingewiesen, dass eine nicht "eindeutige", ungenaue oder unvollständige Auskunft bzw deren Verweigerung als Verwaltungsüber­tretung strafbar sei. Die Zustellung erfolgte am 3. April 2012 an den Rechtsvertreter, der mit Schriftsatz vom 17. April 2012 mitteilte, er habe mit dem Einspruch um Akteneinsicht ersucht, aber die Behörde habe der Aufforderung vom 2. April 2012 lediglich ein Radarbild vorgelegt, das den Pkw von hinten zeige, und die Anzeige. Der Bw habe trotz intensiver Nachforschungen innerhalb der Familie den Lenker nicht eruieren können und ein Fahrtenbuch werde nicht geführt, zumal dazu auch keine Verpflichtung bestehe.

 

Die Erstinstanz hat der Verwaltungsstrafverfahren wegen der Geschwindig­keitsüber­schreitung gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt, allerdings gegen den Bw als Zulassungsbesitzer eine Strafverfügung wegen Übertretung des KFG 1967 erlassen, die ebenfalls fristgerecht beeinsprucht wurde. Der Bw führte darin aus, er habe sich um Eruierung des Lenkers bemüht; er selbst habe sich am
23. Februar 2012 auf einer Reise nach Tschechien befunden. Da mehrere Personen Zugang zum Fahrzeug hätten, könne für diesen Tag keine konkrete Person benannt werden; es habe aber keine größere Urlaubsreise vorgelegen.  

Daraufhin erging das angefochtene Straferkenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen,

wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraft­fahr­zeug ge­lenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger ver­wendet hat bzw zu­letzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der be­treffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Aus­kunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Aus­kunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten er­scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeich­nun­gen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunfts­verweigerung zurück.

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zu­grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines KFZ jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (vgl VwGH 18.11.1992, 91/03/0294; 22.3.2000, 99/03/0434; uva).

 

Dass im ggst Fall österreichisches Recht anzuwenden ist – was selbstverständlich auch bedeutet, dass sich ein deutscher Lenker an in Österreich geltende Geschwin­digkeits­beschränkungen ebenso zu halten hat wie er sich über in Österreich für Zulassungsbesitzer von Kraftfahrzeugen geltende Verpflichtungen wie zB das Führen von Aufzeichnungen, wenn er sein Fahrzeug mehreren Personen zum Lenken überlässt und ohne solche keine Lenkerauskunft mehr erteilten kann – müsste dem Bw nach dem auch in Deutschland geltenden Territorialitätsprinzip klar sein.

 

Der im Verfassungsrang stehende letzte Satz des § 103 Abs.2 KFG normiert, dass gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten. Obwohl gegen den Bw zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage bereits ein Verwaltungsstraf­verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anhängig war, das mittlerweile eingestellt wurde, war zu diesem Zeitpunkt, nicht zuletzt aufgrund der Verantwortung des Bw im Einspruch vom 14. März 2012, noch nicht klar, ob er selbst dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat.

 

Die Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs.2 KFG 1967 hatte daher den Zweck, den Kraftfahrzeuglenker festzustellen bzw einen Verdächtigen zu ermitteln und  erging an den Bw in der Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Pkws. Eine im Administrativverfahren in Erfahrung gebrachte Lenkereigenschaft hätte kein rechts­widrig erlangtes Beweismittel dargestellt und wäre somit auch keinem Beweisverwertungsverbot unterlegen. Der Zwang zur Lenkerbekanntgabe ist zwar straf­recht­­licher Natur; er ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sich jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraft­fahrzeuges verbunden sind. In Österreich gehört die Verfassungs­bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG zu eben diesen Regeln (vgl EGMR zur mit der in Österreich vergleichbaren britischen Rechtslage in den Fällen X und X, BeschwerdeNrn 15809/02 und 25624/02): der EGMR hielt im Urteil der Großen Kammer vom 29. Juni 2007 fest, dass die Verpflichtung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers keine Verletzung der Art.6 Abs.1 und Art.6 Abs.2 EMRK darstellt. Begründet wurde dies damit, dass das Recht zu schweigen kein absolutes Recht darstellt, sondern dass es von den Umständen des konkreten Falles abhängt, ob das Verfahren "fair" im Sinne des Art.6 EMRK ist. Dabei hat der EGMR die Art des Zwanges zur Bekanntgabe des Lenkers nicht als besonders schwer angesehen, weil einem Zulassungsbesitzer die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe von vornherein bekannt war. Niemand ist verpflichtet, Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges zu werden; wer aber ein Kraftfahrzeug hält (und mit diesem am Verkehr teilnimmt), akzeptiert damit auch bestimmte Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen, zu welchen es auch gehört, die Behörden im konkreten Fall über die Identität des Lenkers zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuklären.

 

Der Bw hat sich daher seine Nichterteilung der konkret verlangten Auskunft  - eine bloße Reaktion auf das Auskunftsersuchen im Sinne einer Lesebestätigung ist keine Auskunftserteilung – sehr wohl zurechnen zu lassen und musste ihm das aufgrund der Aufklärung über die österreichische Rechtslage im Ersuchen selbst auch bewusst sein. Eine behauptete Unkenntnis der Rechtslage ist somit nicht gegeben – der Bw war zum Zeitpunkt der Lenkererhebung auch bereits durch einen (auch) in Österreich zugelassenen Rechtsanwalt vertreten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand verwirklicht hat, wobei ihm beim Ungehorsams­delikt des §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 (vgl VwGH 28.3.2006, 2002/03/0264; ua) die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, sodass er sein Verhalten als Verwaltungs­über­tretung zu verantworten hat.

 

Bei der Nichterteilung der verlangten Lenkerauskunft kann auch nicht von geringfügigem Verschulden des Bw ausgegangen werden, weil er in der § 103 Abs.2 KFG 1967 betreffenden Rechtsbelehrung im Ersuchen um Lenkerauskunft auf die Strafbarkeit einer Nichterteilung, unrichtigen oder nicht fristgerechten Erteilung einer Lenkerauskunft dezidiert hingewiesen wurde. Abgesehen davon ist die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 21 VStG außerdem an das Vorliegen der weiteren Voraussetzung geknüpft, dass die Nichterteilung der Lenkeraus­kunft im ggst Fall lediglich unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Dadurch dass der Bw der Behörde die Identität des Lenkers rechtswidrig vorenthalten hat, hat er dessen Verfolgung in spezialpräventiver Hinsicht wirksam unterbunden.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs  Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 


Die Erstinstanz hat laut Begründung des Straferkenntnisses die Unbescholtenheit des Bw berücksichtigt, nichts als erschwerend gewertet und die finanziellen Verhältnisse – unwidersprochen – auf 1.500 Euro Nettomonatseinkommen bei Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten geschätzt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann im Ergebnis nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgend einer Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe berücksichtigt die Kriterien des § 19 VStG, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Straf­rahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand, sodass eine Strafherabsetzung in keiner Weise gerechtfertigt anzusehen war. Weitere Strafmilderungs- oder Erschwerungsgründe lagen nicht vor; § 20 VStG war mangels Untergrenze des Strafrahmens nicht anwendbar.

Auch wenn in Deutschland rechts­kräftige österreichische Verwaltungsstrafen wegen § 103 Abs.2 KFG 1967 entgegen dem Rechtshilfe­abkommen nicht vollstreckt werden sollten, bleiben sie in Österreich (zB im Rahmen einer Verkehrskontrolle) vollstreckbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

 


Beschlagwortung:

 

deutscher Zulassungsbesitzer, Lenkerauskunft

 

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